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OLG Braunschweig zur Zuständigkeit bei Streitigkeiten aus dem Recht am eigenen Bild

Das OLG Braunschweig hat mit Beschluss
vom 21.08.2019, 1 W 57/19
für Klagen auf das Recht am eigenen Bild entschieden,
dass dies keine Klagen aus dem Bereich des Urheberrechts im Sinne der §§ 104,
105 UrhG sind.
Damit widerspricht das OLG Braunschweig dem OLG
Brandenburg
, welches diese Frage anders entschieden hat.
Leitsätze:
1. Streitigkeiten über Ansprüche aus dem Recht am eigenen
Bild im Sinne der §§ 22 ff. KunstUrhG sind keine Urheberrechtsstreitigkeiten im
Sinne der §§ 104, 105 UrhG; für Ansprüche nach dem Kunsturhebergesetz besteht
keine gesetzliche Konzentrationsregelung (Abgrenzung zu OLG Brandenburg,
Beschluss vom 7. November 2017 – 1 AR 35/17 (SA Z) -).
2. Im Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts
kommt eine Divergenzvorlage nur dann in Betracht, wenn das Oberlandesgericht
im Sinne von § 36 Abs. 2 ZPO an Stelle des Bundesgerichtshofs entscheidet,
nicht jedoch im Falle seiner originären Zuständigkeit als das im Rechtszug
nächst höhere gemeinschaftliche Gericht gemäß § 36 Abs. 1 ZPO.
3. Bei der Frage, ob eine Sonderzuständigkeit gemäß § 105
UrhG vorliegt, handelt es sich um eine Frage der funktionellen Zuständigkeit;
diesbezüglich entfaltet ein Verweisungsbeschluss keine Bindungswirkung im Sinne
des § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO.

Gründe:
I.            
Die Klägerin ist Fotomodell und macht Ansprüche aus dem
Recht am eigenen Bild geltend, weil die Beklagte auf der Homepage ihres
Friseursalons ein Bild der Klägerin verwendet hat. Die Klägerin hat zuvor vor
dem Landgericht Göttingen das Versäumnisurteil vom 9. November 2018 (– 9 O 6/18
–, Anlage K 3, Bl. 24 f. d.A.) erwirkt, in dem die Beklagte zur Unterlassung
und Auskunft über die Dauer der Nutzung verurteilt worden ist; ferner wurde in
dem Versäumnisurteil festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der
Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus der Nutzung des Bildes
entstanden ist und künftig noch entsteht.   
Das in der hiesigen Sache zunächst angerufene Amtsgericht
Northeim hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 20. Juni 2019 (– 3 C 62/19 –,
Bl. 99 f. d.A.) an das Amtsgericht Braunschweig verwiesen, weil es sich um eine
Urheberrechtssache im Sinne des § 105 UrhG handele und damit die Zuständigkeit
des Amtsgerichts Braunschweig gemäß § 6 Abs. 2 der niedersächsischen Verordnung
zur Regelung von Zuständigkeiten in der Gerichtsbarkeit und der
Justizverwaltung (ZustVO-Justiz) bestehe. Es handele sich um ein Lichtbild im
Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG. 
Das Amtsgericht Braunschweig hat sich mit Beschluss vom 2.
Juli 2019 (Bl. 102 f. d.A.) für örtlich unzuständig erklärt und die Sache gemäß
§ 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dem Oberlandesgericht zur Bestimmung des zuständigen
Gerichts vorgelegt. Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Northeim sei
nicht bindend im Sinne des § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO; das Amtsgericht Northeim
habe sich hartnäckig den von der Klägerin sorgfältig und überzeugend
dargelegten Gründen für seine örtliche Zuständigkeit verschlossen; die
Begründung seiner Entscheidung wirke konstruiert; es handele sich eindeutig um
einen Streit nach § 22 KunstUrhG; die vom Amtsgericht Northeim angeführte
Entscheidung des Bundesgerichtshofs betreffe gerade die Rechte eines Fotografen
und nicht – wie hier – die Rechte der abgebildeten Person.
II.           
Das Amtsgericht Northeim ist gemäß §§ 12 ff. ZPO das
zuständige Gericht. Eine Sonderzuständigkeit des Amtsgerichts Braunschweig
besteht nicht.     
1. Die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsbestimmung
gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Das Amtsgericht Northeim hat den
Rechtsstreit mit Beschluss vom 20. Juni 2019 an das Amtsgericht Braunschweig
verwiesen. Dieses hat die Sache mit Beschluss vom 2. Juli 2019 dem
Oberlandesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.          
2. Die Ansprüche, die die Klägerin geltend macht, sind keine
solchen aus einer Urheberrechtsverletzung, sondern solche aus dem Recht am
eigenen Bild; deshalb besteht keine Sonderzuständigkeit des Amtsgerichts
Braunschweig gemäß § 105 UrhG i.V.m. § 6 Abs. 2 ZustVO-Justiz.         
a) Die Klägerin hat ihre Klage ausdrücklich nicht auf
Urheberrechte gestützt; sie hat vielfach deutlich gemacht, dass sie nicht
Urheberin der von der Beklagten genutzten Fotografie ist. Aus der Klageschrift
und den weiteren Schriftsätzen geht eindeutig hervor, dass die Klägerin die abgebildete
Person ist und Schadensersatz aus Verletzung des Rechts am eigenen Bild geltend
macht. Auf den Hinweis mit Beschluss des Amtsgerichts Northeim vom 7. Mai 2019
(Bl. 87 d.A.), dass es sich offenbar um eine Urheberrechtssache handele, führte
die Klägerin mit Schriftsatz vom 13. Mai 2019 unter anderem aus (Bl. 90 d.A.,
Hervorhebungen im Original):              
Die Klägerin macht ausschließlich Ansprüche aus Ihrem Recht
am eigenen Bild geltend. … Solche Streitigkeiten sind jedoch … keine
Urheberrechtsstreitigkeiten im Sinne des § 105 UrhG (vgl. Bayerisches Oberstes
Landesgericht, Beschluss vom 18.03.2004, Az. 1Z AR 020/04, m.w.N.).
Auf den Hinweis mit Beschluss des Amtsgerichts Northeim vom
21. Mai 2019 (Bl. 92 d.A.), dass es fraglich sei, ob es sich hier um einen
Anspruch aus dem Persönlichkeitsrecht handele, da es um ein Lichtbildwerk im
Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG gehe, führte die Klägerin mit Schriftsatz vom
3. Juni 2019 (Bl. 96 f. d.A.) unter anderem aus:
Die Klägerin ist weder Fotografin noch Lichtbildnerin des
Bildes und macht dementsprechend keinerlei Ansprüche aus dem Urheberrecht
geltend. … Die Klägerin beruft sich dabei allein auf ihr Recht am eigenen Bild
gemäß § 22 Kunsturhebergesetz. Dabei handelt es sich ausschließlich um einen
persönlichkeitsrechtlichen Anspruch, da das im Kunsturhebergesetz geregelte
Recht am eigenen Bild lediglich eine spezialgesetzliche Ausformung des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist (vgl. BGH, Urt. v. 28.09.2004, Az.: VI ZR
303/03).            
b) Der Anspruch, den die Klägerin geltend macht, kann sich
gegebenenfalls aus § 22 KunstUrhG ergeben; Streitigkeiten über Ansprüche aus §§
22 ff. KunstUrhG sind aber keine Urheberrechtsstreitigkeiten im Sinne der §§
104, 105 UrhG; für Ansprüche nach dem Kunsturhebergesetz besteht keine
gesetzliche Konzentrationsregelung (BayObLG, Beschluss vom 18. März 2004 – 1Z
AR 20/04 –, juris, Rn. 14 m.w.N.; so schon LG Mannheim, Beschluss vom 21.
Dezember 1984 – 7 0 151/84 –, GRUR 1984, S. 291 m.w.N.; so auch Kröner, in: Paschke/Berlit/Meyer,
Hamburger Kommentar Gesamtes Medienrecht, 3. Auflage 2016, 4. Teil, 1. Kapitel,
32. Abschnitt, Rn. 4 m.w.N.; Schulze, in: Dreier/Schulze, 6. Auflage 2018, §
104 UrhG, Rn. 8; Kefferpütz, in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 5. Auflage
2019, § 104 UrhG, Rn. 2).
Soweit sich aus dem Beschluss des Oberlandesgerichts
Brandenburg vom 7. November 2017 (– 1 AR 35/17 (SA Z) –, juris, in ZUM-RD 2018,
S. 71 fälschlich als „LG Brandenburg“ bezeichnet) etwas anderes ergeben sollte,
überzeugt dies nicht. Dort ging es um die „unberechtigte Nutzung eines
Bildnisses der Antragstellerin“ in sozialen Netzwerken und einer der Ansprüche
stützte sich auch auf § 22 Satz 1 KunstUrhG; ob das Oberlandesgericht
Brandenburg § 105 UrhG als einschlägig ansah, weil die Antragstellerin auch
Urheberin der sie zeigenden Fotografie war, oder ob es der Ansicht ist,
Ansprüche aus § 22 KunstUrhG fielen grundsätzlich unter § 105 UrhG, lässt sich
der Entscheidung nicht eindeutig entnehmen. Der letztgenannten Ansicht ist jedenfalls
nicht zuzustimmen: Nach der Legaldefinition des § 104 Satz 1 UrhG gehören zu
den Urheberstreitigkeiten alle Ansprüche, die sich aus einem im
Urheberrechtsgesetz geregelten Rechtsverhältnis ergeben. Ziel der Vorschrift
ist eine Konzentration der Urheberstreitsachen auf den ordentlichen Rechtsweg,
um divergierende Entscheidungen unterschiedlicher Rechtszüge zu vermeiden.
Zudem sollen Richter mit Urheberstreitsachen betraut werden, die häufig über
urheberrechtliche Fragen zu entscheiden haben und auf diese Weise entsprechende
Erfahrungen sammeln. Um diesen Zweck zu erreichen, ist der Begriff der
Urheberrechtsstreitsache zwar weit auszulegen. Der Begriff der
Urheberrechtsstreitsachen umfasst danach alle Ansprüche aus dem Urheberrecht
und alle aus diesem Recht hergeleiteten Ansprüche. Dabei genügt es, wenn die
Entscheidung des Rechtsstreits auch von im Urheberrechtsgesetz geregelten
Rechtsverhältnissen abhängt. Diese weite Auslegung der §§ 104, 105 UrhG darf
aber nicht dazu führen, dass ein Urheberrechtsstreit bereits dann vorliegt,
wenn die Normen des Urheberrechtsstreits auf die Entscheidung der Streitsache
ausschließlich mittelbar einwirken. Ansonsten käme es zu einer sachlich nicht
gerechtfertigten Ausdehnung der Zuständigkeit des für Urheberrechtssachen
zuständigen Gerichts, die sich nicht in Übereinstimmung mit denjenigen
Grundsätzen befände, die im Bereich anderer Spezialzuständigkeiten maßgebend
sind (OLG Hamm, Beschluss vom 27. April 2012 – I-32 SA 29/12 –, juris, Rn. 5 f.
m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben handelt es sich nicht um eine
Urheberrechtsstreitigkeit im Sinne der §§ 104, 105 UrhG, wenn – wie hier
ausschließlich – Ansprüche aus §§ 22 ff. KunstUrhG geltend gemacht werden: Das
über § 22 KunstUrhG geschützte Recht am eigenen Bild ist kein Urheberrecht,
sondern stellt eine besondere Ausprägung des aus Art. 1 und Art. 2 GG
entwickelten allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar (BVerfG, Urteil vom 5. Juni
1973 – 1 BvR 536/72 –, NJW 1973, S. 1226 (1229); BGH, Urteil vom 14. April 1992
– VI ZR 285/91 –, NJW 1992, S. 2084 (Ziff. II.1 lit. a); Herrmann, in: BeckOK
InfoMedienR, 24. Edition, Stand 1. Mai 2019, § 22 KunstUrhG, Rn. 3; Dreyer, in:
Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch, Urheberrecht, 4. Auflage 2018, Einf. KunstUrhG,
Rn. 1). Trotz seiner historisch bedingten Verankerung in einem der Vorläufer
des heutigen Urheberrechtsgesetzes – dem Kunsturhebergesetz – ist der
persönlichkeitsrechtliche Bildnisschutz vom urheberrechtlichen Bildnisschutz (§
60 UrhG) zu unterscheiden. Während die §§ 22 ff. KunstUrhG den Abgebildeten
gegen die unerlaubte Verwertung durch jedermann – Dritte oder den Fotografen –
schützen, regelt § 60 UrhG die Frage, ob der Abgebildete oder aber der
Besteller ein Bild ohne Zustimmung des Urhebers – also des Fotografen –
verwerten darf, welcher ebenfalls (durch das Urheberrechtsgesetz begründete)
Rechte an dem Bild besitzen kann. Ansprüche aus den §§ 22 ff. KunstUrhG sind
mangels urheberrechtlicher Qualität daher keine Urheberrechtsstreitigkeiten im
Sinne von § 105 UrhG (Kröner, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar
Gesamtes Medienrecht, 3. Auflage 2016, 4. Teil, 1. Kapitel, 32. Abschnitt, Rn.
4 m.w.N.).            
Einer Divergenzvorlage an den Bundesgerichtshof nach § 36
Abs. 3 ZPO bedürfte es selbst dann nicht, wenn das Oberlandesgericht
Brandenburg eine andere Ansicht verträte: Im Verfahren zur Bestimmung des
zuständigen Gerichts kommt eine Divergenzvorlage nur dann in Betracht, wenn das
Oberlandesgericht im Sinne von § 36 Abs. 2 ZPO an Stelle des Bundesgerichtshofs
entscheidet, nicht jedoch im Falle seiner originären Zuständigkeit als das im
Rechtszug nächst höhere gemeinschaftliche Gericht gemäß § 36 Abs. 1 ZPO (Senat,
Beschluss vom 21. Dezember 2011 – 1 W 47/11 –, NJW-RR 2012, S. 586 (587)
m.w.N.), wie sie hier vorliegt.          
3. Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Braunschweig folgt
auch nicht aus § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO. Bei der Frage, ob eine
Sonderzuständigkeit gemäß § 105 UrhG vorliegt, handelt es sich um eine Frage
der funktionellen Zuständigkeit (BGH, Beschluss vom 7. Juni 2018 – I ZB 48/17
–, NJW 2018, S. 3720 (Rn.12) m.w.N.); in einer solchen Konstellation entfaltet
ein Verweisungsbeschluss keine Bindungswirkung (OLG Brandenburg, Beschluss vom
7. November 2017 – 1 AR 35/17 (SA Z) –, juris, Rn. 10; OLG Hamm, Beschluss vom
27. April 2012 – I-32 SA 29/12 –, juris, Rn. 21 m.w.N.; vgl. BayObLG, Beschluss
vom 18. März 2004 – 1Z AR 20/04 –, juris, Rn. 11; Greger, in: Zöller, 32.
Auflage 2018, § 281 ZPO, Rn. 4), so dass es auf die Frage der Willkür nicht
ankommt.        
III.         
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Das Verfahren
ist gerichtsgebührenfrei und ein Zuständigkeitsbestimmungsverfahren gehört
gemäß § 16 Nr. 3a RVG kostenrechtlich zum Hauptsacheverfahren (OLG Frankfurt,
Beschluss vom 21. August 2014 – 11 SV 74/14 –, NJOZ 2015, S. 499 (Rn. 8)).