Kategorien
Uncategorized

Filesharing: Die groß angekündigten Grundsatzurteile des BGH scheinen ein Bärendienst für abgemahnte Anschlussinhaber zu sein!

Sie sind groß angekündigt worden, als neue Grundsatzurteile des BGH in Sachen Filesharing, mit welchen den Abmahnkanzleien Fesseln angelegt werden sollen.  Der Pressemitteilung des BGH nach zu urteilen waren die Verfahren,  beim BGH als Tauschbörse I, Tauschbörse II und Tauschbörse III geführt, eher  Rohrkrepierer bzw. Türöffner für die Abmahnbranche.

Geklagt hatte die Kanzlei Rasch für die vier führenden deutschen Tonträgerherstellerinnen Warner, Sony, Universal und EMI.


So hat der BGH wohl 200,00 € als Schadensersatz für jeden Musiktitel fest gefroren und auch die geltend gemachten Abmahnkosten als der Höhe nach berechtigt angesehen.

Nicht anders lässt sich wohl die folgende Formulierung der Pressemitteilung verstehen:

Bei der Bemessung des Schadensersatzes in Form der
Lizenzanalogie ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei von einem Betrag von
200 € für jeden der insgesamt 15 in die Schadensberechnung einbezogenen
Musiktitel ausgegangen. Das Berufungsgericht hat schließlich mit Recht auch
einen Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten angenommen und dessen Höhe auf der
Basis des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes berechnet.

Von Begrenzung der Abmahnkosten, in den vorliegenden Fällen immer noch nach alten Recht möglich und geltend gemacht, eher keine Rede. Und der BGH lässt jetzt auch die sehr hoch bemessenen 200,00 € pro Musiktitel in Lizenzanalogie zu. Wohl zur Freude der Abmahnkanzleien, konnten sie doch nach neuem Recht keine hohen Abmahnkosten mehr erzielen. Da macht jetzt der Schadensersatz nach Lizenzanalogie halt mehr Spaß. Zumindest der einen Seite.

Auch  mag es ein Einzelfall gewesen sein, aber Urlaub als Grund für die Unmöglichkeit des Up- und Downloads scheidet wohl ebenso aus, wie die Möglichkeit von Singlehaushalten sich zu verteidigen.

Die Kanzleien werden jetzt, alles was nicht verjährt ist zur Klage bringen, denn es winken hohe Schadensersatzforderungen.

Grundsatzurteile mögen es werden, aber nicht so wie von den Kanzleien, welche die abgemahnten Anschlussinhaber vertreten haben, gewünscht haben. Überrascht ist jedenfalls auch der geschätzte Kollege Dr. Ralf Petring.

Heute ist eher ein Tag zum Jubeln für die Abmahnkanzleien! So sieht es auch der ebenfalls geschätzte Kollege Tim M. Hoesmann.

Man darf gespannt sein auf die Begründungen der drei Urteile. Die Pressemitteilung lässt meiner Meinung nach zumindest den Sinn der Revision aus Sicht der Beklagten in Frage stehen. Der Pressemitteilung nach zu urteilen sind hier nur Regelungen zu Lasten der abgemahnten Anschlussinhaber getroffen worden. Damit können weder die Beklagten noch ihre Rechtsvertreter gerechnet haben.

Hier die Pressemitteilung im Volltext:

Nr. 92/2015
Bundesgerichtshof zur Schadensersatzpflicht wegen
Teilnahme an einer Internet-Tauschbörse
Urteile vom
11. Juni 2015 – I ZR 19/14, I ZR 21/14 und I ZR 75/14
Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute drei Urteile des Oberlandesgerichts
Köln bestätigt, mit denen Ansprüche auf Schadensersatz und Erstattung von
Abmahnkosten wegen des Vorwurfs des Filesharing zugesprochen worden sind.
Die Klägerinnen sind vier führende deutsche
Tonträgerherstellerinnen. Nach den Recherchen des von ihnen beauftragten
Softwareunternehmens proMedia wurden am 19. Juni 2007, am 19. August 2007 und
am 17. Dezember 2007 über IP-Adressen eine Vielzahl von Musiktiteln zum
Herunterladen verfügbar gemacht. In den daraufhin eingeleiteten
Ermittlungsverfahren wurden die drei vor dem Oberlandesgericht in Anspruch
genommenen Beklagten als Inhaber der den jeweiligen IP-Adressen zugewiesenen Internetanschlüsse
benannt. Die Klägerinnen sehen hierin eine Verletzung ihrer
Tonträgerherstellerrechte und ließen die Beklagten durch Anwaltsschreiben
abmahnen. Sie nehmen die Beklagten in verschiedenen Verfahren jeweils auf
Schadensersatz in Höhe von insgesamt 3.000 € sowie auf Ersatz von Abmahnkosten
in Anspruch.
In dem Rechtsstreit I ZR 75/14 hat der Beklagte die
Richtigkeit der Ermittlungen des Softwareunternehmens bestritten. Er hat in
Abrede gestellt, dass ihm zum fraglichen Zeitpunkt die IP-Adresse zugewiesen
gewesen sei und dass er, seine in seinem Haushalt lebenden Familienangehörigen
oder ein Dritter die Musikdateien zum Herunterladen verfügbar gemacht hätten.
Er hat behauptet, er habe sich mit seiner Familie zur angeblichen Tatzeit im
Urlaub befunden. Vor Urlaubsantritt seien Router und Computer vom Stromnetz
getrennt worden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das
Oberlandesgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Es hat nach der
zeugenschaftlichen Vernehmung eines Mitarbeiters des Softwareunternehmens und
der Familienangehörigen des Beklagten als erwiesen angesehen, dass die
Musikdateien von dem Rechner des Beklagten zum Herunterladen angeboten worden
sind. Dass die Familie zur fraglichen Zeit in Urlaub war, hat das Berufungsgericht
dem Zeugen nicht geglaubt. Es hat angenommen, der Beklagte habe als
Anschlussinhaber für die Urheberrechtsverletzungen einzustehen, weil nach
seinem Vortrag ein anderer Täter nicht ernsthaft in Betracht komme.
Auch in dem Rechtsstreit I ZR 19/14 hat der Beklagte die
Richtigkeit der Recherchen des Softwareunternehmens und der Auskunft des
Internetproviders bestritten und in Abrede gestellt, dass er oder ein in seinem
Haushalt lebender Familienangehöriger die Musikdateien zum Herunterladen
angeboten hätten. Wie im Berufungsverfahren unstreitig geworden ist, war zum
fraglichen Zeitpunkt der Rechner, der im Arbeitszimmer des Beklagten
installiert war, eingeschaltet und mit dem Internet verbunden. Die bei dem
Beklagten angestellte Ehefrau, die den Rechner neben dem Beklagten beruflich
nutzte, verfügte nicht über Administratorenrechte zum Aufspielen von
Programmen. Dem damals im Haushalt des Beklagten lebenden 17jährigen Sohn war
das vor der Nutzung des Computers einzugebende Passwort nicht bekannt.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des
Beklagten ist im Wesentlichen erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht hat es
aufgrund der in erster und zweiter Instanz durchgeführten Beweisaufnahmen als
erwiesen angesehen, dass die Musikdateien über den Internetanschluss des
Beklagten zum Herunterladen verfügbar gemacht worden sind, und hat angenommen,
dass der Beklagte für die Urheberrechtsverletzungen als Täter einzustehen hat.
In dem Rechtsstreit I ZR 7/14 wurde der Internetanschluss
von der Beklagten, ihrem 16jährigen Sohn und ihrer 14jährigen Tochter genutzt.
Bei ihrer polizeilichen Vernehmung räumte die Tochter der Beklagten nach
Belehrung über ihre Rechte als Beschuldigte ein, die Musikdateien
heruntergeladen zu haben. Die Beklagte wendet sich gegen die Verwertung des
polizeilichen Geständnisses ihrer Tochter und behauptet, diese über die
Rechtswidrigkeit der Teilnahme an Musiktauschbörsen belehrt zu haben.
Das Landgericht hat nach der zeugenschaftlichen Vernehmung
der Tochter der Beklagten der Klage weitgehend stattgegeben. Die Berufung der
Beklagten ist im Wesentlichen erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht hat
eine Verletzungshandlung der Tochter der Beklagten als erwiesen angesehen und
ist von einer Verletzung der Aufsichtspflicht der Beklagten ausgegangen (§ 832
Abs. 1 Satz 1 BGB).*
Mit den vom Oberlandesgericht zugelassenen Revisionen
verfolgen die Beklagten ihre Anträge auf vollständige Klageabweisung weiter.
Der Bundesgerichtshof hat die Revisionen der Beklagten
zurückgewiesen.
Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die
Eintragung der Klägerinnen in die Phononet-Datenbank ein erhebliches Indiz für
