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BVerG – Erfolgreiche Verfassungsbeschwerden wegen Verletzung der prozessualen Waffengleichheit in Pressesachen

Aus dem grundrechtsgleichen Recht auf prozessuale
Waffengleichheit folgt, dass ein Gericht im Presse- und Äußerungsrecht
grundsätzlich vor einer stattgebenden Entscheidung über den Antrag einer Partei
der Gegenseite Recht auf Gehör gewähren muss. Auch wenn Pressesachen häufig
eilig sind, folgt hieraus kein schutzwürdiges Interesse daran, dass die
Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs oder eines Gegendarstellungsrechts
dem Antragsgegner verborgen bleibt. Regelmäßig besteht kein Grund, von seiner
Anhörung vor dem Erlass einer einstweiligen Verfügung abzusehen. Mit dieser
Begründung hat die 3. Kammer des Ersten Senats mit heute veröffentlichten
Beschlüssen zwei Verfassungsbeschwerden wegen Verstoßes gegen Artikel 3 Abs. 1
in Verbindung mit Artikel 20 Abs. 3 GG stattgegeben und dabei klargestellt,
dass es verfassungsrechtlich geboten ist, den Antragsgegner vor Erlass einer
gerichtlichen Entscheidung in den gleichen Kenntnisstand zu versetzen wie den
Antragsteller. Insbesondere dürfen richterliche Hinweise nicht einseitig
ergehen und müssen daher auch der Gegenseite unverzüglich gegeben werden.
Sachverhalt:
1. Die Verfassungsbeschwerde im Verfahren 1 BvR 1783/17
betrifft eine Entscheidung des Landgerichts Köln, in der der Beschwerdeführerin
die Unterlassung von Äußerungen aufgegeben wurde, ohne dass sie zuvor
vorprozessual abgemahnt oder im gerichtlichen Verfahren angehört worden war.
Die Beschwerdeführerin ist ein journalistisches Recherchenetzwerk und
veröffentlichte auf ihrer Internetseite einen Artikel über den Verlauf einer
Aufsichtsratsitzung eines Unternehmens, welche Korruptionsvorwürfe zum Inhalt
hatte. Dieses Unternehmen beantragte beim Landgericht Köln den Erlass einer
einstweilen Verfügung mit dem Inhalt, der Beschwerdeführerin aufzugeben, die
Veröffentlichung der Protokolle ihrer Aufsichtsratssitzung zu unterlassen. Dem
Antrag, von dem die Beschwerdeführerin zunächst nichts erfuhr, war keine
Abmahnung der Beschwerdeführerin vorausgegangen. Das Landgericht Köln erließ
die einstweilige Verfügung, ohne sie zu begründen oder die Beschwerdeführerin
vorher anzuhören. Von dem Inhalt des Verfügungsantrags und seiner Begründung
erhielt die Beschwerdeführerin erst nach Zustellung und Akteneinsicht Kenntnis.
2. Die Verfassungsbeschwerde 1 BvR 2421/17 betrifft eine
Entscheidung, mit der die Beschwerdeführerin, ein Presseverlag, zum Abdruck
einer Gegendarstellung verpflichtet wurde, ohne dass über die Sache mündlich
verhandelt oder ihr durch das Gericht Gehör gewährt wurde. Im Mai 2017
veröffentlichte ein von der Beschwerdeführerin herausgegebenes Magazin einen
Artikel über einen Fernsehmoderator, inwieweit dieser als Eigentümer und
Vermieter einer Yacht ein Steuersparmodell nutzt. Der Moderator (im Folgenden
Antragsteller) machte daraufhin gegenüber der Beschwerdeführerin im
Eilverfahren Gegendarstellungsansprüche geltend. Die Pressekammer des
Landgerichts Hamburg wies seine Anträge zurück. Die Beschwerdeführerin wusste
weder von den Verfügungsanträgen noch wurden ihr die Zurückweisungen
mitgeteilt. Auf den vierten Antrag des Antragstellers erging im Beschwerdeverfahren
am 5. Oktober 2017 dann ein Beschluss des Oberlandesgerichts, mit dem die
Beschwerdeführerin zum Abdruck einer Gegendarstellung verpflichtet wurde. Dabei
wurden  dem Antragsteller wiederholt
telefonisch rechtliche Hinweise erteilt, die der Beschwerdeführerin nicht zur
Kenntnis gebracht wurden. Die Beschwerdeführerin erfuhr mit der Zustellung des
Beschlusses erstmals von dem gegen sie angestrengten Gerichtsverfahren.
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
1. a) Aus dem Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit –
der verfassungsrechtlich gewährleisteten Gleichwertigkeit der prozessualen
Stellung der Parteien vor dem Richter – folgt, dass ein Gericht im Presse- und
Äußerungsrecht der Gegenseite vor einer stattgebenden Entscheidung über den Antrag
einer Partei im Zivilrechtsstreit Recht auf Gehör gewähren muss. Auch wenn in
Pressesachen häufig eine Eilbedürftigkeit anzuerkennen sein wird, folgt hieraus
kein schutzwürdiges Interesse daran, dass die Geltendmachung des
Unterlassungsanspruchs als solche der Gegenseite verborgen bleibt. Ebenso wenig
gilt dies im Gegendarstellungsrecht. Jedenfalls in den Fällen, in denen es um
eine bereits veröffentlichte Äußerung geht, besteht regelmäßig kein Grund, von
einer Anhörung und Äußerungsmöglichkeit eines Antragsgegners vor dem Erlass
einer einstweiligen Verfügung abzusehen.
b) Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, in welchen Fällen
über den Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne mündliche Verhandlung
entschieden werden kann. Für die Beurteilung, wann ein dringender Fall im Sinne
des § 937 Abs. 2 ZPO vorliegt und damit auf eine mündliche Verhandlung
verzichtet werden kann, haben die Fachgerichte einen weiten Wertungsrahmen.
Insbesondere dürfen sie davon ausgehen, dass das Presserecht von dem
Erfordernis einer schnellen Reaktion geprägt ist, wenn es darum geht, gegen
eine Berichterstattung vorzugehen. Dies gilt vor allem im
Gegendarstellungsrecht, für welches das Bundesverfassungsgericht stets betont
hat, dass es von einer grundsätzlichen Eilbedürftigkeit gekennzeichnet ist.
Angesichts der durch das Internet ständig aktualisierten Online-Angebote und
die sozialen Medien beschleunigten Möglichkeiten der Weiterverbreitung von
Informationen kann es im Interesse effektiven Rechtsschutzes sogar geboten
sein, Unterlassungs- ebenso wie Gegendarstellungsansprüchen in unmittelbarer zeitlicher
Nähe zur Berichterstattung zur Geltung zu verhelfen.
Die Annahme einer Dringlichkeit setzt sowohl seitens des
Antragstellers als auch seitens des Gerichts eine zügige Verfahrensführung
voraus. Der Verzicht auf eine mündliche Verhandlung ist nach der Entscheidung
des Gesetzgebers nur in dem Maße gerechtfertigt, wie die Dringlichkeit es
gebietet. Wenn sich im Verlauf des Verfahrens zeigt, dass eine unverzügliche
Entscheidung nicht zeitnah ergehen muss oder kann, hat das Gericht
Veranlassung, die Frage der Dringlichkeit erneut zu überdenken und
gegebenenfalls eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und auf ihrer Grundlage
zu entscheiden.
c) Über eine einstweilige Verfügung gegen Veröffentlichungen
der Presse oder über den Abdruck einer Gegendarstellung wird deshalb nicht
selten zunächst ohne mündliche Verhandlung entschieden werden müssen. Der
Verzicht auf eine mündliche Verhandlung berechtigt demgegenüber aber nicht ohne
weiteres dazu, die Gegenseite bis zur Entscheidung über den Verfügungsantrag ganz
aus dem Verfahren herauszuhalten. Nach dem Grundsatz der prozessualen
Waffengleichheit kommt eine stattgebende Entscheidung über den Verfügungsantrag
vielmehr grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Gegenseite zuvor die
Möglichkeit hatte, auf das mit dem Antrag geltend gemachte Vorbringen zu
erwidern. Dabei kann nach Art und Zeitpunkt der Gehörsgewährung differenziert
und auf die Umstände des Einzelfalls abgestellt werden.
Danach ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn das
Gericht in solchen Eilverfahren gegen Medienunternehmen auch vorprozessuale
Möglichkeiten einbezieht, die es ihnen erlauben, sich zu dem Verfügungsantrag
zu äußern. Hierfür kann auf die Möglichkeit zur Erwiderung gegenüber einer dem
Verfügungsverfahren vorangehenden Abmahnung abgestellt werden.
Dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der prozessualen
Waffengleichheit genügen solche vorprozessuale Erwiderungsmöglichkeiten
allerdings nur dann, wenn sichergestellt ist, dass die Erwiderungen dem Gericht
vorliegen. Der Verfügungsantrag hinsichtlich eines Unterlassungsbegehrens muss
dafür in Anschluss an die Abmahnung unverzüglich nach Ablauf einer angemessenen
Frist für die begehrte Unterlassungserklärung bei Gericht eingereicht werden,
die abgemahnte Äußerung sowie die Begründung für die begehrte Unterlassung
müssen mit dem bei Gericht geltend gemachten Unterlassungsbegehren identisch
sein und der Antragsteller muss ein etwaiges Zurückweisungsschreiben des
Antragsgegners zusammen mit seiner Antragsschrift bei Gericht einreichen. Im
Gegendarstellungsrecht müssen sowohl das Abdruckverlangen als auch die
Begründung für die begehrte Gegendarstellung identisch sein und muss der
Antragsteller ein etwaiges Zurückweisungsschreiben des Antragsgegners zusammen
mit seiner Antragsschrift bei Gericht eingereicht haben. Nur dann ist
sichergestellt, dass der Antragsgegner hinreichend Gelegenheit hatte, sich zu
dem Vorbringen des Antragstellers in gebotenem Umfang zu äußern.
Demgegenüber ist dem Antragsgegner prozessuales Gehör zu
gewähren, wenn er nicht in der gehörigen Form abgemahnt wurde beziehungsweise
wenn ihm das Abdruckverlangen nicht in der gehörigen Form zugeleitet wurde oder
der Antrag vor Gericht in anderer Weise oder mit ergänzendem Vortrag begründet
wird als in der Abmahnung beziehungsweise dem Abdruckverlangen. Gehör ist auch
zu gewähren, wenn das Gericht dem Antragsteller Hinweise nach § 139 ZPO
erteilt, von denen die Gegenseite nicht oder erst nach Erlass einer für sie
nachteiligen Entscheidung erfährt. Alle Hinweise müssen, insbesondere sofern
sie mündlich erteilt werden, vollständig dokumentiert werden, so dass sich
nachvollziehbar aus den Akten ergibt, wer wann wem gegenüber welchen Hinweis
gegeben hat. Entsprechend ist es verfassungsrechtlich geboten, den jeweiligen
Gegner vor Erlass einer Entscheidung in den gleichen Kenntnisstand zu versetzen
wie den Antragsteller, indem auch ihm die richterlichen Hinweise zeitnah
mitgeteilt werden. Dies gilt insbesondere, wenn Rechtsauskünfte darauf zielen,
einen Antrag nachzubessern, oder eine Einschätzung zu den Erfolgsaussichten
oder dem Vorliegen der Dringlichkeit nach § 937 Abs. 2 ZPO abgeben. Soweit
Hinweise erteilt werden, ist der Gegenseite dies auch im Falle der Ablehnung
eines Antrags unverzüglich mitzuteilen.
2. Diesen Grundsätzen genügen die angegriffenen Beschlüsse
nicht.
a) Das Landgericht Köln hat über den Antrag auf einstweilige
Verfügung nicht nur ohne mündliche Verhandlung entschieden, sondern auch ohne
eine vorherige ordnungsgemäße Abmahnung durch die Antragstellerin und ohne eine
Anhörung der Beschwerdeführerin im Verfahren. Dadurch hatte die
Beschwerdeführerin, die von dem gegen sie gerichteten Verfahren keine Kenntnis
hatte, keine Möglichkeit, vor der Entscheidung des Gerichts ihre Sicht der
Dinge darzulegen. Es ist auch in keiner Weise ersichtlich, dass eine
Überraschungsentscheidung erforderlich gewesen wäre, um das Rechtsschutzziel
nicht zu gefährden.
b) Dass das Oberlandesgericht der Beschwerdeführerin keine
Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat, ist jedenfalls insoweit verfassungsrechtlich
nicht zu rechtfertigen, als das Gericht dem Antrag auf Erlass der beantragten
Verfügung auf Abdruck einer Gegendarstellung stattgab, ohne das vorprozessuale
Erwiderungsschreiben der Beschwerdeführerin zu berücksichtigen, dass ein Gegendarstellungsanspruch
unberechtigt sei. Dies gilt erst recht für einen Verfahrensablauf, bei dem die
Beschwerdeführerin in einem über vier Monate währenden Verfahren mit mehreren
Anträgen zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit hatte, sich überhaupt zu äußern.
Auch einseitig erteilte Hinweise haben die prozessuale
Waffengleichheit verletzt. Es ist nach dem Akteninhalt belegt, dass der
Antragsteller nach einem Telefonat mit einem Richter seinen ersten
Gegendarstellungsantrag zurücknahm, anschließend anpasste und nach erneuter
Zurückweisung durch die Beschwerdeführerin einen weiteren Antrag auf Erlass
einer einstweiligen Verfügung beim Landgericht stellte. In dem Schriftsatz
teilte er der Pressekammer dazu die von ihm in Erfahrung gebrachte
Rechtsauffassung des Pressesenats mit. Es ist schon zweifelhaft, ob solche
Hinweise überhaupt mit dem Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit
vereinbar sind. Jedenfalls aber verstößt es gegen diesen Grundsatz, dass diese
der Beschwerdeführerin nicht unverzüglich mitgeteilt wurden und nicht erkennbar
ist, was mit dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers besprochen wurde.
Aktenvermerke wie „Bedenken erörtert“ genügen den Dokumentations-anforderungen
nicht.

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BGH – Urteil zur Freude aller übenden Musiker – Trompetenspiel im Reihenhaus

Der unter anderem für das Nachbarrecht zuständige V.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 26. Oktober 2018 – V ZR
143/17 – „Trompetenspiel im Reihenhaus“ über einen Rechtsstreit entschieden, in dem die klagenden Bewohner eines
Reihenhauses erreichen wollen, dass sie das als Lärmbelästigung empfundene
Trompetenspiel aus dem benachbarten Reihenhaus nicht mehr hören.
Sachverhalt:
Der Kläger und die Klägerin bewohnen als Nießbraucher ein
Reihenhaus in einem Wohngebiet. Die Beklagten sind Eigentümer und Bewohner des
benachbarten Reihenhauses. Der Beklagte zu 1 ist Berufsmusiker (Trompeter). Er
übt im Erdgeschoss und in einem Probenraum im Dachgeschoss Trompete, nach
eigenen Angaben maximal 180 Minuten am Tag und regelmäßig nicht mehr als an
zwei Tagen pro Woche unter Berücksichtigung der Mittags- und Nachtruhe. Zudem
unterrichtet er zwei Stunden wöchentlich externe Schüler. Die Beklagte zu 2
spielt nicht Trompete. 
Bisheriger
Prozessverlauf:
Die Kläger verlangen von beiden Beklagten das Ergreifen
geeigneter Maßnahmen, damit das Spielen von Musikinstrumenten auf dem Anwesen
der Kläger nicht wahrgenommen werden kann. Diesem Antrag hat das Amtsgericht
stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil
geändert und die Beklagten gesamtschuldnerisch verurteilt,
die Erteilung von Musikunterricht an Dritte insgesamt zu
unterlassen
es zu unterlassen, in dem Anwesen der Beklagten
Instrumentalmusik zu spielen; davon ausgenommen ist nur das Dachgeschoss. Dort
darf für maximal zehn Stunden pro Woche werktags (Montag-Freitag) zwischen 10
und 12 Uhr und 15 und 19 Uhr musiziert werden, und der Beklagte darf an maximal
acht Samstagen oder Sonntagen im Jahr zwischen 15 und 18 Uhr jeweils maximal
eine Stunde Trompete üben.  
Mit der von dem Bundesgerichtshof zugelassenen Revision
wollen die Beklagten erreichen, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird; die
Kläger wollen im Wege der Anschlussrevision das Urteil des Amtsgerichts
wiederherstellen lassen.
Die Entscheidung
des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof hat auf die Revision der Beklagten und
unter Zurückweisung der Anschlussrevision der Kläger die Klage gegen die
Beklagte zu 2 abgewiesen und die Sache im Übrigen an das Landgericht
zurückverwiesen. Dabei hat er sich von folgenden Erwägungen leiten lassen:
Gegen die (nicht musizierende) Beklagte zu 2 besteht von
vornherein kein Unterlassungsanspruch. Ihre Verurteilung käme nur dann in
Betracht, wenn sie als sogenannte mittelbare Handlungsstörerin verpflichtet
wäre, gegen das Musizieren des Beklagten zu 1 einzuschreiten. Das ist nicht der
Fall, weil der Beklagte zu 1 das Haus als Miteigentümer und damit aus eigenem
Recht nutzt. Auch die Verurteilung des (musizierenden) Beklagten zu 1 kann
nicht Bestand haben. Das Landgericht hat bei einem richterlichen Ortstermin
festgestellt, dass das Trompetenspiel des Beklagten im Dachgeschoss im
Wohnzimmer der Kläger (Erdgeschoss) nicht und in deren Schlafzimmer
(Dachgeschoss) nur leise zu hören ist, während das Trompetenspiel im Wohnzimmer
(Erdgeschoss) im angrenzenden Wohnzimmer der Kläger als „schwache
Zimmerlautstärke“ zu vernehmen ist. Im Ausgangspunkt steht den Klägern als
Nießbrauchern eines Hauses gegenüber dem Nachbarn, der sie durch
Geräuschimmissionen stört, grundsätzlich ein Unterlassungsanspruch zu. Der
Abwehranspruch ist jedoch ausgeschlossen, wenn die mit dem Musizieren
verbundenen Beeinträchtigungen nur unwesentlich sind. Das ist anzunehmen, wenn
sie in dem Haus der Kläger nach dem Empfinden eines „verständigen
Durchschnittsmenschen“ nicht als wesentliche Beeinträchtigung einzuordnen
sind; die Grenze der im Einzelfall zumutbaren Lärmbelästigung kann nur auf
Grund wertender Beurteilung festgesetzt werden.
Insoweit hat das Landgericht einen zu strengen Maßstab
zugrunde gelegt. Das häusliche Musizieren einschließlich des dazugehörigen
Übens gehört zu den sozialadäquaten und üblichen Formen der
Freizeitbeschäftigung und ist aus der maßgeblichen Sicht eines „verständigen
Durchschnittsmenschen“ in gewissen Grenzen hinzunehmen, weil es einen
wesentlichen Teil des Lebensinhalts bilden und von erheblicher Bedeutung für
die Lebensfreude und das Gefühlsleben sein kann; es gehört – wie viele andere
übliche Freizeitbeschäftigungen – zu der grundrechtlich geschützten freien
Entfaltung der Persönlichkeit.
 

