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Filesharing: LG Bielefeld bestätigt die Rechtsprechung zur 3jährigen Verjährungsfrist des AG Bielefeld

Das Landgericht Bielefeld hat mit Beschluss vom 06.02.2015, Az. 20 S 65/14, die Praxis des Amstgericht Bielefeld zur  3-jährigen Regelverjährungsfrist des § 195 BGB für den Anspruch auf Zahlung von (fiktiven) Lizenzgebühren bestätigt und der Anwendung der Bestimmungen der §§ 102 S. 2 UrhG, 852 BGB eine Absage erteilt.

Der Beschluss:
Tenor: 
I.
wird darauf hingewiesen, dass der Berufung der Klägerin gegen das am
24.04.2014 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bielefeld offensichtlich keine
Aussicht auf Erfolg zukommt.
Weder beruht die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§
546 ZPO), noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen
eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
Das Amtsgericht hat die Klage im Ergebnis
zu Recht abgewiesen, da ein etwaiger Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten
aus § 97 UrhG (Schadensersatz aus Lizenzanalogie) jedenfalls verjährt und ein
etwaiger Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten aus § 97a UrhG
(Aufwendungsersatz – Erstattung von Abmahnkosten) bereits unbegründet ist.
1)
Zutreffend hat das Amtsgericht zunächst die 3-jährige Regelverjährungsfrist
des § 195 BGB zugrunde gelegt. Auch nach Auffassung der Kammer sind auf den von
der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von (fiktiven)
Lizenzgebühren die Bestimmungen der §§ 102 S. 2 UrhG, 852 BGB nicht anzuwenden.
Soweit die Klägerin hierzu auf das BGH-Urteil vom 27. Oktober 2011 (Az. I
ZR 175/10; „Bochumer Weihnachtsmarkt“) abstellt, verfängt dies nicht. Dort ging
es in der Sache um eine unterlassene, aber grundsätzlich mögliche Einholung der
Erlaubnis der dortigen Klägerin für die vorgenommene Nutzung von Musikwerken im
Rahmen einer Freiluftveranstaltung, aufgrund derer im Wege des Schadensersatzes
nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie die ersparte Tarifvergütung zu
entrichten war. Grundlage dieser Entscheidung war jedoch, dass die Wahrnehmung
der maßgeblichen Urheberrechte typischerweise nur gegen eine Lizenzgebühr
eingeräumt wird, indem die Rechtswahrnehmung bei der Klägerin als
Verwertungsgesellschaft zu lizensieren war.
Vorliegend liegen die tatsächlichen Verhältnisse allerdings grundlegend
anders. Während die Verwertungsgesellschaft GEMA es einem Nutzer ermöglicht,
einen urheberrechtlichen Lizenzvertrag über die von ihm gewünschte Musiknutzung
abzuschließen, besteht in Filesharingangelegenheiten eine solche Möglichkeit
nach dem Vorbringen der Klägerin nicht. Vorliegend hätte der Beklagte daher –
wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat – selbst dann, wenn er dies
gewollt hätte, mit der Zedentin keinen urheberrechtlichen Lizenzvertrag über
eine Weiterverbreitung des gegenständlichen Filmwerks im Rahmen eines
Filesharing-Systems schließen können. Auch liegt der Hauptzweck des typischen
Nutzers einer Internettauschbörse darin, das Film- oder Musikwerk zu erhalten
und nicht in dessen darüber hinausgehender Verbreitung. Hierfür wäre aber auch
bei einer legalen Vorgehensweise gerade keine Lizenzgebühr, sondern allenfalls
der übliche Verkaufspreis etwa einer DVD gezahlt worden (so insgesamt neben dem
Amtsgericht Bielefeld auch AG Düsseldorf, Urteil vom 24.07.2014 – 57 C 15659/13
–, juris; AG Kassel, Urteil vom 24.07.2014, – 410 C 625/14 – juris; AG
Hannover, Urteil vom 09.01.2015, – 424 C 7759/14 –, juris).
2)
Entgegen der Annahme der Klägerin ist die Verjährung des Schadensersatzanspruchs
auch nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB i.V. mit § 167 ZPO durch den
Mahnbescheid gehemmt worden.
Der Mahnbescheid, den die Klägerin erwirkt hat, zeigt Mängel der
Anspruchsbezeichnung, die einer verjährungshemmenden Wirkung seiner Zustellung
entgegenstehen.
Wie auch bereits in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, hemmt ein
Mahnbescheid nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die
Verjährung nur dann, wenn der geltend gemachte Anspruch nach § 690 Abs. 1 Nr. 3
ZPO hinreichend bezeichnet worden ist. Er muss durch seine Kennzeichnung von
anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt werden, dass er Grundlage
eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein und der
Schuldner beurteilen kann, ob und in welchem Umfang er sich zur Wehr setzen
will (vgl. nur BGH, Urteil vom 10. Juli 2008, – IX ZR 160/07 –, juris).
