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Landgericht Frankfurt zur Schöpfungshöhe bei Computerzeichnungen nach einer Vorlage

Das LG Frankfurt am Main hat mit
Urteil vom  14.09.2017 – 2-03 O 416/16

entschieden, dass es an einer hinreichenden künstlerischen Leistung und damit
der erforderlichen Schöpfungshöhe nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG fehlt , wenn eine
Fotografie lediglich in Form einer Bleistiftzeichnung abgezeichnet wird. Bei
einer Zeichnung nach einer Fotografie handele es sich weder um ein
Lichtbildwerk noch um ein Lichtbild.

Im entschiedenen Fall wurde ein auf einer Fotografie abgebildeter
Kleckerlatz in Photoshop in die streitgegenständliche Zeichnung umgesetzt. Bei
Betrachtung der Fotografie und der Zeichnung sei zu erkennen, so das Gericht,
dass im Wesentlichen nur der Umriss des Kleckerlatzes nachgezeichnet wurde und
dies im Detail bis zu den Verdrehungen der Schnüre und teilweise des
Faltenwurfs. »Insoweit ist die vorgetragene Tätigkeit des Nachzeichnens einem
automatischen Vorgang zumindest angenähert, eine individuelle oder
künstlerische Leistung ist nicht ersichtlich«, heißt es in den
Entscheidungsgründen. Die Leistung des Erschaffens der Zeichnung beschränke
sich im Kern auf die Übertragung der Umrisse von der Fotografie in eine
Computerzeichnung. Der Vorgang sei auch nicht als »fotografieähnlich«
anzusehen.
Das Urteil im Volltext (mit der Zeichnung):

Leitsatz:
1.
Wird eine Fotografie (hier: von einem Kleckerlatz) lediglich
in Form einer Bleistiftzeichnung abgezeichnet, kann es an einer hinreichenden
künstlerischen Leistung und damit der erforderlichen Schöpfungshöhe nach
§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG fehlen.
2.
Bei einer Zeichnung nach einer Fotografie handelt es sich
weder um ein Lichtbildwerk noch um ein Lichtbild. Die Erstellung einer solchen
Zeichnung ist nicht „fotografieähnlich“ i.S.v. § 2 Abs. 1
Nr. 5 UrhG.
Tenor:
Der Beschluss – einstweilige Verfügung – der Kammer vom
21.12.2016 wird aufgehoben und der Antrag auf Erlass der einstweiligen
Verfügung zurückgewiesen.

Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Eilverfahrens zu
tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die
Verfügungsklägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von
110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die
Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des
jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wege des einstweiligen
Verfügungsverfahrens um urheberrechtliche Ansprüche.
Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: „Klägerin“)
vertreibt Produkte mit regionalem Bezug, darunter Kleckerlätze.
Die Verfügungsbeklagte (im Folgenden: „Beklagte“)
vertreibt ebenfalls Produkte, u.a. auf www.amazon.de und www.ebay.de,
darunter auch Kleckerlätze. Dabei verwendet sie eine Zeichnung eines
Kleckerlatzes wie aus Anlage ASt1 (Bl. 27 d.A.) ersichtlich.
Die Klägerin beauftragte im Jahr 2011 den Künstler Z mit der
Erstellung verschiedener Zeichnungen, wobei Grundlage jeweils Fotografien sein
sollten (Anlage ASt9, Bl. 147 d.A.). Herr Z ließ der Klägerin die Entwürfe
in Dateiform im Format „PSD“ (Photoshop) zukommen (Anlage ASt10, Bl.
157 d.A.; Anlage CD-Rom). Er stellte der Klägerin unter dem 25.08.2011
eine Rechnung mit dem Betreff „Diverse Motive“ (Anlage ASt7, Bl.
143 d.A.), die u.a. den Punkt „Textiel Dummies“ aufwies. Im Text
der Rechnung heißt es u.a.:
„Die Übertragung der Nutzungsrechte erfolgt nach
vollständiger Begleichung der Rechnung.“
Die Klägerin ließ die Beklagte mit anwaltlichem Schriftsatz
vom 04.12.2016 (Anlage ASt4, Bl. 32 d.A.) erfolglos abmahnen.
Auf den Antrag der Klägerin vom 20.12.2016 hin hat die
Kammer der Beklagten mit Beschluss vom 21.12.2016 – einstweilige Verfügung (Bl.
38-40 d.A.) – unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt,
das nachfolgende Werk
zu vervielfältigen/vervielfältigen zu lassen oder öffentlich
zugänglich zu machen/zugänglich machen zu lassen, wie geschehen in Anlage
Ast 1 ….
Gegen die ihr am 17.01.2017 zugestellte einstweilige
Verfügung hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 11.02.2017 Widerspruch eingelegt
und diesen mit Schriftsatz vom 03.05.2017 begründet.
Die Klägerin behauptet, Urheber der streitgegenständlichen
Zeichnung sei Herr Z. Herr Z habe ihr nach ihrem Auftrag im Jahr 2011 auch die
Zeichnung des Kleckerlätzchens zukommen lassen. Herr Z habe der Klägerin
insoweit ausschließliche Nutzungsrechte eingeräumt.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die
streitgegenständliche Zeichnung nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 oder Nr. 5 UrhG
schutzfähig sei, alternativ bestehe Schutz als Lichtbild nach
§ 72 UrhG. Sie habe hinreichend substantiiert dargelegt, dass ihr
ausschließliche Nutzungsrechte eingeräumt worden seien.
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss – einstweilige Verfügung – vom 21.12.2016 zu
bestätigen.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung des Landgericht
Frankfurt a.M. vom 21.12.2016, Az. 2-03 O 416/16, den Antrag auf Erlass
einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Die Beklagte behauptet, die streitgegenständliche Zeichnung
sei nicht von Herrn Z, sondern im Jahr 1999 vom Sohn der Beklagten, A,
geschaffen worden. Die Beklagte nutze die Zeichnung seit 2000/2001 auf
Visitenkarten und jedenfalls im Jahr 2007 habe sie sie auf Rechnungen genutzt.
Im Jahr 2007 habe die Beklagte dem Vater des Geschäftsführers der Klägerin eine
Visitenkarte mit der streitgegenständlichen Zeichnung ausgehändigt.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Zeichnung nicht
schutzfähig sei. Herr Z habe ausweislich des Vortrages der Klägerin an einem
Tag oder jedenfalls innerhalb einer Woche verschiedene Motive geschaffen, wobei
dies anhand einer Fotografie als Vorlage erfolgt sei. Die Übertragung
ausschließlicher Nutzungsrechte sei nicht schlüssig dargetan. Die Klägerin
müsse die Daten der Einigung vortragen und insbesondere den Vertrag über die
Einräumung der Nutzungsrechte vorlegen.
Die Kammer hat den Ehemann der Beklagten, Herrn T, als
Zeugen in der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2017 vernommen. Insoweit wird
auf das Sitzungsprotokoll (Bl. 221-223 d.A.) Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die
zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den
sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Auf den Widerspruch der Beklagten war die einstweilige
Verfügung – Beschluss – vom 21.12.2016 auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu
überprüfen. Dies führte zu ihrer Aufhebung und zur Zurückweisung des auf ihren
Erlass gerichteten Antrags.
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus keinem
rechtlichen Grunde, insbesondere nicht aus den §§ 97 Abs. 1, 2
Abs. 1 UrhG, einen Anspruch auf Unterlassung der weiteren Verwendung
der streitgegenständlichen Zeichnung.
Insoweit konnte die zwischen den Parteien streitige Frage,
ob die Klägerin Inhaberin von Nutzungsrechten an der streitgegenständlichen
Zeichnung ist, offen bleiben.
a. Denn der streitgegenständlichen Zeichnung mangelt es
bereits an der erforderlichen Schutzfähigkeit nach § 2 Abs. 1
Nr. 4 UrhG als Werk der bildenden Künste.
Zeichnungen, Gemälde, Stiche oder Plastiken sind in der
Regel urheberrechtlich geschützt. Es gelten insoweit geringe Anforderungen nach