Andererseits soll auch dem Nachbarn die eigene Wohnung die Möglichkeit
zur Entspannung und Erholung und zu häuslicher Arbeit eröffnen, mithin auch die
dazu jeweils notwendige, von Umweltgeräuschen möglichst ungestörte Ruhe bieten.
Ein Ausgleich der widerstreitenden nachbarlichen Interessen kann im Ergebnis
nur durch eine ausgewogene zeitliche Begrenzung des Musizierens herbeigeführt
werden. Dabei hat ein Berufsmusiker, der sein Instrument im häuslichen Bereich
spielt, nicht mehr, aber auch nicht weniger Rechte als ein Hobbymusiker und
umgekehrt.
Wie die zeitliche Regelung im Einzelnen auszusehen hat,
richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere dem Ausmaß der
Geräuscheinwirkung, der Art des Musizierens und den örtlichen Gegebenheiten;
eine Beschränkung auf zwei bis drei Stunden an Werktagen und ein bis zwei
Stunden an Sonn- und Feiertagen, jeweils unter Einhaltung der üblichen
Ruhezeiten in der Mittags- und Nachtzeit, kann als grober Richtwert dienen. Die
örtlichen Gegebenheiten sind ebenfalls von Bedeutung. Können die
Geräuscheinwirkungen erheblich verringert werden, indem in geeigneten
Nebenräumen musiziert wird, kann es aufgrund nachbarlicher Rücksichtnahme
geboten sein, das Musizieren in den Hauptwohnräumen zeitlich stärker
einzuschränken; das gilt insbesondere dann, wenn auf Seiten des Nachbarn
besondere Umstände wie eine ernsthafte Erkrankung eine gesteigerte
Rücksichtnahme erfordern. Das Musizieren in den Hauptwohnräumen des Hauses kann
aber nicht gänzlich untersagt werden. Auch die zeitlich begrenzte Erteilung von
Musikunterricht kann je nach Ausmaß der Störung noch als sozialadäquat
anzusehen sein. Die Festlegung der einzuhaltenden Ruhezeiten muss sich an den
üblichen Ruhezeiten orientieren; im Einzelnen haben die Gerichte einen gewissen
Gestaltungsspielraum. Ein nahezu vollständiger Ausschluss für die Abendstunden
und das Wochenende, wie ihn das Berufungsgericht vorgesehen hat, kommt jedoch
nicht in Betracht. Dies ließe nämlich außer Acht, dass Berufstätige, aber auch
Schüler häufig gerade abends und am Wochenende Zeit für das Musizieren finden.
Nach alledem wird hier das Trompetenspiel im Dachgeschoss,
das nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ausschließlich im
Schlafzimmer der Kläger leise zu vernehmen ist, zur Mittags- und Nachtzeit als
wesentlich, zu den übrigen Zeiten aber jedenfalls für etwa drei Stunden
werktäglich (und eine entsprechend geringere Zeitspanne an Sonn- und
Feiertagen) als unwesentlich anzusehen sein. Dann stünden dem Beklagten zu 1 im
Dachgeschoss relativ großzügige Zeiträume zur Verfügung; infolgedessen könnte
das Trompetenspiel in den Haupträumen engeren zeitlichen Grenzen unterworfen
werden. Jedenfalls insgesamt sollte das tägliche Musizieren in dem Haus etwa
drei Stunden werktags (und eine entsprechend geringere Zeitspanne an Sonn- und
Feiertagen) nicht überschreiten. Entstehen durch den Musikunterricht lautere
oder lästigere Einwirkungen und damit eine stärkere Beeinträchtigung der
Kläger, muss dieser ggf. auf wenige Stunden wöchentlich beschränkt werden;
sofern sich das Dachgeschoss zu der Unterrichtserteilung eignet, könnte das
Landgericht vorgeben, dass der Unterricht nur dort stattfinden darf. 
Die Sache war hinsichtlich der Berufung des Beklagten zu 1
an das Landgericht zurückzuverweisen, damit es Feststellungen dazu trifft,
welche Störungen durch den Musikunterricht entstehen, und damit es die Zeiten,
zu denen musiziert werden darf, abschließend festlegen kann.
Vorinstanzen:
Die maßgeblichen
Vorschriften lauten:
§ 1065
Beeinträchtigung des Nießbrauchsrechts
Wird das Recht des Nießbrauchers beeinträchtigt, so finden
auf die Ansprüche des Nießbrauchers die für die Ansprüche aus dem Eigentum
geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung.
§ 1004 Beseitigungs-
und Unterlassungsanspruch
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung
oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem
Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere
Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur
Duldung verpflichtet ist.
§ 906 BGB Zuführung
unwägbarer Stoffe
(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von
Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und
ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht
verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur
unwesentlich beeinträchtigt. (…)
(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche
Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks
herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die
Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. (…) 
Karlruhe, den 26. Oktober 2018
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

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OLG Zweibrücken – Keine erneute Urheberrechtsverletzung bei im „Cache“ von Internetsuchmaschinen gespeicherten Inhalten

Das OLG Zweibrücken hat mit Urteil
 vom 19.05.2016, Az. 4 U 45/15

entschieden, dass ein Unterlassungsschuldner nicht gegen seine
Unterlassungspflicht verstößt, wenn ein von ihm unzulässig genutztes
urheberrechtlich geschütztes Bild nach Abgabe einer Unterlassungserklärung
weiterhin im Google Cache auffindbar ist. Vorliegend hatte der Beklagte
unerlaubt mit einem Bild des Klägers in einer eBay-Artikelbeschreibung
geworben. Er wurde diesbezüglich abgemahnt, gab eine Unterlassungserklärung ab
und entfernte das Bild bei eBay. Danach war die beanstandete
Artikelbeschreibung jedoch noch im „Cache“ (Zwischenspeicher) der
Internetsuchmaschine „Google“ abrufbar. Nach Auffassung des Gerichts könne
hierfür jedoch keine Vertragsstrafe geltend gemacht werden, da die
Unterlassungserklärung nicht weitergehend dahin auszulegen sei, dass der
Beklagte auch verpflichtet sein solle, dass beanstandete Lichtbild über die
Internetplattform „eBay“ hinaus vollständig aus dem Internet zu entfernen.
Im Grundsatz ist davon auszugehen, dass ein eBay-Verkäufer,
der von einem anderen Nutzer wegen urheberrechtwidriger Verwendung eines
Lichtbildes abgemahnt wurde, aufgrund dieser Abmahnung gehalten ist, auch die
Internet-Suchmaschine „Google“ zu überprüfen, ob dort das
beanstandete Lichtbild weiterhin abrufbar ist. Etwas anderes gilt jedoch dann,
wenn sich das gegenständliche Lichtbild lediglich im Archiv bei
„Google“ befindet. Der durchschnittliche Internetnutzer wird
regelmäßig keine durch Zwischenschritte aufwendige Suche nach bebilderten
Kaufangeboten im „Cache“ durchführen, sondern vielmehr bei Interesse
an bestimmten Artikeln die zeitlich aktuelle Internetseite der Suchmaschine
ansteuern. Im Übrigen kann die Verpflichtungserklärung, es zu unterlassen, das
streitgegenständliche Foto weiterhin ohne Zustimmung des Berechtigten zu
veröffentlichen und für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung eine
Vertragsstrafe zu bezahlen, nicht dahin ausgelegt werden, dass der Nutzer auch
verpflichtet sein soll, dass beanstandete Lichtbild über die Internetplattform
„eBay“ hinaus vollständig aus dem Internet zu entfernen, namentlich
dafür zu sorgen, dass das Lichtbild auch aus den „Caches“ der
Internetsuchmaschinen entfernt wird.

Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 6.
Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 10. Februar „2014“
(richtig: 2015) wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu
tragen.
III. Das Urteil ist ebenso wie das angefochtene Urteil des Landgerichts
ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 11
575,00 € festgesetzt (Antrag Nr. 1: 6 000,00 €; Nr. 4: 475,00 €; Nr. 5: 5
100,00 €).
Gründe
I.
Beide Parteien handeln mit Wasserschläuchen. Der Beklagte
warb auf der Internetplattform „eBay“ mit dem Lichtbild eines Wasserschlauches.
Die alleinigen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an der Fotografie hält der
Kläger inne. Der Kläger mahnte deshalb den Beklagten durch Anwaltsschreiben vom
25. März 2014 ab und forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten
Unterlassungserklärung auf. Dem kam der Beklagte durch entsprechende Erklärung
vom 26. März 2014 nach, welche der Kläger annahm. Am 8. April 2014 stellte eine
von dem Kläger ständig mit der Ermittlung von Urheberrechtsverstößen
beauftragte Internet-Detektei fest, dass in dem „Cache“ (Zwischenspeicher) der
Internetsuchmaschine „Google“ weiterhin die beanstandete Werbung des Beklagten
mit dem in Rede stehenden Lichtbild des Wasserschlauches abrufbar war. Der
„Cache“ zeigte Abbildungen von Seiten, wie diese in der Zeit zwischen dem 16.
und 21. März 2014 u.a. auf der Handelsplattform „eBay“ angezeigt worden waren.
Mit Schreiben vom 9. April 2014 mahnte der Kläger deshalb den Beklagten erneut
ab und forderte ihn zur Abgabe einer weiteren strafbewehrten
Unterlassungserklärung auf. Da der Beklagte dem nicht nachkam, erwirkte der
Kläger beim Landgericht Frankenthal/Pfalz am 2. Mai 2014 eine entsprechende
Unterlassungsverfügung (Az.: 6 O 119/14). Der Aufforderung des
Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 12. Juni 2014 zur Abgabe einer
Abschlusserklärung kam der Beklagte nicht nach.
Der Kläger hat deshalb in dem vorliegenden Rechtsstreit von
dem Beklagten (erneut) begehrt, es bei Meidung von näher bezeichneten
Ordnungsmitteln zu unterlassen, das in Rede stehende Foto eines
Wasserschlauches der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Darüber hinaus hat er
die Zahlung einer Lizenzgebühr von 750,00 € und Erstattung außergerichtlicher
Rechtsanwaltskosten verlangt. Mit Schriftsatz vom 25. Juli 2014 hat der Kläger
seine Anträge aus der Klageschrift erweitert und zusätzlich die Zahlung einer
Vertragsstrafe von 5 100,00 € nebst Zinsen verlangt. Beide Schriftsätze sind dem
Beklagten am 4. August 2014 unter der Anschrift „S… 70, 3… B…“ zugestellt
worden. Da innerhalb der ihm vom Landgericht gesetzten Frist eine
Verteidigungsanzeige des Beklagten nicht eingegangen ist, hat die 6.
Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) den Beklagten im schriftlichen
Vorverfahren durch Versäumnisurteil vom 21. August 2014 entsprechend den
Anträgen aus der Klageschrift verurteilt. Die Säumnisentscheidung ist dem
Beklagten am 4. September 2014 im Wege der Ersatzzustellung unter der o.g. Anschrift
in B… zugestellt worden. Auf einen Berichtigungsantrag des Klägers hat die
Kammer ihr Versäumnisurteil durch Beschluss vom 16. September 2014 dahin
„ergänzt“, dass der Beklagte weitergehend auch verurteilt wurde, die
klageerweiternd begehrte Vertragsstrafe nebst Zinsen zu bezahlen. Da der
Beschluss dem Beklagten unter der Adresse in B… nicht zugestellt werden
konnte, hat das Landgericht den Beschluss dem Beklagten unter seiner neuen
Anschrift „K… 15, 3… L…“ am 15. Oktober 2014 zugestellt. Mit am 29. Oktober
2014 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten
vom selben Tag hat der Beklagte gegen das Versäumnisurteil „nebst Ergänzung vom
16. September 2014“ Einspruch eingelegt und zugleich wegen Versäumung der
Einspruchsfrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt. Ferner hat
der Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Durch das nunmehr angefochtene Urteil vom 10. Februar
(richtig:) 2015, auf dessen Inhalt zur Ergänzung der Sachdarstellung ergänzend
Bezug genommen wird, hat die Zivilkammer das Versäumnisurteil teilweise
aufrechterhalten und im Übrigen die Klage bezüglich des Unterlassungsanspruchs
sowie des Anspruchs auf Zahlung einer Vertragsstrafe (5.100,00 €), sowie wegen
der Kosten der zweiten Abmahnung abgewiesen.
Mit seiner Berufung bekämpft der Kläger das Urteil, soweit
seine Klage abgewiesen worden ist. Er rügt, dass bereits der Einspruch des
Beklagten gegen das Versäumnisurteil wegen Verfristung unzulässig gewesen sei.
Zur Begründung der mit dem Rechtsmittel weiterverfolgten Klageansprüche
wiederholt und vertieft er im Wesentlichen seinen erstinstanzlichen Vortrag.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten über das
angefochtene Urteil hinaus wie folgt zu verurteilen:
Abbildung
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die von ihm für zutreffend gehaltene
Entscheidung des Landgerichts unter Vertiefung seines erstinstanzlichen
Vorbringens.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen
wird auf den Inhalt der in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst
den dazu vorgelegten Anlagen verwiesen.
II.
Das verfahrensrechtlich bedenkenfreie und somit zulässige
Rechtsmittel bleibt in der Sache ohne Erfolg.
A.
Der Einspruch des Beklagten gegen das klagestattgebende
Versäumnisurteil der Zivilkammer vom 21. August 2014 ist insgesamt zulässig,
wobei als für die Entscheidung nicht erheblich dahinstehen kann, ob das
Erstgericht zu der vorgenommenen Ergänzung seiner Säumnisentscheidung im
Beschlusswege befugt war. Eine Verfristung des Einspruchs ist schon deshalb
nicht anzunehmen, weil das Versäumnisurteil vom 21. August 2014 dem Beklagten
nicht wirksam zugestellt und damit der Lauf der Einspruchsfrist nicht in Gang
gesetzt wurde.
Ausweislich der in den Akten befindlichen
Postzustellungsurkunde ist das Versäumnisurteil dem Beklagten am 4. September
2014 unter seiner früheren Wohn- und Geschäftsanschrift in der S… 70, 3… B… im
Wege der Ersatzzustellung durch Einlegung in einen Briefkasten zugestellt
worden. Der Beklagte hat jedoch im Berufungsverfahren unwidersprochen
vorgetragen, dass er bereits am 11. August 2014 an seine nunmehrige Wohn- und
Geschäftsanschrift K… 15, 3… L… umgezogen war und dass er deshalb lediglich den
Berichtigungsbeschluss der Kammer vom 16. September 2014, nicht aber das
Versäumnisurteil erhalten hat. Da der Beklagte somit im Zeitpunkt der
Zustellung des Versäumnisurteils seine Wohn- und Geschäftsanschrift in B…
aufgegeben hatte, war die dort durch Einlegung in den Briefkasten erfolgte
Ersatzzustellung nach § 180 ZPO nicht mehr zulässig (vgl. Zöller/Stöber, ZPO
31. Aufl., § 180 Rdnr. 7 m.w.N.).
Wie der Beklagte vorgetragen hat, hat er erst nach Erhalt
des Berichtigungsbeschlusses und Akteneinsicht seiner Prozessbevollmächtigten
im November 2014 Kenntnis von dem Versäumnisurteil erlangt, wodurch der
Zustellungsmangel gemäß § 189 ZPO geheilt worden ist. Dass der Beklagte bereits
zuvor am 29. Oktober 2014 Einspruch eingelegt hatte, ist unschädlich, weil der
Einspruch auch vor Urteilszustellung zulässig war (vgl. Zöller/Herget aaO, §
339 Rdnr. 2).
B.
In der Sache ist die Entscheidung des Landgerichts nicht zu
beanstanden.
Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu,
obwohl das inkriminierte Foto (bei entsprechender zielgerichteter
Internetrecherche) auch noch am 8. April 2014 im „Cache“ der
Internetsuchmaschine „Google“ auffindbar war und der Beklagte sich in seiner
strafbewehrten Unterlassungserklärung vom 26. März 2014 verpflichtet hatte, das
Foto nicht mehr ohne Zustimmung des Klägers öffentlich zugänglich zu machen.
1) Allerdings stand dem Kläger bei einer wiederholten
Urheberrechtsverletzung durch den Beklagten ein Unterlassungsanspruch sowohl
aus der Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 26. März 2014 als auch
unmittelbar aus dem Gesetz (§ 97 Abs. 1 UrhG) zu. Zwar war durch die Abgabe der
strafbewehrten Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr aus dem ersten
Verstoß entfallen. Jedoch konnte der (behauptete) zweite Verstoß eine
Wiederholungsgefahr wieder aufleben lassen, mit der Folge, dass dem Kläger dann
sowohl der gesetzliche als auch der vertragliche Unterlassungsanspruch
zustanden (vgl. zu allem BGH, Urteil vom 9. November 1979 – I ZR 24/78 –
Rechtsschutzbedürfnis -; OLG Stuttgart, Beschluss vom 23. März 1983 – 2 W 22/83
-; Köhler/Bornkamm UWG 33. Aufl., § 8 Rdnr. 1.45).
2) Aufgrund seiner ursprünglichen Verletzungshandlung hatte
der Beklagte auch alle ihm möglichen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um
weitere Urheberrechtsverletzungen – wenn möglich – zu verhindern. In diesem
Zusammenhang traf ihn auch die Pflicht, den Betreiber der Internetplattform
„eBay“, auf welcher er den Rechtsverstoß begangen hatte, zur Entfernung des vom
Kläger beanstandeten Lichtbilds aufzufordern, insbesondere ihn konkret zu
informieren, welches Foto der Beklagte unter Verstoß gegen das Urheberrecht zur
Bebilderung seiner Verkaufsofferte verwendet hatte. Ferner hatte der Beklagte
zu kontrollieren, ob seiner entsprechenden Anweisung dort Folge geleistet wurde
(vgl. BGH, Urteile vom 18. September 2014 – I ZR 76/13 -, CT-Paradies; 17.
August 2011 – I ZR 57/09 -; Stiftparfüm). Darüber hinaus hatte der Beklagte im
Rahmen der ihm obliegenden Unterlassungs- und Handlungspflichten vom Grundsatz her
auch die gängigen Internetbranchendienste zu überprüfen und gegebenenfalls zu
veranlassen, die inkriminierte Abbildung zu entfernen, weil er damit rechnen
musste, dass solche Dienste sein urheberrechtsverletzendes Verkaufsangebot in
ihre Verzeichnisse aufnahmen bzw. dass Suchmaschinen, darunter „Google“, dort
etwa vorhandene Abbildungen bei Recherchen von Internetnutzern nach
Wasserschläuchen anzeigten. (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2013 – I ZR
77/12 -; Senat, Urteil vom 19. November 2015 – 4 U 120/14 -).
3) All dem ist der Beklagte zwar (unstreitig) nicht
nachgekommen. Die Betreiberin der Handelsplattform „eBay“ war aber gleichwohl
über die Verletzungshandlung des Beklagten informiert und hat die Fortdauer der
Rechtsverletzung aus eigener Initiative beendet. Das belegt der von dem
Beklagten im Prozess vorgelegte Warnhinweis der Plattformbetreiberin vom 21.
März 2014, in welchem diese ihm mitgeteilt hat, dass der „Rechteinhaber“ sie
informiert habe, dass der vom Beklagten beworbene Artikel seine „Patentrechte“
verletze und dass das Angebot des Beklagten deshalb entfernt worden sei. Wegen
dieser Mitteilung, die der Beklagte dahin verstehen durfte, dass die Störung
der Urheberrechte des Klägers an dem Foto beseitigt sei, bedurfte es unter den
besonderen tatsächlichen Umständen der vorliegenden Fallgestaltung danach
keiner weiteren Handlungen des Beklagten gegenüber der Betreiberin der
Internetplattform „eBay“.
Dass die beanstandete Abbildung bei der im Auftrag des
Klägers veranlassten professionellen Recherche bei „Google“ (unter
http://webcache.googleusercontent.com/search?q=cache) im „Cache“ der
Suchmaschine auch noch am 8. April 2014 auffindbar war, begründet die geltend
gemachten Ansprüche im Streitfall nicht.
Selbst wenn man im Grundsatz davon ausgeht, dass der
Beklagte nach der Abmahnung des Klägers vom 25. März 2014 gehalten war, auch
die Internet-Suchmaschine „Google“ zu überprüfen, ob dort das beanstandete
Lichtbild etwa weiterhin abrufbar war, gilt im vorliegenden Fall etwas anderes.
Der Kreis der durchschnittlich versierten Internetnutzer, zu
dem sich auch die Mitglieder des erkennenden Senats rechnen, hat nicht von
vornherein Kenntnis davon, dass Informationen, die bei einem Aufruf der
aktuellen Suchergebnisse von der Suchmaschine „Google“ nicht aufgezeigt, aber
früher vorhanden waren, weiterhin (wenn auch nur befristet) als Abbild des
früheren Standes einer Webseite im „Cache“ gespeichert sind und dort, zu
welchem Zweck auch immer, gezielt gesucht werden können. Eine solche Suche nach
bebilderten Kaufangeboten „im Archiv“ wird ein Kaufinteressent als
Internetnutzer regelmäßig auch nicht anstellen. Denn der Nutzer, welcher sich
für einen bestimmten Artikel interessiert, wird ganz selbstverständlich die
zeitlich aktuelle Internetseite der Suchmaschine, nicht aber deren Archiv
(„Cache“) ansteuern, zumal dieses nicht ohne weitere Zwischenschritte
aufgerufen werden kann. Selbst wenn man insoweit anderer Meinung sein wollte,
war es im vorliegenden Fall dem Beklagten jedenfalls nicht zumutbar, in der
kurzen Zeitspanne zwischen der Abgabe der Unterlassungserklärung (26. März
2014) und der Überprüfung im „Cache“ der Suchmaschine „Google“ (am 8. April
2014) auch die Archive der gängigen Internetdienste darauf zu überprüfen, ob
die beanstandete Abbildung dort möglicherweise noch auffindbar war. Ohne dass
dieser Frage weiter nachgegangen werden müsste, erscheint es im Übrigen auch
durchaus zweifelhaft, ob der Beklagte in der kurzen Zeitspanne bis zum 8. April
2014 überhaupt eine realistische Chance gehabt hätte, bei dem Betreiber von
„Google“ eine Entfernung des Lichtbildes aus dem „Cache“ durchzusetzen.
4) Aus der strafbewehrten Unterlassungserklärung des
Beklagten vom 25. März 2014 ergibt sich ebenfalls keine Beseitigungspflicht in
diesem Sinne.
Der Beklagte hat sich darin nur verpflichtet, es zu
unterlassen, das streitgegenständliche Foto weiterhin ohne Zustimmung des
Klägers zu veröffentlichen und für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung
eine Vertragsstrafe zu bezahlen.
Diese vertragliche Erklärung kann nicht (weitergehend) dahin
ausgelegt werden, dass der Beklagte auch verpflichtet sein sollte, dass
beanstandete Lichtbild über die Internetplattform „eBay“ hinaus vollständig aus
dem Internet zu entfernen, namentlich dafür zu sorgen, dass das Lichtbild auch
aus den Internetsuchmaschinen bzw. deren „Caches“ entfernt wurde. Denn bei der
Erklärung handelt es sich um eine in die Zukunft gerichtete
Unterlassungserklärung, der eine weitergehende Verpflichtung zur Entfernung des
Lichtbildes fehlt (vgl. BGH Urteil vom 21. Oktober 2010 – III ZR 17/10 -).
Damit ist es nicht zu vereinbaren, dass der Schuldner der
Unterlassungserklärung in – wie ausgeführt – unverhältnismäßiger Weise darüber
hinaus verpflichtet sein sollte, zwecks Meidung der versprochenen Strafe dafür
zu sorgen, dass das beanstandete Lichtbild überhaupt nicht mehr im Internet
bzw. in Suchmaschinen aufgefunden werden konnte.
Aus den vom Kläger zitierten Entscheidungen des
Oberlandesgerichts Karlsruhe (Urteil vom 12. September 2012 – 6 U 58/11 -), des
Oberlandesgericht Frankfurt/Main (Beschluss vom 10. Juli 2013 – 11 U 28/12 -)
und des Landgerichts Köln (Urteil vom 11. Juli 2013 – 14 O 61/13) ergibt sich
nichts Gegenteiliges. Die Entscheidungen sind im Tatsächlichen anders gelagert.
Die Urteile der Oberlandesgerichte Karlsruhe und Frankfurt/Main (jeweils aaO)
betreffen Fälle, in denen die Urheberrechtsverletzung auf einer Internetseite
des Verletzers weiter fortgesetzt wurde; das Urteil des Landgerichts Köln
befasst sich damit, dass ein Lichtbild, welches auf der Internetplattform
„eBay“ veröffentlicht worden war, dort nicht entfernt wurde. Vorliegend geht es
jedoch um die Frage, ob der Urheberrechtsverletzer für die Beseitigung der
Rechtsverletzung auch auf einer Rechercheplattform sorgen muss, auf welcher er
das Lichtbild selbst nicht eingestellt hat und zu deren Betreiber er auch nicht
in einer rechtlichen Sonderbeziehung steht.
3. Ist sonach davon auszugehen, dass es sich bei der vom
Kläger beanstandeten weiteren Auffindbarkeit des Fotos im „Google Cache“ nicht
um eine erneute Urheberrechtsverletzung des Beklagten handelte, sind weder der
neuerliche Unterlassungsanspruch, noch der Anspruch auf Zahlung einer
Vertragsstrafe noch die in diesem Zusammenhang geltend gemachten
Kostenansprüche des Klägers, noch der Anspruch auf Zahlung einer weitergehenden
Lizenzgebühr begründet. Das Rechtsmittel erweist sich deshalb als insgesamt
unbegründet.
4. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1
ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen
des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

