Gerade wird in der Presse (1, 2, 3, 4) der Fall des IT – Experten, welcher am OLG Naumburg beschäftigt gewesen ist, diskutiert. Dieser soll im großen Stil über 6400 Raubkopien (Filme, Musik und eBooks) über seinen Dienstrechner erstellt haben. Auf verschiedenen Festplatten sollen sich über 34.000 Audiodateien und 1800 CD cover befunden haben. Auch 2500 CD – Rohlinge seien verschwunden.
Dem Mann wurde selbst verständlich gekündigt, wogegen er sich mit einer Kündigungsschutzklage gewehrt. Seine Klage hatte vor dem Arbeitsgericht Halle Erfolg, weil das Gericht Zweifel daran hatte, dass der IT – Spezialist allein die Urheberrechtsverletzungen begangen hatte. Grund hierfür waren Ungereimtheiten bei den Ermittlungen am Oberlandesgericht. Das Arbeitsgericht Halle sah es als erwiesen an, dass das Treiben des IT – Experten zumindest über einen längeren Zeitraum geduldet worden ist, vermutlich weil auch andere Mitarbeiter des Oberlandesgerichts Naumburg von den Aktivitäten des IT Spezialisten profitiert hätten.
Das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt in Halle (Saale) hatte die Vorinstanz mit Urteil vom 19. Dezember 2014, Az. 4 SA 10/14 bestätigt, weil die Tat dem IT – Experten nicht nachzuweisen gewesen wären, da auch andere Personen sein Computer benutzt hätten.
Insgesamt waren die Richter des Arbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts Halle erstaunt darüber, dass im obersten Gericht des Landes Sachsen-Anhalt der erhebliche Umfang privater Nutzung von dienstlichen Ressourcen so lange unentdeckt geblieben sein soll. Vermutet wurde auch das am OLG Naumburg fast alle Bediensteten, inklusive der Richterschaft, offenbar von der Tätigkeit des IT-Experten profitiert hätten.
Auf die Revision des Landes Sachsen-Anhalt hatte nun das Bundesarbeitsgericht in Erfurt darüber zu entscheiden. Mit Urteil vom 16.7.2015, AZ. 2 AZR 85/15 haben die Bundesarbeitsrichter die Kündigung des IT – Fachmanns als wirksam eingestuft. Das BAG hat die Entscheidung der Vorinstanzen aufgehoben und zur weiteren Aufklärung an das Landesarbeitsgericht Halle (Saale) zurückverwiesen.
Zur Begründung führte das BAG nach der Pressemitteilung aus, dass eine solche Kündigung auch dann gerechtfertigt sei, wenn der Arbeitnehmer mit anderen Mitarbeitern zusammengewirkt hätte. Die Richter sahen es als nicht notwendig an, dass sämtliche Handlungen selbst eigentlich vorgenommen worden.
Das BAG führt hierzu aus:
Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Eine (fristlose) Kündigung kommt auch
dann in Betracht, wenn der Kläger nicht alle fraglichen Handlungen selbst
vorgenommen, sondern dabei mit anderen Bediensteten zusammengewirkt oder das
Herstellen von „Raubkopien“ durch diese bewusst ermöglicht hat. Aus dem
Umstand, dass es ihm erlaubt gewesen sein mag, seinen dienstlichen Rechner für
bestimmte andere private Zwecke zu nutzen, konnte er nicht schließen, ihm seien
die behaupteten Kopier- und Brennvorgänge gestattet.
weil das beklagte Land Ermittlungen zunächst selbst angestellt und nicht sofort
die Strafverfolgungsbehörden eingeschaltet hat. Ein solches Vorgehen ist dem
Arbeitgeber grundsätzlich unbenommen. Solange er die Ermittlungen zügig
durchführt, wird auch dadurch der Beginn der Frist des § 626 Abs. 2 BGB
gehemmt.
gegenüber den anderen Bediensteten ergriffen hat. Der
Gleichbehandlungsgrundsatz findet im Rahmen verhaltensbedingter Kündigungen
grundsätzlich keine Anwendung. Im Übrigen ist nicht festgestellt, inwieweit
sich die Sachverhalte unter Berücksichtigung der Einzelheiten und der Stellung
der anderen Beschäftigten wirklich gleichen.
erfolgte, hat das Bundesarbeitsgericht das zweitinstanzliche Urteil aufgehoben
und die Sache zur weiteren Aufklärung an das Landesarbeitsgericht
zurückverwiesen.
Warum ist der Fall nun auch für IT – Rechtler wie mich höchst spannend?
Zum einen zeigt es, was passieren kann, wenn Arbeitgeber die private IT-Nutzung nicht geregelt haben. Ohne eine Regelung in Form von Betriebsvereinbarungen oder arbeitsrechtlichen Regelungen ist die Privatnutzung von Dienstrechnern oder Unternehmens-EDV weder kontrollierbar noch einzuschränken.
Hier besteht bei vielen Unternehmen und auch öffentlichen Stellen Regelungsbedarf.
Interessant ist dieser Fall aber auch, weil er zeigt, dass selbst bei Justizbehörden von einer Größe von 140 Mitarbeitern diese nicht rund um die Uhr zu kontrollieren sind.
Schön ist auch zu erkennen das es Richtern im eigenen Haus nahezu unmöglich ist aufzuklären wer wann welchen Rechner benutzt hat und wer wie Kenntnis von den Vorgängen erhalten hat.
Aber genau dies wird immer wieder von Richtern in den sogenannten Filesharing – Prozessen erwartet. Hier soll der abgemahnte Amtsinhaber Nachforschungen verpflichtet sein und auch Jahre nach einer Tat detailliert erklären können, wer wann Zugriff auf das Internet des Abgemahnten Anschlussinhabers hatte. Und dies wird zum Teil noch mit der Erwartung garniert nicht nur eine generelle Aussage zu treffen, sondern dies möglichst taggenau, wenn nicht sogar stundengenau aufklären zu können.
Insofern ist die Raubkopien – Affäre am OLG Naumburg, welche selbst den Rechtsausschuss des sachsen-sachsen-anhaltinisches Landtags beschäftigt hat, geeignet der versammelten Richterschaft vor Augen zu führen, dass es nahezu unmöglich ist zugangsberechtigte Familiemitglieder oder Arbeitnehmer oder Freunde oder Mitbewohner zu kontrollieren und Jahre später über deren Zugang detailliert Auskunft zu geben.