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LG München I – Urheberrechtsverletzung durch Webradio-Recherche

Das LG München I hat mit Urteil
vom 06.02.2019, Az. 37 O 484/18
entschieden, dass ein Online-Dienst zum
Mitschneiden von Musikstücken aus Webradios urheberrechtswidrig ist. Mit dieser
Entscheidung hat das LG München I wie erwartet das Urteil
des OLG München vom 22.11.2018, Az. 29 U 3619/17 – musicmonster
bestätigt.
Leitsätze:
1. Der Anbieter eines Internetdienstes, welcher auf Wunsch
des Kunden urheberrechtlich geschützte Musiktitel aus online Radiosendungen
heraussucht und auf einem von ihm vermittelten cloudbasierten Speicherplatz für
den Kunden speichert, stellt eine Vervielfältigung des Werkes i.S.d. § 16 UrhG
her. Diese ist nicht nach § 53 Abs. 1 UrhG zulässig, da der Kunde nicht als
Hersteller der Vervielfältigungen anzusehen ist (§ 53 Abs. 1 S. 1 UrhG) und ihm
die Herstellung auch nicht zuzurechnen ist (§ 53 Abs. 1 S. 2 UrhG).  
2. Der Dienstanbieter macht die Musiktitel auch öffentlich
zugänglich i.S.d. § 19a UrhG. Für die Frage der Öffentlichkeit kommt es nicht
darauf an, ob der Anbieter eine „Masterkopie“ des Musiktitels vorhält, zu der
er einer Vielzahl von Personen Zugang gewährt, oder ob er einer Vielzahl von
Nutzern jeweils individuelle Kopien zur Verfügung stellt. Die Öffentlichkeit
setzt sich zusammen aus der Gesamtheit der Personen, an die sich der
Dienstanbieter richtet.
Bei der Erteilung seiner Zustimmung zur Sendung von
Musiktiteln in einem Webradio hat der Urheberrechtsinhaber nicht das Publikum
eines Dienstes zum kostenpflichtigen Download von Musiktiteln im Blick, zumal
auch hinsichtlich des Konsumverhaltens der Nutzer zwischen dem fremdbestimmten
Hören flüchtiger Titel im Radio und dem gezielten und wiederholbaren Anhören
fixierter Titel zu unterscheiden ist; in qualitativer Hinsicht stellt das
Angebot der Beklagten daher eine von der ursprünglichen Wiedergabe im Webradio
unterschiedliche öffentliche Wiedergabe an ein neues Publikum dar.
Tenor
1. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für
jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,00,
ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, hinsichtlich der
Beklagten zu 1) zu vollziehen am Vorstand, zu unterlassen, die Tonaufnahmen …
des Musikalbums … der Künstlergruppe … zu vervielfältigen und öffentlich
zugänglich zu machen, wie im Zeitraum zwischen dem 25.10.2017 und 27.10.2017
festgestellt und über die Internetseite … geschehen.
2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, der
Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, wie häufig die unter
Ziffer 1 aufgeführten Tonaufnahmen über das Internet von Nutzern des Dienstes
… gewünscht, im Rahmen des Geschäftsmodells vervielfältigt und von Nutzern
des Dienstes … abgerufen worden sind.
3. Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin folgende
Beträge zu zahlen:
die Beklagte zu 1) € 1.021,26
der Beklagte zu 2) € 510,63
jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz ab 23.01.2018.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und 2)
gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen durch die
unerlaubte Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung der unter Ziffer
1. aufgeführten Tonaufnahmen entstandenen Schaden zu ersetzen.
5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
6. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als
Gesamtschuldner 10 %. Weiter haben die Beklagte zu 1) 60 % und der Beklagte zu
2) 30 % der Kosten zu tragen.
7. Das Urteil ist hinsichtlich Ziff. 1 des Tenors gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000 € pro Titel und Beklagten vorläufig
vollstreckbar. Hinsichtlich Ziff. 2 des Tenors ist das Urteil gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000 € pro Beklagten vorläufig vollstreckbar.
Im Übrigen ist das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand
Die Klägerin ist ein Unternehmen der Tonträgerindustrie.
Die Beklagte zu 1) betreibt einen Internetdienst unter der
…. Der Beklagte zu 2) ist seit seiner Bestellung am Ende des Jahres 2009
Vorstand der Beklagten zu 1).
Auf ihrer Website … bietet die Beklagte zu 1)
registrierten Kunden an, sich Musiktitel auszusuchen und ihre Titelauswahl in
einer Wunschliste zu speichern. Sodann werden laut Website der Beklagten zu 1)
über 400 Webradios automatisch 24 Stunden täglich überwacht. Ferner wird
angegeben, dass in einem dritten Schritt die Sendung eines Musiktitels
mitgeschnitten wird, sobald der Dienst bei der Überwachung der Webradios den
gewünschten Titel gefunden hat. Der mitgeschnittene Titel wird als Mp3 Datei
abgespeichert. In einem letzten Schritt können die gewünschten Tonaufnahmen von
dem Kunden auf seinen Rechner heruntergeladen werden.
Der Dienst kann für eine Zeit von bis zu 14 Tagen probeweise
in Anspruch genommen werden, danach ist die Nutzung gebührenpflichtig.
Die Beklagte zu 1) betreibt ihr Geschäftsmodell unter den
gegenwärtigen technischen Bedingungen seit 2010. Es beruht auf einem
Kooperationsvertrag vom 26.07.2010 (Anlage B1) mit der Firma …, die heute als
… firmiert. Diese hatte den Musikdienst entwickelt und führt ihn als
technischer Dienstleister für die Beklagte zu 1) durch.
Am 25.10.2017 wählte der Zeuge … von der … nach
vorheriger Registrierung bei der Beklagten zu 1) die folgenden 14 Musiktitel
des Albums … der Band … aus:
Er nahm die Titel in seine Wunschliste auf. Am 27.10.2017
loggte sich der Zeuge … erneut bei der Beklagten zu 1) ein und stellte fest,
dass die 14 Titel nunmehr als MP3 Dateien zum Herunterladen bereitstanden. Die
Tonaufnahmen waren vollständig, ohne jegliche Unterbrechungen durch Moderation,
Werbung, Nachrichten etc. und wiesen eine gleichbleibend gute Qualität von 192
kBit/s auf.
