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BGH – Keine Verantwortlichkeit der Händler für Amazon-Bewertungen

BGH, Urteil vom 20.
Februar 2020 – I ZR 193/18

Der unter anderem für Ansprüche aus dem Gesetz gegen den unlauteren
Wettbewerb zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden,
dass den Anbieter eines auf der Online-Handelsplattform Amazon angebotenen
Produkts für Bewertungen des Produkts durch Kunden grundsätzlich keine
wettbewerbsrechtliche Haftung trifft.

Ein Unterlassungsanspruch des Klägers ergibt sich nicht aus der Vorschrift
des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 und Satz 2 HWG, die Werbung für Medizinprodukte
mit irreführenden Äußerungen Dritter verbietet. Die Kundenbewertungen sind zwar
irreführende Äußerungen Dritter, weil die behauptete Schmerzlinderung durch
Kinesiologie-Tapes medizinisch nicht gesichert nachweisbar ist. Die Beklagte
hat mit den Kundenbewertungen aber nicht geworben. Nach den rechtsfehlerfrei
getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat sie weder selbst aktiv mit
den Bewertungen geworben oder diese veranlasst, noch hat sie sich die
Kundenbewertungen zu eigen gemacht, indem sie die inhaltliche Verantwortung
dafür übernommen hat. Die Kundenbewertungen sind vielmehr als solche
gekennzeichnet, finden sich bei Amazon getrennt vom Angebot der Beklagten und
werden von den Nutzerinnen und Nutzern nicht der Sphäre der Beklagten als
Verkäuferin zugerechnet.

Die Beklagte traf auch keine Rechtspflicht, eine Irreführung durch die
Kundenbewertungen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 2 Nr. 1 UWG zu verhindern.
Durch ihr Angebot auf Amazon wird keine Garantenstellung begründet. Von
ausschlaggebender Bedeutung ist dabei, dass Kundenbewertungssysteme auf
Online-Marktplätzen gesellschaftlich erwünscht sind und verfassungsrechtlichen
Schutz genießen. Das Interesse von Verbraucherinnen und Verbrauchern, sich zu
Produkten zu äußern und sich vor dem Kauf über Eigenschaften, Vorzüge und
Nachteile eines Produkts aus verschiedenen Quellen, zu denen auch Bewertungen
anderer Kunden gehören, zu informieren oder auszutauschen, wird durch das
Grundrecht der Meinungs- und Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG
geschützt. Einer Abwägung mit dem Rechtsgut der öffentlichen Gesundheit, die
als Gemeinschaftsgut von hohem Rang einen Eingriff in dieses Grundrecht
rechtfertigen könnte, bedarf es hier nicht, weil Anhaltspunkten für eine
Gesundheitsgefährdung bei dem Angebot von Kinesiologie-Tapes fehlen.

Pressetext: https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020/2020021.html?nn=10690868

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BGH – Warnwetter-App nicht werbefrei und nicht kostenfrei zulässig

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Deutsche
Wetterdienst (DWD) eine App mit zahlreichen über Wetterwarnungen hinausgehenden
Informationen zum Wetter nicht kostenlos und werbefrei anbieten darf.

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EuGH – Widerrufsrecht bei BahnCard

Die Deutsche Bahn muss ihre Kunden nach einem Urteil des
Europäischen Gerichtshofs beim Online-Kauf einer Bahncard besser über ihre
Rechte informieren. Unternehmen müssten Verbraucher darüber in Kenntnis setzen,
dass es bei im Fernabsatz geschlossenen Verträgen ein zweiwöchiges
Widerrufsrecht ohne Angabe von Gründen gebe, urteilten die Luxemburg Richter am
12.03.2020. Der Online-Kauf einer Bahncard falle unter die entsprechende
EU-Richtlinie.
Volltext:

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Verwaltungsgericht Berlin: Entfernung aus dem Schulbuch und Datenschutzgrundverordnung

Das VG Berlin hat festgestellt, dass ein Schüler, dessen Schülerakte
zahlreiche Eintragungen aufweist, bei einem Schulwechsel nicht deren
„Bereinigung“ unter Berufung auf die DS-GVO verlangen kann.
Die Ast. begehrten die Entfernung bestimmter Seiten einer Schülerakte, die
sie aus verschiedenen Gründen für fehlerhaft und diskriminierend hielten. Deren
Übersendung an eine Privatschule, die der Schüler besuchen wollte, gefährde
seine Aufnahme.
Das VG hat
den Antrag zurückgewiesen, da die Daten notwendig seien und die
Schuldatenverordnung des Landes Berlin  ausdrücklich vorsehe, dass ein
Schulwechsel gerade keinen Zweckwegfall begründe. Denn nur so könne die
Schülerakte ihren Zweck erfüllen, die Entwicklung der Persönlichkeit und des
Verhaltens des Schülers über seine Schullaufbahn hinweg sowie die
Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten über einen längeren Zeitraum
nachvollziehbar zu machen. Nach dem Berliner Schulgesetz dürften Schulen
personenbezogene Daten von Schülern und ihren Erziehungsberechtigten
verarbeiten, soweit dies zur Erfüllung der ihnen durch Rechtsvorschriften
zugewiesenen, schulbezogenen Aufgaben erforderlich ist. Soweit es um die
Speicherung von Daten über Pflichtverletzungen und deren pädagogische und
rechtliche Folgen gehe, sei dies für die Aufgabenerfüllung der Schule auch
erforderlich.

http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/portal/t/279b/bs/10/page/sammlung.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE200003960&doc.part=L&doc.price=0.0#focuspoint

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Bundesverfassungsgericht: Gesetz über europäisches Patentgericht nichtig

Das
BVerfG hat entschieden, dass das Gesetz zu dem Übereinkommen über ein
Einheitliches Patentgericht (EPGÜ-ZustG), das Hoheitsrechte auf das
Einheitliche Patentgericht übertragen soll, nichtig ist.
  1. Der Schutz von Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG erstreckt sich
    auch auf die Wahrung der Anforderungen des Art. 23 Abs. 1 GG an
    eine wirksame Übertragung von Hoheitsrechten. Bürgerinnen und Bürger haben
    zur Sicherung ihrer demokratischen Einflussmöglichkeiten im Prozess der
    europäischen Integration grundsätzlich ein Recht darauf, dass eine
    Übertragung von Hoheitsrechten nur in den vom Grundgesetz dafür
    vorgesehenen Formen der Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3, Art. 79 Abs. 2
    GG erfolgt (formelle Übertragungskontrolle). (97 f.)
  1. Zustimmungsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen, die
    in einem Ergänzungs- oder sonstigen besonderen Näheverhältnis zum
    Integrationsprogramm der Europäischen Union stehen, sind an Art. 23 Abs. 1
    GG zu messen. (118)
  1. Ein Zustimmungsgesetz zu einem völkerrechtlichen
    Vertrag, das unter Verstoß gegen Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit
    Art. 79 Abs. 2 GG ergangen ist, vermag die Ausübung öffentlicher Gewalt
    durch Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union
    oder eine mit ihr in einem Ergänzungs- oder sonstigen besonderen
    Näheverhältnis stehende zwischen-staatliche Einrichtung nicht zu
    legitimieren und verletzt deshalb die Bürgerinnen und Bürger in ihrem
    grundrechtsgleichen Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1, Art. 20 Abs. 1
    und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG. (133).

Volltext: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/02/rs20200213_2bvr073917.html

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Cartoons & Stadtpläne – 2 Mal Urheberrecht zur Mittagszeit in Halle (Saale)

Am
Mittwoch konnte ich in einen weiteren Gerichtsstandort auf der Karte eine Nadel
stechen, denn es ging für mich zum ersten Mal zum Amtsgericht Halle / Saale.
Das Amtsgericht im anderen Halle, das in Westfalen, habe ich in den letzten 20
Jahren schon häufiger besucht, aber das liegt ja jetzt auch um die Ecke, zumal
nach nahezu 60 Jahren Bauzeit endlich die A33 fertig gestellt worden ist.

Verhandelt
wurde Urheberrecht in zwei Fällen.
Der eine
Mandant soll einen Stadtplan unrechtmäßig auf einer Webseite verwendet haben.
Darüber ärgert er sich selbst maßlos, denn wenn sein Standort nach dieser Karte
hätte gefunden werden sollen; die Besucher wären wohl nicht in Halle an der
Saale, sondern in Halle in Westfalen gelandet. Stimmt nicht ganz, aber es sind halt offenkundige Fehler enthalten.
Aber
leider ändert mangelnde Qualität wenig an der Schutzfähigkeit. Selbst Falsches
ist geschützt, wenn man es nur schön bunt macht.
Kann man
alles nicht richtig finden, ist aber so. Und das selbst wenn der Richter mit
eigener Sachkunde, als kein Zugereister, weiß, dass die Karte Murks ist.
Der
zweite Mandant fand für seine Webseite Cartoons von Uli Stein besonders
treffend bzw. der Webdesigner. Naja, Uli Stein bzw. die Catprint Media GmbH
fand das weniger treffend. Oder eher unschön, das ganze ohne abgeschlossenen
Lizenzvertrag zu nutzen.
Mal
wurde länger verhandelt und mal kürzer um am Ende mit zwei Vergleichen die
Heimreise anzutreten, mit denen beide Mandanten wohl ganz gut leben können.

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Zur Zulässigkeit der Bewertungsdarstellung von Unternehmen auf einem Internet-Bewertungsportal (www.yelp.de)

Zur Zulässigkeit der Bewertungsdarstellung von
Unternehmen  auf einem
Internet-Bewertungsportal
Urteil vom 14. Januar 2020 – VI ZR 496/18 (u.a.)
Sachverhalt:
Die Klägerin nimmt wegen ihrer Bewertungsdarstellung auf
einem Internetportal dessen Betreiber auf Unterlassung, Feststellung und
Schadensersatz in Anspruch.
Die Beklagte betreibt im Internet unter www.yelp.de ein Bewertungsportal, in dem
angemeldete Nutzer Unternehmen durch die Vergabe von einem bis zu fünf Sternen
und einen Text bewerten können. Das Internetportal zeigt alle Nutzerbeiträge an
und stuft sie ohne manuelle Kontrolle durch eine Software automatisiert und
tagesaktuell entweder als „empfohlen“ oder als „(momentan) nicht
empfohlen“ ein. Bei Aufruf eines Unternehmens werden mit dessen
Bezeichnung und Darstellung bis zu fünf Sterne angezeigt, die dem Durchschnitt
der Vergabe in den „empfohlenen“ Nutzerbeiträgen entsprechen
(Bewertungsdurchschnitt). Unmittelbar daneben steht „[Anzahl]
Beiträge“. Unter der Darstellung des Unternehmens ist eine entsprechende
Anzahl von Bewertungen – überschrieben mit „Empfohlene Beiträge für
[Unternehmen]“ – jeweils mit den vergebenen Sternen und dem Text
wiedergegeben. Am Ende dieser Wiedergabe steht „[Anzahl] andere Beiträge,
die momentan nicht empfohlen werden“. Nach Anklicken der daneben
befindlichen Schaltfläche wird folgender Text angezeigt:
„Was sind empfohlene Beiträge?
Unsere User veröffentlichen auf Yelp Millionen von
Beiträgen. Aus diesem Grund benutzen wir eine automatisierte Software um die
hilfreichsten Beiträge hervorzuheben. Diese Software zieht mehrere Faktoren in
Betracht, wie z.B. die Qualität, die Vertrauenswürdigkeit und die bisherige
Aktivität des Users auf Yelp. Dieser Vorgang ist gleich für alle
Geschäftsauflistungen und hat nichts damit zu tun ob ein Unternehmen ein
Anzeigenkunde bei uns ist oder nicht. Die Beiträge die nicht direkt auf der
Geschäftsseite hervorgehoben und auch nicht in die Gesamtbewertung einberechnet
werden sind aber unten aufgeführt. Hier mehr darüber erfahren.“
Darunter befindet sich die Überschrift „[Anzahl]
Beiträge für [Unternehmen] werden momentan nicht empfohlen“ mit dem
nachfolgenden „Hinweis: Die Beiträge unten werden nicht in der gesamten
Sternchen-Bewertung für das Geschäft berücksichtigt.“ Danach folgt die
Wiedergabe der nicht empfohlenen Beiträge.
Die Klägerin betreibt ein Fitness-Studio, zu dem das
Bewertungsportal am 10. Februar 2014 aufgrund eines empfohlenen Beitrags vom 7.
Februar 2014 drei Sterne und 24 ältere Beiträge mit überwiegend positiven
Bewertungen als momentan nicht empfohlen anzeigte.
Nach Auffassung der Klägerin hat die Beklagte den
unzutreffenden Eindruck erweckt, dass der Bewertungsdurchschnitt aller Beiträge
angezeigt worden sei. Die Unterscheidung zwischen empfohlenen und momentan
nicht empfohlenen Beiträgen sei willkürlich und nicht anhand nachvollziehbarer
Kriterien erfolgt, wodurch ein verzerrtes und unrichtiges Gesamtbild entstehe.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das
Oberlandesgericht hat die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, auf ihrer
Internetseite für das Fitness-Studio eine Gesamtbewertung oder eine Gesamtzahl
der Bewertungen auszuweisen, in die Beiträge (Bewertungen), die von Nutzern der
vorgenannten Internetseite abgegeben worden waren und welche die Beklagte als
„momentan nicht empfohlen“ wertet, nicht einbezogen werden. Außerdem
hat das Oberlandesgericht die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz entstandenen
sowie noch entstehenden Schadens festgestellt und die Beklagte zur Zahlung von
Rechtsanwaltskosten verurteilt.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der unter anderem für Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche
aus unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat hat auf die Revision der
Beklagten das klageabweisende Urteil des Landgerichts wiederhergestellt. Die
von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche ergeben sich nicht aus § 824 Abs.
1 BGB. Die Beklagte hat nicht – wie in dieser Bestimmung vorausgesetzt –
unwahre Tatsachen behauptet oder verbreitet. Entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts äußerte die Beklagte mit der angegriffenen
Bewertungsdarstellung nicht, dass es sich bei dem angezeigten
Bewertungsdurchschnitt um das Ergebnis der Auswertung aller für das
Fitness-Studio abgegebenen Beiträge handele und dass der danebenstehende Text
deren Anzahl wiedergebe. Denn der unvoreingenommene und verständige Nutzer des
Bewertungsportals entnimmt der Bewertungsdarstellung zunächst, wie viele
Beiträge die Grundlage für die Durchschnittsberechnung bildeten, und schließt
daraus weiter, dass Grundlage für die Durchschnittsberechnung ausschließlich
der „empfohlene“ Beitrag ist sowie dass sich die Angabe der Anzahl
nur darauf bezieht. Die Bewertungsdarstellung der Beklagten greift auch nicht
rechtswidrig in das Unternehmenspersönlichkeitsrecht und in das Recht am
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin ein (§ 823 Abs. 1
BGB). Die rechtlich geschützten Interessen der Klägerin überwiegen nicht die schutzwürdigen
Belange der Beklagten. Die Anzeige des Bewertungsdurchschnitts und der
Einstufung von Nutzerbewertungen als „empfohlen“ oder „nicht
empfohlen“ sind durch die Berufs- sowie Meinungsfreiheit geschützt; ein
Gewerbetreibender muss Kritik an seinen Leistungen und die öffentliche
Erörterung geäußerter Kritik grundsätzlich hinnehmen.
Vorinstanzen:
Oberlandesgericht München – Urteil vom 13. November 2018
– 18 U 1282/16
Landgericht München I – Urteil vom 12. Februar 2016 – 25
O 24646/14
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
§ 823 BGB Schadensersatzpflicht
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den
Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht
eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus
entstehenden Schadens verpflichtet.
§ 824 BGB Kreditgefährdung
(1) Wer der Wahrheit zuwider eine Tatsache behauptet oder
verbreitet, die geeignet ist, den Kredit eines anderen zu gefährden oder
sonstige Nachteile für dessen Erwerb oder Fortkommen herbeizuführen, hat dem
anderen den daraus entstehenden Schaden auch dann zu ersetzen, wenn er die
Unwahrheit zwar nicht kennt, aber kennen muss. 
Karlsruhe, den 14. Januar 2020
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

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Bundesgerichtshof zur weiteren Vergütung des Chefkameramanns des Filmwerks „Das Boot“

Urteil vom 20. Februar 2020 – I ZR 176/18 – Das Boot II
Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über eine weitere angemessene Beteiligung
des Chefkameramanns des Filmwerks „Das Boot“ an den von den
ARD-Rundfunkanstalten erzielten Vorteilen aus der Ausstrahlung des Films
entschieden.
Sachverhalt:
Der Kläger war Chefkameramann des in den Jahren 1980/1981
hergestellten Filmwerks „Das Boot“. Für seine Mitwirkung an der
Produktion des Films erhielt er von der Produktionsgesellschaft eine
Pauschalvergütung in Höhe von 204.000 DM (104.303,54 €). Der Film wurde
national und international im Kino, im Fernsehen sowie auf Videokassette und
DVD ausgewertet.
Die Beklagten sind öffentlich-rechtliche
Rundfunkanstalten, die zusammen mit dem in einem gesonderten Rechtsstreit in
Anspruch genommenen Westdeutschen Rundfunk (WDR) in der Arbeitsgemeinschaft der
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland
(ARD) zusammengeschlossen sind. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger
die Beklagten wegen der Ausstrahlungen des Films im Programm „Das
Erste“ der ARD, in von den Beklagten verantworteten Dritten Programmen und
Digitalsendern und dem Sender 3Sat auf Zahlung einer weiteren angemessenen
Beteiligung gemäß § 32a Abs. 2 Satz 1 UrhG in Anspruch. Für Ausstrahlungen des
Films in der Zeit vom 29. März 2002 bis zum 12. März 2016 beansprucht er eine
Nachvergütung in Höhe von mindestens 521.446,96 €. Für Ausstrahlungen ab dem
13. März 2016 verlangt er die Feststellung der Zahlungsverpflichtung der
Beklagten. 
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat der Zahlungsklage in Höhe von
77.333,79 € und dem Feststellungsantrag teilweise stattgegeben. Auf die
Berufungen der Parteien hat das Berufungsgericht dem Kläger für den Zeitraum
vom 29. März 2002 bis zum 12. März 2016 eine weitere angemessene Beteiligung in
Höhe von 315.018,29 € zugesprochen und festgestellt, dass ihm auch ab dem 13.
März 2016 eine weitere angemessene Beteiligung zusteht. Mit den vom
Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgt der Kläger sein
weitergehendes Klagebegehren weiter und erstreben die Beklagten die
vollständige Abweisung der Klage.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben
und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückverwiesen. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann dem
Kläger ein Anspruch auf Zahlung einer weiteren angemessenen Beteiligung nicht
zuerkannt werden. 
Der Kläger ist als Kameramann Miturheber des Films. Er
hat der Produktionsgesellschaft das Recht zur Nutzung seiner urheberrechtlich
geschützten Leistungen eingeräumt. Die Beklagten leiten das Recht zur
Ausstrahlung des Films von der Produktionsgesellschaft her. Der Kläger kann von
den Beklagten daher nach § 32a Abs. 2 Satz 1 UrhG eine weitere angemessene
Beteiligung beanspruchen, wenn die Vergütung, die er mit der
Produktionsgesellschaft vereinbart hat, in einem auffälligen Missverhältnis zu
den Vorteilen steht, die die Beklagten mit der Ausstrahlung des Films erzielt
haben. Ein auffälliges Missverhältnis liegt jedenfalls vor, wenn die
vereinbarte Vergütung nur die Hälfte der angemessenen Vergütung beträgt, also
der Vergütung, die mit Rücksicht auf die Höhe der erzielten Vorteile üblicher-
und redlicherweise zu leisten ist. 
Das Berufungsgericht hat seiner Prüfung, ob im Streitfall
ein solches auffälliges Missverhältnis besteht, die vereinbarte
Pauschalvergütung in voller Höhe zugrunde gelegt. Es hat dabei nicht
berücksichtigt, dass die Parteien im vorliegenden Fall allein über eine weitere
angemessene Vergütung des Klägers für die Ausstrahlung des Films im Fernsehen
durch die Beklagten streiten und der Prüfung daher allein der – zu schätzende –
Teil der vereinbarten Pauschalvergütung zugrunde zu legen ist, der auf die
Einräumung des Rechts zu dieser Fernsehausstrahlung entfällt. 
Das Berufungsgericht hat ferner die von den Beklagten mit
der Nutzung der urheberrechtlich geschützten Leistung des Klägers erzielten
Vorteile unter Heranziehung der Vergütungen bestimmt, die der Westdeutsche
Rundfunk, der Südwestrundfunk und der Norddeutsche Rundfunk aufgrund von
Tarifverträgen den auf Produktionsdauer beschäftigten Fernsehschaffenden für
die erneute Ausstrahlung von Eigenproduktionen im Fernsehen zu zahlen haben.
Danach ist für Wiederholungssendungen eine Wiederholungsvergütung in Höhe eines
bestimmten Prozentsatzes der für die Erstausstrahlung des Films vereinbarten
Erstvergütung zu zahlen. Der Bundesgerichtshof hat diese Bemessung der Vorteile
durch das Berufungsgericht gebilligt. Den Gerichten ist für die im Wege der
Schätzung zu ermittelnde Höhe des Vorteils nach § 287 Abs. 2 ZPO ein weites
Ermessen eingeräumt. In der Revisionsinstanz ist eine solche Schätzung nur
eingeschränkt darauf überprüfbar, ob das Berufungsgericht bei seiner
Entscheidung von zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen ist und
sämtliche für die Beurteilung bedeutsamen Tatsachen berücksichtigt hat. 
Danach ist die vom Berufungsgericht vorgenommene
Schätzung des Vorteils grundsätzlich nicht zu beanstanden. Der Vorteil, den
eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt durch die Ausstrahlung eines
Filmwerks in ihrem – weitgehend gebührenfinanzierten – Programm erlangt, kann
in der Ersparnis von Aufwendungen für die Erstellung eines Programms gesehen
werden, das den Sendeplatz des Filmwerks hätte füllen können. Die von den
Beklagten durch die Nutzung der urheberrechtlich geschützten Leistung des
Klägers ersparten Aufwendungen können unter Heranziehung der
Wiederholungsvergütungen geschätzt werden, die nach den Tarifverträgen auf
Produktionsdauer beschäftigten Fernsehschaffenden für die wiederholte
Ausstrahlung eines Films an der Stelle des hier in Rede stehenden Films zu
zahlen gewesen wären. 
Nicht folgerichtig ist es nach Ansicht des
Bundesgerichtshofs allerdings, dass das Berufungsgericht seiner Berechnung der
Wiederholungsvergütung die mit dem Kläger vereinbarte Pauschalvergütung in
voller Höhe zugrunde gelegt hat. Da es im Streitfall allein um die Ermittlung
der von den Beklagten mit der Ausstrahlung des Films im Fernsehen erzielten
Vorteile geht, ist auch der Berechnung der Wiederholungsvergütung nur der – zu
schätzende – Teil der Pauschalvergütung zugrunde zu legen, der auf die
Einräumung des Rechts zur Fernsehausstrahlung an die Beklagten entfällt. Darüber
hinaus hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt, dass die vereinbarte
Pauschalvergütung nicht nur die Erstverwertung, sondern auch alle weiteren
Verwertungen des Films abgelten sollte. Der Berechnung der
Wiederholungsvergütung ist indessen allein der auf die Erstausstrahlung des
Films entfallende Teil der vereinbarten Vergütung zugrunde zu legen. Diese
Erstvergütung ist im Wege der Schätzung zu ermitteln.
Das Berufungsgericht hat schließlich im Ausgangspunkt
zutreffend angenommen, dass die angemessene Vergütung des Klägers gleichfalls
in Anlehnung an die nach den Tarifverträgen zu zahlende Wiederholungsvergütung
ermittelt werden kann und im Streitfall damit den Vorteilen entspricht, die die
Beklagten aus der Nutzung der urheberrechtlich geschützten Leistungen des
Klägers gezogen haben. Dass das Berufungsgericht seiner Schätzung der
angemessenen Vergütung nach diesem Modell die vereinbarte Pauschalvergütung in
voller Höhe zu Grunde gelegt hat, hält einer Nachprüfung jedoch aus den bereits
genannten Gründen nicht stand.
Wegen dieser Berechnungsfehler bei der Prüfung des vom
Kläger erhobenen Anspruchs ist der Annahme des Berufungsgerichts, es liege ein
auffälliges Missverhältnis vor, die Grundlage entzogen. Das Berufungsgericht
wird daher im wiedereröffneten Berufungsverfahren erneut zu prüfen haben, ob
der auf die Einräumung der Rechte zur Fernsehausstrahlung durch die Beklagten
entfallende Teil der vereinbarten Pauschalvergütung in einem auffälligen
Missverhältnis zu den von den Beklagten mit der Nutzung der urheberrechtlich
geschützten Leistung des Klägers erzielten Vorteilen steht und der Kläger von
den Beklagten daher eine weitere angemessene Beteiligung beanspruchen kann.
Vorinstanzen:
LG Stuttgart – Urteil vom 28. November 2017 – 17 O 127/11
(ZUM-RD 2018, 245)
OLG Stuttgart – Urteil vom 26. September 2018 – 4 U 2/18
(ZUM-RD 2019, 20)
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
§ 32 UrhG Angemessene Vergütung
(1) Der Urheber hat für die Einräumung von
Nutzungsrechten und die Erlaubnis zur Werknutzung Anspruch auf die vertraglich
vereinbarte Vergütung. Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, gilt die
angemessene Vergütung als vereinbart. Soweit die vereinbarte Vergütung nicht
angemessen ist, kann der Urheber von seinem Vertragspartner die Einwilligung in
die Änderung des Vertrages verlangen, durch die dem Urheber die angemessene
Vergütung gewährt wird.
(2) Eine nach einer gemeinsamen Vergütungsregel (§ 36)
ermittelte Vergütung ist angemessen. Im Übrigen ist die Vergütung angemessen,
wenn sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses dem entspricht, was im
Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit,
insbesondere nach Dauer, Häufigkeit, Ausmaß und Zeitpunkt der Nutzung, unter
Berücksichtigung aller Umstände üblicher- und redlicherweise zu leisten ist.
§ 32a UrhG Weitere Beteiligung des Urhebers
(1) Hat der Urheber einem anderen ein Nutzungsrecht zu
Bedingungen eingeräumt, die dazu führen, dass die vereinbarte Gegenleistung
unter Berücksichtigung der gesamten Beziehungen des Urhebers zu dem anderen in
einem auffälligen Missverhältnis zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung
des Werkes steht, so ist der andere auf Verlangen des Urhebers verpflichtet, in
eine Änderung des Vertrages einzuwilligen, durch die dem Urheber eine den
Umständen nach weitere angemessene Beteiligung gewährt wird. Ob die Vertragspartner
die Höhe der erzielten Erträge oder Vorteile vorhergesehen haben oder hätten
vorhersehen können, ist unerheblich.
(2) Hat der andere das Nutzungsrecht übertragen oder
weitere Nutzungsrechte eingeräumt und ergibt sich das auffällige Missverhältnis
aus den Erträgnissen oder Vorteilen eines Dritten, so haftet dieser dem Urheber
unmittelbar nach Maßgabe des Absatzes 1 unter Berücksichtigung der
vertraglichen Beziehungen in der Lizenzkette. Die Haftung des anderen entfällt.
§ 287 ZPO Schadensermittlung; Höhe der Forderung
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden
entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse
belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände
nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder
von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt
dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über
den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1
Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei
vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend
anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und
die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit
Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der
Forderung in keinem Verhältnis stehen.
Karlsruhe, den 20. Februar 2020
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

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BGH – Zur Haftung für Kundenbewertungen bei Amazon

Urteil vom 20. Februar 2020 – I ZR 193/18
Der unter anderem für Ansprüche aus dem Gesetz gegen den
unlauteren Wettbewerb zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
entschieden, dass den Anbieter eines auf der Online-Handelsplattform Amazon
angebotenen Produkts für Bewertungen des Produkts durch Kunden grundsätzlich
keine wettbewerbsrechtliche Haftung trifft. 
Sachverhalt:
Der Kläger ist ein eingetragener Wettbewerbsverein. Die
Beklagte vertreibt Kinesiologie-Tapes. Sie hat diese Produkte in der
Vergangenheit damit beworben, dass sie zur Schmerzbehandlung geeignet seien,
was jedoch medizinisch nicht gesichert nachweisbar ist. Die Beklagte hat
deshalb am 4. November 2013 gegenüber dem Kläger eine strafbewehrte
Unterlassungserklärung abgegeben. 
Die Beklagte bietet ihre Produkte auch bei der
Online-Handelsplattform Amazon an. Dort wird für jedes Produkt über die EAN
(European Article Number) eine diesem Produkt zugewiesene ASIN
(Amazon-Standard-Identifikationsnummer) generiert, die sicherstellen soll, dass
beim Aufruf eines bestimmten Produkts die Angebote sämtlicher Anbieter dieses
Produkts angezeigt werden. Käuferinnen und Käufer können bei Amazon die
Produkte bewerten. Amazon weist eine solche Bewertung ohne nähere Prüfung dem
unter der entsprechenden ASIN geführten Produkt zu. Das hat zur Folge, dass zu
einem Artikel alle Kundenbewertungen angezeigt werden, die zu diesem – unter
Umständen von mehreren Verkäufern angebotenen – Produkt abgegeben wurden.
Am 17. Januar 2017 bot die Beklagte bei Amazon
Kinesiologie-Tapes an. Unter diesem Angebot waren Kundenrezensionen abrufbar,
die unter anderem die Hinweise „schmerzlinderndes Tape!“, „This
product is perfect for pain…“, „Schnell lässt der Schmerz nach“,
„Linderung der Schmerzen ist spürbar“, „Die Schmerzen gehen
durch das Bekleben weg“ und „Schmerzen lindern“ enthielten. Der
Kläger forderte von der Beklagten die Zahlung einer Vertragsstrafe. Die
Löschung der Kundenrezensionen lehnte Amazon auf Anfrage der Beklagten ab.
Der Kläger begehrt Unterlassung und Zahlung der
Vertragsstrafe sowie der Abmahnkosten. Die Beklagte habe sich die
Kundenrezensionen zu Eigen gemacht und hätte auf ihre Löschung hinwirken
müssen. Falls dies nicht möglich sei, dürfe sie die Produkte bei Amazon nicht
anbieten
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es bestehe kein
Anspruch aus § 8 Abs. 1, § 3a* UWG in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11
HWG. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Zwar seien die in den
Kundenrezensionen enthaltenen gesundheitsbezogenen Angaben irreführend. Sie
stellten aber keine Werbung dar. Zumindest wäre eine solche Werbung der
Beklagten nicht zuzurechnen. 
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Klägers
zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die
Beklagte für Kundenbewertungen der von ihr bei Amazon angebotenen Produkte
keine wettbewerbsrechtliche Haftung trifft.
Ein Unterlassungsanspruch des Klägers ergibt sich nicht
aus der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 und Satz 2 HWG, die Werbung
für Medizinprodukte mit irreführenden Äußerungen Dritter verbietet. Die
Kundenbewertungen sind zwar irreführende Äußerungen Dritter, weil die
behauptete Schmerzlinderung durch Kinesiologie-Tapes medizinisch nicht
gesichert nachweisbar ist. Die Beklagte hat mit den Kundenbewertungen aber
nicht geworben. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des
Berufungsgerichts hat sie weder selbst aktiv mit den Bewertungen geworben oder
diese veranlasst, noch hat sie sich die Kundenbewertungen zu eigen gemacht,
indem sie die inhaltliche Verantwortung dafür übernommen hat. Die
Kundenbewertungen sind vielmehr als solche gekennzeichnet, finden sich bei
Amazon getrennt vom Angebot der Beklagten und werden von den Nutzerinnen und
Nutzern nicht der Sphäre der Beklagten als Verkäuferin zugerechnet. 
Die Beklagte traf auch keine Rechtspflicht, eine
Irreführung durch die Kundenbewertungen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 2
Nr. 1 UWG zu verhindern. Durch ihr Angebot auf Amazon wird keine
Garantenstellung begründet. Von ausschlaggebender Bedeutung ist dabei, dass
Kundenbewertungssysteme auf Online-Marktplätzen gesellschaftlich erwünscht sind
und verfassungsrechtlichen Schutz genießen. Das Interesse von Verbraucherinnen
und Verbrauchern, sich zu Produkten zu äußern und sich vor dem Kauf über
Eigenschaften, Vorzüge und Nachteile eines Produkts aus verschiedenen Quellen,
zu denen auch Bewertungen anderer Kunden gehören, zu informieren oder
auszutauschen, wird durch das Grundrecht der Meinungs- und Informationsfreiheit
des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Einer Abwägung mit dem Rechtsgut der
öffentlichen Gesundheit, die als Gemeinschaftsgut von hohem Rang einen Eingriff
in dieses Grundrecht rechtfertigen könnte, bedarf es hier nicht, weil
Anhaltspunkten für eine Gesundheitsgefährdung bei dem Angebot von
Kinesiologie-Tapes fehlen.
Vorinstanzen:
LG Essen – Urteil vom 30. August 2017 – 42 O 20/17
OLG Hamm – Urteil vom 11. September 2018 – 4 U 134/17
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
§ 3a UWG
Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift
zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer
das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von
Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu
beeinträchtigen.
§ 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 2 Nr. 1 UWG
Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche
Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen
Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er
andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend,
wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben
über folgende Umstände enthält: 
1. die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung
wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung,
Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung,
Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst
und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche Herkunft, von der
Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder wesentlichen
Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen;
§ 8 Abs. 1 UWG
Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche
Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf
Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht
bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.
§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 HWG 
Außerhalb der Fachkreise darf für Arzneimittel,
Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel nicht geworben werden
mit Äußerungen Dritter, insbesondere mit Dank-, Anerkennungs- oder
Empfehlungsschreiben, oder mit Hinweisen auf solche Äußerungen, wenn diese in
missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgen.
Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG
Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und
Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen
Quellen ungehindert zu unterrichten.
Karlsruhe, den 20. Februar 2020
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

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Die „DWD WarnWetter-App“ darf nur für Wetterwarnungen kostenlos und werbefrei angeboten werden

Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle
_______________________________________________________________________________________
Nr. 028/2020 vom 12.03.2020
Urteil vom 12. März 2020 – I ZR 126/18 – Warnwetter-App
Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Deutsche
Wetterdienst (DWD) eine App mit zahlreichen über Wetterwarnungen hinausgehenden
Informationen zum Wetter nicht kostenlos und werbefrei anbieten darf.
Die Klägerin bietet meteorologische Dienstleistungen wie
Wetterberichte über das Internet und über eine App für mobile Endgeräte an. Die
App der Klägerin ist in der Standard-Version kostenlos und werbefinanziert und
in einer werbefreien Version gegen Entgelt erhältlich. 
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) ist der nationale
meteorologische Dienst der beklagten Bundesrepublik Deutschland. Seine Aufgaben
sind in § 4 Abs. 1 DWDG geregelt. Dazu gehören etwa die Erbringung
meteorologischer Dienstleistungen für die Allgemeinheit (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 DWDG)
und die Herausgabe amtlicher Warnungen über Wettererscheinungen (§ 4 Abs. 1 Nr.
3 DWDG). Für seine Dienstleistungen verlangt der DWD grundsätzlich eine
Vergütung (§ 6 Abs. 2 Satz 1 DWDG). Die Herausgabe von amtlichen Warnungen über
Wettererscheinungen an die Allgemeinheit ist allerdings entgeltfrei (§ 6 Abs.
2a DWDG). Solche unentgeltlichen Leistungen darf der DWD nach § 4 Abs. 6 DWDG
selbst öffentlich verbreiten. 
Seit Juni 2015 bietet der DWD eine „DWD
WarnWetter-App“ für mobile Endgeräte an. Mit dieser App können nicht nur
Wetterwarnungen, sondern auch zahlreiche allgemeine Informationen zum Wetter
einschließlich detaillierter Wetterberichte abgerufen werden. Diese App war –
in der dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Version – für alle Inhalte
unentgeltlich und werbefrei. 
Die Klägerin hält das unentgeltliche Anbieten und
Verbreiten der Inhalte der DWD WarnWetter-App für wettbewerbswidrig, da der DWD
allenfalls amtliche Wetterwarnungen unentgeltlich verbreiten dürfe. Die DWD
WarnWetter-App benachteilige wegen ihrer Finanzierung durch den Staat
nichtstaatliche Anbieter von Wetter-Anwendungen. Die Klägerin hat die Beklagte
auf Unterlassung in Anspruch genommen. Den Unterlassungsanspruch hat sie in
erster Linie auf wettbewerbsrechtliche Vorschriften, hilfsweise auf das
öffentliche Recht gestützt.
 
Das Landgericht hat die Regelungen in § 6 Abs. 2 Satz 1
und Abs. 2a DWD, die bestimmen, welche Leistungen der DWD nur gegen Vergütung
und welche er entgeltfrei erbringen darf, als Marktverhaltensregelungen im
Sinne von § 3a UWG angesehen. In dem unentgeltlichen Anbieten der
Warnwetter-App hat das Landgericht einen Verstoß gegen diese Vorschriften
gesehen und die Beklagte deshalb zur Unterlassung verurteilt. Auf die Berufung
der Beklagten hat das Berufungsgericht die auf das Wettbewerbsrecht gestützte
Klage durch Teilurteil abgewiesen. Das Berufungsgericht hat angenommen, die
Beklagte habe nicht im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG geschäftlich gehandelt.
Sie sei vielmehr zur Erfüllung der ihr durch § 4 DWDG zugewiesenen öffentlichen
Aufgaben tätig geworden. Soweit sie durch das Nichterheben einer Gegenleistung
möglicherweise ihren Kompetenzbereich überschritten habe und dies gegen das
Gesetz über den Deutschen Wetterdienst verstoße, begründe dies kein Handeln im
geschäftlichen Verkehr. Hinsichtlich des hilfsweise geltend gemachten
öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs hat das Berufungsgericht den
Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht verwiesen.
Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben
und das der Klage stattgebende landgerichtliche Urteil im Wesentlichen
wiederhergestellt. 
Zur Begründung hat der Bundesgerichtshof im Wesentlichen
ausgeführt: 
Das Berufungsurteil musste schon deshalb aufgehoben
werden, weil das Berufungsgericht nicht durch Teilurteil über die
wettbewerbsrechtlichen Ansprüche entscheiden und den Rechtsstreit wegen der
öffentlich-rechtlichen Ansprüche an das Verwaltungsgericht verweisen durfte.
Das Berufungsgericht hätte vielmehr alle in Betracht kommenden
Anspruchsgrundlagen selbst prüfen müssen. Der Bundesgerichtshof musste den
Rechtsstreit gleichwohl nicht zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das
Berufungsgericht zurückverweisen, weil er die Sache auf der Grundlage der vom
Berufungsgericht getroffenen Feststellungen selbst abschließend entscheiden
konnte.
Danach hatte die Klage Erfolg. Der DWD hat mit seinem für
die Nutzer kostenlosen und nicht durch Werbung finanzierten Angebot einer
WarnWetter-App zwar nicht erwerbswirtschaftlich, sondern allein zur Erfüllung
seiner öffentlichen Aufgaben gehandelt. Er hat dabei aber die Grenzen der
Ermächtigungsgrundlage des § 4 Abs. 6 DWDG überschritten, weil sich die Inhalte
der unentgeltlichen WarnWetter-App nicht auf Wetterwarnungen beschränkten,
sondern darüber hinaus zahlreiche allgemeine Wetterinformationen enthielten.
Deshalb ist das Angebot der WarnWetter-App als geschäftliche Handlung anzusehen
und an den Regeln des Wettbewerbsrechts zu messen.  
Bei den Bestimmungen in § 6 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 2a
DWD, welche Leistungen der DWD nur gegen Vergütung und welche er entgeltfrei
erbringen darf, handelt es sich um Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a
UWG, deren Verletzung wettbewerbswidrig ist. Aus diesen Regelungen ergibt sich,
dass der DWD seine Dienstleistungen im Grundsatz nur unter Marktbedingungen
erbringen darf und wie jeder andere Anbieter einer Anwendungssoftware für
meteorologische Dienstleistungen hierfür entweder unmittelbar eine Vergütung
verlangen muss oder – wenn die Anwendungssoftware kostenlos abgegeben wird –
diese Leistungen mittelbar etwa durch Werbeeinnahmen finanzieren muss. Diese
Regelungen haben den Zweck, die Betätigung des DWD auf dem Markt der meteorologischen
Dienstleistungen zum Schutz privatwirtschaftlicher Mitbewerber zu
begrenzen.  
Vorinstanzen:
LG Bonn – Urteil vom 15. November 2017 – 16 O 21/16
OLG Köln – Urteil vom 13. Juli 2018 – 6 U 180/17
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
§ 4 Abs. 1 Nr. 1 und 3 und Abs. 6 DWDG:
(1) Aufgaben des Deutschen Wetterdienstes sind 
1. die Erbringung meteorologischer und klimatologischer
Dienstleistungen für die Allgemeinheit oder einzelne Kunden und Nutzer,
insbesondere auf den Gebieten des Verkehrs, der gewerblichen Wirtschaft, der
Land- und Forstwirtschaft, des Bauwesens, des Gesundheitswesens, der
Wasserwirtschaft einschließlich des vorbeugenden Hochwasserschutzes, des
Umwelt- und Naturschutzes und der Wissenschaft, […]
3. die Herausgabe amtlicher Warnungen über
Wettererscheinungen, 
a) die zu einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und
Ordnung führen können oder
b) die in Bezug zu drohenden Wetter- und
Witterungsereignissen mit hohem Schadenspotenzial stehen, […]
(6) Der Deutsche Wetterdienst darf Leistungen, die im
Sinne des § 6 Absatz 2a unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden, selbst
öffentlich verbreiten, soweit dies zu seinen gesetzlichen Aufgaben gehört.
§ 6 Abs. 2 und 2a Nr. 2 DWDG:
(2) Der Deutsche Wetterdienst verlangt für die Erbringung
seiner Dienstleistungen eine Vergütung. Die Höhe der Vergütung wird vom
Vorstand auf Basis betriebswirtschaftlicher Kalkulationsverfahren,
gegebenenfalls erhöht auf Grund des wirtschaftlichen Wertes oder ermäßigt auf
Grund eines besonderen öffentlichen Interesses, oder auf Grund internationaler
Vereinbarungen in einer Preisliste festgesetzt. Sie enthält die Preise für
Daten, Produkte und Spezialdienstleistungen.
(2a)Sofern nicht auf Grund anderer gesetzlicher
Regelungen eine Pflicht zur Entrichtung von Gebühren besteht, sind folgende
Dienstleistungen des Deutschen Wetterdienstes entgeltfrei: […]
2. jene an die Allgemeinheit nach § 4 Absatz 1 Nummer 3
und 7 zur öffentlichen Verbreitung, […].
§ 3a UWG:
Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift
zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer
das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von
Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu
beeinträchtigen.
§ 2 Abs.1 Nr. 1 UWG:
(1) Im Sinne dieses Gesetzes bedeutet 
1. „geschäftliche Handlung“ jedes Verhalten
einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei
oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des
Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der
Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv
zusammenhängt; als Waren gelten auch Grundstücke, als Dienstleistungen auch
Rechte und Verpflichtungen, […]
Karlsruhe, den 12. März 2020
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501