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AG Charlottenburg – Kein Nachteil für Anschlussinhaber wenn befragte Familienangehörige Filesharing bestreiten – Sekundäre Darlegungslast durch Befragen erfüllt

Das AG Charlottenburg
hat mit Urteil vom 12.12.2017, Az. 203 C 210/17 entschieden, dass dem wegen
Filesharing abgemahnten Anschlussinhaber kein Nachteil daraus erwachsen darf,
dass die Familienangehörigen des Anschlussinhabers die Begehung von illegalem
Filesharing abstreiten. Denn der Anschlussinhaber  ist durch seine Befragung der ihm obliegenden
sekundären Darlegungslast nachgekommen. Mehr darf gegenüber nahen Angehörigen
nicht erwartet werden. Nach einer Abmahnung darf nicht erwartet werden, dass
der der Abgemahnte den Rechner seines Ehepartners und seiner Kinder nach
Filesharing Software durchsucht.

Tenor:
Die Klage wird
abgewiesen.
Die Klägerin hat die
Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist
vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt
Erstattung von Abmahnkosten und Schadensersatz für das widerrechtliche
öffentliche Zugänglichmachen eines Films in einer Dateitauschbörse über den
Internetanschluss der Beklagten.
Aufgrund eines
Beschlusses des Landgerichts München (Az. 33 0 7941/13) teilte die Firma Kabel
Deutschland Vertrieb und Service GmbH und Co. KG der Klägerin mit, dass die
IP-Adresse [IP] um 21:36:27 Uhr dem Anschluss der Beklagten zugewiesen war.
Unter dem 19.04.2013
mahnten die Rechtsanwälte der Klägerin die Beklagte wegen einer darin
behaupteten Verletzung der Urheberrechte an dem Filmwerk „Lesbian Hitchhiker 6“
ab. Wegen des genauen Inhalts des Schreibens vom 19.04.2013 wird auf Anlage K7,
Blatt 45 ff., der Gerichtsakten verwiesen.
Die als Zeugen
benannten [Name] und [Name] gaben gegenüber der Beklagten an, mit dem
streitgegenständlichen Sachverhalt nichts anfangen zu können.
Die Klägerin begehrt
den Ersatz von Abmahnkosten i.H.v. 651,80 EUR sowie Schadensersatz i.H.v. 500
EUR.
Die Klägerin behauptet,
sie sei Inhaberin des
Rechts zur öffentlichen Zugänglichmachung des Filmwerks „Lesbian Hitchhiker 6“.
Die Beklagte habe die abgemahnte Urheberrechtsverletzung begangen. Die
Ermittlung des Anschlusses des Beklagten sei zutreffend erfolgt. Die als Zeugen
benannten [Name] und [Name] hätten zu dem streitgegenständlichen Zeitpunkt
weder die Möglichkeit gehabt, auf den Internetanschluss zuzugreifen und hätten
die Rechtsverletzung nicht begangen. Sie ist der Ansicht, die Beklagte habe
ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu
verurteilen, an die Klägerin 1.151,80 EUR zuzüglich Zinsen hieraus i.H.v. 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet,
die Rechtsverletzung
nicht begangen zu haben. Sowohl ihr Ehemann, [Name], ihr Sohn, [Name] (geb.
2002), sowie ihr Bekannter [Name] hätten zum fraglichen Zeitpunkt Zugang zum
Internetanschluss gehabt und hätten diesen selbständig genutzt. Ihr Ehemann
nutze den Internetanschluss mit einem Desktop-Computer und einem Mobiltelefon
für die E-Mail Korrespondenz, soziale Netzwerke und Online-Spiele. Ihr Sohn
nutze den Internetanschluss mit einem eigenen Desktop-Computer und spiele
hauptsächlich Online-Spiele. Ihren Sohn habe sie damals über die richtige
Verwendung des Internets sowie über das Verbot von Filesharing Software
belehrt. Ihr Bekannter habe mit einem Laptop Zugriff auf den Internetanschluss
gehabt.
Wegen der weiteren
Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitigen
Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll über die mündliche
Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig,
aber unbegründet.