Die Klägerin mahnte die Beklagten mit Schreiben vom
11.12.2017 (Anlage K6) ab und forderte sie in Bezug auf die genannten
Musiktitel zur Unterlassung, Auskunftserteilung und Zahlung der Abmahnkosten in
Höhe von insgesamt 1.973,90 € aus einem Gegenstandswert von 100.000 € auf. Es
erfolgte keine Reaktion von Beklagtenseite und die Titel waren weiterhin bei
der Beklagten zu 1) verfügbar.
Die Klägerin behauptet, sie sei Inhaberin der
ausschließlichen Nutzungsrechte an den Tonaufnahmen der Künstlergruppe …, die
auf dem Album … enthalten sind, und verweist auf einen Auszug aus der
Katalogdatenbank … der …, die sie als Lieferantin der Werke und damit als
Inhaberin der Verwertungsrechte benenne (Anlage K 8). Sie leite ihre Rechte von
der … ab, bei der es sich um eine hundertprozentige Tochter der Klägerin
handele. Die Klägerin verweist auf den als Anlage K 12 vorgelegten
Labelexklusivvertrag vom 01.10.2016. Sie behauptet, dieser sei auf Seiten der
… von dem Prokuristen … und auf Seiten der Klägerin von dem Prokuristen …
unterschrieben worden.
Die Klägerin behauptet ferner, die Tonaufnahmen kämen nicht
auf die auf der Website der Beklagten zu 1) dargestellten Weise zustande. Ihr
seien keine Webradios bekannt, die ohne Unterbrechungen und in derart guter
Qualität sendeten.
Die Klägerin meint, selbst wenn die technische
Funktionsweise tatsächlich der Beschreibung der Beklagten entspräche, wäre
diese Nutzung ohne Zustimmung der Klägerin nicht zulässig. Spätestens durch das
Abspeichern der Musikdateien auf dem Server der Beklagten zu 1) werde in das
Vervielfältigungsrecht der Klägerin aus §§ 85, 16 UrhG eingegriffen. Auf § 53
Abs. 1 S. 1 UrhG könnten die Beklagten sich nicht berufen, weil nicht die
Kunden sondern die Beklagte zu 1) selbst Herstellerin der Vervielfältigungen
sei. Auch ein Herstellenlassen i.S.d. S. 2 liege nicht vor, da das Angebot der
Beklagten zu 1) durch die Recherche der Kopiervorlage über das bloße
mechanische Vervielfältigen hinausgehe und zudem entgeltpflichtig sei.
Ferner sei das Angebot der Beklagten auch als öffentliche
Wiedergabe der Musiktitel zu werten und verletze daher das Recht der Klägerin
aus 19 a UrhG.
Die Verletzungshandlungen seien dem Beklagten zu 2) als
Geschäftsführer der Beklagten zu 1) zuzurechnen, da die Entscheidung über den
rechtlichen und technischen Aufbau des Geschäftsmodells der Beklagten zu 1) als
eine für das Unternehmen grundlegende Entscheidung auf Vorstandsebene getroffen
worden sein dürfte.
Die Klägerin beantragt,
1.1.
Die Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden
Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses
nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6
Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,00 Ordnungshaft
höchstens zwei Jahre) zu unterlassen, die Tonaufnahmen
… des Musikalbums … der Künstlergruppe … zu
vervielfältigen und öffentlich zugänglich zu machen, wie im Zeitraum zwischen
dem 25.10.2017 und 27.10.2017 festgestellt und über die Internetseite …
geschehen.
2.
Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, der
Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, wie häufig die unter
Ziffer 1 aufgeführten Tonaufnahmen über das Internet von Nutzern des Dienstes
… gewünscht, im Rahmen des Geschäftsmodells vervielfältigt und von Nutzern
des Dienstes … abgerufen worden sind.
3.
Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin folgende
Beträge zu zahlen:
4.
Festzustellen, dass die Beklagten zu 1) und 2)
gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen durch die
unerlaubte Vervielfältigung und öffentliche Zuganglichmachung der unter Ziffer
1. aufgeführten Tonaufnahmen entstandenen Schaden zu ersetzen.
15
Die Beklagten beantragen
Klageabweisung.
Die Beklagten meinen, die Klage sei bereits unzulässig, da
sie aufgrund der bereits beim OLG München (29 U 3619/17) und OLG Hamburg (5 U
18/17) anhängigen Berufungsverfahren in gleich gelagerten Sachverhalten mutwillig
und rechtsmissbräuchlich sei. Eine Unzulässigkeit folge zudem aus einem Verstoß
der Klägerin gegen ihre prozessuale Wahrheitspflicht, da sie den Hinweis der
Beklagten auf ihrer Website, demzufolge die Speicherung der Musiktitel auf dem
Server eines Dritten erfolge, verschwiegen habe.
Der Klägerin stehe auch kein Unterlassungsanspruch zu. Die
Beklagten bestreiten insoweit die Aktivlegitimation der Klägerin. Der Verweis
der Klägerin auf die … Datenbank sei als Vortrag hierzu nicht ausreichend und
entfalte vorliegend auch keine Indizwirkung. Auf der CD als
Vervielfältigungsstück sei die … als Produzentin und Copyright Inhaberin
vermerkt, so dass eine etwaige Urhebervermutung i.S.d. § 10 Abs. 1 UrhG zu
deren Gunsten verbraucht sei. Dass der Labelexklusivvertrag von den von der
Klägerin benannten Personen unterschrieben wurde und diese
vertretungsberechtigt gewesen seien, bestreitet die Beklagte mit Nichtwissen.
Zudem bestreitet sie die Übereinstimmung der als Anlage K 12 vorgelegten
Vertragskopie mit dem Original, welches ihrer Auffassung nach angesichts des
richterlichen Hinweises vom 07.09.2018 (Bl. 146 d.A.) spätestens in der
mündlichen Verhandlung vom 12.09.2018 im Original hätte vorgelegt werden
müssen.