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OLG Hamburg – Fehlender Link zu Möglichkeit einer Online-Streitbeilegung wettbewerbswidrig

Das OLG Hamburg hat mit 
Beschluss vom 29.05.2018,
Az. 3 W 39/18
entschieden, dass ein fehlender klickbaren Link auf
OS-Plattform wettbewerbswidrig ist, aber mangels Schwere des Verstoßes der
Streitwert nur mit 1.200 EURO zu bemessen ist, sofern wenigstens auf die
OS-Plattform hingewiesen wurde.
Leitsätze:
1. Die bloße textliche Wiedergabe der Internetadresse (URL)
der Online-Streitbeilegungs-Plattform ohne eine Verlinkungs-Funktionalität
stellt keinen „Link“ im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 1 VO (EU) Nr. 524/2013 über
Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten dar, der nach der
Verordnung hergestellt werden muss.
2. Werden von einem Unternehmer Online-Kaufverträge oder
Online-Dienstleistungsverträge i.S von Art. 14 Abs. 1 S. 1 VO (EU) Nr. 524/2013
auf einem Online-Marktplatz angeboten und fehlt es dort an einer Verlinkung
i.S. der Verordnung auf die Internetadresse (URL) der OS-Plattform, dann ist
der Verstoß gegen die genannte Vorschrift auch dann als spürbar im Sinne des §
3a UWG anzusehen, wenn die Internetadresse der OS-Plattform textlich angegeben
wird (Anschluss an: OLG Hamm, Beschl. v. 03.08.2017, 4 U 50/17, BeckRS 2017,
121013, Rn. 17). Da die Pflicht zur Anbringung der Verlinkung auf
unionsrechtlicher Regelung beruht, ist sie bereits aus Rechtsgründen als
wesentlich im Sinne von § 5a Abs. 4, § 2 Abs. 1 Nr. 8 UWG und damit auch als
spürbar i. S. v. § 3a UWG anzusehen.
3. Der Umstand, dass bei den Angeboten von
Online-Kaufverträgen oder Online-Dienstleistungsverträgen auf einem
Online-Marktplatz zwar keine elektronische Verlinkung auf die Internetadresse
der Online-Streitbeilegungs-Plattform gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 1 VO (EU) Nr.
524/2013 erfolgt, die Internetadresse der OS-Plattform aber textlich
wiedergegeben ist, wirkt sich streitwertmindernd aus.

Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 8.
Mai 2018 wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg, KfH 6, vom 24. April 2018
(Aktenzeichen 406 HKO 45/18) abgeändert:
Im Wege der einstweiligen Verfügung – der Dringlichkeit
wegen ohne vorherige mündliche Verhandlung – wird den Antragsgegnern bei
Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden
Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann,
einer Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld
im Einzelfall höchstens € 250.000,00; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei
Jahre) verboten,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im
Internet, insbesondere auf der Handelsplattform eBay, KfZ-Teile anzubieten,
ohne in dem Angebot für den Verbraucher einen leicht zugänglichen, anklickbaren
Link zur OS-Plattform zur Verfügung zu stellen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Antragsgegnerin
zu 1) zu 2/3 und den Antragsgegnern zu 2) und zu 3) zu je 1/6 zur Last.
III. Der Beschwerdewert wird auf € 1.200,00 festgesetzt.
Davon entfallen € 800,00 auf die Antragsgegnerin zu 1) und je € 200,00 auf die
Antragsgegner zu 2) und zu 3).
Gründe
A.
Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegner im Wege des
einstweiligen Rechtsschutzes wegen unzureichender Erfüllung der
Informationspflichten gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 1 der Verordnung (EU) Nr.
524/2013 aus Wettbewerbsrecht auf Unterlassung in Anspruch.
Die Parteien vertreiben Kraftfahrzeugteile (Anlagen 1 und 3)
und sind Mitglieder der Fair-Commerce-Initiative (Anlage 8).
Im Februar 2018 haben die Antragsgegner unter dem
eBay-Nutzernamen „a-p“ in ihrem Verkaufsangebot auf der Internetplattform eBay
zwar zutreffend auf die Streitschlichtungsplattform der EU-Kommission
(OS-Plattform) und deren Internetadresse https://ec.europa.eu/odr hingewiesen,
die Angabe der Internetadresse war jedoch nicht mit einem Link versehen. Sie
konnte daher nicht angeklickt werden, um unmittelbar zur OS-Plattform zu
gelangen (Anlagen 2 und 3).
Diesbezüglich hat die Antragstellerin die Antragsgegner mit
Schreiben vom 2. März 2018 anwaltlich abmahnen lassen (Anlage 4). Die
Antragsgegner ließen die geltend gemachten Ansprüche mit Anwaltsschreiben vom
16. März 2018 zurückweisen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die
Antragstellerin, die wie die Antragsgegner Mitglied der
Fair-Commerce-Initiative sei, aufgrund § 4 der Satzung der
Fair-Commerce-Initiative verpflichtet gewesen sei, die Antragsgegner vor der
Einleitung kostenpflichtiger Maßnahmen auf die Rechtsverletzung hinzuweisen.
Dies sei nicht geschehen. Das Vorgehen der Antragstellerin stelle sich als
rechtsmissbräuchlich i. S. v. § 8 Abs. 4 UWG dar. Sie werbe selbst im Hinblick auf
die anfallenden Versandkosten irreführend und damit wettbewerbswidrig (Anlage A
5). Der nachfolgende Schriftwechsel führte nicht zu einer gütlichen Beilegung
der Auseinandersetzung (Anlagen 6 und 7).
Nachfolgend hat die Antragstellerin den vorliegenden Verfügungsantrag
vom 20. März 2018 gestellt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die
fehlende Verlinkung zur angegebenen Internetseite der OS-Plattform einen
Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 S. 1 der Verordnung (EU) Nr. 524/2013 darstelle.
Die Mitgliedschaft beider Seiten in der
Fair-Commerce-Initiative stehe der Geltendmachung des vorliegenden
Unterlassungsanspruchs nach § 4 Abs. 2 b) S. 4 der Teilnahmeregeln der
Initiative (Anlage 8) nicht entgegen, denn die Antragsgegner hätten auf ihrer
Internetseite – entgegen § 3 der Teilnahmeregeln – nicht auf diese
Mitgliedschaft hingewiesen. Der unclean hands-Einwand der Antragsgegner sei
unbegründet. Zum einen liege der behauptete Wettbewerbsverstoß der
Antragstellerin schon nicht vor. Zum anderen seien die behaupteten
Wettbewerbsverletzungen nicht gleichartig.
Die Antragstellerin hat beantragt,
den Antragsgegnern im Wege der einstweiligen Verfügung – der
Dringlichkeit wegen ohne vorherige mündliche Verhandlung – bei Vermeidung der
gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu verbieten,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im
Internet, insbesondere auf der Handelsplattform eBay, KfZ-Zubehör anzubieten,
ohne in dem Angebot für den Verbraucher einen leichtzugänglichen, anklickbaren
Link zur OS-Plattform zur Verfügung zu stellen.
Das Landgericht Hamburg hat den Verfügungsantrag mit
Beschluss vom 24. April 2017, Aktenzeichen 406 HKO 45/18, zurückgewiesen und
zur Begründung ausgeführt, dass der streitgegenständliche Verstoß nicht spürbar
sei. Die bloße textliche Wiedergabe der Internetadresse der OS-Plattform sei in
keiner Weise geeignet, Interessen von Verbrauchern, Marktteilnehmern oder
Mitbewerbern zu beeinträchtigen. Denn zum einen sei die Teilnahme am
Schlichtungsverfahren grundsätzlich ohnehin freiwillig und zum anderen sei
davon auszugehen, dass der Internetnutzer die OS-Plattform auch bei bloß
textlicher Wiedergabe der Internetadresse problemlos erreichen könne.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer
sofortigen Beschwerde vom 8. Mai 2018. Im Beschwerdeverfahren wiederholt und
vertieft sie ihren erstinstanzlichen Vortrag. Ergänzend hat sie ausgeführt,
dass der Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 S. 1 der Verordnung (EU) Nr. 524/2013 als
„spürbar“ i. S. v. § 3a UWG anzusehen sei, weil damit unionsrechtliche
Regelungen über Informationspflichten verletzt würden.
Mit Beschluss vom 14. Mai 2018 hat das Landgericht der
sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und zur Begründung ausgeführt, dass kein
Verstoß gegen unionsrechtliche Informationspflichten erkennbar sei. Die
Internetadresse zur OS-Plattform werde vielmehr zutreffend angegeben.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 24. April 2018
abzuändern und den Antragsgegnern bei Vermeidung der gesetzlich vorgesehenen
Ordnungsmittel zu verbieten,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im
Internet, insbesondere auf der Handelsplattform eBay, KfZ-Zubehör anzubieten,
ohne in dem Angebot für den Verbraucher einen leichtzugänglichen, anklickbaren
Link zur OS-Plattform zur Verfügung zu stellen.
Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird auf die von der
Antragstellerin zur Akte gereichten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.
B.
Die gemäß §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO zulässige sofortige
Beschwerde der Antragstellerin vom 8. Mai 2018 ist begründet.
I.
Der Verfügungsantrag der Antragstellerin vom 20. März 2018
ist zulässig und begründet.
1.
Es besteht ein Verfügungsgrund. Anhaltspunkte dafür, dass
die Dringlichkeitsvermutung nach § 12 Abs. 2 UWG widerlegt wäre, sind nicht
ersichtlich.
2.
Es besteht auch ein Verfügungsanspruch. Der geltend gemachte
Unterlassungsanspruch ist gemäß §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1, § 3a UWG i. V. m.
Art. 14 Abs. 1 S. 1 der Verordnung (EU) Nr. 524/2013 begründet.
a)
Nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 der Verordnung (EU) Nr. 524/2013
sind Unternehmer, die in der Union niedergelassen sind und Online-Kaufverträge
oder Online-Dienstleistungsverträge eingehen, sowie die in der Union
niedergelassenen Online-Marktplätze verpflichtet, auf ihren Websites einen Link
zur OS-Plattform einzustellen. Dieser Link muss für Verbraucher leicht
zugänglich sein.
Bei den Antragsgegnern handelt es sich um Unternehmer, die
in der Union niedergelassen sind und Online-Kaufverträge eingehen. Vorliegend
fehlt es im Internetangebot der Antragsgegner nicht an dem erforderlichen
Hinweis auf die Möglichkeit einer alternativen Streitbeilegung über die
OS-Plattform. Vielmehr heißt es dort in dem Abschnitt „Rechtliche Informationen
des Verkäufers“ unstreitig:
„Alternative Streitbeilegung: Die Europäische Kommission
stellt für die außergerichtliche Online-Streitbeilegung (OS-Plattform) bereit,
abrufbar unter https://ec.europa.eu/odr“
(Anlage 3).
Die genannte Internetadresse ist zwar zutreffend angegeben,
es fehlt jedoch an der nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 der Verordnung (EU) Nr.
524/2013 erforderlichen Verlinkung.
aa)
Die bloße textliche Wiedergabe der Internetadresse (URL) der
OS-Plattform ohne eine Verlinkungs-Funktionalität stellt jedoch keinen „Link“
im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 1 VO (EU) Nr. 524/2013 dar. Ein „Link“ setzt
nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine entsprechende Funktionalität voraus,
nämlich dass die im Link angegeben Zielseite per Klick erreicht wird. Die
Regelung von Art. 14 Abs. 1 S. 1 VO (EU) Nr. 524/2013 beschränkt sich gerade
nicht darauf, dass der Unternehmer die Internetadresse der OS-Plattform lediglich
mitteilen muss (OLG Hamm, Beschluss vom 03.08.2017, Aktenzeichen 4 U 50/17,
BeckRS 2017, 121013, Rn. 10). Die Verordnung verlangt vielmehr, dass ein Link
zur OS-Plattform eingestellt wird, der zudem für den Verbraucher auch leicht
zugänglich sein muss.
Die Verpflichtung zur Einstellung des Links zur OS-Plattform
besteht auch für das Angebot der Antragsgegner auf der Internetplattform eBay,
denn unter den in Art. 14 Abs. 1 S. 1 VO (EU) Nr. 524/2013 verwendeten Begriff
der „Website“ fällt auch das streitgegenständliche Angebot der Antragsgegner
auf der Internetplattform eBay.
bb)
Der Verstoß ist – entgegen der Ansicht des Landgerichts –
auch als spürbar im Sinne des § 3a UWG anzusehen (OLG Hamm, Beschluss vom
03.08.2017, Aktenzeichen 4 U 50/17, BeckRS 2017, 121013, Rn. 17). Da die
Pflicht zur Anbringung der Verlinkung auf unionsrechtlicher Regelung beruht,
ist sie bereits aus Rechtsgründen als wesentlich im Sinne von § 5a Abs. 4, § 2
Abs. 1 Nr. 8 UWG und damit auch als spürbar i. S. v. § 3a UWG anzusehen.
3.
Die Mitgliedschaft beider Parteien in der
Fair-Commerce-Initiative stehe der Geltendmachung des vorliegenden
Unterlassungsanspruchs nicht entgegen. Denn gemäß § 4 Abs. 2 lit. b) Abs. 2 der
Teilnahmeregeln sind die in § 4 der Teilnahmeregeln enthaltenen
Verhaltenspflichten im Hinblick auf die Abmahnung anderer Mitglieder der
Initiative schon nicht mit einem Verzicht auf die mit der Rechtsverletzung
verbundenen Unterlassungsansprüche verbunden (Anlage 8). Auf die Frage, ob die
Antragsgegner auf ihrer Internetseite hinreichend auf ihre Mitgliedschaft in
der Fair-Commerce-Initiative hingewiesen haben, kommt es danach nicht mehr an.
4.
Auch der vorgerichtlich erhobene unclean hands-Einwand der
Antragsgegner steht dem Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung nicht
entgegen. Insoweit fehlt es schon an hinreichend konkretem Vorbringen zu dem
angedeuteten Wettbewerbsverstoß der Antragstellerin und einer Gleichartigkeit
der Rechtsverstöße der Parteien.
Darüber hinaus steht dem Durchgreifen des Einwands auch
entgegen, dass mit dem Verstoß gegen die Informationspflicht aus Art. 14 Abs. 1
S. 1 VO (EU) Nr. 524/2013 auch Interessen der Allgemeinheit berührt sind.
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 8. Mai
2018 ist daher der Beschluss des Landgerichts Hamburg, KfH 6, vom 24. April
2018 (Aktenzeichen 406 HKO 45/18) abzuändern und die beantragte einstweilige
Verfügung zu erlassen.
Bei der Fassung des Unterlassungstenors hat der Senat gemäß
§ 938 ZPO berücksichtigt, dass die angegriffene wettbewerbliche Handlung der
Antragsgegner nicht auf das Angebot von KfZ-Zubehör, sondern von KfZ-Teilen
gerichtet war.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 100 ZPO.
III.
Die Festsetzung des Beschwerdewerts auf € 1.200,00 beruht
auf §§ 3, 100 ZPO.
1.
Da die Pflicht zur Anbringung der Verlinkung auf
unionsrechtlicher Regelung beruht, ist sie – wie oben ausgeführt – aus
Rechtsgründen als wesentlich im Sinne von § 5a Abs. 4, § 2 Abs. 1 Nr. 8 UWG,
und damit auch als spürbar i. S. v. § 3a UWG anzusehen.
Der aus Rechtsgründen als spürbar anzusehende Verstoß, d. h.
die mangelnde Verlinkung, ist jedoch angesichts des Umstandes, dass die Information
über die OS-Plattform nicht gänzlich fehlt, sondern die Internetadresse
vielmehr zutreffend angegeben wird, als Verstoß anzusehen, dessen
wirtschaftliche Bedeutung marginal ist. Zudem war das Verhalten der
Antragsgegner ersichtlich nicht auf das Verschweigen der Information über die
OS-Plattformen gerichtet. Es erscheint vielmehr als bloßes Versehen, so dass
lediglich ein Fall fahrlässigen Verhaltens vorliegt. Bei Berücksichtigung der
vorstehenden Umstände und der erforderlichen Gesamtabwägung erscheint ein
Streitwert von insgesamt € 1.200,00 als angemessen und ausreichend.
2.
Der Streitwert war jedoch im Hinblick auf jeden der drei
Antragsgegner gesondert festzusetzen.
Werden – wie hier – mehrere Personen inhaltsgleich wegen der
nämlichen Verletzungshandlung auf Unterlassung in Anspruch genommen, so handelt
es sich gleichwohl rechtlich um mehrere selbständige Ansprüche. Das gilt auch
dann, wenn eine juristische Person und ihr gesetzlicher Vertreter in Anspruch
genommen werden. Im Falle der parallelen Inanspruchnahme einer juristischen
Person und ihres gesetzlichen Vertreters werden die jeweiligen Beiträge
regelmäßig unterschiedlich zu gewichten sein. Fehlt es an konkreten
tatsächlichen Anhaltspunkten dafür, dass der Verletzungshandlung des gesetzlichen
Vertreters (Geschäftsführers) sowie der Gefahr zukünftiger Rechtsverstöße durch
diesen selbst ein besonderes Gewicht zukommt, ist für den Unterlassungsanspruch
gegen diesen regelmäßig ein geringerer Wert festzusetzen als für den Anspruch
gegen die juristische Person. Die so ermittelten Werte sind nachfolgend zu
addieren (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 3. April 2013, Aktenzeichen 3 W
18/13, NJOZ 2013, 2118 f.).
Gleiches gilt vorliegend im Hinblick auf die parallele
Inanspruchnahme einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts und ihrer
Gesellschafter.

Entscheidungsanalyse:
Das OLG Hamburg hat auf die begründete sofortige Beschwerde
der Antragstellerin den Beschluss der Vorinstanz abgeändert und die beantragte
einstweilige Verfügung erlassen. Nach Dafürhalten des Gerichts ist der
Verfügungsantrag der Antragstellerin gemäß §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1, § 3a
UWG i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 524/2013 begründet.
Der Senat führt in seinem Beschluss aus, dass Unternehmer, die in der Union niedergelassen
sind und Online-Kaufverträge oder Online-Dienstleistungsverträge eingehen,
sowie die in der Union niedergelassenen Online-Marktplätze grundsätzlich
verpflichtet sind, auf ihren Websites einen Link zur OS-Plattform einzustellen.
Dieser Link muss für Verbraucher leicht zugänglich sein. Durch den Hinweis
„Alternative Streitbeilegung: Die Europäische Kommission stellt für die
außergerichtliche Online-Streitbeilegung (OS-Plattform) bereit, abrufbar unter
https://ec.europa.eu/odr“ im Internetangebot der Antragsgegner fehlt es
nicht an dem notwendigen Hinweis, wohl aber an der erforderlichen Verlinkung.
Wie das Gericht hervorhebt, stellt die bloße textliche Wiedergabe der
Internetadresse (URL) der OS-Plattform ohne eine Verlinkungs-Funktionalität
keinen „Link“ im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 VO (EU) Nr. 524/2013
dar. Ein „Link“ setzt nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine
entsprechende Funktionalität voraus, nämlich dass die im Link angegeben
Zielseite per Klick erreicht wird. Die Regelung von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 VO
(EU) Nr. 524/2013 beschränkt sich gerade nicht darauf, dass der Unternehmer die
Internetadresse der OS-Plattform lediglich mitteilen muss (vgl. Beschluss des
OLG Hamm vom 03.08.2017 – 4 U 50/17). Nach Auffassung des Senats ist der Verstoß
auch als spürbar im Sinne des § 3a UWG anzusehen. Da die Pflicht zur Anbringung
der Verlinkung auf unionsrechtlicher Regelung beruht, ist sie bereits aus
Rechtsgründen als wesentlich im Sinne von § 5a Abs. 4, § 2 Abs. 1 Nr. 8 UWG und
damit auch als spürbar i.S.v. § 3a UWG anzusehen. Das OLG Hamburg hat den
Beschwerdewert auf 1.200 Euro festgesetzt. Der aus Rechtsgründen als spürbar
anzusehende Verstoß, d.h. die mangelnde Verlinkung, ist – wie das Gericht
ausführt – angesichts des Umstandes, dass die Information über die OS-Plattform
nicht gänzlich fehlt, sondern die Internetadresse vielmehr zutreffend angegeben
wird, als Verstoß anzusehen, dessen wirtschaftliche Bedeutung marginal ist.
Zudem erscheint die fehlende Verlinkung als bloßes Versehen, so dass lediglich
ein Fall fahrlässigen Verhaltens vorliegt. Bei Berücksichtigung der
vorstehenden Umstände und der erforderlichen Gesamtabwägung hat der Senat daher
einen Streitwert von insgesamt 1.200 Euro als angemessen und ausreichend
erachtet.
Praxishinweis:

Der Senat hatte sich vorliegend mit den Anforderungen an die
Bereitstellung eines Links für die Online-Streitbeilegung in
Verbraucherangelegenheiten aufgrund der VO (EU) Nr. 524/2013 zu befassen. Diese
Verordnung gilt seit dem 09.01.2016 für die außergerichtliche Beilegung von
Streitigkeiten, bei denen die in der Union wohnhaften Verbraucher gegen in der
Union niedergelassene Unternehmer und umgekehrt vorgehen können. Onlinehändler
müssen danach ihre Angebote mit der Internetadresse der Online-Streitbeilegungs-Plattform
verlinken; eine bloße textliche Wiedergabe der Internetadresse (URL) der
Online-Streitbeilegungs-Plattform ohne eine Verlinkungs-Funktionalität stellt
keinen „Link“ im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 VO (EU) Nr. 524/2013
über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten dar. Um Abmahnungen
oder einstweilige Verfügungsverfahren wegen derartiger Wettbewerbsverstöße zu
vermeiden, ist daher Online-Händlern dringend zu empfehlen, ihre Angebote
entsprechend zu verlinken.

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LG München – Anfechtung bei Erklärungsirrtum bei ebay-Verkauf

Das LG München I hat mit
Endurteil vom  07.11.2017
– 13 S 6708/17
als Berufungsinstanz das Urteil des AG München  
vom
09.03.2017, Az. 274 C 21792/16
 bestätigt, dass eine Anfechtung des Verkäufers bei eBay wegen
eines Erklärungsirrtums möglich ist, wenn irrtümlich statt einer Auktion mit
einem Startpreis von 1 EURO ein Sofortkaufpreis-Angebot für 1 Euro eingestellt
wird. Voraussetzung für eine wirksame Anfechtung ist, dass diese unverzüglich
erfolgt .

Leitsatz:
Wer bei ebay für den Verkauf eines Koffers versehentlich
„Verkauf“ anstelle von „Auktion“ und „Aktivieren“
anstelle von „Vorschau“ anklickt, kann seine Willenserklärung wegen
Erklärungsirrtums anfechten.

Vorinstanz:
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des
Amtsgerichts München vom 20.04.2017, Az. 274 C 21792/16, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu
tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1
genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig
vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 699,00 €
festgesetzt.

Entscheidungsgründe
I.
1. Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Endurteils
wird Bezug genommen.
2. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger den
erstinstanzlichen Klageantrag weiter. Der Beklagte beantragt, die Berufung
zurückzuweisen.
3. Die Kammer hat den Beklagten zur Sache angehört. Auf das
Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung erweist sich in der Sache im Ergebnis
als unbegründet.
1. Ein Kaufvertrag wurde zweifelsohne zwischen den Parteien
geschlossen. Das Angebot des Beklagten war eindeutig und annahmefähig.
2. Die Verpflichtung des Beklagten zur Erfüllung des
Kaufvertrags ist durch die vom Beklagten unverzüglich erklärte Anfechtung –
E-Mail des Beklagten vom 16.06.2016, 19.30 Uhr („Sorry, das war als eine
Auktion gedacht! Leider waren Sie schneller, wie ich den Fehler merkte! Ich
werde es von meiner Seite Annullieren, da sie die Zeit der geboten haben wie es
bearbeitet wurden ist. Gruß …“ – erloschen (§ 142 BGB). Ein Anspruch auf
Schadensersatz wegen Nichterfüllung steht dem Kläger daher nicht zu.
Der Beklagte trägt für das Vorliegen der Voraussetzungen der
Anfechtung die Beweislast. Der Beweis ist geführt. Die Kammer ist aufgrund der
persönlichen Anhörung des Beklagten überzeugt davon, dass der Beklagte einem
zur Anfechtung berechtigenden Erklärungsirrtum im Sinne von § 119 Abs. 1 Alt. 2
BGB unterlegen ist. Der Beklagte wollte den Koffer grundsätzlich in der Auktion
verkaufen und mit einem Startpreis von 1,00 € die Auktion beginnen. Er wollte
die Auktion aber noch gar nicht starten, sondern zunächst nur die Vorschau
anschauen. Tatsächlich stellte er die entsprechenden Eingabefelder
versehentlich so ein, dass er den Koffer zum Preis von 1,00 € zum Verkauf anbot
und er dieses Verkaufsangebot sogleich aktivierte.
Die Kammer hat den Beklagten zur Sache angehört. Die Angaben
des Beklagten waren für die Kammer glaubhaft. Wie es zu der zweimaligen
Fehleingabe (Verkauf anstelle Auktion, Aktivieren anstelle Vorschau) gekommen
ist, konnte der Beklagte zwar nicht erklären, er konnte insoweit nur
Vermutungen äußern (Eingabe über Tabulatoren, versehentlich auf Taste
gekommen). Das überrascht allerdings nicht und spricht nicht gegen die
Behauptung des Beklagten, da sich Eingabefehler bzw. versehentliches Betätigen
von Taste in aller Regel der bewussten Wahrnehmung entziehen und von daher nicht
erinnert, sondern allenfalls „rekonstruiert“ werden können.
Für die Angaben des Beklagten spricht ganz wesentlich die
Tatsache, dass sich der Beklagte bereits in seiner ersten und sehr zeitnahen
Reaktion über die Mitteilung des stattgefundenen Verkaufs des Koffers zum Preis
von 1,00 € ganz ausdrücklich auf genau diesen Irrtum berufen hat.
Auch in der nachfolgenden vorprozessualen Korrespondenz ist
er bei dieser Darstellung geblieben – E-Mail des Beklagten vom 19.06.2016,
00:17 Uhr: „… Da ich mich auf den Irrtumsparagraphen (§ 119 BGB) beziehen
werde! … “ und Schreiben des Beklagten vom 08.08.2016 (Anlagen zur
Klagebegründung). Es sind für die Kammer keine Anhaltspunkte ersichtlich und
wurden auch nicht vorgetragen, aus welchen Gründen der Beklagte einen solchen
Irrtum vorgeschoben haben sollte.
Es ist für die Kammer auch in hohem Maße plausibel, dass der
Beklagte kein Verkaufsangebot für 1,00 € abgeben wollte, was wirtschaftlich
gesehen einer Schenkung entsprochen hätte.
Dass der Beklagte ein erfahrener E-Bay Verkäufer ist,
spricht nicht gegen seine Angaben. Eingabefehler oder versehentliches Betätigen
von Tasten können auch einem erfahrenen EBay Verkäufer unterlaufen.
Die Anfechtung wurde unverzüglich erklärt. Die Erklärung des
Beklagten in der oben aufgeführten E-Mail vom 16.06.2016 ist ihrem Inhalt nach
als Anfechtungserklärung – Lösung vom Vertrag aufgrund Irrtums – auszulegen.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
folgt aus § 708, 713 ZPO.
3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen
nicht vor.