Die Klage ist
unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung
von 1.151,80 EUR. Ein solcher Anspruch folgt insbesondere nicht aus §§ 97 Abs.
2, 97a Abs. 3 UrhG (a.F.).
Die Beklagte ist weder
als Täterin, Teilnehmerin oder Störerin für den ihr zur Last gelegten
Urheberrechtsverstoß verantwortlich. Dies gilt selbst dann, wenn man zu Gunsten
der Klägerin für diese Entscheidung unterstellt, dass der Urheberrechtsverstoß
auch tatsächlich von dem Internetanschluss der Beklagten aus begangen wurde.
Die Beklagte haftet
nicht als Täterin für die Urheberrechtsverletzung.
Wird ein geschütztes
Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum
fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, so spricht eine
tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung
verantwortlich ist. Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende
Nutzungsmöglichkeit Dritter ist dabei nur anzunehmen, wenn der
Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder
bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde (vgl. BGH, Urt. v. 27.
Juli 2017 – I ZR 68/16, juris; BGH, Urt. v. 11. Juni 2015 – I ZR 75/14, juris;
BGH, Urteil vom 15. November 2012 – I ZR 74/12 -, juris). Will sich der
Anspruchsteller dabei auf die tatsächliche Vermutung stützen, so obliegt es
grundsätzlich ihm, diese Voraussetzungen darzulegen und nötigenfalls zu
beweisen. Jedoch trifft in diesen Fällen den Anschlussinhaber eine sekundäre
Darlegungslast, der er nur genügt, wenn er vorträgt, ob und gegebenenfalls
welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten
und als Täter in Betracht kommen; in diesem Umfang ist die beklagte Partei im
Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet,
welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen
Verletzungshandlung gewonnen hat (BGH, Urt. v. 06. Okt. 2016 – I ZR 154/15,
juris; BGH, Urt. v. 12. Mai 2016 – I ZR 48/15, juris; BGH, Urt. v. 11. Juni
2015 – I ZR 75/14, juris). Umgekehrt gilt, dass die Annähme der
täterschaftlichen Haftung des Anschlussinhabers erst in Betracht kommt, wenn
der Anschlussinhaber der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast hinsichtlich
der Nutzung des Anschlusses durch Dritte nicht genügt, da keine generelle
Vermutung im Sinne eines Anscheinsbeweises eingreift, dass der Anschlussinhaber
Täter einer Urheberrechtsverletzung ist, die von seinem Anschluss aus begangen
worden ist und die er widerlegen oder erschüttern müsste, nur weil er Inhaber
des Anschlusses ist (BGH, Urt. v. 06. Okt. 2016 – I ZR 154/15, juris, Rn. 18).
Im vorliegenden Fall
hat die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast indes in vollem Umfang genügt.
Sie hat dargelegt, dass sowohl ihr Ehemann, als auch ihr Sohn, und ihr
Bekannter zum fraglichen Zeitpunkt Zugang zum Internetanschluss hatten und
diesen mit verschiedenen internetfähigen Endgeräten selbständig genutzt haben.
Der Umstand, dass die Beklagte ihre Familienangehörigen befragt hat und diese
Angaben, mit dem streitgegenständlichen Sachverhalt nichts anfangen zu können,
rechtfertigt keine andere Bewertung. Trotz dieser Angaben, bleiben diese
Personen mögliche Täter der Urheberrechtsverletzung und die Vermutungswirkung
ist mit diesem Vortrag entkräftet. Weiterer Vortrag ist der Beklagten nicht
zuzumuten. Auf Seiten des Anschlussinhabers schützen die Grundrechte gemäß Art.
7 EU-Grundrechtecharta und Art. 6 Abs. 1 GG das ungestörte eheliche und
familiäre Zusammenleben vor staatlichen Beeinträchtigungen (BGH, Urteil vom 06.