Die Beklagten sind ferner der Auffassung, dass die durch den
Download entstehenden Vervielfältigungsstücke gem. § 53 Abs. 1 UrhG nicht in
das insoweit bestehende ausschließliche Recht der Klägerin eingriffen, denn die
Vervielfältigungsstücke seien von dem jeweiligen Kunden hergestellte Privatkopien
bzw. die Herstellung sei dem Kunden zuzurechnen. Mit der Inanspruchnahme des
Musikdienstes löse der Nutzer einen rein technischen Vorgang aus, der
vollständig automatisiert ohne menschlichen Eingriff von außen ablaufe.
Jedenfalls die Beklagten hätten daher keine Organisationshoheit über den
Aufnahmevorgang.
In diesem Zusammenhang behaupten die Beklagten, die Beklagte
zu 1) unterhalte keine Speicherplätze und halte keine Aufnahmen vor. Sie
betätige sich lediglich als Vermittlungsdienstleister zwischen dem Kunden und
der Firma … als technischer Anbieterin, die Musikwünsche suche und speichere.
Die Firma … stelle den Kunden für die ausgewählten Musikstücke inzwischen
auch den Speicherplatz in der Cloud zur Verfügung, den früher die Fa. …
bereitgestellt habe. Die einheitliche Bitrate der Musikdateien sei darauf
zurückzuführen, dass die Aufnahmesoftware so konfiguriert sei, dass sie die
unterschiedlichen Streaming-Formate diverser Webradios in ein einheitliches
mp3-Format mit einer Bitrate von 192 kBit/s bei der Aufnahme wandele,
unabhängig von dem durch das jeweilige Webradio gesendeten Format.
Die Beklagten meinen ferner, die Beklagte zu 1) mache die
streitgegenstandlichen Werke nicht öffentlich zugänglich. Ein Zugänglichmachen
setze voraus, dass Dritten der Zugriff auf das sich in der Sphäre des
Vorhaltenden befindliche geschützte Werk eröffnet werde. Daran fehle es ebenso
wie an der „Öffentlichkeit“, da eine auf Kundenwunsch erstellte Musikdatei
nicht einer unbestimmten Zahl potentieller Leistungsempfänger zur Verfügung
gestellt werde, sondern stets nur einem einzigen Nutzer über dessen
persönlichen, nur ihm eröffneten Account zugänglich sei. Auch liege keine neue
Form der technischen Übertragung vor, da sich das System der Beklagten bereits
im Internet abrufbarer Inhalte bediene und nicht durch ein neues Medium neues
Publikum erschließe.
Der Beklagte zu 2) meint, es mangele bereits an einer
Haftungsgrundlage für seine Inanspruchnahme. Jedenfalls habe er sich angesichts
verschiedener Rechtsgutachten (Anlagen B8, 13 und 14) und der Entscheidung
„Internet-Videorekorder I“ des BGH (Urteil v. 22.04.2009 – I ZR 216/06) sowie
der „Flatster“ Entscheidung des Kammergerichts (Urteil v. 28.03.2012 – 24 U
20/11) in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden. Für ihn habe es schon
ansatzweise keinerlei Hinweise für eine mögliche Rechtswidrigkeit seines
Verhaltens gegeben.
Die Beklagten haben beantragt,
das Verfahren im Hinblick auf die bei den
Oberlandesgerichten München und Hamburg anhängigen Parallelverfahren
auszusetzen.
Das Gericht hat Beweis erhoben über die Unterzeichnung des
Labelexklusivvertrags vom 01.10.2016 durch Vernehmung des Zeugen …. Für das
Ergebnis der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der
mündlichen Verhandlung vom 23.01.2019.
Wegen des weiteren Parteivortrags wird ergänzend auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen
Verhandlungen vom 12.09.2018 und vom 23.01.2019 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und bis auf von einem geringfügigen
Teil der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten begründet.
I.
Die Klage ist zulässig.
1. Eine missbräuchliche Rechtsausübung ist nicht zu
erkennen. Die Ausübung eines Rechts kann im Einzelfall unzulässig sein, wenn
der Berechtigte kein schutzwürdiges Eigeninteresse verfolgt oder überwiegende
schutzwürdige Interessen der Gegenpartei entgegenstehen und die Rechtsausübung
im Einzelfall zu einem grob unbilligen, mit der Gerechtigkeit nicht mehr zu
vereinbarenden Ergebnis führen würde (Jauernig/Mansel BGB, 17. Auflage 2018, §
242 Rn. 37). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben und wird auch von den
Beklagten in tatsächlicher Hinsicht nicht vorgetragen. Die Klage betrifft –
wenn sich auch die gleichen Rechtsfragen stellen mögen – andere Musiktitel und
damit einen anderen Streitgegenstand als das vor dem OLG Hamburg anhängige
Verfahren 5 U 18/17 und das vom OLG München inzwischen (nicht rechtskräftig)
entschiedene Verfahren 29 U 3619/17. Die Klägerin kann bei andauernder
Rechtsverletzung nicht darauf verwiesen werden, den Ausgang der anderen
Verfahren gewissermaßen als Pilotverfahren abzuwarten, bevor sie die Verletzung
ihrer weiteren Rechte geltend macht.
2. Eine Unzulässigkeit der Klage folgt auch nicht aus einer
etwaigen Unvollständigkeit des Klagevortrags. Zum einen hat die Klägerin durch
die fehlende Bezugnahme auf den Hinweis der Beklagten, dass die Speicherung der
Musiktitel auf dem Server eines Dritten erfolge, nicht gegen ihre prozessuale
Wahrheitspflicht verstoßen. Die Klägerin trifft insoweit schon keine
Darlegungslast. Im Übrigen führt ein derartiger Verstoß einer Prozesspartei
gegen die prozessuale Wahrheitspflicht nicht zur Unzulässigkeit der Klage (vgl.
Zöller/Greger ZPO, 32. Aufl. 2018, § 138 Rz. 7).
II.
Die Klage ist auch – mit Ausnahme eines geringfügigen Teils
der geforderten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten – begründet.
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung
der Vervielfältigung und der öffentlichen Zugänglichmachung der
streitgegenständlichen Musiktitel aus §§ 97 Abs. 1 S. 1, 85 Abs. 1 S. 1, 16
Abs. 1, 19 a UrhG. Dies gilt selbst dann, wenn man zugunsten der Beklagten
unterstellt, dass ihr Dienst technisch tatsächlich auf die von ihnen behauptete
Weise funktioniert.
a) Die Klägerin ist als Inhaberin der
Tonträgerherstellerrechte an den streitgegenständlichen Aufnahmen gem. § 85
UrhG aktivlegitimiert.
Allerdings folgt dies nicht bereits aus dem als Anlage K8
vorgelegten Auszug aus der Katalogdatenbank … der …, der die Klägerin als
Lieferantin des streitgegenständlichen Albums benennt. Die Eintragungen in der
Datenbank stellen zwar grundsätzlich ein erhebliches Indiz für die
Rechteinhaberschaft dar (vgl. BGH Urt. v. 11.6.2015, I ZR 75/14 Rz. 16). Dieser
Indizwirkung steht indes im vorliegenden Fall der Umstand entgegen, dass auf
dem CD-Cover mit den streitgegenständlichen Musikstücken die … unter den
Schutzrechtsvermerken (sog. C-Vermerk und P-Vermerk) als Rechteinhaberin
ausgewiesen wird und die Urhebervermutung aus § 10 Abs. 1 UrhG damit zu deren
Gunsten wirkt.
Die Aktivlegitimation der Klägerin ergibt sich jedoch aus
dem Labelexklusivvertrag ziwschen ihr und der ….
Aufgrund der Vernehmung des Zeugen … in der mündlichen
Verhandlung vom 23.01.2019 ist die Kammer davon überzeugt, dass dieser sowie
… als jeweils berechtigte Vertreter der Vertragsparteien den
Labelexklusivvertrag vom 01.10.2016 unterschrieben haben. Der Zeuge … hat
angegeben, dass die Unterschriften links oben und rechts unten auf der letzten
Seite der Vertragskopie von ihm stammen. Darüber hinaus hat er die Unterschrift
rechts oben als diejenige von Herrn … erkannt, der bis vor kurzem sein Chef
gewesen sei und dessen Unterschrift er daher gut kenne. Diese Angaben sind
glaubhaft, zumal die Unterschriften jeweils auch starke Ähnlichkeit mit der auf
den Ausweiskopien (Anlagen K14 und K15) erkennbaren Unterschriften aufweisen.
An der Glaubwürdigkeit des Zeugen, der hinsichtlich des Vorgangs der
Vertragsunterzeichnung auch Erinnerungslücken eingeräumt hat, bestehen keine
Zweifel.
Die Vertretungsberechtigung der Unterzeichner ergibt sich
aus den vorgelegten Handelsregisterauszügen (Anlagen K16 und K17), die sie als
Prokuristen ihrer jeweiligen Unternehmen ausweisen. Daneben hat auch der Zeuge
… seine Stellung als Prokurist der Klägerin bestätigt sowie den Umstand, dass
… bei Vertragsunterzeichnung Prokurist der … gewesen ist.
Die als Anlage K12 vorgelegte Vertragskopie stimmt auch mit
dem in der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2019 in Augenschein genommenen
Originalurkunde überein. Die Erklärung des Zeugen … für den handschriftlichen
Vermerk auf der ersten Seite des Originals, den die Kopie nicht aufweist, erscheint
glaubhaft. Danach handelt es sich um einen Scan-Vermerk, der nach dem
Einscannen des Dokuments auf dem Original angebracht wird. Bei der vorgelegten
Kopie handelt es sich danach um einen Ausdruck des eingescannten
Originaldokuments.
Da in Ziff. 4 des Labelexklusiwertrags sämtliche
Vertragsaufnahmen erfasst werden und an diesen gem. Ziff. 5 alle
Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte auf die Klägerin übertragen werden,
sind auch die mit der Klage geltend gemachten Rechte zur Vervielfältigung und
öffentlichen Zugänglichmachung der streitgegenständlichen Werke eingeschlossen.
b) Das Speichern der streitgegenständlichen Teil auf den von
… vermittelten Speicherplätzen, stellt eine Vervielfältigung i.S.d. § 16 UrhG
dar, die ohne Einwilligung der Klägerin geschah. Diese ist auch nicht nach § 53
Abs. 1 UrhG zulässig, da der Kunde nicht als Hersteller der Vervielfältigungen
anzusehen ist (§ 53 Abs. 1 S. 1 UrhG) und ihm die Herstellung auch nicht
zuzurechnen ist (§ 53 Abs. 1 S. 2 UrhG).
aa) Für die Frage, wer Hersteller einer Vervielfältigung
ist, kommt es zunächst auf eine rein technische Betrachtung an. Hersteller der
Vervielfältigung ist danach, wer die körperliche Festlegung technisch
bewerkstelligt. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob er sich dabei technischer
Hilfsmittel bedient, selbst wenn diese von Dritten zur Verfügung gestellt
werden (BGH Urt. v. 22.4.2009, I ZR 216/06 Rn. 16)
Vorliegend bedient sich der Nutzer des Angebots der
Beklagten, um sich einen Musikwunsch zu erfüllen, und gibt dabei die
Organisationshoheit an diese ab. Herstellerin in rein technischer Hinsicht ist
daher die Beklagte zu 1). Der Nutzer beherrscht das Aufnahmegeschehen nicht,
zumal dieses – anders als in der von den Beklagten angeführten
„Flatster“-Entscheidung des Kammergerichts (Urt. v. 28.03.2012 – 24 U 20/11,
juris) – auch nicht auf seinem Rechner stattfindet. Der Nutzer kann einzig und
allein den Suchvorgang starten und damit der Beklagten zu 1) einen Recherche-
und Aufnahmeauftrag erteilen, und er kann seinen Musikwunsch gegebenenfalls
wieder löschen. Er kann dabei aber den Aufnahmeprozess selbst weder starten
noch stoppen, da er gar nicht weiß, wann dieser stattfindet und wo das konkrete
Musikstück zu finden ist. Welche konkreten Sendungen letztlich auf dem zur
Verfügung gestellten Speicherplatz abgelegt werden – und ggf. auch ob überhaupt
– bestimmt allein der von der Beklagten zu 1) bereitgestellte Dienst.