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AG München – Anfechtungsrecht bei irrtümlichem Sofortpreisverkauf für 1 Euro

Das AG München hat mit Urteil
vom 09.03.2017, Az. 274 C 21792/16
 entschieden, dass eine Anfechtung des Verkäufers bei
eBay wegen eines Erklärungsirrtums möglich ist, wenn irrtümlich statt einer
Auktion mit einem Startpreis von 1 EURO ein Sofortkaufpreis-Angebot für 1 Euro
eingestellt wird. Voraussetzung für eine wirksame Anfechtung ist, dass diese
unverzüglich erfolgt und wies nach mündlicher Verhandlung dieKlage auf
Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines über Ebay geschlossenen Kaufvertrags
zurück.

Leitsätze:
1. Wer bei e-Bay einen Koffer mit einem Marktwert zwischen
300,00 € und 700,00 € zu einem Preis von 1,00 € anbietet, gibt kein
annahmefähiges Angebot ab, da der angebotene Kaufpreis bei verständiger
Auslegung für jeden erkennbar nicht gewollt und unzutreffend ist. (Rn. 15)
(redaktioneller Leitsatz)
2. Klickt der Verkäufer bei e-Bay versehentlich auf
„Verkauf“ anstelle von „Auktion“, so ist er berechtigt, seine Willenserklärung
wegen Erklärungsirrtums nach § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB anzufechten. (Rn. 16 – 19)
(redaktioneller Leitsatz)

Rechtsmittelinstanz:

Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann
die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte
vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden
Betrags leistet.

Beschluss
Der Streitwert wird auf 699,00 € festgesetzt.

Tatbestand
Die Parteien streiten über Schadensersatz aufgrund
Nichterfüllung eines über e-Bay geschlossenen Kaufvertrags sowie Portokosten
und außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren.
Am 16.06.2016 stellte der Beklagte über die
Internetplattform „e-Bay“ einen Koffer zum Sofortkaufpreis von 1,00 € ein. Kurz
darauf nahm der Kläger dieses Angebot an und teilte dem Beklagten anschließend
mit, er wolle den Kaufvertrag nun abwickeln. Daraufhin antwortete der Beklagte
noch am selben Tag wie folgt:
„Sorry, das war als eine Auktion gedacht!
Leider waren Sie schneller, wie ich den Fehler merkte!
Ich werde es von meiner Seite Annulieren, da sie die Zeit
der geboten haben wie es bearbeitet wurden ist.
Gruß …“
Der Beklagte wurde vom Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten
in der Folge aufgefordert, den Koffer Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises
herauszugeben, worauf der Beklagte nicht reagierte. Schließlich trat der Kläger
vom Kaufvertrag zurück und verlangt nunmehr Ersatz des Nichterfüllungsschaden
in Höhe von 699,00 €, wobei er von einem Wert vergleichbarer Koffer von 700,00
€ ausgeht.
Zum Ausgleich dieser Forderung wurde der Beklagte durch den
Klägervertreter mit Fristsetzung zum 25.07.2016 durch Schreiben vom 14.07.2016
aufgefordert. Der Beklagte hat nicht gezahlt.
Der Kläger trägt noch vor, durch die Einreichung des
Mahnbescheidantrags seien ihm Portokosten in Höhe von 1,45 € entstanden, die
der Beklagte zu ersetzen habe. Außerdem habe der Beklagte die vorgerichtlichen
Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 147,56 € zu bezahlen.
Der Kläger beantragt:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in
Höhe von 699,00 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 18.09.2016 zu zahlen.
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die angefallenen
Kosten für Vordruck/Porto in Höhe von 147,56 € zu erstatten.
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die
außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 147,56 € zu
erstatten.
Der Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Beklagte behauptet, ihm sei bei der Erstellung der
Angebots ein Fehler unterlaufen. Er habe eine „Auktion“ mit einem Startpreis
von 1,00 € erstellen wollen und nicht den Koffer zum Festpreis von 1,00 €
anbieten wollen. Die Ursache liege darin begründet, dass die Knöpfe für beide
Verkaufsarten derart angeordnet seien, dass eine Verwechslung möglich sei. Der
Beklagte habe den Koffer, der einen Zeitwert zwischen 300,00 € und 400,00 €
habe, niemals für nur 1,00 € verkaufen wollen.
Der Beklagte ist der Ansicht, die oben im Wortlaut
wiedergegebene Mitteilung habe als Anfechtung den Kaufvertrag zum erlöschen
gebracht.
Beweis wurde erhoben durch Inaugenscheinnahme der
„e-Bay“-Internetseite und durch formlose Anhörung des Beklagten. Insoweit wird
auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf die
gewechselten Schriftsätze samt Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung des geltend
gemachten Schadensersatzes, da bereits kein Kaufvertrag zustande gekommen ist
bzw. dieser jedenfalls vom Beklagten wirksam angefochten wurde. Nebenforderung
scheiden mangels Anspruch in der Hauptsache aus.
Es ist bereits kein Kaufvertrag zustande gekommen, da keine
übereinstimmenden Willenserklärungen vorliegen. Das vom Beklagten stammende
Angebot ist bei verständiger Auslegung mehrdeutig und daher nicht annahmefähig:
Entscheiden bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der
sogenannte objektive Empfängerhorizont, d.h. die Willenserklärung ist so zu
verstehen, wie sie ein verständiger Empfänger in der Position des Klägers
verstehen durfte. Vordergründig hat der Beklagte zwar den Koffer zum Preis von
1,00 € angeboten. Es ist jedoch so offensichtlich, dass es sich hierbei nur um
einen Irrtum handeln kann, dass dies auch der Kläger bzw. ein objektiver
Empfänger in der Lage des Klägers erkennen musste. Schließlich stellt dieser
Kaufpreis nur einen winzigen Bruchteil des von beiden Parteien vorgetragenen
Wert des Koffers zwischen 300,00 € und 700,00 € dar. Der Verkauf zu einem Euro
stellt sich wirtschaftlich als Schenkung dar. Es handelt sich bei e-Bay
bekanntermaßen aber nicht um eine Plattform, auf der etwas verschenkt wird. Der
angebotene Kaufpreis war für jeden erkennbar nicht gewollt und unzutreffend.
Mangels weiterer Angaben kann kein tatsächlich angebotener Kaufpreis ermittelt
werden.
Im Übrigen hätte der Beklagte einen als zustandegekommen
unterstellten Kaufvertrag durch seine Erklärung vom 16.06.2016 wirksam
angefochten, so dass dieser als von Anfang an nichtig anzusehen ist, § 142 Abs.
1 BGB.
Das Gericht ist aufgrund der persönlichen Anhörung des
Beklagten, seiner Mitteilung an den Kläger sowie der Inaugenscheinnahme der
Internetseite e-Bay davon überzeugt, dass der Beklagte tatsächlich einem zu
Anfechtung berechtigenden Erklärungsirrtum i.S.v. § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB
unterlag, als er sein Angebot einstellte:
Die Schilderungen des Beklagten zur Erstellung des Angebot
waren sehr detailreich, in sich schlüssig und komplett nachvollziehbar. Nach
Inaugenscheinnahme der Website erscheint es dem Gericht durchaus möglich, dass
ein Fehler wie vorliegend passiert. Zum einen liegen die entsprechenden Eintragsfelder
bzw. Buttons eng neben- oder übereinander, so dass eine Verwechslung möglich
ist. Zudem wechselt e-Bay offenbar häufig die genaue Gestaltung, so dass auch
erfahrene Nutzer den Überblick verlieren können. Schließlich spricht auch die
sofortige Reaktion des Beklagten in seiner Mitteilung an den Kläger für die
Wahrheitsgemäßheit seiner Angaben.
Die Anfechtungserklärung genügt den Anforderungen des § 143
Abs. 1 BGB, insbesondere ist kommt hinreichend klar zum Ausdruck, dass der
Beklagte aufgrund eines Irrtums an dem Vertrag nicht festhalten will: Der
Beklagte teilt ausdrücklich mit, dass das Angebot als Auktion gedacht war,
spricht statt „Irrtum“ von „Fehler“ und von „annulieren“ statt „anfechten“. Die
Verwendung der richtigen juristischen Terminologie ist für die Wirksamkeit
einer Anfechtungserklärung nicht erforderlich.
II.
Als unterlegene Partei trägt der Kläger die Kosten, § 91
ZPO.
III.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr.
11, 711 ZPO.
IV.
Der Streitwert entspricht der Höhe der Hauptforderung, § 3
ZPO.

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AG Kassel Zur Frage der Unternehmereigenschaft eines eBay-Verkäufers – Urteil aus der Vor-Kamenova-Zeit

Das AG Kassel hatte sich in einem Urteil
vom 02.05.2018, Az. 435 C 419/18
unter anderem mit der Frage zu befassen, wann ein
ebay-Verkäufer als Unternehmer i.S. des § 14 BGB gilt.
§ 14 BGB
lautet:
„(1)
Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige
Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer
gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
(2) Eine
rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der
Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten
einzugehen.“
 Die Beantwortung
dieser Frage ist von weitreichender Bedeutung für die Anwendung zahlreicher
verbraucherschützender Bestimmungen, Schließt nämlich ein Unternehmer mit einem
Verbraucher Verträge ab, können den Unternehmer eine Vielzahl von Bestimmungen
treffen, die dem Schutz seines Vertragspartners betreffen.
Zu denken ist etwa an Bestimmungen über ein
Widerrufsrecht oder aus dem AGB-Recht.
Im vorliegenden Fall folgerte das AG die
Unternehmereigenschaft des Verkäufers daraus, dass Unternehmer derjenige sei,
der am Markt planmäßig und dauerhaft Leistungen gegen Entgelt anbiete, ohne
dass es – jedenfalls beim Verbrauchsgüterkauf – auf eine Gewinnerzielungsabsicht
ankomme. Demnach war der Kläger Unternehmer, weil er planmäßig und dauerhaft
entgeltliche Leistungen auf der Internetplattform eBay anbot. Die
Unternehmereigenschaften eines Verkäufers auf dieser Internetplattform sei
unter Hinweis auf eine Entscheidung des Oberlandesgericht Frankurt a.M. nämlich
bereits dann anzunehmen, wenn in zwei Jahren mehr als 200 Umsätze stattgefunden
haben, Dauer und/oder Umfang der Verkaufsbestrebungen auf eine unternehmerische
Tätigkeit hinwiesen oder der Auftritt auf der Internetplattform in
geschäftsformmäßiger Ausgestaltung erfolgte.
Leitsatz (der
Redaktion):
Ein Verkäufer bei eBay ist als Unternehmer im Sinne des § 14
BGB zu behandeln, wenn er in zwei Jahren mehr als 200 Verkäufe/Käufe auf eBay
getätigt hat.
Zu beachten ist,
dass das Urteil vor dem Urteil des EuGH
vom 04.10.2018, Az. C-105/17 – Komisia za zashtita na potrebitelite / EvelinaKamenova gefallen ist und nunmehr das reine Abzählen der Verkäufe nicht mehr
zur Beurteilung ausreichen wird, ob jemand auf der Plattform eBay als
Pribatverkäufer oder als gewerblicher Händler agiert.

Gründe:
Die Klage führt nicht zum Erfolg.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 433
Abs. 2 BGB auf Kaufpreiszahlung aufgrund eines eBay-Versteigerungskaufes vom
28.09.2017 betreffend einen „Super Nintendo classic mini“. Denn der
Kläger ist seinerseits nicht vertragstreu, weil er der Beklagten entgegen § 433
Abs. 1 BGB das Eigentum an der verkauften Sache nicht verschafft hat.               
Unstreitig hat die Beklagte den Kaufgegenständen nicht
erhalten. Ob der Kläger den Gegenstand ordnungsgemäß zur Post gegeben und
versendet hat oder nicht, kann dahingestellt bleiben. Dieser zwischen den
Parteien streitige Aspekt bedarf keiner Beweiserhebung, da sich der Kläger
nicht auf die Vorschrift des § 447 Abs. 1 BGB (wonach der Käufer – hier die
Beklagte – die Gefahr des Unterganges ab Versendung der Kaufsache zu tragen
hätte) berufen kann. Denn auf das hier streitgegenständliche Rechtsverhältnis
ist diese Norm lediglich unter den Voraussetzungen des § 475 Abs. 2 BGB
(entspricht § 474 Abs. 4 BGB a.F.) anwendbar, die jedoch nicht vorliegen. Nach
letztgenannter Vorschrift kann bei einem Verbrauchsgüterkauf die Regelung des §
447 Abs. 1 BGB nur dann Anwendung finden, wenn der Käufer, hier die Beklagte,
die zur Ausführung der Versendung bestimmten Person beauftragt hat, was hier
unstreitig nicht der Fall ist. 
§ 475 Abs. 2 BGB ist hier deswegen anwendbar, wenn ein
Verbrauchsgüterkauf vorlegt. Unstreitig ist die Beklagte Verbraucherin im Sinne
des § 13 BGB. Der Kläger ist jedoch als Unternehmer im Sinne des § 14 BGB zu
behandeln. Zwar hat er sich unstreitig auf seinem eBay-Account als
Privatverkäufer bezeichnet. Maßgeblich ist jedoch nicht diese
Selbstbezeichnung, sondern das tatsächliche Erscheinungsbild (vgl. OLG
Frankfurt, Beschluss vom 04.07.2007 – 6 W 66/07, zit. n. juris). Unternehmer
ist nach der letztgenannten Vorschrift jedermann, der am Markt planmäßig und
dauerhaft Leistungen gegen Entgelt anbietet, ohne dass es – jedenfalls beim
Verbrauchsgüterkauf – auf eine Gewinnerzielungsabsicht ankommt (BGH NJW 2006,
S. 2250). Nach diesen Kriterien ist der Beklagte Unternehmer, weil er planmäßig
und dauerhaft entgeltliche Leistungen auf der Internetplattform eBay anbietet.
Die Unternehmereigenschaften eines Verkäufers auf dieser Internetplattform ist
dann anzunehmen, wenn in zwei Jahren mehr als 200 Verkäufe/oder Käufe
stattgefunden haben, die Dauer und/oder der Umfang der Verkaufstätigkeit auf
eine unternehmerische Tätigkeit hinweist oder der Auftritt auf der
Internetplattform in geschäftsformmäßiger Ausgestaltung erfolgt (vgl. OLG
Frankfurt a.a.O.).
In Anwendung dieser Kriterien liegt eine unternehmerische
Tätigkeit vor, weil der Kläger unwidersprochen im Monat zwischen 17 und 25
Verkäufe über die genannte Internetplattform angeboten. Unwidersprochen hat er
im Zeitpunkt der Klageerwiderung, welche unter dem 04.04.2018 datiert, 17
gleichartige Artikel gleichzeitig angeboten. Hochgerechnet bedeutet dies, dass
die Schwellenzahl von 200 Verkaufsvorgängen pro Kalenderjahr vom Kläger ohne
weiteres überschritten wird. Auch die Gleichartigkeit der Artikel – nach dem
auch insoweit unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Beklagten bietet der
Kläger nahezu ausschließlich Waren aus dem Segment der Computerspiele,
Spielkonsolen und Comics an – deutet auf eine geschäftsformmäßige Tätigkeit
hin, zumal sich – wiederum unwidersprochen geblieben – auch eine nicht
unerhebliche Anzahl von Verkäufen von Neuwaren findet. Dem steht die Anzahl von
51 Bewertungen im Zeitraum von sechs Monaten bis zum 19.03.2018 nicht entgegen,
weil die Anzahl der Bewertungen lediglich ein Indiz für die Tätigkeit einer
Person auf der Internetplattform eBay darstellt. Denn es kann nicht unterstellt
werden, dass jeder Verkaufsvorgang auch zu einer Bewertung führt. Andererseits
belegt bereits dieser Zeitraum, dass der Kläger diese Tätigkeit auf Dauer
angelegt hat, zumal auch aus den davorliegenden weiteren sechs Monaten weitere
(wenn auch weniger) Bewertungen bekannt sind. Dies führt lediglich zu dem
Schluss, dass der Kläger in jüngerer Zeit seine Tätigkeit intensiviert hat.   
Vor diesem Hintergrund obliegt es dem Kläger, nunmehr
darzutun und gegebenenfalls nachzuweisen, dass er nicht unternehmerisch tätig
ist (OLG Koblenz NJW 2006, S. 1438). Der Kläger hat jedoch bereits nicht
dargetan, lediglich als Privatmann tätig zu sein. Zwar hat er vorgetragen, er
habe über eine Sammlung der zum Verkauf angebotenen Gegenstände verfügt, die er
anlässlich der Geburt seines Kindes auflösen wolle. Dies habe er insbesondere
deswegen vor, weil er Sorge habe, dass das Kleinstkind die Gegenstände verschlucke.
Dieses Vorbringen ist jedoch bereits deswegen nicht stichhaltig, weil sich die
Gegenstände entsprechend den vom Kläger eingereichten Lichtbildern noch
überwiegend in der Originalverpackung befinden und ein Kleinstkind eine
Spielkonsole schlicht nicht verschlucken kann. Darüber hinaus entspricht es der
Lebenswirklichkeit, eine Sammlung, die dem Bedürfnis eines Privatmannes
entspricht, gegebenenfalls so zu verwahren, dass sie von einem Kleinkind nicht
in für das Kleinkind gefährlicher Weise beeinträchtigt wird. Eltern haben ohne
weiteres Einflussmöglichkeiten, ihre Kinder von gefahrvollem Spiel abzuhalten.
Im vorliegenden Falle wäre es lebensnah gewesen, die Gegenstände beispielsweise
in einer Kiste in einem Abstellraum zu verwahren. Vor diesem Hintergrund bedarf
es folglich auch keiner Beweisaufnahme hierzu, weil bereits das Vorbringen des
Klägers nicht geeignet ist, seine Unternehmereigenschaft in Zweifel zu ziehen.           
Das Gericht brauchte auf diese vorstehenden Erwägungen auch
nicht mehr gesondert hinzuweisen, da ein Hinweis gemäß § 139 Abs. 2 ZPO nur
dann geboten ist, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen tatsächlichen
oder rechtlichen Gesichtspunkt zu stützen beabsichtigt, den die Parteien
erkennbar übersehen haben oder das Gericht beabsichtigt, eine rechtliche
Würdigung anders vorzunehmen, als es beide Parteien übereinstimmend bislang
vorgenommen haben. Hier sind die tragenden rechtlichen Erwägungen gemäß den
vorstehenden Ausführungen von der beklagten Partei bereits mit der
Klageerwiderung sämtlich angesprochen worden (wenn auch teilweise unter Hinweis
auf die Rechtsprechung anderer als der zitierten Gerichte, die jedoch
gleichartige Erwägungen zum Gegenstand haben). Der Kläger hatte hierzu
Gelegenheit zu Stellungnahme und sich auch geäußert.            
Fehlt es solchermaßen an einem Hauptanspruch, so hat der
Kläger auch keine Ansprüche auf die Zahlung von Zinsen.               
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11,
711, 713 ZPO.  
Streitwertbeschluss:    
Der Streitwert wird auf 143,10€ festgesetzt.

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EuGH Verkauf mehrer Artikel auf Online-Plattform bedeutet nicht automatisch Handeln als Gewerbetreibender oder Unternehmer – Einzelfallprüfung erforderlich oder „Wann sind Internetverkäufe privat oder gewerblich?“

Der EuGH hat mit Urteil
vom 04.10.2018, Az. C-105/17 – Komisia za zashtita na potrebitelite / Evelina
Kamenova
entschieden, dass der Verkauf mehrerer Artikel auf einer
Online-Handelsplattform nicht automatisch ein Handeln als Gewerbetreibender
oder Unternehmer und den damit einhergehenden Pflichten und
Pflichtinformationen bedeutet. Vielmehr ist eine Einzelfallprüfung
erforderlich. Eine Person, die auf einer Website eine Reihe von
Verkaufsanzeigen veröffentlicht, ist nicht automatisch eine
„Gewerbetreibende“. Die Tätigkeit könne allerdings als
„Geschäftspraxis“ eingestuft werden, wenn die Person im Rahmen ihrer
gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, hat der
Gerichtshof der Europäischen Union entschieden.
Eine Person, die auf einer
Website eine Reihe von Verkaufsanzeigen veröffentlicht, ist nicht automatisch
ein „Gewerbetreibender“
Diese Tätigkeit kann als
„Geschäftspraxis“ eingestuft werden, wenn die Person im Rahmen ihrer gewerblichen,
handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handelt.

Ein Verbraucher erwarb auf
einer Online-Plattform eine gebrauchte Armbanduhr. Nachdem erfestgestellt
hatte, dass die Uhr nicht die Eigenschaften aufwies, die in der Verkaufsanzeige
angegeben waren, teilte der Verbraucher dem Verkäufer mit, dass er den Vertrag
widerrufen wolle.
Frau Evelina Kamenova, die
Verkäuferin, lehnte es ab, die Ware gegen Erstattung des Entgelts zurückzunehmen.
Daher legte der Verbraucher eine Beschwerde bei der bulgarischen Kommission für
Verbraucherschutz (KfV) ein.
Nach einer Abfrage auf der
fraglichen Online-Plattform stellte die KfV fest, dass am 10. Dezember 2014
noch acht Verkaufsanzeigen zu verschiedenen Waren auf dieser Website von Frau Kamenova
unter dem Pseudonym „eveto-ZZ“ veröffentlicht waren.
Mit Bescheid vom 27.
Februar 2015 stellte die KfV fest, dass Frau Kamenova eine Ordnungswidrigkeit
begangen habe, und verhängte mehrere Geldbußen gegen sie, die auf das nationale
Verbraucherschutzgesetz gestützt waren. Nach Ansicht der KfV hatte es Frau
Kamenova
in sämtlichen dieser
Anzeigen unterlassen, Angaben zu Namen, Postanschrift und E-Mail-Adresse des
Gewerbetreibenden, zum Endpreis der zum Verkauf angebotenen Ware einschließlich
aller Steuern und Abgaben, zu den Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen,
zum Recht des
Verbrauchers auf Widerruf
des Fernabsatzvertrags und zu Bedingungen, Frist und Verfahren der Ausübung
dieses Rechts zu machen sowie darauf hinzuweisen, dass eine gesetzliche Gewährleistung
für die Vertragsgemäßheit der Ware bestehe.
Frau Kamenova erhob vor den
bulgarischen Gerichten Klage gegen diesen Bescheid und begründete diese damit,
dass sie keine „Gewerbetreibende“ sei und die Vorschriften des bulgarischen
Gesetzes daher nicht anwendbar seien. Vor diesem Hintergrund fragt der Administrativen
sad – Varna (Verwaltungsgericht Varna, Bulgarien) den Gerichtshof, ob eine
Person, die auf einer
Website eine vergleichsweise große Zahl von Anzeigen über den Verkauf von Waren
mit erheblichem Wert veröffentlicht, als „Gewerbetreibender“ im Sinne der
Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken eingestuft werden kann (Richtlinie
2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über
unlautere
Geschäftspraktiken
im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern
und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien
97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des
Rates (ABl. 2005, L 149, S. 22).)
In seinem Urteil vom
heutigen Tag führt der Gerichtshof zunächst aus, dass es für eine Einstufung als
„Gewerbetreibender“ im Sinne der Richtlinie erforderlich ist, dass die
betreffende Person „im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder
beruflichen Tätigkeit“ oder im Namen oder Auftrag des Gewerbetreibenden
handelt.
Der Gerichtshof stellt
sodann klar, dass der Sinn und die Bedeutung des Begriffs „Gewerbetreibender“
anhand des Begriffs „Verbraucher“ zu bestimmen sind, der jeden nicht gewerblich
oder beruflich Tätigen bezeichnet.
Der Gerichtshof stellt in
diesem Zusammenhang fest, dass es Sache des vorlegenden Gerichts ist, auf der
Grundlage aller ihm vorliegenden tatsächlichen Angaben von Fall zu Fall zu
entscheiden, ob eine natürliche Person wie Frau Kamenova im Rahmen ihrer gewerblichen,
handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit gehandelt hat, indem es u. a. prüft,
ob der Verkauf planmäßig erfolgte,ob er eine gewisse Regelmäßigkeit hatte oder
mit ihm ein Erwerbszweck verfolgt wurde, ob sich das Angebot auf eine begrenzte
Anzahl von Waren konzentriert, und die Rechtsform sowie die
technischen Fähigkeiten des
Verkäufers ermittelt.
Um die fragliche Tätigkeit
als „Geschäftspraxis“ einstufen zu können, muss das vorlegende Gericht zudem
prüfen, ob diese Tätigkeit zum einen von einem „Gewerbetreibenden“ ausgeht und
zum anderen eine Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise, Erklärung oder
kommerzielle Mitteilung
darstellt, „die unmittelbar
mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an
Verbraucher zusammenhängt“.
Daher gelangt der
Gerichtshof zu dem Schluss, dass eine natürliche
Person, die eine Reihe von Anzeigen, in denen neue und gebrauchte Waren zum
Verkauf angeboten werden, gleichzeitig auf einer Website veröffentlicht, nur
dann als „Gewerbetreibender“ einzustufen ist und eine solche Tätigkeit nur dann
eine „Geschäftspraxis“ darstellt, wenn diese Person im Rahmen ihrer
gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handelt.
Der EuGH hat hier klar zur
Einstufung von Internetverkäufern als „Gewerbetreibende“ oder „Unternehmer“ Stellung
bezogen und das bedeutet, dass der Erwerbszweck und mehrfache Anzeigen auf
Online-Plattformen reichen für die Einstufung als „Gewerbetreibender“ i.S. des
Verbraucherschutzes nicht aus.
In Rn. 44 des vorliegenden
Urteils erläutert der EuGH, dass „die bloße Tatsache, dass mit dem Verkauf ein
Erwerbszweck verfolgt wird oder dass eine natürliche Person gleichzeitig eine
Reihe von Anzeigen, in denen neue und gebrauchte Waren zum Verkauf angeboten
werden, auf einer Online-Plattform veröffentlicht, für sich genommen nicht
ausreichen, um diese Person als „Gewerbetreibenden“ im Sinne dieser Bestimmung
einzustufen.
.
Verkäufer muss (zusätzlich)
im Rahmen seiner gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit
handeln.
Hierzu führt der EuGH in
Rn. 45 des Urteils aus, „dass eine natürliche Person wie die Beklagte des
Ausgangsverfahrens, die gleichzeitig eine Reihe von Anzeigen, in denen neue und
gebrauchte Waren zum Verkauf angeboten werden, auf einer Website
veröffentlicht, nur dann als „Gewerbetreibender“ bzw. „Unternehmer“ einzustufen
ist und eine solche Tätigkeit nur dann eine „Geschäftspraxis“ darstellt, wenn
diese Person im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen
Tätigkeit handelt; dies (ist) anhand aller relevanten Umstände des Einzelfalls
zu prüfen“.
Damit wird der Fall an das
vorlegende bulgarische Gericht zurückgegeben. Folgende – nicht abschließenden –
Anhaltspunkte werden für die Prüfung in dem Urteil noch gegeben:
.
Prüfpunkte für die Gewerblichkeit von Internetverkäufern
Welche Punkte für die
Beurteilung der Gewerblichkeit i.S. der EU-Verbraucherschutzrichtlinien zu
prüfen sind, hat der Generalanwalt
in seinen Schlussanträgen
ausgeführt, auf die der EuGH Bezug nimmt.
Danach „wird das vorlegende
Gericht dabei insbesondere zu untersuchen haben, ob der Verkauf über die
Online-Plattform
  • planmäßig erfolgte,
  • ob mit diesem Verkauf
    Erwerbszwecke verfolgt wurden,
  • ob der Verkäufer über
    Informationen oder technische Fähigkeiten hinsichtlich der von ihm zum Verkauf
    angebotenen Waren verfügt, über die der Verbraucher nicht notwendigerweise
    verfügt, so dass er sich gegenüber diesem Verbraucher in einer vorteilhafteren
    Position befindet,
  • ob der Verkäufer eine
    Rechtsform hat, die ihm die Vornahme von Handelsgeschäften erlaubt, und in
    welchem Ausmaß der Online-Verkauf mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit des
    Verkäufers zusammenhängt,
  • ob der Verkäufer
    mehrwertsteuerpflichtig ist,
  • ob der Verkäufer, der im
    Namen oder im Auftrag eines bestimmten Gewerbetreibenden oder durch eine andere
    Person auftritt, die in seinem Namen oder Auftrag handelt, eine Vergütung oder
    Erfolgsbeteiligung erhalten hat,
  • ob der Verkäufer neue oder
    gebrauchte Waren zum Zweck des Wiederverkaufs erwirbt und dieser Tätigkeit auf
    diese Weise eine gewisse Regelmäßigkeit, Häufigkeit und/oder Gleichzeitigkeit
    im Verhältnis zu seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit verleiht,
  • ob die zum Verkauf
    gestellten Waren alle gleichartig sind oder denselben Wert haben, insbesondere,
    ob sich das Angebot auf eine begrenzte Anzahl von Waren konzentriert.“

.
Zusammenfassende Würdigung
Diese oben genannten Punkte
sind weder abschließend noch reicht das Vorliegen einzelner Merkmale aus. Die
Beurteilung richtet sich vielmehr nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im
Einzelfall. Das Urteil hilft, „echte“ Privatverkäufer vor übertriebenen
formellen Anforderungen zu schützen, denn das eine Abzählen von Verkäufen
und/oder Bewertungen vieler Abmahnkanzleien reicht nun nicht mehr aus um einen
eBay-Verkäufer als „gewerblichen“ Händler zu stigmatisieren und von diesem die
Informationspflichten zu fordern wie dies in der Vergangenheit der Fall war.

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OLG München – Manipulation einer eBay-Auktion durch Abgabe eines Scheinangebotes

Das OLG München hat durch 
Endurteil
vom 26.09.2018, Az. 20 U 749/18
entschieden, dass ein Scheingebot zur
Preismanipulaton bei eBay nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig ist und bei der Bestimmung
des Auktionspreises nicht zu berücksichtigen ist.
Leitsatz (der
Redaktion):
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellen
Maximalgebote noch keine unbedingten, betragsmäßig bezifferten
Annahmeerklärungen dar. Mit ihnen wird lediglich erklärt, das im Vergleich zum
Mindestbetrag oder bereits bestehenden Geboten jeweils nächsthöhere Gebot
abzugeben, um dadurch den Mindestbetrag zu erreichen oder bereits bestehende
Gebote zu übertreffen. Die aufgrund eines nur zum Schein abgegebenen Gebots vom
Bietsystem vorgenommene Erhöhung eines gültigen Gebots kann nach dem
Erklärungsinhalt der auf das gültige Gebot abgegebenen Annahmeerklärung keine
Rechtswirkung entfalten.