Macht der Antragsteller – wie hier – eine Mehrzahl von Einzelforderungen
geltend, dann muss er, um den Anforderungen des § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gerecht
zu werden, den angegebenen Gesamtbetrag bereits im Mahnbescheid derart
aufschlüsseln, dass der Antragsgegner dessen Zusammensetzung aus für ihn
unterscheidbaren Ansprüchen erkennen kann (BGH aaO; NJW 2009, 56; NJW 2011,
613, 614 Rdn. 14). Die Einzelforderungen müssen dann nach
Individualisierungsmerkmalen und Betrag bestimmt sein (BGH, NJW 2008, 1220; NJW
2001, 305).
Diesen Anforderungen entspricht der vorliegende Mahnbescheid nicht. Die im
Mahnbescheidsantrag enthaltene Beschreibung des geltend gemachten Anspruchs war
vielmehr ungeeignet, Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Titels
zu sein. Seitens der Klägerin wurde sowohl Schadensersatz gemäß § 97 Abs. 2 S.
1 UrhG als auch Aufwendungsersatz gemäß § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG a.F. geltend
gemacht. Dem Beklagten war es vorliegend jedoch nicht möglich, allein aufgrund
der Bezeichnung des im Mahnverfahren einheitlich geltend gemachten Anspruchs
als „Schadenersatz aus Unfall/Vorfall gem. Schadenersatz (Fileshari 6800 vom
05.11.09“ zu erkennen, welche konkreten Ansprüche in jeweils welcher Höhe gegen
ihn geltend gemacht werden. Es war daraus schon nicht erkennbar, dass überhaupt
zwei unterschiedliche Ansprüche geltend gemacht werden. Auf ein weiterführendes
Anspruchsschreiben – welches für die Konkretisierung gegebenenfalls zu
berücksichtigen wäre – wird in dem Mahnbescheid nicht verwiesen. Soweit man das
dem Beklagten bei Zustellung des Mahnbescheids bereits bekannte Abmahnschreiben
vom 12.01.2010 für eine Konkretisierung heranziehen wollte, so ergibt sich auch
daraus weder eine Aufschlüsselung des mit dem Mahnbescheid geltend gemachten
Betrags in Höhe von 1.298,00 €, noch wird dieser überhaupt darin genannt. Zur
Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Ausführungen des
Amtsgerichts Bezug genommen, welches im erstinstanzlichen Urteil klar
herausgestellt hat, dass und inwieweit diverse betragsmäßig voneinander
abweichende Zahlbeträge genannt worden sind.
Da es sich um eine Mehrzahl von selbständigen, auf unterschiedlichen
Anspruchsgrundlagen beruhenden Forderungen handelt, kann die Klägerin auch
gerade nicht mit Erfolg damit gehört werden, es handele sich – wie in der von
ihr angeführten Entscheidung (BGH, NJW 2013, 3509) – um einen Fall, in dem
lediglich ein einheitlicher Anspruch mit mehreren Rechnungsposten geltend
gemacht werde, deren Substantiierung noch im Laufe des streitigen Verfahren nachgeholt
werden könne.
3)
Die verjährungshemmende Wirkung des Mahnbescheids ist auch nicht
rückwirkend durch die im Klageverfahren mit der Anspruchsbegründung vom
16.08.2013 ordnungsgemäß nachgeholte Individualisierung des
Schadensersatzanspruchs eingetreten. Dies hätte erfordert, dass die Klägerin –
was hier aufgrund der Auskunftserteilung gemäß Anlage K8 nicht der Fall war –
die geltend gemachten Ansprüche in nicht rechtsverjährter Zeit, also vor Ablauf
des 31.12.2012, individualisiert hätte. Eine rückwirkende Heilung durch eine
nachträgliche Individualisierung der Klageforderung nach Ablauf der
Verjährungsfrist kommt nicht in Betracht (BGH NJW 2009, 56).
4)
Auch hinsichtlich des Aufwendungsersatzanspruch (auf den sich das
BGH-Urteil vom 27. Oktober 2011 – I ZR 175/10 – nicht bezieht, da es sich nicht
um Vorteile handelt, die der Beklagte als Schädiger durch eine Verletzung der
von der Klägerin wahrgenommenen Urheberrechte auf deren Kosten hätte erlangen
können) gilt grundsätzlich die Verjährungsfrist von 3 Jahren. Diese beginnt mit
dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger
von allen anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners
Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen, §§
195,199 BGB.
Vorliegend kann aber dahinstehen, ob sich die Berechnung so wie vom
Amtsgericht vorgenommen ab dem Zeitpunkt der Zuwiderhandlung, vom Zeitpunkt der
Kenntniserlangung der Personalien des potentiellen Störers im Dezember 2009
oder aber ab Ausspruch bzw. Zugang der Abmahnung beim Abgemahnten bemisst.
Denn ein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten besteht für die Klägerin
hier jedenfalls schon deshalb nicht, weil die Abmahnung nicht berechtigt i.S.v.
§ 97a Abs. 1 S. 2 UrhG a.F. war und daher keine Kostenfolgen für den Beklagten
auslösen konnte.