Dabei können sich die Beklagten nicht mit Erfolg darauf
berufen, dass sie lediglich den Zugang zu dem Dienst der Firma …
vermittelten, die den Vorgang in technischer Hinsicht ausführe. Denn bei dem
Dienst handelt es sich um ein einheitliches Angebot der Beklagten zu 1) über
ihre Website …, bei dem es unerheblich ist, ob die Beklagte selbst die Aufträge
der Nutzer erfüllt oder sich hierzu im Rahmen ihres Kooperationsvertrages mit
der Fa. … dieser zur Erfüllung bedient (OLG München Urteil v. 22.11.2018 – 29
U 3619/17).
bb) Die Beklagten können sich auch nicht mit Erfolg auf die
Schranke des § 53 Abs. 1 S. 2 UrhG berufen. Für die Frage, ob die Herstellung
der Vervielfältigung dem Nutzer im Sinne dieser Vorschrift zugerechnet werden
kann, kommt es auf eine normative Bewertung an. Dabei ist maßgeblich darauf
abzustellen, ob der Hersteller sich darauf beschränkt, gleichsam an die Stelle
des Vervielfältigungsgeräts zu treten und als notwendiges Werkzeug des anderen
tätig zu werden – dann ist die Vervielfältigung dem Besteller zuzurechnen –
ober ob er eine urheberrechtlich relevante Nutzung in einem Ausmaß und einer
Intensität erschließt, die sich mit den Erwägungen, die eine Privilegierung des
Privatgebrauchs rechtfertigen, nicht mehr vereinbaren lässt – dann ist die
Vervielfältigung dem Hersteller zuzuordnen (BGH Urt. v. 22.4.2009, I ZR 216/06
Rn. 17 – Internet Videorekorder I).
Vorliegend geht das Geschäftsmodell der Beklagten deutlich
über das bloße Zurverfügungstellen eines technischen Hilfsmittels zur
Vervielfältigung und damit über das hinaus, was durch § 53 Abs. 1 UrhG
privilegiert werden sollte (vgl. OLG München Urt. v. 22.11.2018 – 29 U 3619/17
– S. 14). Der Nutzer überlässt dem Dienst der Beklagten zu 1) nicht nur die
technische Festlegung der Musiktitel, sondern auch die Suche nach dem
Gegenstand der Kopie, also der Vervielfältigungsvorlage, die zwar mechanisch
aber eben aufgrund des von den Beklagten angebotenen und entsprechend
programmierten Musikdienstes erfolgt. Dabei kann entgegen der Auffassung der
Beklagten aus der Entscheidung „Kopienversanddienst“ des BGH (Urteil vom
25.02.1999 – I ZR 118/96) nicht geschlossen werden, dass die dem Kopiervorgang
vorgelagerte Auswahl der Vorlage für die Einordnung als Privatkopie unerheblich
wäre. Denn während in der genannten Entscheidung eine Auswahl allenfalls unter
mehreren Exemplaren der im Gewahrsam der Bibliothek als Anbieterin des
Kopienversanddienstes befindlichen Werke stattfand, geht es vorliegend nicht
nur um die bloße Auswahl bereits bei den Beklagten vorhandener Vorlagen,
sondern um die gezielte Beschaffung der Musikvorlage von Dritten, nämlich
hunderter Webradios im Rahmen einer komplexen vollautomatisierten Recherche.
Als weitere Dienstleistung, die über den bloßen
Kopiervorgang hinausgeht, bereitet der Dienst der Beklagten die
unterschiedlichen Streaming-Formate der Webradios auf, indem er sie in ein
einheitliches mp3-Format mit einer Bitrate von 192 kBit/s umwandelt. Damit
stellt die Beklagte zu 1) ihren Nutzern einen weiteren Service zur Verfügung,
der letztlich dazu führt, dass ihr Dienst in (zumindest) potentiellem Ausmaß
und in seiner Intensität einem herkömmlichen Downloadangebot gleichsteht und
eine Privilegierung des Privatgebrauchs nicht mehr rechtfertigt.
Da § 53 Abs. 1 S. 2 UrhG bereits aus diesen Gründen nicht
anwendbar ist, kann es dahinstehen, ob die Schrankenwirkung auf unentgeltliches
Herstellenlassen beschränkt werden darf (verneinend Grünberger in ZUM 2018,
321, 325 unter Verweis auf EuGH Urt. V. 29.11.2017 – C-265/16 – VCAST Ltd./RTI
SpA).
cc) Es entspricht auch Sinn und Zweck der Vorschrift des §
53 Abs. 1 UrhG, nur bei vollständiger Organisationshoheit des Nutzers von einer
Privatkopie auszugehen und die – wenn auch softwaregesteuerte – Beschaffung der
Kopiervorlage durch Dritte ausreichen zu lassen, um den technischen
Herstellungsprozess davon abweichend beim Anbieter zu verorten.
Die Vorschrift des § 53 UrhG dient dem Interesse der
Allgemeinheit, im Rahmen der Entwicklung der modernen Industriegesellschaften
zu vorhandenen Informationen und Dokumentationen einen unkomplizierten Zugang
zu haben. Sie berücksichtigt zudem, dass ein Verbot von Vervielfältigungen im
privaten Bereich kaum durchsetzbar ist (BGH GRUR 1997, 459, 463 – CB-Infobank
I). Der Ausgleich mit den Interessen der Urheber, deren Rechte der
Sozialbindung unterliegen, erfolgt durch detaillierte Regelungen der zulässigen
Vervielfältigungshandlungen sowie die Festlegung einer Vergütungspflicht
(Wandtke/Bullinger/Lüft, UrhG, 4. Aufl. 2014, § 53 Rn. 1; Dreier/Schulze UrhG,
5. Aufl. 2015, § 53 Rn. 1).
Als Schrankenregelung ist § 53 grundsätzlich eng auszulegen
(BGH a.a.O. – CB-Infobank I; BGH GRUR 2002, 605 – Verhüllter Reichstag; BGH
GRUR 2002, 963 – Elektronischer Pressespiegel), da der Urheber an der
wirtschaftlichen Nutzung seiner Werke angemessen zu beteiligen ist und die ihm
zustehenden Ausschließlichkeitsrechte nicht übermäßig beschränkt werden dürfen.
Das Verständnis der Norm hat sich daher vor allem an den technischen
Gegebenheiten der Information im Zeitpunkt der Einführung des
Privilegierungstatbestands zu orientieren (BGH GRUR 1997, 459, 463 –
CB-Infobank; BGH GRUR 1955, 492 – Grundig-Reporter). Dies darf indes nicht zu
einer starren Grenze führen. Tritt an die Stelle einer privilegierten Nutzung
eine neue Form, ist vielmehr im Einzelfall zu prüfen, ob der in Art. 14 Abs. 1
GG verankerte Beteiligungsgrundsatz einerseits und der mit der
Schrankenregelung verfolgte Zweck andererseits eine weitergehende Auslegung des
Privilegierungstatbestandes erlauben (EuGH GRUR 2012, 166 – Panier/Standard;
BGH GRUR 2002, 963 – Elektronischer Pressespiegel; vgl. Wandtke/Bullinger/Lüft,
UrhG, 4. Aufl. 2014 § 53 Rn. 3).
Der von den Beklagten angebotene Dienst entspricht nicht
mehr der vom Gesetzgeber bei der Einführung der Norm anvisierten Privatkopie
und stellt gegenüber dieser auch nicht einen bloß technisch verbesserten
Prozess dar, sondern geht im Ausmaß des Eingriffs deutlich über die von der
Norm im Interesse der Sozialbindung des Urheberrechts bezweckte Schranke
hinaus. Was die Beklagten anbieten, sind keine im rein privaten Bereich
hergestellten und damit für den Urheber nicht kontrollierbaren und nicht
zuletzt deshalb vom Vervielfältigungsverbot ausgenommenen Privatkopien.
Vielmehr bieten die Beklagten im Ergebnis ähnlich wie die Firmen … öffentlich
im Internet Musiktitel zum Download an, mit dem einzig nennenswerten
Unterschied, dass diese erst zeitversetzt zur Verfügung stehen und günstiger
angeboten werden können, da keine Lizenzen zu bedienen sind. Dabei handelt es
sich nicht lediglich um eine gegenüber dem Mitschnitt auf dem eigenen
Datenträger technisch verbesserte Umsetzung, sondern um ein öffentliches
Angebot, bei dem keine Notwendigkeit besteht, die Rechte der Urheber insoweit
zu beschränken und sie auf eine Pauschalabgabe zu verweisen. Zu einer anderen
Wertung führt auch nicht die vom BGH hervorgehobene, aus Art. 14 GG abgeleitete
Sozialpflichtigkeit der Eigentumsordnung, die den Urheber mit seinem geistigen
Eigentum in die Pflicht nimmt, wenn es darum geht, im Interesse der
Allgemeinheit einen unkomplizierten Zugang zu vorhandenen Informationen und
Dokumentationen zu gewährleisten (vgl. BGH GRUR 1997, 459, 463 – CB-Infobank
I). Denn es ist nicht ansatzweise ersichtlich, dass der von den Beklagten
angebotene Dienst diesem Zweck besser gerecht wird als die herkömmlichen
Angebote zum Download von Musiktiteln, die dem üblichen Einwilligungsvorbehalt
unterliegen.
c) Mit Hilfe des von ihr angebotenen Dienstes macht die
Beklagte zu 1) die streitgegenständlichen Musiktitel auch öffentlich zugänglich
i.S.d. § 19 a UrhG. Dies gilt auch dann, wenn man den Vortrag der
Beklagtenseite unterstellt, demzufolge die einzelnen Vervielfältigungsstücke
aus Webradios stammen und stets nur einem Nutzer auf seinem persönlichen
Cloud-basierten Speicherplatz zur Verfügung gestellt werden.
Der Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Artikel
3 der Richtlinie 2001/29 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des
Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (InfoSoc-RL),
welcher durch § 19 a UrhG ins deutsche Recht umgesetzt wird, ist weit zu
verstehen. Er setzt sich zusammen aus der Handlung der Wiedergabe sowie der
Öffentlichkeit dieser Wiedergabe (EuGH Urt. v. 07.08.2018 – C-161/17 – Dirk
Renckhoff, Rz. 19). Beide Merkmale sind vorliegend erfüllt.
aa) Dabei reicht es für die Handlung der Wiedergabe aus,
wenn ein Werk einer Öffentlichkeit in der Weise zugänglich gemacht wird, dass
deren Mitglieder dazu Zugang haben, ohne dass es darauf ankommt, ob sie diese
Möglichkeit nutzen (EuGH a.a.O. Rz. 20). Vorliegend verschaffen die Beklagten
ihren Nutzern Zugang zu den in der Wunschliste aufgenommenen Musiktiteln in der
Weise, dass die Nutzer die Titel auf dem für sie eingerichteten Speicherplatz
abrufen und hören können. Darin ist eine Wiedergabehandlung zu sehen.
Zwar definiert der BGH das Zugänglichmachen so, dass Dritten
der Zugriff auf das sich in der Zugriffssphäre des Vorhaltenden befindende
geschützte Werk eröffnet wird (BGH Urt. v. 29.04.2010 – I ZR 69/08 –
Vorschaubilder, Rz. 19). Dafür muss es im Lichte der Rechtsprechung des EuGH
jedoch ausreichen, dass der Anbieter dem Nutzer Zugang zu einer persönlichen
Kopie des Werkes ermöglicht, welche der Anbieter nach dem oben Gesagten
hergestellt hat. Auch wenn der Anbieter dem Nutzer den Zugriff auf das Werk auf
seinem persönlichen Speicherplatz überlasst, stammt es – anders als etwa beim
bloßen Setzen eines Links auf die Website, die das Werk ursprünglich zugänglich
macht – aus seiner Zugriffssphäre als Hersteller.
Dies hat der EuGH in der Entscheidung C-265/16 VCAST Ltd.
./. RTI SpA bestätigt, dem eine Konstellation zugrundelag, bei der ein Kunde
auf der Internetseite des Anbieters aus den Programmen mehrerer Fernsehsender
entweder eine Sendung oder ein Zeitfenster zur Aufnahme auswählen konnte.
Anschließend empfing der Anbieter das Fernsehsignal und zeichnete das gewählte
Sendungszeitfenster bzw. die Sendung direkt auf dem vom Nutzer angegebenen
Speicherplatz in der „Cloud“ auf, der ähnlich wie im vorliegenden Fall vom
Nutzer bei einem anderen Anbieter erworben wurde. Der EuGH hat in der
Dienstleistung neben der Vervielfältigung auch eine Zugangsgewährung gesehen
(EuGH a.a.O. Rz. 37-38). Die Handlung der Wiedergabe umfasse jede Übertragung
geschützter Werke unabhängig vom eingesetzten Mittel (EuGH a.a.O. Rz. 42).
bb) Die Wiedergabehandlung durch die Beklagten erfolgte auch
öffentlich. Der Begriff der Öffentlichkeit umfasst in quantitativer Hinsicht
eine unbestimmte Zahl möglicher Adressaten und setzt zudem recht viele Personen
voraus (EuGH a.a.O. Rz. 45).
Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Anbieter eine
„Masterkopie“ vorhält, zu der er einer Vielzahl von Personen Zugang gewährt,
oder ob er einer Vielzahl von Nutzern jeweils individuelle Kopien zur Verfügung
stellt (differenzierend aber BGH Urt. v. 22.4.2009 – I ZR 216/06 –
Internet-Videorekorder, Rz. 27; OLG München Urt. v. 19.09.2013, 29 U 3989/12
Rn. 67, 69, juris; OLG Dresden GRUR 2011, 413, 416/417). Nach der
Rechtsprechung des EuGH liegt es auf der Hand, dass die Gesamtheit der
Personen, an die sich der Dienstleister richtet, eine „Öffentlichkeit“ im Sinne
der Art. 3 der InfoSoc-RL bildet. Dieser Auffassung ist zu folgen, denn weder
für den Urheber noch für den Nutzer macht es einen Unterschied, wie die
technische Umsetzung aussieht, wenn im Ergebnis eine Vielzahl von Personen die
Musiktitel im Internet abrufen können. Auf die Frage, ob viele einzelne Kopien
erstellt werden oder eine Kopie vielen Einzelpersonen zugänglich gemacht wird,
kann es für die Frage der Öffentlichkeit des Angebots daher nicht ankommen.
cc) In qualitativer Hinsicht stellt das Angebot der
Beklagten auch eine von der ursprünglichen Wiedergabe im Webradio
unterschiedliche öffentliche Wiedergabe dar. Dafür kann zwar nicht auf eine
unterschiedliche Übermittlungstechnik abgestellt werden (vgl. EuGH Urt. v.
07.03.2013 – C-607/11 – ITV Broadcasting/TVC, Rz. 26), da die Übertragung auch
durch die Webradios bereits digital erfolgte. Dies ist jedoch auch nicht
erforderlich, wenn die Wiedergabe aus anderen Gründen für ein neues Publikum erfolgt.
Auch die Einstellung eines geschützten Werks auf eine andere Website als die,
auf der die ursprüngliche Wiedergabe mit der Zustimmung des
Urheberrechtsinhabers erfolgt ist, kann unter Umständen als Zugänglichmachung
eines solchen Werkes für ein neues Publikum einzustufen sein (EuGH Urt. v.
07.08.2018 – C-161/17 – Dirk Renckhoff, Rz. 35). Zur Begründung ist maßgeblich
darauf abzustellen, dass der Urheberrechtsinhaber durch die weitere öffentliche
Zugänglichmachung seine Kontrolle über die Wiedergabe seines Werkes verliert.
Selbst wenn er seine ursprünglich erteilte Zustimmung zur Nutzung des Werkes
auf der ersten Website widerrufen würde, würde das Werk weiterhin auf der neuen
Website zugänglich sein. Dies liefe auf eine Erschöpfung des Rechts der öffentlichen
Wiedergabe hinaus, die durch Art. 3 Abs. 3 InfoSoc-RL ausdrücklich
ausgeschlossen wird (EuGH a.a.O. Rz. 30-34).
Bei der Erteilung seiner Zustimmung zur Sendung von
Musiktiteln in einem Webradio hat der Urheberrechtsinhaber aus seiner Sicht das
Publikum des Webradios im Blick und nicht das Publikum eines Dienstes zum
kostenpflichtigen Download von Musiktiteln oder sonstige Internetnutzer. Das
Angebot der beiden Websites nährt umgekehrt aus dem Blickwinkel der Nutzer
betrachtet auch jeweils eine unterschiedliche Art des Konsums von Musik,
nämlich einerseits den des fremdbestimmten Hörens flüchtiger Titel im Sinne
eines Radios und andererseits den des gezielten und jederzeit wiederholbaren
Anhörens bestimmter fixierter Titel. Letzteres stellt daher eine Wiedergabe an
ein neues Publikum dar.
c) Der Klägerin steht der Unterlassungsanspruch auch gegen
den Beklagten zu 2) zu.
Die Frage, ob sich jemand als Täter oder Teilnehmer in einer
die zivilrechtliche Haftung begründenden Weise an der deliktischen Handlung
eines Dritten beteiligt hat, beurteilt sich nach den im Strafrecht entwickelten
Rechtsgrundsätzen. Eine persönliche Haftung des Geschäftsführers für
deliktische Handlungen der von ihm vertretenen Gesellschaft besteht danach nur,
wenn er daran entweder durch positives Tun beteiligt war oder wenn er sie
aufgrund einer nach allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechts begründeten
Garantenstellung hätte verhindern müssen (BGH, Urteil vom 27. November 2014, I
ZR 124/11, Rn. 80, juris; BGH, Urteil v. 18.06.2014, I ZR 242/12, Rn. 13, 17 –
Geschäftsführerhaftung, juris).
Die schlichte Kenntnis von Rechtsverletzungen scheidet als
haftungsbegründender Umstand aus. Erforderlich ist vielmehr grundsätzlich, dass
die Rechtsverletzung auf einem Verhalten beruht, das nach seinem äußeren
Erscheinungsbild und mangels abweichender Feststellungen dem Geschäftsführer
anzulasten ist. Dazu rechnen Maßnahmen, über die typischerweise auf
Geschäftsführerebene entschieden wird (BGH, Urteil vom 27. November 2014, I ZR
124/11, Rn. 83, juris).
Im Falle der Beklagten muss davon ausgegangen werden, dass
die Entscheidung über den rechtlichen und technischen Aufbau des
Geschäftsmodells der Beklagten zu 1) als eine für das Unternehmen nicht nur
wesentliche, sondern grundlegende Entscheidung auf Vorstandsebene getroffen
worden ist. Das Geschäftsmodell in der gegenwärtigen technischen Ausgestaltung
wurde erst aufgrund des Kooperationsvertrages mit der Firma … im Jahr 2010
eingeführt, als der Beklagte zu 2) bereits Vorstand der Beklagten zu 2) war.
2. Die Klägerin hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner
einen Auskunftsanspruch aus §§ 242, 257 BGB sowie einen Anspruch auf
gesamtschuldnerische Leistung von Schadensersatz, dessen Feststellung beantragt
ist, aus § 97 Abs. 2 UrhG. Die Klägerin benötigt die Auskunft zur Vorbereitung
der Bezifferung des Schadenersatzanspruchs gegen die Beklagten. Diese haften
gem. §§ 830 Abs. 1, 840 Abs. 1, 241 BGB als Gesamtschuldner.
Das für diese Ansprüche erforderliche Verschulden der Beklagten
ist gegeben. Die Beklagten handelten zumindest fahrlässig. Der Beklagte zu 2),
dessen Verschulden der Beklagten zu 1) gem. § 31 BGB zuzurechnen ist, kann sich
nicht mit Erfolg darauf berufen, er sei einem unvermeidbaren Verbotsirrtum
erlegen. Ein Verschulden ist schon dann zu bejahen, wenn der Verletzer sich
erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt hat, in dem er
eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen
Zulässigkeit seines Verhaltens in Betracht ziehen musste (BGH Urt. v.
29.04.2010 – I ZR 68/08 – Rn. 55, juris).
Dass die Beklagten sich mit dem Dienst … in einem
Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegen, ist offensichtlich. Die
Beklagten bieten ihren Kunden gegen Entgelt Aufnahmen von Musiktiteln an, für
die sie keine Vervielfältigungsrechte besitzten. Dieses Problem versuchen sie
dadurch zu umgehen, dass sie den Dienst technisch so ausgestalten, dass in
Betracht kommt, die Vervielfältigungen als Privatkopien der Nutzer anzusehen.
Dass dadurch die Grenzen der zulässigen Privatkopie berührt und möglicherweise
auch überschritten werden, liegt auf der Hand (vgl. OLG München Urt. v.
22.11.2018 – 29 U 3619/17 – S. 16 f).
Höchstrichterliche Rechtsprechung zu dem Geschäftsmodell der
Beklagten in der in Rede stehenden technischen Ausgestaltung gibt es nicht.
Auch die von Beklagtenseite vorgelegten Rechtsgutachten (Anlagen B8, 13 und 14)
rechtfertigen die Annahme eines unvermeidbaren Verbotsirrtums nicht. Auch darin
wird die rechtliche Zulässigkeit des Geschäftsmodells der Beklagten keinesfalls
als unbedenklich dargestellt, sondern ausdrücklich die lediglich mögliche
Rechtsauffassung vertreten, dass der Nutzer als Hersteller der Privatkopien
angesehen wird und damit keine Verletzung des Vervielfältigungsrechts des
jeweiligen Rechteinhabers gegeben ist. Eine etwaige Unzulässigkeit mussten die
Beklagten auch danach zumindest in Betracht ziehen.
3. Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung vorgerichtlicher
Rechtsanwaltskosten in der zugesprochenen Höhe folgt aus § 97 a Abs. 3 S. 1
UrhG. Die Abmahnung vom 11.12.2017 (Anlage K6) war nach den vorstehenden
Ausführungen berechtigt. Die vorgerichtlichen Anwaltskosten waren indes nur aus
dem Gegenstandswert von 50.000 Euro begründet, im Übrigen abzuweisen. Es ist
nicht erkennbar und wird nicht dargelegt, dass den hier streitgegenständlichen
Musiktiteln für die Klägerin ein höherer wirtschaftlicher Wert zukommt als
denjenigen, die etwa dem Verfahren 7 O 9061/17 vor dem Landgericht München I
(OLG München 29 U 3619/17) gegenständlich waren. Dass die Klageanträge Ziff. 1
und Ziff. 4 sich sowohl auf das Recht zur Vervielfältigung als auch auf das
Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung stützen, wirkt sich nicht
streitwerterhöhend aus, da dasselbe wirtschaftliche Interesse der Klägerin
betroffen ist und die Vervielfältigung allein der Ermöglichung des
Zugänglichmachens dient. Die Kosten waren wie beantragt aufzuteilen, da das
geltend gemachte Unterlassungsbegehren gegen die beiden Beklagten – das
wirtschaftliche Interesse der Klägerin berücksichtigend – im Verhältnis 2/3 zu
1/3 aufzuteilen war (vgl. OLG Hamburg Beschluss v. 03.04.2013 – 3 W 18/13).
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 100 ZPO.
Hinsichtlich des Feststellungs- und des Auskunftsanspruchs, deren Streitwert
anhand der Angaben der Klägerin mit 10 %, also 5.000 € zu bemessen ist, haften
die Beklagten als Gesamtschuldner. Hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs
wurde – wie bei den außergerichtlichen Kosten – das Verhältnis 2/3 (Beklagte zu
1) zu 1/3 (Beklagter zu 2) angenommen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
ergeht gem. § 709 S. 1 ZPO.

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