Entscheidungsgründe:
I.            
Der Darstellung eines Tatbestandes bedarf es nicht, da ein
Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist, § 313a Abs. 1
Satz 1, § 540 Abs. 2 ZPO, § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO.    Abs. 3
II.           
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache
vollumfänglich Erfolg. Der Kläger hat einen Anspruch aus §§ 281, 280, 249 ff.
BGB gegen den Beklagten auf Schadensersatz in der begehrten Höhe nebst
gesetzlicher Zinsen, weshalb das klageabweisende Urteil des Landgerichts
aufzuheben und die Ersatzpflicht des Beklagten im beantragten Umfang
auszusprechen war.     
1. Zwischen den Parteien ist im Rahmen der mit einem
automatischen Bietsystem abgewickelten ebay-Auktion über den Pkw des Beklagten
BMW 330i E46 ein Kaufvertrag zu einem Kaufpreis von € 2.010,00
zustandegekommen.    
a) Zwar hat die fragliche Auktion am 24. Juni 2013 damit
geendet, dass der Kläger als Höchstbietender mit seinem Maximalgebot von €
6.970,00 den Zuschlag erhalten hat.           
Die durch das automatische Bietsystem vorgenommene Erhöhung
des klägerischen Gebots auf diesen Betrag erfolgte allerdings einzig aufgrund
des vom Zeugen K. am 19. Juni 2013 um 17:57 abgegebenen Gebots über € 6.920,00.
Dieses aber war ein Scheinangebot und damit gemäß § 117 Abs. 1 BGB nichtig. Der
Zeuge K. und der Beklagte haben bei der Auktion zusammengewirkt, der Zeuge sein
Angebot nur zum Schein abgegeben.          
Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aufgrund einer
Gesamtwürdigung des Parteivortrags und der Aussage des Zeugen K. So hat der
Beklagte eine nähere Bekanntschaft mit dem Zeugen oder irgendwie geartete
Absprachen bei dieser oder früheren Auktionen rundweg in Abrede gestellt. Im
Gegensatz dazu hat der Zeuge K. im Verlauf seiner beiden Vernehmungen eine
durchaus enge Freundschaft mit dem Beklagten einräumen müssen sowie, dass er
und der Beklagte sich bei früheren Auktionen durchaus gegenseitig mit Geboten
unterstützt haben um einen besseren Preis zu erzielen. Der Senat ist überzeugt
davon, dass der Beklagte und der Zeuge K. auch bei der Auktion über den
streitgegenständlichen Pkw gemeinsam vorgegangen sind um den vom Beklagten
gewünschten Kaufpreis zu erzielen.           
Zwar hat der Zeuge K. behauptet, bei dieser Auktion habe er
den Kaufgegenstand, den Pkw, tatsächlich für sich erwerben wollen. Dies ist
allerdings nicht mit seinem Bietverhalten in Einklang zu bringen. Denn selbst
bei Wahrunterstellung seiner Darstellung, er habe sich bei Abgabe seines ersten
Angebots auf den Pkw vertippt und eine Null zu viel eingetippt, die Eingabe des
Betrages von € 69.200,00 habe nicht bloß dazu gedient, die Maximalgebote der
anderen Bieter aufzudecken, lässt sich bei Bestehen eines echten Kaufinteresses
des Zeugen nicht erklären, weshalb er im Anschluss daran lediglich ein Gebot
über € 6.920,00 abgegeben hat, obwohl er zu diesem Zeitpunkt wusste, dass das
Maximalgebot des Klägers bei € 6.970,00 lag und er mit einem Einsatz von nur €
55,00 mehr den angeblich begehrten Pkw hätte erwerben können. Einen
nachvollziehbaren Grund, weshalb ihm diese geringfügige Erhöhung seines
Angebots nicht möglich gewesen wäre, sondern der Betrag von € 6.920,00 eine
„Schmerzgrenze“ für ihn dargestellt hätte, obwohl er von einem Wert des
Fahrzeugs von ca. € 7.000,00 ausging, hat der Zeuge nicht nennen können.      
Überdies ist die Erklärung des Zeugen, dass der Beklagte
sich geweigert habe, den Wagen direkt an ihn zu verkaufen, um ihre Freundschaft
nicht wegen eventueller Fahrzeugmängel aufs Spiel zu setzen, wenig glaubhaft.
Denn der Zeuge hat in seinen Vernehmung auch angegeben, dass er den Beklagten
über sein Mitbieten informiert habe. Dass der Beklagte versucht habe, dies zu
unterbinden, hat der Zeuge nicht berichtet. Weshalb aber bei einem Pkw-Erwerb
auf einer Ebay-Auktion bei nachträglichem Auftreten von Fahrzeugmängeln – im
Gegensatz zu einem Direkterwerb – keine Beeinträchtigungen der persönlichen
Beziehung zu befürchten sein sollten, ist nicht ersichtlich.
Dass die bisherigen Interventionen des Zeugen zugunsten des
Beklagten auf Ebay-Auktionen geringere finanzielle Dimensionen hatten, führt zu
keiner anderen Beurteilung. Vielmehr ist der Senat davon überzeugt, dass die
Freunde auch in diesem Fall versucht haben, für den Pkw einen in ihren Augen am
tatsächlichen Wert orientierten, „angemessenen Preis“ zu erzielen.           Abs. 12
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellen –
was das Landgericht nicht berücksichtigt hat – Maximalgebote noch keine
unbedingten, betragsmäßig bezifferten Annahmeerklärungen dar. Mit ihnen wird
lediglich erklärt, das im Vergleich zum Mindestbetrag oder bereits bestehenden
Geboten jeweils nächsthöhere Gebot abzugeben, um dadurch den Mindestbetrag zu
erreichen oder bereits bestehende Gebote zu übertreffen (BGH, Urteil vom 24.
August 2016, VIII ZR 100/15, juris Rn. 27 f.). Da, wie vorstehend ausgeführt,
das Gebot des Zeugen K. von vornherein kein geeignetes Gebot eines Dritten war,
das der Kläger hätte überbieten müssen und wollen, konnte die aufgrund dieses
Gebots vom Bietsystem vorgenommene Erhöhung des klägerischen Gebots nach dem
Erklärungsinhalt der vom Kläger abgegebenen Annahmeerklärung keine
Rechtswirkung entfalten.       
c) Deshalb ist das letzte echte Gebot eines Dritten, das der
Kläger überboten hat, zur Kaufpreisbestimmung heranzuziehen, mithin das Gebot
des unbekannten Bieters vom 14. Juni 2013 um 14:29 Uhr in Höhe von € 2.000,00.
Dies hat der Kläger nach den unstreitigen Auktionsbedingungen mit einem Betrag von
€ 10,00 überboten. Der bei Auktionsende maßgebliche vereinbarte Kaufpreis
belief sich damit auf € 2.010,00.
2. Der Beklagte hat seine vertragliche Pflicht zur Übergabe
und Eigentumsverschaffung an dem Pkw nicht erfüllt und damit verletzt. Dass er
die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hätte, hat der Beklagte schon nicht
behauptet; dies ist auch nicht ersichtlich. Der Kläger hat den Beklagten mit
fristsetzender Mahnung vom 26. Juni 2013 (K 3) fruchtlos zur Übergabe des Pkw
unter Angebot der vereinbarten Gegenleistung von € 2.010,00 aufgefordert, der
Beklagte die geschuldete Erfüllung endgültig verweigert (K 4), §§ 293 ff. BGB.        
3. Der dem Kläger entstandene Schaden ist auf das positive
Interesse gerichtet (Palandt, BGB, § 281 Rn. 17) und besteht in dem
Differenzbetrag zwischen dem Marktwert des Kfz und dem vereinbarten Kaufpreis
von € 2.010,00 (vgl. auch OLG Frankfurt, 12 U 51/13, juris Ls und Rn. 17).         
Zwar ist der tatsächliche Fahrzeugwert zum Zeitpunkt des
Kaufs bisher nicht sachverständig festgestellt worden und wegen des
zwischenzeitlich erfolgten Verkaufs des Pkw an einen Dritten eine Begutachtung
auch schwerlich möglich. Angesichts des Umstands, dass der Beklagte damals zu
einer Übereignung des Pkw gegen Zahlung von € 6.970,00 bereit war und auch der
Zeuge K., der den Pkw aus eigener Anschauung kannte, von einem Wert von ca. €
7.000,00 ausging, bestehen allerdings keine Bedenken dagegen, den Fahrzeugwert
gemäß § 287 ZPO auf die vom Kläger angegebenen € 7.020,00 zu schätzen. Damit
beläuft sich der ihm zu ersetzende Schaden auf € 5.010,00.            
4. Der Anspruch auf Ersatz der zugesprochenen
Nebenforderungen ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB. Wie der Beklagte selbst
bereits in der Klageerwiderung eingeräumt hat, hat der Kläger nach der
Erfüllungsverweigerung Schadensersatz „von mehreren tausend Euro“
gefordert (Klageerwiderung vom 10. Februar 2017, S. 3). Der Senat ist überzeugt
davon, dass diese Forderung – was der Beklagte auch nicht substantiiert
bestreitet – im Rahmen der vom Kläger in seiner Klageschrift geschilderten
Rücktrittserklärung vom 11. Juli 2013 unter Fristsetzung zum 25. Juli 2013
erhoben wurde. Damit hat sich der Beklagte seit dem 26. Juli 2013 in Verzug
befunden.            
Hinsichtlich der Zinsforderung für die Tage 24. und 25. Juli
2013 war die Berufung zurückzuweisen; insoweit ist die Klageabweisung zu Recht
erfolgt.          
III.         
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, §§ 711,
713 ZPO.              
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen
des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.         
Der Streitwert entspricht dem Wert des Zahlungsantrags, §§
48, 45 GKG, § 3 ZPO.       
               
               

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BAG – Facebook-Seite eines Unternehmens unterliegt Mitbestimmung des Betriebsrats

Das Bundesarbeitsgericht – BAG- hat mit Beschluss
vom  13.12.2016, Az. 1 ABR 7/15

entschieden, dass Betriebsräte bei der Gestaltung einer
Facebook-Unternehmensseite anzuhören sind. Wenn Nutzer auf der Facebook-Seite
eines Unternehmens auch Kommentare über Mitarbeiter abgeben können, muss der
Betriebsrat dieser Posting-Funktion zustimmen .
Zudem wurde entschieden dass eine vom Arbeitgeber betriebene
Facebookseite, die es den Nutzern von Facebook ermöglicht, über die Funktion
„Besucher-Beiträge“ Postings zum Verhalten und zur Leistung der
beschäftigten Arbeitnehmer einzustellen, ist eine technische Einrichtung, die
zur Überwachung der Arbeitnehmer iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bestimmt ist.
Die Bereitstellung der Funktion „Besucher-Beiträge“ unterliegt der
Mitbestimmung des Betriebsrats. Ermöglicht der Arbeitgeber auf seiner
Facebook-Seite für andere Facebook-Nutzer die Veröffentlichung von sogenannten
Besucher-Beiträgen (Postings), die sich nach ihrem Inhalt auf das Verhalten
oder die Leistung einzelner Beschäftigter beziehen, unterliegt die
Ausgestaltung dieser Funktion der Mitbestimmung des Betriebsrats.
Leitsätze
Eine vom Arbeitgeber betriebene Facebookseite, die es den
Nutzern von Facebook ermöglicht, über die Funktion
„Besucher-Beiträge“ Postings zum Verhalten und zur Leistung der
beschäftigten Arbeitnehmer einzustellen, ist eine technische Einrichtung, die
zur Überwachung der Arbeitnehmer iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bestimmt ist.
Die Bereitstellung der Funktion „Besucher-Beiträge“ unterliegt der
Mitbestimmung des Betriebsrats.

