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Filesharing: AG München versus BGH oder die Mär von der sekundären Darlegungslast

Vor dem Amtsgericht München war es schwer in Verfahren
wegen angeblichen Filesharing gegen die Hauskanzlei Waldorf Frommer
Rechtsanwälte zu gewinnen oder auch nur eine Chance zu haben und es bleibt auch
in Zukunft nahezu unmöglich.
Das offenbart die Pressemitteilung
 des AG München vom 03.07.2015
über
ein Urteil vom 09.10.2014 (Az.: 142 C 3977/15). Auch die Kanzlei Waldorf
Frommer berichtet selbstverständlich darüber,
 zeigt die eigene
Statistik
doch, das gerade der Standort München den Klagen der Kanzlei
Waldorf Frommer eher wohlgesonnen ist.  Jetzt
darf man natürlich nicht überrascht sein, hat das AG München doch schon  mit der Pressemitteilung
vom 16.11.2011
für Aufsehen gesorgt und damit auch die Rechtsprechung in
Filesharing-Verfahren am Gerichtsstandort München zementiert.
In der aktuellen Pressemitteilung
des AG München wird das Festhalten an der umfassende Nachforschungspflicht des
abgemahnten Anschlussinhabers in Fällen von angeblichen Filesharing wie folgt
begründet:  
Bei
einer derartigen Rechtsverletzung müsse der Anschlussinhaber darlegen, dass er
für die Rechtsverletzung nicht verantwortlich ist. Die Beklagte treffe eine
sog. sekundäre Darlegungslast. Dafür sei erforderlich, dass sie als
Anschlussinhaberin darlegt, dass die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass
allein eine andere Person und nicht sie selbst den Internetzugang zum
fraglichen Zeitpunkt genutzt hat. Das AG München verlangt in Übereinstimmung
mit der Rechtsprechung des BGH, dass der Anschlussinhaber Tatsachen darlegen
muss, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit ergibt, dass eine andere Person
den Internetanschluss benutzt hat. Die Beklagte müsse weiterhin vortragen,
welche anderen Personen selbständigen Zugang zu ihrem Internetanschluss gehabt
hätten und als Täter der Urheberrechtsverletzung in Betracht kommen. Sie müsse dafür umfangreiche
Nachforschungen zu den potentiellen Anschlussnutzern und ihrem
Nutzungsverhalten anstellen, die möglichen Täter befragen und diese dem Gericht
– namentlich – mitteilen.




Die hier
postulierten Anforderungen entsprechen nach meiner Auffassung  nicht den Vorgaben der Rechtsprechung des BGH
zur Frage der sekundären Darlegungslast entsprechen, hat doch der
 BGH
mit
 Urteil vom 8. Januar 2014 – I ZR 169/12 – BearShare entschieden, dass der
Anschlussinhaber nicht für volljährige Familienmitglieder und Mitbewohner
haftet, die ohne seine Kenntnis Rechtsverletzungen begehen. Mit
Urteil vom 15.11.2012 – I ZR 74/12 – Morpheus hat der BGH entschieden, dass die
Haftung der Eltern in Fällen in denen Minderjährige die
Urheberrechtsverletzungen begangen haben, davon abhängt, ob sie ihre Kinder
über die verbotene Teilnahme an Internettauschbörsen im Vorfeld aufgeklärt
haben und zu keiner Zeit davon ausgehen konnten, dass ihr Kind sich nicht an
das Verbot hält. Und schließlich hat der BGH mit
Urteil
vom 12. Mai 2010, Az. I ZR 121/08 – „Sommer unseres Lebens
entschieden, dass für einen Anschlussinhaber
keine Haftung bei ausreichend gesichertem WLAN besteht.
Im Gegensatz dazu konstruiert das Amtsgericht München via
Pressemitteilung
, und dies in
Übereinstimmung
mit der Berufungsinstanz Landgericht  München
,  eine Umkehr der Beweislast, welche den Anforderungen an die sog. sekundäre Darlegungslast
nicht entspricht und damit eindeutig im Widerspruch zur Rechtsprechung
 des BGH steht, welche in den vorgenannten
Entscheidungen ausdrücklich und wiederholt betont, dass eine Pflicht, das
Nutzungsverhalten naher Angehöriger zu überwachen, nicht besteht.

Dies hat der BGH in der Entscheidung  BearShare mit  Urteil vom 8. Januar 2014 – I ZR 169/12
eindeutig
festgehalten:
Die
sekundäre Darlegungslast führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu
einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1
und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem
Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu
verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast
dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen
Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter
der Rechtsverletzung in Betracht kommen (vgl. OLG Hamm, MMR 2012, 40 f.;
Beschluss vom 4. November 2013 – 22 W 60/13, juris Rn. 7; OLG Köln, GRUR-RR
2012, 329, 330; OLG Frankfurt am Main, GRUR-RR 2013, 246; LG Köln, ZUM 2013,
67, 68; LG München I, MMR 2013, 396). In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber
im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (vgl. zur
Recherchepflicht beim Verlust oder einer Beschädigung von Transportgut BGH,
Urteil vom 11. April 2013 – I ZR 61/12, TranspR 2013, 437 Rn. 31; insoweit aA
OLG Hamm, MMR 2012, 40 f.; OLG Köln, GRUR-RR 2012, 329, 330; LG München I, MMR
2013, 396).
Wenn das AG München dann aber in der
Pressemitteilung  die tatsächlichen
Feststellungen wie folgt beschreibt und als nicht ausreichend einordnet führt
dies eben zu einer klaren Beweislastumkehr:

Die
Beklagte habe dem Gericht mitgeteilt, dass ihr Ehemann und ihre beiden Söhne,
Jahrgang 1993 und 1994, im Haushalt leben und jeder einen eigenen Laptop
verwendet. Sie hätten das Internet für Emails genutzt und zu Zwecken der
Information. Die Beklagte selbst habe zudem Informationen speziell zu
Kochthemen aus dem Internet bezogen.
In
der mündlichen Verhandlung habe die Beklagte auf Nachfragen des Gerichts
vorgetragen, dass der Anschluss mit einem individuellen Passwort verschlüsselt
sei. Die Art der Verschlüsselung sei ihr aber nicht bekannt, da dies von ihrem
Ehemann gemacht worden sei. Sie hätte damals einen Tower gehabt, ihr Mann und
die Söhne jeweils einen Laptop. Ihr Ehemann habe mit Sicherheit nichts mit
Tauschbörsen gemacht. Ob die Söhne an Tauschbörsen teilnähmen, wisse sie nicht;
auf Nachfrage hätten sie es abgestritten. Zugegeben habe die
streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung keiner. In technischer Hinsicht
hätten alle vier Haushaltsmitglieder Tauschbörsen-Software installieren können.
Als Täter habe sie den großen Sohn in Verdacht, es könne aber auch der Kleinere
gewesen sein. Ob am Tattag alle zu Hause gewesen waren, wisse sie nicht mehr,
sie gehe aber davon aus, da es sich dabei um einen Sonntag gehandelt habe und
alle am nächsten Tag in die Schule oder zur Arbeit hätten gehen müssen. Auf
ihrem Rechner sei keine Filesharing-Software installiert gewesen; die Rechner
von Ehemann und Kinder habe sie nicht überprüft. Die Beklagte räumte ein, dass
sie es im Grunde nicht wisse, ob ihre Söhne Filme im Rechner angeschaut hätten.
Ebenso wenig wisse sie, was ihr Mann im Internet macht. Auch hinsichtlich des
Nutzungsverhaltens habe sie sich in Widersprüche verstrickt. Im Ergebnis habe
die Beklagte nichts Konkretes zum Internetverhalten der Mitbenutzer
vorgetragen. Sie sei damit ihrer Nachforschungspflicht nicht genügend
nachgekommen.

Das Amtsgericht München formuliert somit klar und
deutlich und wider die BGH-Rechtsprechung die Überwachung der
Familienangehörigen und steht  mit dieser
Forderung im krassen Widerspruch zum Schutz der Familie aus Art. 6 Abs. 1
Grundgesetz
. Dies hat der BGH in der Entscheidung  BearShare mit
 Urteil
vom 8. Januar 2014 – I ZR 169/12
klar gestellt:
Danach
ist bei der Überlassung eines Internetanschlusses an volljährige
Familienangehörige zu berücksichtigen, dass zum einen die Überlassung durch den
Anschlussinhaber auf familiärer Verbundenheit beruht und zum anderen
Volljährige für ihre Handlungen selbst verantwortlich sind. Im Blick auf das –
auch grundrechtlich geschützte (Art. 6 Abs. 1 GG) – besondere
Vertrauensverhältnis zwischen Familienangehörigen und die Eigenverantwortung
von Volljährigen, darf der Anschlussinhaber einem volljährigen
Familien-angehörigen seinen Internetanschluss überlassen, ohne diesen belehren
oder überwachen zu müssen; erst wenn der Anschlussinhaber – etwa aufgrund einer
Abmahnung – konkreten Anlass für die Befürchtung haben muss, dass der
voll-jährige Familienangehörige den Internetanschluss für Rechtsverletzungen
missbraucht, hat er die zur Verhinderung von Rechtsverletzungen erforderlichen
Maßnahmen zu ergreifen.

Will ein abgemahnter Anschlussinhaber den Anforderungen,
die das Amtsgericht München hier aufstellt, genügen, so kann er das nur, wenn
der Anschlussinhaber  seine Familie
überwacht. Konkret soll er das Nutzungsverhalten seines Ehepartners und seiner
Kinder überwachen und dokumentieren, und zwar anlasslos, denn ansonsten kann er
Jahre nach der möglichen Tat die Fragen der Richter des Amtsgericht München
nicht beantworten. Und neben der anlasslosen Überwachung soll dann
schlussendlich auch noch der Täter benannt werden, damit es den Abmahnkanzleien
nicht so schwer gemacht wird im nächsten Step gegen diesen vorzugehen. Nichts anderes
als das Aufbrechen und Aufweichen des Zeugnisverweigerungsrecht wird hier vom
AG München gefordert.

Denn der abgemahnte Anschlussinhaber steht somit vor der
Wahl zwischen Pest und Cholera, entweder er wird selber verurteilt weil er den
überzogenen Anforderungen des AG München an die sekundäre Darlegungslast nicht
genügt, oder aber benennt den Täter aus der Familie und wirft im Zweifel die
eigenen Kinder der Justiz und in erster Linie den Abmahnkanzleien dem Fraß vor.

Was ist schon der Schutz der Familie aus Art. 6 GG wert
und was die Rechtsprechung des BGH, wenn man 
vor dem AG München wegen angeblichen Filesharing verklagt wird?

„Nichts“, will man antworten, „die hohe See“ fällt einem
spontan ein.

„Vielleicht, aber nur ganz vielleicht will da ein
Gerichtsstandort signalisieren, dass es sich lohnt jeden, aber wirklich auch
jeden Fall des angeblichen Filesharings zur Klage zu bringen. Zumindest wo das
geographisch möglich ist um in München zu landen.“ 

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