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LG Würzburg – Wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch wegen Verstoßes gegen die DS-GVO

Im Gegensatz zum LG
Bochum
hat das LG
Würzburg mit Beschluss vom 13.09.2018, Az. 11 O 1741/18
entschieden, dass Mitbewerber,
vorliegend handelte es sich um Rechtsanwälte, befugt sind, Datenschutzverstöße
gegen die DS-GVO im Wege eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs
geltend zu machen. Das LG Würzburg hat dabei In den wenigen Sätzen zur
Begründung der einstweiligen Verfügung, in deren Rahmen das Unterlassungsverbot
ausgesprochen wurde, verweist das Landgericht Würzburg auf die Rechtsprechung
des OLG Hamburg (Az. 3 U 26/12)
und des OLG
Köln (Az. 6 U 121/15)
 zum alten
BDSG. Nach Auffassung des Landgerichts sind Verstöße und Missachtungen der
DSGVO auch Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht gemäß § 3a UWG und können
abgemahnt werden.
Tenor
I. Der Antragsgegnerin wird untersagt, für ihre berufliche
Tätigkeit als Rechtsanwältin die unverschlüsselte Homepagewww…. ohne
Datenschutzerklärung nach der Datenschutz-Grundverordnung der EU (DSGVO
2016/679) vom 27.04.2016 in deren Geltungsbereich zu betreiben.
II. Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der
Zuwiderhandlung die Verhängung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €,
ersatzweise Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, sowie die Verhängung einer
Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten angedroht.
III. Im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
IV. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu
tragen.
V. Der Streitwert wird auf 2.000,00 € festgesetzt.
Gründe


Die Zuständigkeit des Gerichts ergibt sich hier aus § 14
Abs. 2 UWG (Begehungsort, fliegender Gerichtsstand bezüglich des Internets) und
nicht aus § 32 ZPO wie von Antragstellerseite angegeben.
Dem Antragsteller steht ein Verfügungsanspruch auf
Unterlassung zu, dass der Antragsteller glaubhaft gemacht hat, dass die
Antragsgegnerin bezüglich ihrer Homepage gegen die Datenschutzgrundverordnung
(DSGVO), die spätestens seit 25.05.2018 umzusetzen ist verstößt. Die im
Impressum der Antragsgegnerin enthaltene 7-zeilige Datenschutzerklärung genügt
der neuen DSGVO nicht. Es fehlen Angaben zum/zur Verantwortlichen, zur Erhebung
und Speicherung personenbezogener Daten sowie Art und Zweck deren Verwendung,
eine Erklärung zur Weitergabe von Daten, über Cookies, Analysetools, aber vor
allem die Belehrung über die Betroffenenrechte, insbesondere Widerspruchsrecht,
Datensicherheit und ein Hinweis zur Möglichkeit, sich bei einer
Aufsichtsbehörde zu beschweren. Mit dem OLG Hamburg (3 U 26/12) und dem OLG
Köln (6 U 121/15) geht das erkennende Gericht davon aus, dass es sich bei den
Vorschriften, gegen die hier verstoßen wurde um Verstöße gegen das
Wettbewerbsrecht gemäß § 4 Nr. 11 UWG bzw. jetzt § 3 a UWG darstellt und somit
vom Antragsteller abgemahnt werden konnte. Dass die Antragsgegnerin Daten
erhebt wird schon aus der gleichzeitigen Verwendung eines Kontaktformulars auf
der Homepage indiziert. Da die Antragsgegnerin jedenfalls über ein
Kontaktformular Daten erheben kann, ist zwingend auch eine Verschlüsselung der
Homepage erforderlich, die hier fehlt.
Gem. § 8 Abs. 3 UWG ist der Antragsteller aktiv legitimiert
die beanstandeten Gesetzesverstöße geltend zu machen. Es besteht das
erforderliche Wettbewerbsverhältnis aufgrund der Möglichkeit als Rechtsanwalt
bundesweit tätig zu werden.
Die erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch das
rechtsverletzende Verhalten indiziert. Somit ist der Verfügungsanspruch
gegeben.
Ein Verfügungsgrund ist bei wettbewerbsrechtlichen
Unterlassungsansprüchen gem. § 12 Abs. 2 UWG indiziert. Es besteht damit eine
widerlegliche tatsächliche Vermutung der Dringlichkeit. Nach Aufforderung des
Gerichts hat der Antragsteller zudem glaubhaft gemacht, dass er innerhalb der
von der Rechtsprechung angenommenen Monatsfrist erst von den Verstößen Kenntnis
erlangt hat und dass somit keine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit durch zu
langem Zuwarten vorliegt.
Dem Antrag konnte lediglich nicht dahingehend entsprochen
werden, der Antragsgegnerin eine vom Gericht festzusetzende Vertragsstrafe
anzudrohen. Der Antragsgegnerin sind vielmehr für den Fall der Zuwiderhandlung
gegen das erlassene Verbot die in § 890 Abs. 1 ZPO vorgesehenen Ordnungsmittel
anzudrohen.
Das Gericht hat die einstweilige Verfügung wegen
Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung erlassen, § 937 Abs. 2 ZPO. Eine
Schutzschrift wurde im Übrigen nicht hinterlegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung wurde gemäß § 3 ZPO vorgenommen,
wobei den Angaben der Antragstellerseite insoweit gefolgt wurde.

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OLG Hamm: Zum Rechtsmissbrauch bei verselbständigter Abmahntätigkeit im Wettbewerbsrecht

Eine umfangreiche Abmahntätigkeit,
die sich derart verselbstständigt hat, dass sie in keinem vernünftigen Verhältnis
mehr zu der eigentlichen gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden steht, kann rechts-
missbräuchlich sein. Ein aufgrund einer rechtsmissbräuchlichen Abmahnung eines Wettbewerbsverstoßes
gestellter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist ebenfalls rechtsmissbräuchlich
und als unzulässig zurückzuweisen. Das hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts
Hamm im einstweiligen Rechtsschutz unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung
des Landgerichts Essen am 15.09.2015 entschieden.
Im Juni/Juli 2015 erwirkte die
Verfügungsklägerin, eine Konsumartikelhändlerin aus Bielefeld, die u.a. Briefkästen
im Zwischenhandel vertreibt, gegen einen Hersteller von Briefkästen vor dem Landgericht
Hagen eine einstweilige Verfügung, die dem Hersteller den Vertrieb von Briefkästen
mit den wettbewerbswidrig verwandten Produktkennzeichnungen ʺumweltfreundlich produziertʺ
und ʺgeprüfte Qualitätʺ unter- sagt. Einen Tag nach der mündlichen Verhandlung in
dem Hagener Verfahren führte die Verfügungsklägerin sog. ʺMarktsichtungenʺ durch,
um weitere Verkäufer der Briefkästen zu ermitteln, die diese ebenfalls mit den wettbewerbswidrigen
Produktkennzeichnungen vertrieben. Sie machte ca. 50 Unternehmen ausfindig und beauftragte
den für sie bereits im Hagener Prozess tätigen Anwalt, auch diese Unternehmen abzumahnen.
Nach Erhalt eines Vorschusses begann der Anwalt mit dem Versand der Abmahnungen.
Eine von diesen erhielt die verfügungsbeklagte Handelsgesellschaft aus Köln, die
die in Frage stehenden Brief- kästen über eine Internetplattform zum Verkauf anbot.
Binnen weniger Tage versandte der Anwalt der Verfügungsklägerin an insgesamt 43
Händler Abmahnungen, erst danach gingen erste Unterwerfungserklärungen der abgemahnten
Händler ein. Innerhalb der ersten 6 Wochen wurden insgesamt 71 Abmahnungen ausgesprochen,
zwischenzeitlich ist ihre Zahl auf über 200 gestiegen.

Der im vorliegenden Verfahren
gegen die Verfügungsbeklagte gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
ist erfolglos geblieben. Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat den Antrag
als unzulässig zurückgewiesen.
Nach dem Gesetz gegen den unlauteren
Wettbewerb sei das Verfolgen eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs
rechts- missbräuchlich, so der Senat, wenn es unter Berücksichtigung der gesamten
Umstände vorwiegend dazu diene, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz
von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Hiervon sei
im vorliegen- den  Verfahren  auszugehen.  Die  umfangreiche
 Abmahntätigkeit  der Verfügungsklägerin habe in keinem vernünftigen
Verhältnis zu ihrer eigentlichen gewerblichen Tätigkeit gestanden.

Beim Versand der ersten 43 Abmahnungen,
u.a. auch an die Verfügungsbeklagte, sei die Verfügungsklägerin ein erhebliches
Kostenrisiko eingegangen. Bei den binnen 7 Tagen versandten Abmahnungen sei vernünftigerweise
nicht mit dem zwischenzeitlichen Eingang einer nennenswerten Anzahl strafbewehrter
Unterlassungserklärungen zu rechnen gewesen. Durch ihr Vorgehen hätten der Verfügungsklägerin
hohe Kosten entstehen können. So fielen bereits für die 43 Abmahnungen Anwaltskosten
von über 42.000 Euro an. Berücksichtige man zudem, dass ein nicht unerheblicher
Teil der eingeleiteten Abmahnvorgänge in gerichtliche Auseinandersetzungen münde,
erhöhe sich das Kostenrisiko. Insgesamt entstünden Anwalts- und Gerichtskosten von
über 250.000 Euro, wenn ein Drittel der Abmahnvorgänge in der Hauptsache über eine
gerichtliche Instanz und ein weiteres Drittel über zwei gerichtliche Instanzen auszufechten
sei, was bereits eine für die Verfügungsklägerin günstige, moderate Entwicklung
beschreibe.

Dieses Kostenrisiko stehe in
keinem vernünftigen Verhältnis mehr zu der eigentlichen wirtschaftlichen Betätigung
der Verfügungsklägerin. Nur beim Verkauf von Briefkästen und ähnlichen Produkten
trete die Verfügungsklägerin in Konkurrenz zur Verfügungsbeklagten. Ordne man diesem
Marktsegment die dem Senat bekannt gegebenen Werte zum gesamten Jahresüberschuss
der Verfügungsklägerin aus  2013 (ca. 5.500
Euro) und zu ihrem gesamten Eigenkapital aus 2013 (ca. 300.000 Euro) zu, bestehe
kein kaufmännisch vernünftiges Verhältnis zwischen Gewinn und Eigenkapital und der
zu beurteilenden Abmahntätigkeit mehr. Das Kostenrisiko der Abmahntätigkeit belaufe
sich dann auf das ca. 50-fache des erzielten Jahresgewinns. Die mit den Abmahnungen
verbundenen Kosten zehrten das im Betrieb vorhandene Eigenkapital (nahezu) vollständig
auf. Ein derartig hohes Kostenrisiko gehe ein vernünftig handelnder Kaufmann grundsätzlich
nicht ein.

Rechtskräftiges  Urteil  des   4.   Zivilsenats  des   Oberlandesgerichts
Hamm vom 15.09.2015 (4 U 105/15)


Das Urteil des OLG Hamm im Volltext:
Leitsätze:
Rechtsmissbräuchliche Geltendmachung eines
wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruches (Gebührenerzielungsinteresse) bei
nicht mehr vorhandenem vernünftigen Verhältnis zwischen der Abmahntätigkeit und
der eigentlichen gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden (hier: Abmahnungen im
Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Briefkästen).
Tenor:
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das am 16. Juli 2015
verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen
teilweise – im Ausspruch zu Ziffer 1. der Urteilsformel – abgeändert.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird auch hinsichtlich
des erstinstanzlichen Verfügungsantrages zu 2. (= Ziffer 1. der Urteilsformel
des angefochtenen Urteils) zurückgewiesen.
Die erstinstanzlichen Kosten des
Verfahrens tragen die Verfügungsklägerin zu 2/3 und die Verfügungsbeklagte zu
1/3. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Verfügungsklägerin.
G r ü n d e
A.
Von einer Sachverhaltsdarstellung wird nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz
1 ZPO abgesehen.
B.
Die – zulässige – Berufung der Verfügungsbeklagten ist begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, nachdem die Verfügungsklägerin ihre
Berufung zurückgenommen hat, allein noch der erstinstanzliche Verfügungsantrag
zu 2., dem das Landgericht unter Ziffer 1. der Urteilsformel des angefochtenen
Urteils stattgegeben hat und mit dem die Verfügungsklägerin beanstandet, dass
sich auf der Verkaufsverpackung eines von der Verfügungsbeklagten verkauften
Briefkastens des Herstellers „C KG“ ein in der Art eines „Prüfsiegels“
gestalteter Aufdruck mit der Aufschrift „Geprüfte Qualität“ (Einzelheiten
Anlage FN2 = Blatt 12-18 der Gerichtsakte) befand.
Dieser Verfügungsantrag ist als unzulässig zurückzuweisen. Das Vorgehen der
Verfügungsklägerin erweist sich als rechtsmissbräuchlich (§ 8 Abs. 4 Satz 1
UWG).
I. Der Senat legt der Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens
folgenden Geschehensablauf zugrunde:
Die Verfügungsklägerin beantragte zunächst beim Landgericht Hagen den
Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die C KG. Gegenstand des beim
Landgericht Hagen unter der Geschäftsnummer 23 O 25/15 geführten Verfahrens
waren u.a. die – von der Verfügungsklägerin auch im vorliegenden Verfahren in
der ersten Instanz beanstandeten – Kennzeichnungen von Briefkästen mit den
Werbeaussagen „umweltfreundlich produziert“ und „geprüfte Qualität“. Die
mündliche Verhandlung vor der beim Landgericht Hagen mit der Sache befassten
Kammer für Handelssachen fand am 03.06.2015 statt. In der mündlichen
Verhandlung wies die Kammer darauf hin, dass sie die beiden oben genannten
Produktkennzeichnungen für wettbewerbswidrig halte. Am 10.07.2015 verkündete
das Landgericht Hagen sodann ein Urteil mit einem dem in der mündlichen Verhandlung
vom 03.06.2015 erteilten Hinweis entsprechenden Inhalt.
Ab dem 04.06.2015 – mithin dem Tag nach der mündlichen Verhandlung vor dem
Landgericht Hagen – führte die Verfügungsklägerin nach eigenen Angaben
„Marktsichtungen“ durch. Noch am 04.06.2015, bei dem es sich in
Nordrhein-Westfalen um einen gesetzlichen Feiertag (Fronleichnam) handelte,
fand nach den Angaben der Verfügungsklägerin eine Besprechung zwischen ihrem
Geschäftsführer und ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten statt. Am Freitag,
dem 05.06.2015, übersandten die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin
dieser eine E-Mail (Anlage FN13 [= Blatt 104-108 der Gerichtsakte] sowie Anlage
AG17), die unter Bezugnahme auf die Besprechung vom Vortage eine Liste von
(mindestens) 50 Unternehmen enthielt, welche Briefkästen des Herstellers „C KG“
mit den oben beschriebenen Kennzeichnungen vertrieben. Der Geschäftsführer der
Verfügungsklägerin antwortete hierauf am Montag, dem 08.06.2015, mit einer
E-Mail (Anlage FN13 [=Blatt 104 der Gerichtsakte] sowie Anlage AG17), in der es
u.a. hieß: „(…) zunächst einmal möchte ich mich für Ihr schnelles
Tätigwerden bei Ihnen bedanken. Wie besprochen, gehen Sie bitte gegen sämtliche
Händler vor, die ebenfalls mit den beiden Verstößen auffallen. (…)“
.
Unter dem 12.06.2015 übersandten die jetzigen Prozessbevollmächtigten der
Verfügungsklägerin dieser eine Vorschussrechnung über 35.700,00 € brutto
(Anlage FN14a = Blatt 109 der Gerichtsakte), die den Gegenstand der
anwaltlichen Tätigkeit – ohne Nennung konkreter Abmahngegner – lediglich
pauschal mit den Worten „Abmahnung Briefkastenverkäufer betreffend C X Ware,
Ihr Auftrag vom 08.06.2015“ bezeichnete. Eine entsprechende Zahlung der
Verfügungsklägerin ging am 18.06.2015 auf dem Bankgirokonto ihrer
Prozessbevollmächtigten ein (vgl. Anlage FN14b = Blatt 110 der Gerichtsakte).
Spätestens am 23.06.2015 begannen die jetzigen Prozessbevollmächtigten der
Verfügungsklägerin in deren Namen mit dem Versand von Abmahnungen an Verkäufer
von „C“-Briefkästen. In diesen Abmahnungen wandte die Verfügungsklägerin sich
jeweils gegen das Angebot von Briefkästen, die mit den Werbeaussagen
„umweltfreundlich produziert“ und/oder „geprüfte Qualität“ gekennzeichnet
waren. Darüber hinaus waren die Abmahnungen in der Regel auch auf weitere
(tatsächliche oder vermeintliche) Wettbewerbsverstöße des jeweiligen
Abmahngegners gestützt. Nach den Angaben der Verfügungsklägerin enthielten die
Abmahnungen „durchschnittlich 3-7“ wettbewerbsrechtliche Beanstandungen. Auch
die an die Verfügungsbeklagte gerichtete Abmahnung (Anlage FN8 = Blatt 31-39
der Gerichtsakte) ist auf den 23.06.2015 datiert. Neben der an die
Verfügungsbeklagte gerichteten Abmahnung liegen dem Senat weitere 15 der auf
den 23.06.2015 datierten Abmahnungen in Ablichtung (Anlage AG4) vor. Die – im
Hinblick auf die jeweils geltend gemachten Ansprüche auf Ersatz der für die
Abmahnung angefallenen Rechtsanwaltsvergütung – in den Abmahnungen angegebenen
Gegenstandswerte für die anwaltliche Tätigkeit bewegen sich in der Regel
zwischen 20.000,00 € und 30.000,00 €. Die dem Senat vorliegenden 16 Abmahnungen
vom 23.06.2015 enthalten folgende Gegenstandswertangaben: 11 x 30.000,00 €, 2 x
25.000,00 €, 2 x 20.000,00 € und 1 x 15.000,00 €.
Die Zahl der ausgesprochenen Abmahnungen erhöhte sich bis zum 29.06.2015
auf 43, ohne dass zu diesem Zeitpunkt bereits strafbewehrte
Unterlassungserklärungen von Abgemahnten vorlagen. Der Senat entnimmt diesen
Umstand den Ausführungen in dem Schriftsatz der Verfügungsklägerin vom
09.09.2015 (Blatt 264 ff der Gerichtsakte), in dem es auf Seite 5 (=Blatt 268
der Gerichtsakte) lautet: „(…) So waren am 29.06. zwar 43 Wettbewerber
abgemahnt, aber zugleich lagen zu diesen am 03.07. – also nur 4 Tage später –
ganze 27 (!) Unterwerfungen vor (…)“
. Der Senat versteht diese Formulierung
dahin, dass am 29.06.2015 gerade noch keine Unterwerfungserklärung vorlag.
Soweit die Verfügungsklägerin von diesem Tatsachenvortrag später – namentlich
in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat – wieder abzurücken versucht hat,
in dem sie von „höchstens 41 zum gleichen Zeitpunkt ,offenen‘ Abmahnungen“
gesprochen hat, vermag der Senat diesem neuen Vorbringen mangels näherer
Substantiierung nicht zu folgen.
Bis zum 02.08.2015 erhöhte sich die Zahl der ausgesprochenen Abmahnungen
auf insgesamt 71. Zwischenzeitlich haben die Prozessbevollmächtigten der
Verfügungsklägerin insgesamt deutlich mehr als 200 Abmahnungen versandt.
II. Die Inanspruchnahme der Verfügungsbeklagten durch die
Verfügungsklägerin erweist sich vor diesem Hintergrund als rechtsmissbräuchlich
und damit unzulässig. Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG ist die Geltendmachung
eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruches unzulässig, wenn sie unter
Berücksichtigung der gesamten Umstände (rechts-)missbräuchlich ist. Ein
Missbrauch liegt vor, wenn der Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des
Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich betrachtet nicht schutzwürdige
Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das
beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen (Köhler/Bornkamm/Köhler,
UWG, 33. Aufl. [2015], § 8 Rdnr. 4.10 m.w.N.). Ein Fehlen oder vollständiges
Zurücktreten legitimer wettbewerbsrechtlicher Ziele ist für die Annahme eines
Missbrauchs allerdings nicht erforderlich; ausreichend ist, dass die
sachfremden Ziele überwiegen (Köhler/Bornkamm/Köhler, a.a.O. m.w.N.).
Als typischen Beispielsfall für Rechtsmissbrauch benennt § 8 Abs. 4
Satz 1 UWG die Geltendmachung eines Anspruchs, die vorwiegend dazu dient,
gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder
Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen, wobei dies in gleicher Weise
für das Interesse, Ansprüche auf Zahlung von Vertragsstrafen entstehen zu
lassen, gilt (Köhler/Bornkamm/Köhler, a.a.O., Rdnr. 4.12). Hiervon ist
auszugehen, wenn die äußeren Umstände in ihrer Gesamtheit aus Sicht eines
wirtschaftlich denkenden Unternehmers deutlich machen, dass der
Anspruchsberechtigte kein nennenswertes wirtschaftliches oder
wettbewerbspolitisches Interesse an den Rechtsverfolgung haben kann und deshalb
allein oder ganz überwiegend nur ein Gebühreninteresse verfolgen kann, wobei es
sich dabei auch um das Interesse der von ihm beauftragten Rechtsanwälte handeln
kann (Senat, Urteil vom 02.03.2010 – 4 U 217/09 – <juris>). Dies ist hier
der Fall.
Eine – im vorliegenden Fall allein schon für den Monat Juni 2015 zu
bejahende – umfangreiche Abmahntätigkeit kann allerdings für sich allein
betrachtet in der Regel keinen Missbrauch belegen, wenn zugleich umfangreiche
Wettbewerbsverstöße in Betracht kommen (Senat, a.a.O.). Es müssen vielmehr
weitere Umstände hinzutreten, die die Missbräuchlichkeit der
Anspruchsgeltendmachung begründen können (Senat, a.a.O.). Solche Umstände
liegen insbesondere dann vor, wenn die Abmahntätigkeit sich derart
verselbstständigt hat, dass sie in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zu der
(eigentlichen) gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden steht (Senat, a.a.O.;
Köhler/Bornkamm/Köhler, a.a.O., Rdnr. 4.12a). Ein wirtschaftlich
vernünftiges Verhältnis zwischen der Abmahntätigkeit und der eigentlichen
gewerblichen Betätigung der Verfügungsklägerin bestand bereits zum Zeitpunkt
des Ausspruches der Abmahnung gegenüber der Verfügungsbeklagten nicht mehr.
1. Zur Bewertung des wirtschaftlichen Umfanges einer umfangreichen
Abmahntätigkeit ist das hieraus resultierende Kostenrisiko für den Abmahnenden
heranzuziehen (Senat, a.a.O.). Bei der Ermittlung dieses Kostenrisikos ist im
vorliegenden Falle auf die Verhältnisse am 23.06.2015, dem Tag des Beginns der
Abmahnserie und des Ausspruches der Abmahnung gegenüber der
Verfügungsbeklagten, abzustellen und auf dieser Basis eine Prognose zu den zu
erwartenden Kosten zu treffen. Zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehbare, für
die Verfügungsklägerin im Ergebnis günstigere Entwicklungen in der Folgezeit
vermögen die Verfügungsklägerin nicht zu entlasten.
Die Durchführung der Besprechung am 04.06.2015 – einem Feiertag –, der
E-Mail-Schriftwechsel zwischen der Verfügungsklägerin und ihren jetzigen
Prozessbevollmächtigten vom 05./08.06.2015, die nicht nach einzelnen
Anspruchsgegnern aufgeschlüsselte Vorschussrechnung vom 12.06.2015 und nicht
zuletzt der Versand von insgesamt 43 Abmahnungen zwischen dem 23.06.2015 und
dem 29.06.2015 – mithin in einem Zeitraum von lediglich sieben Tagen, in dem
vernünftigerweise nicht mit dem Eingang einer auch nur ansatzweise
nennenswerten Anzahl strafbewehrter Unterlassungserklärungen gerechnet werden
konnte – machen deutlich, dass es im Juni 2015 das Bestreben der
Verfügungsklägerin und der von ihr beauftragten Rechtsanwälte war, möglichst
rasch und möglichst in großer Zahl Abmahnungen gegen Unternehmen, die
„C“-Briefkästen vertreiben, auszusprechen. Jedenfalls bestand das Bestreben,
möglichst rasch die (zumindest) 50 Abmahnungen zu erstellen und zu versenden,
die sich aus dem E-Mail-Schriftwechsel vom 05./08.06.2015 ergaben (darunter
auch die hier zu beurteilende Abmahnung an die Verfügungsbeklagte), und zwar
ohne Rücksicht auf etwaige Rückäußerungen der Abgemahnten. Dies ließe es
gerechtfertigt erscheinen, den folgenden Vergleichsbetrachtungen sogar das
Kostenrisiko für (zumindest) 50 Abmahnungen zugrundezulegen.
Zu Gunsten der Verfügungsklägerin legt der Senat indes nur das Kostenrisiko
für die zwischen dem 23.06.2015 und dem 29.06.2015 ausgesprochenen 43
Abmahnungen zugrunde, die vor dem Eingang der ersten strafbewehrten
Unterlassungserklärungen versandt wurden. Wiederum zu Gunsten der
Verfügungsklägerin geht der Senat bei der Berechnung dieses Kostenrisikos nur
von einem Gegenstands-/Streitwert von 20.000,00 € aus, mithin von einem Wert am
unteren Ende der von der Verfügungsklägerin in ihren Abmahnungen benannten
Bandbreite von Gegenstandswerten.
Allein die von der Verfügungsklägerin für diese 43 Abmahnungen an die von
ihr beauftragten Rechtsanwälte zu zahlende Vergütung beläuft sich auf (netto)
42.337,80 € (Geschäftsgebühr 964,60 € zzgl. 20,00 € Auslagenpauschale in 43
Fällen). Vernünftig ist darüber hinaus für die Kostenprognose die Einschätzung,
dass ein nicht unerheblicher Teil der eingeleiteten Abmahnvorgänge in gerichtliche
Auseinandersetzungen mündet. Der Senat geht hierbei von der – zu Gunsten der
Verfügungsklägerin eher moderaten – Annahme aus, dass ein Drittel der
eingeleiteten Abmahnvorgänge im Hauptsacheverfahren über eine Instanz
ausgefochten wird und ein weiteres Drittel der Abmahnvorgänge im
Hauptsacheverfahren über zwei Instanzen ausgefochten wird. Hierfür kommen ein
Betrag von (zumindest) 66.990,00 € (Nettosumme der eigenen und gegnerischen
Rechtsanwaltskosten [jeweils Verfahrens- und Terminsgebühr sowie Auslagenpauschale,
zur Vereinfachung ohne Anrechnung vorgerichtlicher Gebühren] und der
Gerichtsgebühren in 14 Fällen) für die über eine Instanz betriebenen Verfahren
und ein Betrag von mindestens 145.026,00 € (netto) für die über zwei Instanzen
ausgefochtenen Verfahren hinzu. Die Summe der drei vorgenannten Beträge beläuft
sich auf 254.353,80 €. Wiederum zu Gunsten der Verfügungsklägerin verzichtet
der Senat auf die Berücksichtigung und Berechnung der Kosten für gerichtliche
Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
Ohne Erfolg beruft sich die Verfügungsklägerin in diesem Zusammenhang auf
den vom Landgericht Hagen in der dortigen mündlichen Verhandlung vom 03.06.2015
erteilten Hinweis zur materiellen Rechtslage. Dieser gerichtliche Hinweis
führte nicht zu einer Reduzierung des zu prognostizierenden Kostenrisikos. Es
kann dahinstehen, ob die Verfügungsklägerin allein aufgrund des Hinweises – und
nicht einmal eines Urteiles – eines erstinstanzlich entscheidenden Gerichtes
die Annahme hegen durfte, dass mit ihren Abmahnungen kein nennenswertes
Kostenrisiko verbunden sein würde. Denn die Verfügungsklägerin hat sich nach
dem Erhalt dieses Hinweises nicht darauf beschränkt, in Einzelfällen – selektiv
– die hier in Rede stehenden Wettbewerbsverstöße zu verfolgen, sondern sie hat
aufgrund einer systematischen Sichtung des Marktes innerhalb kürzester Zeit
zahlreiche Abmahnungen „in Serie“ ausgesprochen. Sie musste gerade infolge
dieser Häufung von Abmahnungen mit der Erhebung des Rechtsmissbrauchseinwandes
durch die Abgemahnten und auch mit dem Erfolg dieses Einwandes – ungeachtet der
materiellen Rechtslage – rechnen (vgl. hierzu Senat, a.a.O.); wer im
Gebührenerzielungsinteresse rechtsmissbräuchlich wettbewerbsrechtliche
Unterlassungsansprüche verfolgt, wird im Übrigen nach Möglichkeit ohnehin
gerade solche wettbewerbsrechtlichen Vorwürfe zum Gegenstand seiner Abmahnungen
machen, von deren materieller Berechtigung er überzeugt ist.
Das vorbeschriebene, die Gefahr der Erhebung des Rechtsmissbrauchseinwands
begründende Abmahnverhalten der Verfügungsklägerin führte zu einer weiteren
Erhöhung des rechnerischen Kostenrisikos: die Verfügungsklägerin musste mit der
Erhebung von Gegenansprüchen der Abgemahnten nach § 8 Abs. 4 Satz 2 UWG
rechnen, so dass dem oben genannten Kostenbetrag von 254.353,80 € noch ein
Betrag von 42.337,80 € für die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten der
Abgemahnten hinzuzurechnen ist. Insgesamt belief sich das Kostenrisiko der
Verfügungsklägerin damit auf (zumindest) 296.691,60 €.
2. Dieses Kostenrisiko stand in keinem vernünftigen wirtschaftlichen
Verhältnis mehr zu der eigentlichen wirtschaftlichen Betätigung der
Verfügungsklägerin.
a) Die Verfügungsklägerin bietet neben Briefkästen und ähnlichen
Produkten auch sonstige Waren an. Entscheidend ist indes allein der Umfang der
wirtschaftlichen Tätigkeit beim Verkauf von Briefkästen und ähnlichen
Produkten, denn nur insoweit tritt sie in Konkurrenz zu der Verfügungsbeklagten,
und nur insoweit ist sie befugt, wettbewerbsrechtlich gegen die
Verfügungsbeklagte und sonstige Mitbewerber auf dem Markt für Briefkästen
vorzugehen (vgl. hierzu Senat, a.a.O.).
b) Als Vergleichsgröße zu dem mit der Abmahntätigkeit eingegangenen
Kostenrisiko ist der – in dem konkret in Rede stehenden Marktsegment – erzielte
Umsatz grundsätzlich nicht geeignet. Der Umsatz sagt allenfalls mittelbar etwas
über die Fähigkeit eines Unternehmens aus, das mit einer umfangreichen
Abmahntätigkeit verbundene Kostenrisiko finanziell tragen zu können. Denn aus
dem Umsatz muss zuvörderst der mit der (eigentlichen) wirtschaftlichen
Betätigung in Verbindung stehende Betriebsaufwand finanziert werden. Insofern
erweist sich die Information der Verfügungsklägerin, sie werde im Jahre 2015
einen Nettoumsatz mit Briefkästen von mehr als 500.000,00 € erzielen, als im
Wesentlichen bedeutungslos.
c) Als Vergleichsgrößen sind vielmehr Kennzahlen aus dem Bereich des
Betriebsvermögens (Eigenkapitals) heranzuziehen, und zwar in erster Linie der
Gewinn (soweit er in dem entsprechenden Marktsegment erzielt wird) und
hilfsweise – bei einer Betrachtung zu Gunsten des Abmahnenden – das
Eigenkapital (soweit es mit der Geschäftstätigkeit in dem in Rede stehenden
Marktsegment erwirtschaftet wurde).
Jahresabschlusskennzahlen für die Verfügungsklägerin liegen dem Senat
lediglich für die Kalenderjahre 2012 und 2013 vor. Im Jahre 2012 erzielte die
Verfügungsklägerin einen Jahresüberschuss von 5.873,09 € und verfügte zum Jahresende
über ein Eigenkapital (=Betriebsvermögen) von 294.193,77 €. Im Jahre 2013
erzielte die Verfügungsklägerin (bei einem Jahresumsatz von mehr als 1,6
Millionen €) einen Überschuss von (lediglich) 5.491,20 € und verfügte zum
Jahresende über ein Eigenkapital von 299.684,97 €.
Inwieweit diese Werte dem Verkauf von Briefkästen zuzuordnen sind, ist
dabei nicht einmal bekannt. Selbst wenn der Senat – zu Gunsten der
Verfügungsklägerin – unterstellt, dass jeweils der gesamte Gewinn und das
gesamte Eigenkapital mit dem Vertrieb von Briefkästen erwirtschaftet wurden,
bestand zwischen diesem Geschäft und der hier zu beurteilenden Abmahntätigkeit
kein auch nur ansatzweise kaufmännisch vernünftiges Verhältnis mehr. Das
Kostenrisiko aus der Abmahntätigkeit beträgt jeweils ca. das 50-fache des
erzielten Jahresgewinns, die zu prognostizierenden Kosten würden das im Betrieb
vorhandene Eigenkapital (nahezu) vollständig aufzehren. Ein derart hohes
Kostenrisiko würde ein vernünftig handelnder Kaufmann grundsätzlich nicht eingehen.
Eine Ausnahmesituation, in der ein derartiges Kostenrisiko gerechtfertigt sein
könnte, liegt nicht vor. So mag ein Unternehmer, der von wettbewerbswidrig
handelnden Mitbewerbern aus dem Markt gedrängt zu werden droht, ein Interesse
an einer umfassenden Marktbereinigung haben, auch wenn eine solche mit einem
erheblichen Kostenrisiko verbunden ist. Hiervon ist die Verfügungsklägerin
indes weit entfernt. Nach ihren eigenen Angaben (Seite 2 des Schriftsatzes vom
10.09.2015 = Blatt 361 der Gerichtsakte) hat sich ihr Absatz auf dem Markt für
Briefkästen im Jahre 2015 sogar „deutlich erhöht“.
Nicht zu überzeugen vermag die Argumentation der Verfügungsklägerin, sie
erziele mit dem Verkauf von Briefkästen einen nicht unerheblichen Rohertrag
(Umsatzerlöse abzüglich Wareneinkauf) und die im Vergleich zum Umsatz nur
relativ geringen Gewinne resultierten aus den sonstigen Aufwandspositionen in
ihrer Gewinn- und Verlustrechnung. Bei diesen sonstigen Aufwandspositionen
könne sie, die Verfügungsklägerin, Einsparungen vornehmen, um Geldmittel für
die Finanzierung der Abmahntätigkeit zu beschaffen. Diese Argumentation lässt
außer Acht, dass die Verfügungsklägerin diese sonstigen Aufwandspositionen
offenkundig in der Vergangenheit für kaufmännisch erforderlich und sinnvoll
gehalten hat. Ein vernünftiger Kaufmann wird indes seine – zuvor für sinnvoll
erachtete – Aufwandsstruktur zur Finanzierung einer Abmahnkampagne nur dann
verändern, wenn er sich auf dem Markt in einer bedrängten Situation befindet,
was indes auf die Verfügungsklägerin – wie bereits gezeigt – nicht zutrifft.
Damit ist auch die Äußerung der Verfügungsklägerin in der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat, ihr Geschäftsführer könne zukünftig bei seinen
Geschäftsreisen nach Hongkong nur noch in der „Economy-Class“ statt in der
Business-Klasse fliegen, ohne Relevanz.
Auch das Vorbringen der Verfügungsklägerin, ihr wirtschaftlich sehr
solventer Geschäftsführer und Gesellschafter sei bereit, ihr in Form
nachrangiger Gesellschafterdarlehen weiteres Eigenkapital (im
bilanzanalytischen Sinne) zuzuführen, um gegebenenfalls die Finanzierung der
Abmahnserie sicherzustellen, führt zu keiner anderen Beurteilung. Zum einen
würde es sich bei einem solchen Mittelzufluss nicht um Einnahmen aus dem
Briefkastengeschäft handeln – und nur diese sind entscheidend –, zum anderen
hat ein vernünftiger Kaufmann in einer Marktsituation, in der sich sein Absatz
„deutlich erhöht“, keine Veranlassung, seinem Betrieb nur für die Finanzierung
einer umfangreichen Abmahntätigkeit neues Eigenkapital zur Verfügung zu
stellen.
3. Ein vernünftig handelnder Kaufmann in der wirtschaftlichen Situation
der Verfügungsklägerin – zumal bei ohnehin steigendem Absatz in dem
betreffenden Marktsegment – hätte sein Kostenrisiko durch ein gestaffeltes und
zeitlich gestrecktes Vorgehen bei der Abmahnung von Mitbewerbern minimiert und
nicht eine derart umfangreiche Abmahntätigkeit innerhalb kürzester Zeit wie die
Verfügungsklägerin entfaltet. Im Falle der Verfügungsklägerin ergibt die
Gesamtwürdigung aller hier erörterten Umstände hingegen, dass diese nach der
Erteilung des gerichtlichen Hinweises in der mündlichen Verhandlung vor dem
Landgericht Hagen am 03.06.2015 im ausschließlichen oder zumindest ganz
überwiegenden Gebührenerzielungsinteresse bestrebt war, möglichst viele
Vertreiber der in Rede stehenden Briefkästen abzumahnen, bevor die
beanstandeten Kennzeichnungsverstöße von dem Herstellerunternehmen und den
Vertreibern – sei es freiwillig, sei es aufgrund gerichtlichen Zwanges –
abgestellt werden.
4. Zu Gunsten der Verfügungsklägerin hat der Senat im vorliegenden
Verfahren davon abgesehen, die ab August 2015 versandten Abmahnungen an
„I-bau“-Baumärkte in die Betrachtung mit einzubeziehen. Gleichwohl kann der
Senat nicht umhin zu bemerken, dass vieles dafür spricht, dass die
Berücksichtigung dieser Abmahnungen die hier vorgenommene Wertung weiter
unterstützt und erhärtet hätte.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 1 Satz 1
Alt. 2, 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO.
D.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird wie folgt festgesetzt:
bis zum
08.09.2015:             
13.334,00 €
 (Berufung der Verfügungsklägerin:
6.667,00 €;
Berufung der Verfügungsbeklagten: 6.667,00 €);
ab dem
09.09.2015:             
6.667,00 €.

 Vorinstanz:
Landgericht Essen, 43 O 62/15