Gründe:
A. Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht des
Konzernbetriebsrats beim Betreiben einer Facebookseite durch den Konzern.      
Die Arbeitgeberin ist das herrschende Unternehmen eines
Konzerns, der Blutspendedienste betreibt. In dem Konzern sind etwa 1.300
Arbeitnehmer beschäftigt. Täglich werden durchschnittlich 40 Blutspendetermine
durchgeführt. Dafür werden ein Arzt oder mehrere Ärzte sowie drei bis sieben
weitere Mitarbeiter eingesetzt.
Im Unternehmen der Arbeitgeberin besteht ein
Gesamtbetriebsrat. Dieser sowie die in drei abhängigen Unternehmen bestehenden
Betriebsräte haben den antragstellenden Konzernbetriebsrat errichtet. Die
Arbeitgeberin und der Konzernbetriebsrat schlossen am 4. März 2009 eine
„EDV-Konzern-Rahmenbetriebsvereinbarung“ (EDV-KRBV).
Seit dem 15. April 2013 unterhält die Arbeitgeberin bei
Facebook die Seite „www.facebook.com/d“ zur einheitlichen Präsentation des
Konzerns. Deren Gestaltung erfolgt mittels einer internetbasierten Software,
die von Facebook zur Verfügung gestellt wird. Sie ermöglicht es registrierten
Nutzern, „Besucher-Beiträge“ einzustellen (posten), die von allen
Besuchern der Seite eingesehen werden können.        
Betreut wird die Facebookseite von einer
unternehmensübergreifenden Gruppe von etwa zehn Arbeitnehmern. Diese stellen
ua. Beiträge ein und sind damit betraut, einzelne Postings gegebenenfalls zu
kommentieren oder auch zu löschen. Über die auf der Facebookseite abgebildete
Chronik ist ersichtlich, an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit dort ein Beitrag
oder Kommentar eingestellt oder aktualisiert wurde. Für diese Tätigkeit wurden
den dazu berechtigten Arbeitnehmern zunächst individuelle
Administratorenkennungen zur Verfügung gestellt. Im Verlauf des vorliegenden
Beschlussverfahrens ordnete die Arbeitgeberin die Verwendung einer zentralen
Administratorenkennung an.       
Am 15. April 2013 stellte ein Nutzer ein Posting auf der
Facebookseite ein, in dem er sich über das Setzen der Injektionsnadel für eine
Blutspende beschwerte. In einem weiteren Posting wurde einem Arzt vorgeworfen,
er habe vor der Blutabnahme keine regelgerechte Untersuchung vorgenommen,
woraufhin eine Blutspenderin beinahe kollabiert sei.               
Der Konzernbetriebsrat hat geltend gemacht, das Anmelden und
Betreiben der Facebookseite erfolge unter Verstoß gegen sein
Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Die Arbeitgeberin könne über
eine von Facebook bereitgestellte und demnächst auch auf Deutsch verfügbare
Funktion „graph search“ Daten über das Verhalten von Arbeitnehmern
zusammenführen. Es existierten zudem weitere Auswertungsmöglichkeiten für
Inhaber von Facebook-Konten. Jedenfalls würden die Leistungen der Arbeitnehmer,
denen die Pflege der Facebookseite übertragen sei, elektronisch erfasst und
gespeichert. Schließlich könnten sich Nutzer durch ihre Besucher-Beiträge
gegenüber einem unbegrenzten Personenkreis über Verhalten und Leistung von
Beschäftigten äußern. Die Postings würden ohne vorherige Kontrolle durch die
Arbeitgeberin allgemein einsehbar eingestellt.      
Der Konzernbetriebsrat hat zuletzt beantragt,
1.           
die Arbeitgeberin zu verpflichten, bei der Internetplattform
facebook die Seite www.facebook.com/d abzumelden,
2.           
hilfsweise,         
die Arbeitgeberin zu verpflichten, es zu unterlassen, den
Nutzern der Internetplattform facebook die Seite www.facebook.com/d zur
Übermittlung (Posting) von Informationen zur Verfügung zu stellen, solange
nicht die Zustimmung des Konzernbetriebsrats oder ein die Zustimmung
ersetzender Beschluss der Einigungsstelle vorliegt,   
3.           
weiter hilfsweise,          
festzustellen, dass der Arbeitgeber bei der Anmeldung der
Internetplattform facebook bei der Eröffnung der Seite www.facebook.com/d ein
Mitbestimmungsrecht des Konzernbetriebsrats nach § 87 Abs. 1 Ziffer 6 BetrVG
verletzt hat.               
Die Arbeitgeberin hat die Abweisung der Anträge beantragt.
Daten über Leistungen und Verhalten der Arbeitnehmer würden durch das Betreiben
der Facebook-Seite weder erhoben noch verarbeitet. Die Funktion „graph
search“ sei für in deutscher Sprache verfasste Facebookseiten nicht
verwendbar und verfüge zudem nicht über den behaupteten Rechercheumfang.
Aufgrund der Verwendung einer allgemeinen Administratorenkennung sei es auch
nicht nachvollziehbar, wer von den die Facebookseite betreuenden Arbeitnehmern
welche Informationen zu welchem Zeitpunkt eingestellt habe. Zudem sei der
betreffende Arbeitnehmer nicht stets mit demjenigen identisch, der den Beitrag
erarbeitet habe. Allerdings bestehe die Möglichkeit, dass sie durch einen
Besucher-Beitrag über eine als mangelhaft empfundene Arbeitsleistung informiert
werde. Diese Daten erhebe sie aber nicht. Sie würden unaufgefordert von Dritten
eingegeben und von ihr weder gesondert technisch aufgezeichnet noch
ausgewertet. Schließlich habe der Konzernbetriebsrat ein etwaiges
Mitbestimmungsrecht durch Abschluss der EDV-KRBV bereits ausgeübt.     
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag zu 1. stattgegeben. Auf
die Beschwerde der Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht die Anträge
insgesamt abgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt der
Konzernbetriebsrat die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
B. Die Rechtsbeschwerde des Konzernbetriebsrats hat
teilweise Erfolg. Der Antrag zu 1. ist unbegründet, der Antrag zu 2. ist
begründet. Der hierzu hilfsweise gestellte Antrag zu 3. fällt daher nicht zur
Entscheidung an.           
I. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen waren die
örtlichen Betriebsräte und der für ein weiteres Unternehmen gebildete
Gesamtbetriebsrat nicht nach § 83 Abs. 3 ArbGG zu beteiligen.         
1. Nach § 83 Abs. 3 ArbGG haben in einem Beschlussverfahren
neben dem Antragsteller diejenigen Stellen ein Recht auf Anhörung, die nach dem
Betriebsverfassungsgesetz im einzelnen Fall beteiligt sind. Das ist jede
Stelle, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer
betriebsverfassungsrechtlichen Stellung unmittelbar betroffen ist (BAG 18.
November 2014 – 1 ABR 21/13 – Rn. 12 mwN, BAGE 150, 74). Eine unmittelbare
Betroffenheit der anderen in einem Konzern bestehenden Arbeitnehmervertretungen
scheidet aber aus, wenn es um die Mitbestimmung an einer Entscheidung des
Arbeitgebers geht, die denknotwendig oberhalb der Ebene der einzelnen Betriebe
und Unternehmen getroffen wird (ausführlich BAG 28. März 2006 – 1 ABR 59/04 –
Rn. 10 ff., BAGE 117, 337).             
2. Die vom Konzernbetriebsrat begehrte Entscheidung berührt
nach diesen Grundsätzen ersichtlich nicht die betriebsverfassungsrechtliche
Stellung der örtlichen Betriebsräte oder des Gesamtbetriebsrats. Die
Arbeitgeberin hat – als unternehmerische Vermarktungsentscheidung
mitbestimmungsfrei – vorgegeben, eine Facebookseite als konzernweite Maßnahme
der Öffentlichkeitsarbeit und des Marketings mit einer einheitlichen
Ausgestaltung einzurichten und zu betreiben. Damit handelt es sich gemäß § 58
Abs. 1 BetrVG um eine Maßnahme, die den Konzern betrifft und offensichtlich
nicht durch den Gesamtbetriebsrat im Unternehmen der Arbeitgeberin oder durch
die Betriebsräte in den jeweiligen Betrieben des Konzerns geregelt werden kann.      
II. Der Antrag zu 1. ist zulässig, aber unbegründet.        
1. Der Antrag zu 1. ist, wie dessen gebotene Auslegung
ergibt, zulässig.            
a) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon
ausgegangen, mit dem Antrag zu 1. werde eine Unterlassungsverpflichtung der
Arbeitgeberin begehrt. Ein Unterlassen iSd. § 890 ZPO liegt auch vor, wenn ein
aktives Verhalten erforderlich ist, damit der Schuldner seiner Pflicht, etwas
zu unterlassen, gerecht werden kann. Der Konzernbetriebsrat will erreichen,
dass die Arbeitgeberin es unterlässt, die Facebookseite weiter zu betreiben, da
seiner Ansicht nach die mit der Nutzung dieses Kontos untrennbar einhergehenden
Auswertungsmöglichkeiten – jedenfalls aber die Funktion „graph search“ –
eine umfassende Überwachung des Verhaltens und der Leistung von Beschäftigten
oder zumindest der diese Seite betreuenden Arbeitnehmer erlauben. Nach dem
Vorbringen des Konzernbetriebsrats liegen seinem mit dem Antrag zu 1.
verfolgten Begehren jene Auswertungsmöglichkeiten zugrunde, die zwingend mit
der Einrichtung und dem Betrieb einer Facebookseite einhergehen und nicht durch
Einstellungen des Kontoinhabers bei Facebook unterbunden werden können.          
b) Diesem Unterlassungsanspruch soll die Arbeitgeberin
nachkommen, indem sie „die Anmeldung bei Facebook rückgängig“ macht. Sie
soll nicht nur nach den von Facebook zur Verfügung gestellten technischen
Möglichkeiten („Verwaltung deines Kontos“) ihr dort unterhaltenes Konto
„deaktivieren“, sondern dauerhaft „löschen“. Dieses
Antragsverständnis hat der Konzernbetriebsrat in der Anhörung vor dem Senat
bestätigt.      
c) Mit diesem Inhalt ist der Antrag hinreichend bestimmt
iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Arbeitgeberin kann erkennen, welches Verhalten
von ihr verlangt wird.           
2. Der Antrag zu 1. ist unbegründet. Der Konzernbetriebsrat
kann sich für sein Unterlassungsbegehren nicht auf ein Mitbestimmungsrecht nach
§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG stützen. Die der Arbeitgeberin zwingend vorgegebenen
Funktionen ihrer Facebookseite ermöglichen aufgrund der derzeit zur Verfügung
stehenden Auswertungsmöglichkeiten keine Überwachung des Verhaltens und der
Leistung von Beschäftigten (unter b). Der Betrieb der Facebookseite führt auch
nicht dazu, dass diejenigen Arbeitnehmer, die den Facebookauftritt betreuen,
durch eine technische Einrichtung iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG überwacht
werden (unter c).          
a) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat ua.
mitzubestimmen bei der Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu
bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.
Das Mitbestimmungsrecht ist darauf gerichtet, Arbeitnehmer vor
Beeinträchtigungen ihres Persönlichkeitsrechts durch den Einsatz technischer
Überwachungseinrichtungen zu bewahren, die nicht durch schutzwerte Belange des
Arbeitgebers gerechtfertigt und unverhältnismäßig sind (BAG 29. Juni 2004 – 1
ABR 21/03 – zu B I 2 d der Gründe mwN, BAGE 111, 173). Die auf technischem Wege
erfolgende Ermittlung und Aufzeichnung von Informationen über Arbeitnehmer bei
der Erbringung ihrer Arbeitsleistung bergen die Gefahr in sich, dass sie zum
Objekt einer Überwachungstechnik gemacht werden, die anonym personen- oder
leistungsbezogene Informationen erhebt, speichert, verknüpft und sichtbar
macht. Den davon ausgehenden Gefährdungen des Persönlichkeitsrechts von
Arbeitnehmern soll das Mitbestimmungsrecht entgegenwirken (BAG 10. Dezember
2013 – 1 ABR 43/12 – Rn. 27).        
b) „Überwachung“ im Sinne des Mitbestimmungsrechts ist
ein Vorgang, durch den Informationen über das Verhalten oder die Leistung von
Arbeitnehmern erhoben und – jedenfalls in der Regel – aufgezeichnet werden, um
sie auch späterer Wahrnehmung zugänglich zu machen. Die Informationen müssen
auf technische Weise ermittelt und dokumentiert werden, so dass sie zumindest
für eine gewisse Dauer verfügbar bleiben und vom Arbeitgeber herangezogen
werden können. Die Überwachung muss durch die technische Einrichtung selbst
bewirkt werden. Dazu muss diese aufgrund ihrer technischen Natur unmittelbar
die Überwachung vornehmen. Das setzt voraus, dass die technische Einrichtung
selbst und automatisch die Daten über bestimmte Vorgänge erhebt, speichert und/oder
verarbeitet. Ausreichend ist, wenn lediglich ein Teil des Überwachungsvorgangs
mittels einer technischen Einrichtung erfolgt. Zur Überwachung „bestimmt“
sind technische Einrichtungen, wenn sie objektiv geeignet sind, Verhaltens-
oder Leistungsinformationen über den Arbeitnehmer zu erheben und aufzuzeichnen;
auf die subjektive Überwachungsabsicht des Arbeitgebers kommt es nicht an (BAG
10. Dezember 2013 – 1 ABR 43/12 – Rn. 20 mwN; 27. Januar 2004 – 1 ABR 7/03 –
Rn. 27, BAGE 109, 235). Auch reicht es aus, wenn die leistungs- oder
verhaltensbezogenen Daten nicht auf technischem Weg durch die Einrichtung
selbst gewonnen werden, sondern manuell eingegeben und von der technischen
Einrichtung weiter verwertet werden (BAG 23. April 1985 – 1 ABR 39/81 – zu B II
2 der Gründe mwN).   
c) Danach ist eine Facebookseite mit ihren vorgegebenen
Funktionen keine technische Einrichtung, die aufgrund ihrer derzeitigen
Auswertungsmöglichkeiten dazu bestimmt ist, das Verhalten und die Leistung von
Arbeitnehmern zu überwachen.   
aa) Es ist nicht erkennbar, dass die von Facebook
bereitgestellten Funktionen – „Auswertung von Ergebnissen“ – geeignet sein
sollen, das Verhalten und die Leistung einzelner im Konzern beschäftigter
Arbeitnehmer im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses zu überwachen. Die Funktion
„Seitenstatistiken“ mit den Bereichen „Beiträge“, „Besuche“,
„‘Gefällt mir‘-Angaben“, „Reichweite“ gestattet keine
individualisierbaren Auswertungen. Gleiches gilt für die Auswertungsfunktionen „Werbeanzeigenberichte“
und „Offline-Conversions“ (vgl. schon Karg/Thomsen DuD 2012, 729, 731;
Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein
Datenschutzrechtliche Bewertung der Reichweitenanalyse durch Facebook 2011 S.
12 ff.).     
bb) Soweit der Konzernbetriebsrat ohne nähere
Konkretisierung geltend macht, durch „überlegte Suchparameter“ könne man
„zu aussagekräftigen Ergebnissen kommen“, fehlt es bereits an einem
nachvollziehbaren und nachprüfbaren Vorbringen, wie dies seitens der
Arbeitgeberin möglich sein soll. Die vom Konzernbetriebsrat noch in den
Tatsacheninstanzen angeführte Suchfunktion „graph search“ stand und steht
jedenfalls für die deutschsprachige Facebookseite der Arbeitgeberin nicht zur
Verfügung. Das wird vom Konzernbetriebsrat auch nicht mehr behauptet.               
d) Ein Mitbestimmungsrecht des Konzernbetriebsrats folgt
auch nicht aus dem Umstand, dass die arbeitgeberseitigen „Beiträge“ und
„Kommentare“ der mit der Pflege der Facebookseite beschäftigten
Arbeitnehmer auf dieser mit dem Datum und der Uhrzeit ihrer Einstellung
versehen sind.             
aa) Durch das Aufzeichnen von Datum und Uhrzeit der
Einstellung von „Beiträgen“ und „Kommentaren“ auf der Facebookseite
werden zwar entsprechende Leistungsdaten von Arbeitnehmern technisch erfasst
und dokumentiert. Die Überwachung durch eine technische Einrichtung iSd. § 87
Abs. 1 Nr. 6 BetrVG erfordert jedoch, dass die erhobenen Daten einzelnen
Arbeitnehmern zugeordnet werden können, sie also individualisierbar sind. Wird
lediglich die Gesamtleistung einer Gruppe aufgezeichnet, kommt ein
Mitbestimmungsrecht nur in Betracht, wenn der auf die Gruppe ausgeübte
Überwachungsdruck auf die einzelnen Gruppenmitglieder durchschlägt (ausf. BAG
26. Juli 1994 – 1 ABR 6/94 – zu B II 2 c aa der Gründe, BAGE 77, 262).      
bb) Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht gegeben.
(1) Nach den nicht mit zulässigen Verfahrensrügen
angegriffenen und den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts
ist aufgrund der verwendeten allgemeinen Administratorenkennung eine
Identifizierung des jeweiligen Arbeitnehmers, der einen Beitrag oder einen
Kommentar verfasst oder auf die Facebookseite der Arbeitgeberin einstellt, auch
unter Zuhilfenahme weiterer Erkenntnisquellen, ausgeschlossen. Folgerichtig hat
das Landesarbeitsgericht das Fehlen eines Überwachungsdrucks angenommen.
Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde nicht. Soweit sie nunmehr geltend
macht, die Arbeitnehmer würden weisungswidrig bei der Administration der Seite
nicht stets die allgemeine Zugangskennung verwenden, handelt es sich um neuen
und damit nicht berücksichtigungsfähigen Sachvortrag in der
Rechtsbeschwerdeinstanz. 
(2) Ein anderes Ergebnis ist auch nicht durch Satz 2 Nr. 5
der Anlage zu § 9 Satz 1 BDSG vorgegeben (so offenbar Brink jurisPR-ArbR
14/2015 Anm. 3). Zwar muss der Arbeitgeber danach gewährleisten, dass
nachträglich überprüft werden kann, ob und von wem personenbezogene Daten in
Datenverarbeitungssysteme eingegeben, verändert oder entfernt worden sind
(Eingabekontrolle). Dies könnte sich auch auf eingestellte Beiträge oder
Kommentare beziehen, wenn sie personenbezogene Daten iSd. § 3 Abs. 1 BDSG
enthalten. Ob und auf welchem Weg die Arbeitgeberin unter Wahrung der
Voraussetzungen der EDV-KRBV ihrer gesetzlichen Verpflichtung nach Satz 2 Nr. 5
der Anlage zu § 9 Satz 1 BDSG nachkommt, betrifft aber nicht das geltend
gemachte Mitbestimmungsrecht.               
III. Der hilfsweise gestellte, zulässige Antrag zu 2. ist
begründet.           
1. Der Antrag zu 2. genügt dem Bestimmtheitsgebot des § 253
Abs. 2 Nr. 2 ZPO.           
a) Dem Wortlaut nach soll es die Arbeitgeberin unterlassen,
„den Nutzern … die Seite … zur Übermittlung (Posting) von Informationen zur
Verfügung zu stellen“. Der Konzernbetriebsrat will mit diesem
zukunftsgerichteten Unterlassungsbegehren erreichen, dass die Arbeitgeberin es
Nutzern nicht gestattet, „Postings“ auf der Facebookseite einzustellen.
Dem – wie der Konzernbetriebsrat in der Anhörung vor dem Senat klargestellt hat
– ausschließlich auf die Funktion „Besucher-Beiträge“ bezogenen
Unterlassungsbegehren soll die Arbeitgeberin nachkommen, indem sie in den
„Einstellungen“ der Facebookseite die Option „Beiträge von anderen
Personen auf der Seite deaktivieren“ wählt. Die ebenfalls eröffnete
technische Möglichkeit „Kontrolliere Beiträge von anderen Personen, bevor diese
auf der Seite veröffentlicht werden“, damit diese zunächst „automatisch
verborgen“ und von der Arbeitgeberin individuell freigegeben werden
können, entspricht dem Begehren des Konzernbetriebsrats hingegen nicht. Zwischen
den Betriebsparteien ist gerade im Streit, ob und nach welchen Kriterien
„Besucher-Beiträge“ von Nutzern „freigegeben“ werden sollen, wenn sie
das Arbeitsverhalten von Arbeitnehmern betreffen. Nicht deaktivieren kann die
Arbeitgeberin die Funktion „Kommentare“. Darin eingestellte Beiträge
werden vom Antrag allerdings auch nicht erfasst.
b) Danach verfolgt der Konzernbetriebsrat mit dem
Hilfsantrag eine Unterlassungspflicht der Arbeitgeberin, der sie bereits durch
eine Änderung ihrer bei Facebook bestehenden „Einstellungen“ nachkommen
kann, ohne den Betrieb der Facebookseite insgesamt einzustellen. Dieser ist –
anders als der Hauptantrag – nicht darauf gerichtet, die Facebookseite
insgesamt „abzumelden“, also das Konto zu löschen.  
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats steht dem
Betriebsrat bei der Verletzung seines Mitbestimmungsrechts aus § 87 BetrVG ein
Anspruch auf Unterlassen der mitbestimmungswidrigen Maßnahme zu. Dieser
Anspruch setzt keine grobe Pflichtverletzung des Arbeitgebers iSd. § 23 Abs. 3
BetrVG voraus (BAG 25. September 2012 – 1 ABR 49/11 – Rn. 19).               
3. Bei der von der Arbeitgeberin betriebenen Facebookseite
mit der eröffneten Möglichkeit, Besucher-Beiträge einzustellen, handelt es sich
um eine technische Einrichtung iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, die zur
Überwachung der Leistung und des Verhaltens der bei ihr beschäftigten
Arbeitnehmer bestimmt ist. Dieses Mitbestimmungsrecht hat die Arbeitgeberin
verletzt.
a) Die Facebookseite der Arbeitgeberin ist eine technische
Einrichtung iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Die Arbeitgeberin nutzt mit den bei
ihr vorhandenen EDV-Einrichtungen eine von Facebook bereitgestellte webbasierte
Software. Durch die Eröffnung und den Betrieb eines Kontos für die Seite „www.facebook.com/d“
hat sie die technische Einrichtung eingeführt und wendet sie an.       
b) Die von der Arbeitgeberin eingerichtete Funktion
„Besucher-Beiträge“ ermöglicht eine Überwachung des Verhaltens und der
Leistung der in ihrem Konzern beschäftigten Arbeitnehmer iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 6
BetrVG.       
aa) Die Funktion „Besucher-Beiträge“ erlaubt derzeit
den Nutzern von Facebook, Postings zum Verhalten und zur Leistung der bei den
konzernzugehörigen Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmern auf der Seite der
Arbeitgeberin einzustellen. Je nach dem Inhalt dieser Besucher-Beiträge können
diese namentlich oder situationsbedingt einem bestimmten Arbeitnehmer
zugeordnet werden. Auch die Arbeitgeberin geht davon aus, dass sie auf diesem
Weg Kenntnis über Leistung oder Verhalten von Arbeitnehmern, vor allem den bei
Blutspendediensten eingesetzten, erlangen kann. Solche Besucher-Beiträge können
in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der bei der Arbeitgeberin beschäftigten
Arbeitnehmer eingreifen. Dieses Recht umfasst die Befugnis des Einzelnen,
grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen
persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, und daher grundsätzlich selbst
über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten gegenüber Dritten und der
Öffentlichkeit zu bestimmen (BVerfG 23. Februar 2007 – 1 BvR 2368/06 – Rn. 37
mwN). Durch arbeitnehmerbezogene Besucherbeiträge und deren Veröffentlichung
auf der Facebookseite der Arbeitgeberin werden deren Arbeitnehmer einem
ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt. Sie müssen jederzeit damit rechnen,
dass Beiträge zu ihrer Leistung oder ihrem Verhalten gepostet werden und damit
nicht nur dem Arbeitgeber, sondern einer unbestimmten Anzahl von Personen, die
diese Seite aufrufen, offenbart werden (vgl. Greif NZA 2015, 1106, 1107).
bb) Die Facebookseite ist damit auch iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 6
BetrVG zur Überwachung bestimmt. Es ist unerheblich, dass die Seite nicht auf
die Überwachung der Leistung und des Verhaltens der bei der Arbeitgeberin
beschäftigten Arbeitnehmer ausgerichtet ist oder die Nutzer nicht von ihr
aufgefordert werden, „Besucher-Beiträge“ zu dem Verhalten oder der
Leistung von Beschäftigten einzustellen. Das gilt unabhängig davon, ob die
Arbeitgeberin die erfassten und festgehaltenen Verhaltens- oder Leistungsdaten
tatsächlich verarbeiten oder für Reaktionen auf festgestellte Verhaltens- oder
Leistungsweisen verwenden will. Überwachung iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist
nicht erst das Auswerten oder die weitere Verarbeitung schon vorliegender
Informationen, sondern bereits das Sammeln derselben (BAG 14. November 2006 – 1
ABR 4/06 – Rn. 27 mwN, BAGE 120, 146). Nicht erforderlich ist auch, dass der
gespeicherte „Besucher-Beitrag“ schon eine vernünftige und abschließende
Beurteilung des Verhaltens oder der Leistung des Arbeitnehmers erlaubt. Es
genügt, dass ein Posting in Verbindung mit weiteren gewonnenen Erkenntnissen
eine Beurteilung ermöglicht.      
cc) Schließlich erfolgt diese Überwachung mit Hilfe einer
technischen Einrichtung. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin ist es nicht
erforderlich, dass die Daten über das Verhalten oder die Leistung des einzelnen
Arbeitnehmers durch die technische Einrichtung zunächst selbst und
„automatisch“ erhoben werden (BAG 23. April 1985 – 1 ABR 39/81 – zu B II 2
der Gründe mwN; 14. September 1984 – 1 ABR 23/82 – zu B III der Gründe, BAGE
46, 367). Daher genügt es, wenn die Informationen durch die Nutzer der
Facebookseite aufgrund der dort vorhandenen Funktion „Besucher-Beiträge“
eingegeben und mittels der von Facebook eingesetzten Software einer dauerhaften
Speicherung und zeitlich unbegrenzter Zugriffsmöglichkeit zugeführt werden.
Zudem sind diese Daten über die Facebookseite dauerhaft öffentlich zugänglich.
Sie sind deshalb nicht – wie das Landesarbeitsgericht meint – mit einem an den
Arbeitgeber gerichteten Beschwerdebrief vergleichbar.               
4. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin hat der
Konzernbetriebsrat das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht
bereits durch den Abschluss der EDV-KRBV ausgeübt. Die Annahme der
Arbeitgeberin, über § 1 Abs. 2 iVm. der Anlage 1 EDV-KRBV sei aufgrund der dort
in den Buchstaben E und F erwähnten Komponenten „Mail-Systeme“, „PC-Netze,
Intranet, Internet, Extranet“ auch die von ihr von Facebook zur Verfügung
gestellte webbasierte Software zur Einrichtung und dem Betrieb der
Facebookseite erfasst, ist unzutreffend. Die nach § 8 EDV-KRBV geregelte
Internetnutzung betrifft den Zugang zum World Wide Web einschließlich der
hierzu unmittelbar erforderlichen Software (Webbrowser oder allgemein Browser)
zur Darstellung von Webseiten, nicht jedoch eigenständige, webbasierte
Softwareprogramme, die durch die Eröffnung eines Kontos bei Facebook durch die
Arbeitgeberin zum Einsatz kommen. Solche „EDV-Anwendungssysteme oder Systeme
der Informations- und Kommunikationstechnik“ („Anwendungssysteme“)
werden nach § 1 Abs. 1, Spiegelstrich 2 iVm. § 1 Abs. 2 EDV-KRBV nur dann vom
Geltungsbereich der Konzernbetriebsvereinbarung erfasst, wenn sie in der Anlage
1 zur EDV-KRBV aufgeführt sind. Nach § 1 Abs. 2 Satz 7 EDV-KRBV sind „neu
eingesetzte“ Systeme in die Anlage 1 aufzunehmen. Das ist nicht geschehen.