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BGH: Klageänderung nach Schluss der mündlichen Verhandlung

Die Erhebung
einer neuen Klageforderung oder einer Klageerweiterung durch einen nach Schluss
der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz ist unzulässig.
Sachanträge müssen spätestens in der letzten mündlichen Verhandlung gestellt
werden. Dies gilt auch dann, wenn ein Schriftsatznachlass gewährt worden ist.
(Leitsatz des Verfassers)
Sachverhalt
Kläger K erhebt
eine Klage auf Rückzahlung einer an die Beklagte B geleisteten
„Vorfälligkeitsentschädigung“ iHv 8.221,15 EUR nebst Zinsen aus abgetretenem
Recht. Am 9.11.2016 findet die mündliche Verhandlung vor dem LG statt. In
dieser Verhandlung wird K nach § 283 S.
1 ZPO ein Schriftsatzrecht zur Erwiderung auf einen Schriftsatz der B
eingeräumt. Innerhalb dieser Frist reicht K einen Schriftsatz zur Akte, in dem
er die Klage auf 60.194,81 EUR nebst Zinsen erweitert. Dieser Schriftsatz wird
B zusammen mit dem LG-Urteil zugestellt. Das LG weist die Klageerweiterung in
den Entscheidungsgründen als unzulässig zurück. K legt gegen dieses Urteil
Berufung ein mit dem Antrag, das erstinstanzliche Urteil abzuändern und B zur
Zahlung von 60.194,81 EUR nebst Zinsen zu verurteilen. Das OLG weist diese
Berufung nach § 522 II 1
ZPO zurück. Das LG habe die Klageerweiterung zu Recht als unzulässig
zurückgewiesen; sie sei auch nicht in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen.
Die mit den Berufungsanträgen angekündigte Klageerweiterung verliere mit
Zurückweisung der Berufung nach § 522 II 1
ZPO ihre Wirkung und sei daher nicht rechtshängig geworden. Gegen diese
Entscheidung erhebt K Nichtzulassungsbeschwerde. Noch vor ihrer Begründung legt
ihr beim BGH zugelassener Prozessbevollmächtigter sein Mandat nieder und
beantragt die Festsetzung des Streitwertes.
Entscheidung
Der BGH setzt den
Wert der mit der beabsichtigten Revision geltend zu machenden Beschwer auf
8.221,15 EUR fest. Gegenstand der Berufungsentscheidung sei nur der
ursprüngliche Antrag. K sei danach nur in dieser Höhe durch die Entscheidung
des Berufungsgerichts beschwert. Dieser Betrag bilde außerdem den
Beschwerdegegenstand des beabsichtigten Revisionsverfahrens, da K die
OLG-Entscheidung in Gänze angegriffen habe (Hinweis auf BGH NJW 2002, 2720).
Wie sich aus
§§ 256 II261 II297 ZPO
ergebe, sei die Erhebung einer neuen Klageforderung oder einer Klageerweiterung
durch einen nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz
unzulässig. Sachanträge müssten spätestens in der letzten mündlichen
Verhandlung gestellt werden (Hinweis ua auf BGH NJW-RR 2009, 853 Rn. 8).
Daran ändere ein Schriftsatznachlass nichts. Dieser sei nur im Rahmen des
§ 296a S.
2 ZPO für Angriffs- und Verteidigungsmittel beachtlich. Mangels einer
Antragstellung in mündlicher Verhandlung dürfe daher über eine nach Schluss der
mündlichen Verhandlung eingereichte Klageerweiterung nicht entschieden werden.
In Einklang damit habe das LG von einer Entscheidung über die Klageerweiterung
abgesehen. Da die Klageerweiterung nicht rechtshängig und damit nicht
Gegenstand der Ausgangsentscheidung geworden sei, sei sie auch nicht in der
Berufungsinstanz angefallen. Daran ändere die erfolgte Zustellung der
Klageerweiterung an B nichts. Diese sei zusammen mit dem erstinstanzlichen
Urteil erfolgt und habe erkennbar nicht den Zweck verfolgt, die unzulässige
Klageerweiterung rechtshängig zu machen (Hinweis auf BGH NJW-RR 1997, 1486).
Die unzulässige
Klageerweiterung sei auch nicht dadurch rechtshängig und Gegenstand der
Entscheidung des Berufungsgerichts geworden, dass K diese im Rahmen ihrer
Berufungsanträge wiederholt habe. Denn die in dieser Antragstellung zu
erblickende zweitinstanzliche Klageerweiterung sei durch die Entscheidung des
Berufungsgerichts wirkungslos geworden. Eine zweitinstanzliche Klageerweiterung
hindere das Berufungsgericht nicht, bei Vorliegen der gesetzlichen
Voraussetzungen einen Beschluss nach § 522 II 1
ZPO zu erlassen (Hinweis auf BGH NJW-RR 2017, 56 Rn. 14 mAnm
Toussaint FD-ZVR 2016, 384219).
Werde die den erstinstanzlichen Streitgegenstand betreffende Berufung durch
einen einstimmigen Beschluss nach § 522 II 1
ZPO zurückgewiesen, verliere die Klageerweiterung entsprechend § 524 IV ZPO
vielmehr ihre Wirkung.
Praxishinweis
Gem. § 296a ZPO
können nach Schluss der mündlichen Verhandlung neue Angriffs- und
Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden. Da die Vorschrift lediglich
Angriffsmittel, aber nicht den Angriff und damit die Klage selbst betrifft,
werden neue Sachanträge von ihrem Regelungsbereich nicht erfasst. Nach ganz hM
ist die Erhebung einer neuen Klageforderung oder einer Klageerweiterung durch
einen nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz dennoch
aus allgemeinen Erwägungen heraus unzulässig, weil – wie der BGH erneut
klarstellt – Sachanträge spätestens in der letzten mündlichen Verhandlung
gestellt werden müssen.

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