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Fast eine Sensation – AG München weist Filesharing-Klage der Kanzlei Waldorf Frommer ab

Man mag es kaum
glauben: Die Münchner Kanzlei Waldorf
Frommer Rechtsanwälte
hat in einem Verfahren wegen Filesharing vor dem
Leib- und Magengericht dem Amtsgericht München den Prozess verloren.


Vorliegend
 war ein Anschlussinhaber von der wegen Filesharing im Auftrag der
Sony Music Entertainment Germany GmbH
abgemahnt worden. Ihm war vorgeworfen worden, dass über seinen Anschluss
Urheberrechtsverletzungen durch illegales Filesharing der Musikalben „Für Dich immer noch Fanta Sie“ der
Musikgruppe   „Die
Fantastischen Vier“
und „Jackpot“
von dschungelleidgeplagten Michael
Wendler
über eine Tauschbörse im Internet verbreitet zu haben.


Wie üblich hat
die Kanzlei Waldorf Frommer vorgetragen, dass der Anschlussinhaber die
tatsächliche Vermutung seiner Täterschaft nicht habe widerlegen können. Dies
ergebe sich daraus, da sowohl der als möglicher Täter benannte Stiefbruder als
auch die ebenso benannte  Freundin des
Anschlussinhabers bestritten haben, dass sie die Urheberrechtsverletzungen
durch Filesharing begangen hätten.


Das Amtsgericht
München wies die Klage der Kanzlei Waldorf Frommer mit Urteil
vom 10.06.2015, (Az. 155 C 23521/13)
ab.


Das Gericht führt
zu den Anforderungen der sekundären Darlegungslast aus

:
Aus dieser Vermutung ergibt sich für den Beklagten eine
sekundäre Darlegungslast, die es ihm verwehrt, sich auf ein an sich zulässiges
einfaches Bestreiten der Rechtsverletzung zurückzuziehen. Eine Entkräftung der
tatsächlichen Vermutung setzt vielmehr hinsichtlich aller fraglicher Tatzeitpunkte
Sachvortrag voraus, nach dem die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass allein
ein Dritter und nicht auch der Anschlussinhaber den Internetzugang für die
behauptete Rechtsverletzung
genutzt hat (vgl. BGH, Urteil vom 15.11.2012, Az. 1 ZR 7
4/12 – „Morpheus“). Dabei ist an den Sachvortrag bezüglich Detailgrad
und Plausibilität ein strenger Maßstab anzulegen (Landgericht München 1, Urteil
vom 22.03.2013, Az. 21 S 28809/11 ). Maßgeblich sind dabei die konkreten
Umstände des Einzelfalls.
Eine gesetzliche oder höchstrichterliche Vorgabe zum Umfang
der sekundären Darlegungslast, welche Angaben zwingend erfolgen müssen und
welche konkreten Nachforschungsmaßnahmen, insbesondere im familiären Umfeld,
zumutbar und mit dem Persönlichkeitsrecht weiterer zugriffsberechtigter Personen
vereinbar sind, besteht bislang nicht.
Die sekundäre Darlegungslast führt weder zu einer Umkehr
der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und
Erklärungslast (§138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des
Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten
Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären
Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls
welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten
und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (vgl. OLG Hamm, MMR 2012,
40 f.; Beschluss vom 4. November 2013 – 22 W 60/13, juris Rn. 7; OLG Köln, GRUR
– RR 2012, 329, 330; OLG Frankfurt am Main, GRUR – RR 2013, 246; LG Köln, ZUM
2013, 67, 68). In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im 
Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen
verpflichtet (vgl. zur Recherchepflicht beim Verlust oder einer Beschädigung
von Transportgut BGH, Urteil vom 11. April 2013 – ZR 61 /12, TranspR 2013, 437
Rn. 31; insoweit aA OLG Hamm, MMR 2012, 40f.; OLG Köln, GRUR- RR 2012, 329,
330; LG München 1, MMR 2013, 396, vgl. BGH 08.01.2014, Az: 1ZR169 /12 – Bear Share).
Entsprechend obliegt es sodann der Klägerseite, den Beweis der Täterschaft des
Beklagten zu führen und den Vortrag des Beklagten zu entkräften bzw. eine
zunächst plausible Einlassung des Beklagten zu erschüttern.
Und auch zur
Störerhaftung findet das AG München eher von dort ungewohnte Worte:


Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf
Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu
sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des
geschützten Rechts beiträgt. Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder
Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern
der lnanspruchgenommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung
dieser Handlung hatte. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte
erstreckt werden darf, die weder als Täter noch als Teilnehmer für die
begangene Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen werden können, setzt die
Haftung als Störer nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Verletzung
zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfungspflichten, voraus. Ob
und inwieweit dem als Störer lnanspruchgenommenen eine Verhinderung der
Verletzungshandlung des Dritten zuzumuten ist, richtet sich nach den jeweiligen
Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und
Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die
rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat (BGHZ 185,
330 Rn.19 – Sommer unseres Lebens; BGH, GRUR 2013, 11 Rn. 41 – Morpheus; BGH,
Urteil vom 16. Mai 2013 – 1 ZR 216/11, GRUR 2013, 1229 Rn. 34 = WRP 2013, 1612
– Kinderhochstühle im Internet II, mwN; vgl. BGH 08.01.2014, Az: 1ZR169 /12 –
Bear Share).


Der Inhaber eines Internetanschlusses ist grundsätzlich
nicht verpflichtet, volljährige Familienangehörige über die Rechtswidrigkeit
einer Teilnahme an Internettauschbörsen oder von sonstigen Rechtsverletzungen
im Internet zu belehren und ihnen die Nutzung des Internetanschlusses zur
rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen oder zu sonstigen
Rechtsverletzungen im Internet zu verbieten, wenn keine konkreten Anhaltspunkte
für eine solche Nutzung bestehen vgl. BGH 08.01.2014, Az: 1ZR169 /12- Bear
Share).


Ich bin gespannt,
ob dieses aus meiner Sicht richtige aber noch nicht rechtskräftige Urteil des
AG München Bestand haben wird. Dies wird man nach einer möglichen Berufung
sehen, denn das Urteil widerspricht bereits der unlängst verbreiteten Pressemitteilung
des AG München
mit welchem sich das Gericht zu den Pflichten des
abgemahnten Anschlussinhabers noch ganz anders ausgelassen hat. Und auch die
Kanzlei Waldorf Frommer vertritt eine andere Rechtsauffassung.


Die jetzige Entscheidung
des Amtsgerichts München steht demgegenüber im Einklang mit der
höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH,
Urteil vom 8. Januar 2014 – I ZR 169/12 – BearShare
).
Dieser Auffassung
sind bereits die meisten Amtsgerichte und Landgerichte sehr zum Leidwesen der
Musik- und Filmindustrie gefolgt.
Wie dies im Lichte der drei
aktuellen BGH-Entscheidungen vom 11. Juni 2015, welche der BGH ganz originell
Tauschbörse I, Tauschbörse II und Tauschbörse III benannt hat, zu
beurteilen wird, wird sich zeigen.

Es bleibt auf jeden Fall spannend
an der Abmahnfront.

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