Oktober 2016 – I ZR 154/15 -, Rn. 23, juris). Dieser Schutz verbietet die
Annahme weitergehender Nachforschungs- und Mitteilungspflichten. Es ist dem
Inhaber eines privaten Internetanschlusses nicht zumutbar, die Internetnutzung
seines Familienmitglieds einer Dokumentation zu unterwerfen, um im
gerichtlichen Verfahren seine täterschaftliche Haftung abwenden zu können. Ebenfalls
unzumutbar ist es, dem Anschlussinhaber die Untersuchung des Computers des
Familienmitglieds im Hinblick auf die Existenz von Filesharing-Software
abzuverlangen (vgl. BGH, Urt. v. 6. Oktober 2016 – I ZR 154/15, juris, Rn. 26).
Damit greift aber die täterschaftliche Vermutungswirkung zu Lasten der
Beklagten nicht mehr ein, da der Internetanschluss anderen Personen zur Nutzung
überlassen wurde. Die Klägerin trägt nunmehr die volle Darlegungs- und
Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten
Schadensersatzanspruchs erfüllt sind (vgl. BGH, Urt. v. 06. Okt. 2016 – I ZR
154/15, juris; BGH, Urt. v. 12. Mai 2016 – I ZR 48/15, juris). Denn die
sekundäre Darlegungslast der beklagten Partei führt weder zu einer Umkehr der
Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und
Erklärungslast hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem
Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu
verschaffen (vgl. BGH, Urt. vom 06. Oktober 2016 – I ZR 154/15, juris, Rn. 15).
An einem geeigneten Sachvortrag und Beweisantritt der Klägerin fehlt es aber.
Eine Vernehmung des Seitens der Klägerin benannten Zeugen [Name] kam nicht in
Betracht. Soweit die Klägerin vorträgt, die von dem Beklagten benannten
Personen hätten zum streitgegenständlichen Zeitraum nicht auf den
Internetanschluss des Beklagten zugegriffen und die streitgegenständliche
Rechtsverletzung nicht begangen, ist dies ein Vortrag ins Blaue hinein, da die
Klägerin ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen dieses Sachverhalts
willkürlich Behauptungen aufs Geratewohl aufstellt. Die Klägerin kann nicht
wissen, wer Zugriff bzw. die Zugriffsmöglichkeit auf den Internetanschluss
hatte, da sie die Personen offenbar nicht im Vorfeld befragt hat. Selbst wenn
der zusätzlich benannte Zeuge [Name] vernommen werden und angeben würde, selbst
nicht Täter zu sein, wäre dann noch nicht der Beweis der Täterschaft der
Beklagten geführt (vgl. BGH, Urt. vom 06. Oktober 2016 – I ZR 154/15, juris).
Die Klägerin hat gegen
den Beklagten auch aus dem Gesichtspunkt der Störerhaftung keinen Anspruch auf
Erstattung der Rechtsanwaltskosten als erforderliche Aufwendungen im Sinne von
§ 97a Abs. 3 UrhG (a.F.). Die Beklagte haftet nicht als Störerin. Als Störer
kann bei Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen
werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise
willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt.
Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die
nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die
Haftung des Störers die Verletzung von Prüfpflichten voraus, deren Umfang sich
danach bestimmt, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch genommenen nach
den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist. Die Beklagte hat ihren minderjährigen
Sohn über das Verbot der Nutzung von Filesharing-Software belehrt. Eine
permanente Überwachung ihres damals elfjährigen Sohnes war ihr nicht zuzumuten.
Die Beklagte treffen in Bezug auf ihren Ehemann und ihren Bekannten weder
Belehrungs-, noch anlasslose Prüf- oder Kontrollpflichten. Ohne konkrete
Anhaltspunkte für eine bereits begangene oder bevorstehende
Urheberrechtsverletzung ist der Inhaber eines Internetanschlusses grundsätzlich
nicht verpflichtet, volljährige Mitglieder seiner Wohngemeinschaft über die
Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen aufzuklären und ihnen die
rechtswidrige Nutzung entsprechender Programme zu untersagen (BGH, Urt. v. 12.
Mai 2016 – I ZR 86/15, Rn. 19, juris). Das hier konkrete Anhaltspunkte
vorgelegen haben sollten, trägt die Klägerin nicht vor.
Die Kostenentscheidung
beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 i.V.m. 709 S. 2
ZPO.