den Grundsätzen der sogenannten „kleinen Münze“. Danach ist
ausreichend, dass die Zeichnung über ein gewisses Mindestmaß an Individualität
verfügt (OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 27.05.2008 – 11 U 6/07; LG Frankfurt
a.M., Urt. v. 12.01.2016 – 2-03 S 12/16). Erforderlich ist, dass das Werk
eine Gestaltungshöhe erreicht, die es nach Auffassung der für Kunst
empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise
rechtfertigt, von einer „künstlerischen Leistung“ zu sprechen (BGH
GRUR 2014, 175 [BGH 13.11.2013 – I ZR 143/12] – Geburtstagszug
m.w.N.). Der Stil eines Werks an sich ist insoweit nicht schutzfähig. An der
menschlich-gestalterischen Tätigkeit kann es auch bei maschinell oder durch
Computer geschaffenen Kunstwerken fehlen (Schricker/Loewenheim, UrhG, 5. Aufl.
2017, § 2 Rn. 160).
Nach diesen Grundsätzen fehlt es bei der
streitgegenständlichen Zeichnung aus Sicht der für Kunst empfänglichen und mit
Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise – zu denen auch die Mitglieder
der Kammer zählen – an der „künstlerischen Leistung“. Insoweit war
hier zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach ihrem Vortrag dem Künstler Z
eine Fotografie eines ihrer Kleckerlätze zur Verfügung gestellt hat (s.
insoweit Anlagenkonvolut 4 zum Protokoll vom 17.08.2017, Bl. 227 d.A.).
Den auf dieser Fotografie abgebildeten Kleckerlatz hat Herr Z nach dem Vortrag
der Klägerin in Photoshop in die streitgegenständliche Zeichnung umgesetzt. Bei
Betrachtung der Fotografie und der Zeichnung ist zu erkennen, dass Herr Z –
neben der außer Betracht zu lassenden Entscheidung für den Stil einer
Bleistift- oder Kohlezeichnung – im Wesentlichen nur den Umriss des
Kleckerlatzes nachgezeichnet hat und dies im Detail bis zu den Verdrehungen der
Schnüre und teilweise des Faltenwurfs. Insoweit ist die vorgetragene Tätigkeit
des Nachzeichnens einem automatischen Vorgang zumindest angenähert, eine
individuelle oder künstlerische Leistung ist nicht ersichtlich. Hieran ändert
nach Auffassung der Kammer auch nichts, dass bei der Fotografie die Schnüre
oben teilweise abgeschnitten sind und Herr Z diese – insoweit ohne Vorbild in
der Fotografie – fortgeführt hat.
Die Kammer hat auch die Rechtsprechung der Kammer und des
Senats zur Schutzfähigkeit von Strichzeichnungen in Babyform berücksichtigt
(OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 27.05.2008 – 11 U 6/07; LG Frankfurt a.M.,
Urt. v. 12.01.2016 – 2-03 S 12/16). Bei diesen konnte von einem gewissen
Mindestmaß an Individualität ausgegangen werden, da die Zeichnungen bestimmte
Ausdrucksformen, Körperhaltungen etc. der gezeichneten Babys sowie die Wahl der
Darstellung z.B. der Augen- oder Mundpartie enthielt. Dabei wurden diese
Zeichnungen auch – soweit ersichtlich – ohne unmittelbare Vorlage geschaffen.
Im hiesigen Fall hingegen beschränkt sich die Leistung des Erschaffers der
Zeichnung im Kern auf die Übertragung der Umrisse von der Fotografie in eine
Computerzeichnung.
b. Die streitgegenständliche Zeichnung ist auch nicht nach
§ 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG schutzfähig. Nach § 2
Abs. 1 Nr. 5 UrhG sind Lichtbildwerke und Werke, die ähnlich wie
Lichtbildwerke geschaffen werden, geschützt.
Die streitgegenständliche Zeichnung ist kein Lichtbildwerk, es
handelt sich insbesondere nicht um eine Fotografie, sondern vielmehr um eine
Zeichnung. Sie ist auch nicht „ähnlich wie Lichtbildwerke“ geschaffen
worden. Durch diese Begrifflichkeit wird klargestellt, dass der Begriff des
Lichtbildwerks grundsätzlich weit zu fassen ist. Es kommt insoweit darauf an,
ob ein fotografieähnliches Verfahren genutzt wird. Charakteristisch für das
fotografische Schaffen ist insoweit die Abbildung von etwas in der Natur
Vorgegebenem mit den Mitteln der Bildgestaltung durch Motivwahl,
Bildausschnitt, Licht- und Schattenverteilung und dergleichen
(Schricker/Loewenheim, a.a.O., § 2 Rn. 209 m.w.N.). Hier hat Herr Z
nach dem Vortrag der Klägerin auf Grundlage einer Fotografie eine Zeichnung
erstellt. Dieser Vorgang ist nach den genannten Grundsätzen nicht als
„fotografieähnlich“ anzusehen.
c. Die Klägerin kann sich auch nicht auf einen Schutz nach
§ 72 Abs. 1 UrhG berufen. Durch § 72 Abs. 1 UrhG
entsteht ein Leistungsschutzrecht an „Lichtbildern und Erzeugnissen, die
ähnlich wie Lichtbilder hergestellt werden“. Wie oben dargestellt, liegen
diese Voraussetzungen für die hier streitgegenständliche Zeichnung nicht vor.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, da
die Klägerin voll unterlegen ist.
3. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt
sich aus den§§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.
4. Auf die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Beklagten
vom 23.08.2017 und vom 01.09.2017 sowie der Klägerin vom 24.08.2017 war der
jeweils anderen Partei nicht erneut rechtliches Gehör zu gewähren, zumal zu
beachten ist, dass es sich vorliegend um ein einstweiliges Verfügungsverfahren
handelt. Auch war die mündliche Verhandlung nicht nach § 156 ZPO
wieder zu eröffnen. Der in den Schriftsätzen enthaltene (neue) Tatsachenvortrag
war jeweils nach § 296a ZPO verspätet und zudem nicht
entscheidungserheblich.