Die isolierte Geltendmachung der Abmahnkosten ist unzulässig bzw. die
Abmahnung nicht berechtigt, da für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung
nicht notwendig, wenn der Abmahnende bei einer erfolglos gebliebenen Abmahnung
– d. h. die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung wird abgelehnt –
seinen Unterlassungsanspruch nicht weiter verfolgt, ohne für die nachträgliche
Abstandnahme einen nachvollziehbaren Grund anzuführen (vgl. LG Düsseldorf,
Urteil vom 19. Januar 2011 – 23 S 359/09 –, juris; ähnlich LG Frankfurt, NJW-RR
2003, 547 f.).
So liegt der Fall hier. Die Zedentin hat den Beklagten erfolglos abgemahnt,
dieser hat die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht abgegeben.
Dennoch hat die Zedentin bzw. die Klägerin bis heute keine Unterlassungsklage
erhoben. Einen plausiblen Grund hat sie dafür nicht genannt. Gleichzeitig ist
aufgrund des Verhaltens des Beklagten offensichtlich, dass er nicht bereit ist,
die verlangte strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. An einer
berechtigten Abmahnung fehlt es in Fällen wie diesen. Berechtigt ist eine
Abmahnung dann, wenn sie objektiv erforderlich ist, um dem Abgemahnten den
kostengünstigen Weg aus dem Konflikt zu zeigen bzw. wenn sie notwendig ist, um
den Streit ohne ein gerichtliches Verfahren zu beenden. Droht jedoch letztlich
gar kein Unterlassungsprozess, kann die Abmahnung diesen auch nicht vermeiden
helfen und ist daher nicht berechtigt. Aus dem seit dem Abmahnschreiben vom
12.01.2010 eingetretenen Zeitablauf sowie dem Umstand, dass der Vorgang im
Anschluss erst im Dezember 2012 seitens der Zedentin weiterverfolgt worden ist,
wird offenbar, dass dem Beklagten eine Inanspruchnahme auf Unterlassung der
angegriffenen Urheberrechtsverletzung niemals ernsthaft drohte und damit die
Abmahnung nicht darauf gerichtet war, einen Unterlassungsprozess zu vermeiden.
5)
Selbst wenn man aber von einem nicht verjährten Aufwendungsersatzanspruch
zugunsten der Klägerin ausgehen würde, bestünde dieser keinesfalls in der
geltend gemachten Höhe. Die Klägerin hat den Streitwert für ihr
Unterlassungsbegehren mit 30.000,- EUR deutlich zu hoch angesetzt. Unter den in
der Anspruchsbegründung genannten Umständen kann die dem Beklagten vorgeworfene
Urheberrechtsverletzung keinen Umfang haben, der ein zu bewertendes Interesse
der Klägerin an der Unterbindung in der von ihr angenommenen Größenordnung
rechtfertigen könnte.
Nach dem Beschluss des OLG Hamm vom 04. November 2013 – 22 W 60/13 –
(zitiert nach juris) ist in Übereinstimmung mit den Entscheidungen des OLG
Frankfurt (Urt. v. 21.12.2010, 11 U 52/07, MMR 2011, 420) und OLG Düsseldorf
(Beschl. v. 04.02.2013, 20 W 68/12, CR 2013, 538) – jedenfalls in Verfahren auf
Erlass einer einstweiligen Verfügung – für das Unterlassungsbegehren im Bereich
des Filesharing über Internettauschbörsen vielmehr ein Streitwert von 2.000,00
EUR – ggfls. je geschütztem Musik- oder Filmwerk – angemessen. Gestützt wurde
die Angemessenheit einer solchen Festsetzung unter anderem darauf, dass nach
den im Urteil des OLG Frankfurt vom 21.12.2010 mitgeteilten Gründen der
Bundesgerichtshof den Streitwert in einem auf Unterlassung der Veröffentlichung
einer Tonaufnahme gerichteten Revisionsverfahren zur Hauptsache auf 2.500,00
EUR festgesetzt hat.
Diesen Erwägungen schließt sich die Kammer an. Vor diesem Hintergrund
erscheint vorliegend – je nach Bemessung des Streitwerts eines einstweiligen
Verfügungsverfahrens mit 1/3 oder 2/3 des Werts der Hauptsache – allenfalls ein
Streitwert von 3.000,00 EUR bzw. max. 6.000,00 € angemessen. Dies gilt nicht
zuletzt auch, weil nach dem Vorbringen der Klägerin offenbar nur Teil der
Filmdatei zum Download zur Verfügung stand. Der Festlegung auf einen konkreten
Betrag bedarf es jedoch insoweit nicht.
6)
Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.
II.
Da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die
Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und eine mündliche
Verhandlung nicht geboten erscheint, beabsichtigt die Kammer, die Berufung der
Klägerin nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Es ist beabsichtigt, den Streitwert für die Berufungsinstanz auf 1.200,00 €
festzusetzen.
III.
Es besteht Gelegenheit zur rechtlichen Stellungnahme bzw. zur eventuellen
Zurücknahme der Berufung binnen zwei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.
Auf die Gebührenermäßigung bei Berufungsrücknahme (KV Nr. 1222) wird
hingewiesen.

Bielefeld, 06.02.201520. Zivilkammer

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