die Inhaberschaft der Tonträgerherstellerrechte ist und keine Anhaltspunkte
dafür vorgetragen sind, die diese Indizwirkung für die jeweils streitbefangenen
Musiktitel entkräften.
Das Berufungsgericht ist außerdem zutreffend davon
ausgegangen, aufgrund der von den Klägerinnen bewiesenen Richtigkeit der
Ermittlungen von proMedia und des Internetproviders stehe fest, dass die
Musiktitel über die den Beklagten als Anschlussinhabern zugeordneten
Internetanschlüsse zum Herunterladen bereitgehalten worden sind. Die
theoretische Möglichkeit, dass bei den Ermittlungen von proMedia und des
Internetproviders auch Fehler vorkommen können, spricht nicht gegen die
Beweiskraft der Ermittlungsergebnisse, wenn im Einzelfall keine konkreten
Fehler dargelegt werden, die gegen deren Richtigkeit sprechen. Ein falscher
Buchstabe bei der Namenswiedergabe in einer Auskunftstabelle reicht – wie in
dem zum Geschäftszeichen I ZR 19/14 geführten Rechtsstreit eingewandt –
insoweit nicht.
In dem Rechtsstreit I ZR 75/14 ist das Vorbringen des
Beklagten, er und seine Familie seien bereits am 18. Juni 2007 in den Urlaub
gefahren und hätten vor Urlaubsantritt sämtliche technischen Geräte,
insbesondere Router und Computer vom Stromnetz getrennt, durch die Vernehmung
der beiden Söhne des Beklagten und seiner Ehefrau nicht bewiesen worden. Der
Beklagte ist für die Verletzungshandlung auch als Täter verantwortlich. Das Berufungsgericht
ist zutreffend davon ausgegangen, der Beklagte habe nicht dargelegt, dass
andere Personen zum Tatzeitpunkt selbständigen Zugang zu seinem
Internetanschluss hatten und deshalb als Täter der geltend gemachten
Rechtsverletzungen in Betracht kommen. Damit greift die tatsächliche Vermutung
der Täterschaft des Inhabers eines Internetanschlusses ein.
In dem Verfahren I ZR 7/14 hat das Berufungsgericht zu Recht
angenommen, dass die Tochter der Beklagten die Verletzungshandlung begangen
hat. Hierbei hat sich das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei nicht nur auf das
im polizeilichen Vernehmungsprotokoll dokumentierte Geständnis der Tochter
gestützt, sondern zudem berücksichtigt, dass das Landgericht die Tochter auch
selbst als Zeugin vernommen und diese dabei nach ordnungsgemäßer Belehrung über
ihr Zeugnisverweigerungsrecht ihr polizeiliches Geständnis bestätigt hat. Die
Beklagte ist für den durch die Verletzungshandlung ihrer damals minderjährigen
Tochter verursachten Schaden gemäß § 832 Abs. 1 Satz 1 BGB verantwortlich. Zwar
genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes Kind, das
ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass
sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen
belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern,
die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes
zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren,
besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst dann
verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem
Verbot zuwiderhandelt (BGH, Urteil vom 15. November 2012 – I ZR
74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 24 – Morpheus). Das Berufungsgericht hat im
Streitfall jedoch nicht feststellen können, dass die Beklagte ihre Tochter
entsprechend belehrt hat. Der Umstand, dass die Beklagte für ihre Kinder
allgemeine Regeln zu einem „ordentlichen Verhalten“ aufgestellt haben
mag, reicht insoweit nicht aus.
Bei der Bemessung des Schadensersatzes in Form der
Lizenzanalogie ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei von einem Betrag von
200 € für jeden der insgesamt 15 in die Schadensberechnung einbezogenen
Musiktitel ausgegangen. Das Berufungsgericht hat schließlich mit Recht auch
einen Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten angenommen und dessen Höhe auf der
Basis des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes berechnet.
Vorinstanzen:
Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 19/14 –
Tauschbörse I
LG Köln – Urteil vom 31. Oktober 2012 – 28 O 306/11 (ZUM-RD
2013, 74)
OLG Köln – Urteil vom 20. Dezember 2013 – 6 U 205/12 (ZUM-RD
2014, 495)
und
Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 7/14 –
Tauschbörse II
LG Köln – Urteil vom 2. Mai 2013 – 14 O 277/12
OLG Köln – Urteil vom 6. Dezember 2013 – 6 U 96/13 (juris)
und
Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 75/14 –
Tauschbörse III
LG Köln – Urteil vom 24. Oktober 2012 – 28 O 391/11
OLG Köln – Urteil vom 14. März 2014 – 6 U 210/12 (juris)
Karlsruhe, den 11. Juni 2015
* § 832 BGB Haftung
des Aufsichtspflichtigen
(1) Wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine
Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit oder wegen ihres geistigen
oder körperlichen Zustands der Beaufsichtigung bedarf, ist zum Ersatz des
Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt.
Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt oder
wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde.

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert