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LG München – Anfechtung bei Erklärungsirrtum bei ebay-Verkauf

Das LG München I hat mit
Endurteil vom  07.11.2017
– 13 S 6708/17
als Berufungsinstanz das Urteil des AG München  
vom
09.03.2017, Az. 274 C 21792/16
 bestätigt, dass eine Anfechtung des Verkäufers bei eBay wegen
eines Erklärungsirrtums möglich ist, wenn irrtümlich statt einer Auktion mit
einem Startpreis von 1 EURO ein Sofortkaufpreis-Angebot für 1 Euro eingestellt
wird. Voraussetzung für eine wirksame Anfechtung ist, dass diese unverzüglich
erfolgt .

Leitsatz:
Wer bei ebay für den Verkauf eines Koffers versehentlich
„Verkauf“ anstelle von „Auktion“ und „Aktivieren“
anstelle von „Vorschau“ anklickt, kann seine Willenserklärung wegen
Erklärungsirrtums anfechten.

Vorinstanz:
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des
Amtsgerichts München vom 20.04.2017, Az. 274 C 21792/16, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu
tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1
genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig
vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 699,00 €
festgesetzt.

Entscheidungsgründe
I.
1. Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Endurteils
wird Bezug genommen.
2. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger den
erstinstanzlichen Klageantrag weiter. Der Beklagte beantragt, die Berufung
zurückzuweisen.
3. Die Kammer hat den Beklagten zur Sache angehört. Auf das
Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung erweist sich in der Sache im Ergebnis
als unbegründet.
1. Ein Kaufvertrag wurde zweifelsohne zwischen den Parteien
geschlossen. Das Angebot des Beklagten war eindeutig und annahmefähig.
2. Die Verpflichtung des Beklagten zur Erfüllung des
Kaufvertrags ist durch die vom Beklagten unverzüglich erklärte Anfechtung –
E-Mail des Beklagten vom 16.06.2016, 19.30 Uhr („Sorry, das war als eine
Auktion gedacht! Leider waren Sie schneller, wie ich den Fehler merkte! Ich
werde es von meiner Seite Annullieren, da sie die Zeit der geboten haben wie es
bearbeitet wurden ist. Gruß …“ – erloschen (§ 142 BGB). Ein Anspruch auf
Schadensersatz wegen Nichterfüllung steht dem Kläger daher nicht zu.
Der Beklagte trägt für das Vorliegen der Voraussetzungen der
Anfechtung die Beweislast. Der Beweis ist geführt. Die Kammer ist aufgrund der
persönlichen Anhörung des Beklagten überzeugt davon, dass der Beklagte einem
zur Anfechtung berechtigenden Erklärungsirrtum im Sinne von § 119 Abs. 1 Alt. 2
BGB unterlegen ist. Der Beklagte wollte den Koffer grundsätzlich in der Auktion
verkaufen und mit einem Startpreis von 1,00 € die Auktion beginnen. Er wollte
die Auktion aber noch gar nicht starten, sondern zunächst nur die Vorschau
anschauen. Tatsächlich stellte er die entsprechenden Eingabefelder
versehentlich so ein, dass er den Koffer zum Preis von 1,00 € zum Verkauf anbot
und er dieses Verkaufsangebot sogleich aktivierte.
Die Kammer hat den Beklagten zur Sache angehört. Die Angaben
des Beklagten waren für die Kammer glaubhaft. Wie es zu der zweimaligen
Fehleingabe (Verkauf anstelle Auktion, Aktivieren anstelle Vorschau) gekommen
ist, konnte der Beklagte zwar nicht erklären, er konnte insoweit nur
Vermutungen äußern (Eingabe über Tabulatoren, versehentlich auf Taste
gekommen). Das überrascht allerdings nicht und spricht nicht gegen die
Behauptung des Beklagten, da sich Eingabefehler bzw. versehentliches Betätigen
von Taste in aller Regel der bewussten Wahrnehmung entziehen und von daher nicht
erinnert, sondern allenfalls „rekonstruiert“ werden können.
Für die Angaben des Beklagten spricht ganz wesentlich die
Tatsache, dass sich der Beklagte bereits in seiner ersten und sehr zeitnahen
Reaktion über die Mitteilung des stattgefundenen Verkaufs des Koffers zum Preis
von 1,00 € ganz ausdrücklich auf genau diesen Irrtum berufen hat.
Auch in der nachfolgenden vorprozessualen Korrespondenz ist
er bei dieser Darstellung geblieben – E-Mail des Beklagten vom 19.06.2016,
00:17 Uhr: „… Da ich mich auf den Irrtumsparagraphen (§ 119 BGB) beziehen
werde! … “ und Schreiben des Beklagten vom 08.08.2016 (Anlagen zur
Klagebegründung). Es sind für die Kammer keine Anhaltspunkte ersichtlich und
wurden auch nicht vorgetragen, aus welchen Gründen der Beklagte einen solchen
Irrtum vorgeschoben haben sollte.
Es ist für die Kammer auch in hohem Maße plausibel, dass der
Beklagte kein Verkaufsangebot für 1,00 € abgeben wollte, was wirtschaftlich
gesehen einer Schenkung entsprochen hätte.
Dass der Beklagte ein erfahrener E-Bay Verkäufer ist,
spricht nicht gegen seine Angaben. Eingabefehler oder versehentliches Betätigen
von Tasten können auch einem erfahrenen EBay Verkäufer unterlaufen.
Die Anfechtung wurde unverzüglich erklärt. Die Erklärung des
Beklagten in der oben aufgeführten E-Mail vom 16.06.2016 ist ihrem Inhalt nach
als Anfechtungserklärung – Lösung vom Vertrag aufgrund Irrtums – auszulegen.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
folgt aus § 708, 713 ZPO.
3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen
nicht vor.