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AG Frankenthal: Kosten für anwaltliche Hilfe in einfach gelagerten Fällen (Urteil vom 30.05.2018, 3c C 49/18)

Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung sind die Kosten für die
Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe zur Verfolgung von Schadensersatzansprüchen
in nicht einfach gelagerten Fällen stets, ansonsten aber nur dann
erstattungsfähig, sofern der Geschädigte geschäftlich ungewandt ist oder die
Schadensregulierung verzögert wird. Ob ein einfach gelagerter Fall vorliegt,
ist auf Grundlage des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen, weshalb sich eine
schematische Betrachtungsweise verbietet. Dabei können im Rahmen der gebotenen
ex ante-Betrachtung auch später im Zuge der Schadensabwicklung aufgetretene
Umstände Berücksichtigung finden, die Rückschlüsse darauf erlauben, ob der
Geschädigte von einem einfach gelagerten Fall ausgehen musste.


Leitsätze:
1. Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung sind
die Kosten für die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe zur Verfolgung von
Schadensersatzansprüchen in nicht einfach gelagerten Fällen stets, ansonsten
aber nur dann erstattungsfähig, sofern der Geschädigte geschäftlich ungewandt
ist oder die Schadensregulierung verzögert wird.
2. Ob ein einfach gelagerter Fall vorliegt, ist auf
Grundlage des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen, weshalb sich eine
schematische Betrachtungsweise verbietet. Dabei können im Rahmen der gebotenen
ex ante-Betrachtung auch später im Zuge der Schadensabwicklung aufgetretene
Umstände Berücksichtigung finden, die Rückschlüsse darauf erlauben, ob der
Geschädigte von einem einfach gelagerten Fall ausgehen musste.
3. Bei der Beurteilung der geschäftlichen Gewandtheit des
Geschädigten ist auf dessen allgemeine Erfahrung in geschäftlichen Dingen
abzustellen und nicht auf spezielle Kenntnisse der zugrundeliegenden
Rechtsmaterie, wie etwa dem Verkehrsunfallrecht.
4. Eine verzögerte Schadensregulierung rechtfertigt die
kostenauslösende Inanspruchnahme der Hilfe eines Rechtsanwaltes in einfach
gelagerten Fällen erst ab dem Zeitpunkt, in dem Anhaltspunkte für eine
derartige Verzögerung für den Geschädigten erkennbar werden.
Gründe:
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach
billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das
Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.    
Danach schuldet die Beklagte, deren vollumfängliche Haftung
für den von ihrer Versicherungsnehmerin bei einem Verkehrsunfall am 11.
September 2015 verursachten Schaden nicht in Streit steht, der Klägerin auch
die im Rahmen der Rechtsverfolgung angefallenen Rechtsanwaltskosten.
a)Zutreffend gehen beide Parteien bezüglich der
Erstattungsfähigkeit außerprozessualer Rechtsverfolgungskosten im Rahmen eines
bestehenden Schadensersatzanspruchs von der höchstrichterlichen Rechtsprechung
aus, wonach die Einschaltung eines Rechtsanwaltes in nicht einfach gelagerten
Fällen stets, ansonsten aber nur dann erforderlich ist, wenn der Geschädigte
geschäftlich ungewandt ist oder die Schadensregelung verzögert wird (vgl. nur
BGH NJW 2015, 3447, 3450 Rn. 55 sowie NJW 1995, 446; Palandt/Grüneberg, BGB 77.
Aufl. § 249 Rn. 57). Die Frage, ob ein einfach gelagerter Fall vorliegt, ist
dabei auf Grundlage des gegebenen Sachverhaltes (Schadensfall) zu beurteilen,
wobei auch spätere Streitigkeiten im Rahmen der Schadensabwicklung zwischen den
Beteiligten über die Haftung dem Grunde oder der Höhe nach Rückschlüsse darauf
erlauben können, ob bei gebotener ex ante-Betrachtung von einem einfach
gelagerten Fall auszugehen war. Dabei ist eine Einzelfallbeurteilung geboten,
weshalb sich eine schematische Betrachtungsweise verbietet und das erkennende
Gericht sich nicht der verbreiteten, von der Klägerin zitierten Auffassung
anschließt, dass es einen einfach gelagerten Fall bei Verkehrsunfällen
grundsätzlich nicht gebe. Nur wenn nach der mithin gebotenen individuellen
Betrachtung ein einfach gelagerter Fall gegeben ist, ist weiter zu fragen, ob
eine geschäftliche Ungewandtheit des Geschädigten vorliegt oder die Regulierung
durch den Schädiger verzögert wird. Im erstgenannten Fall, bei dem es entgegen
der Ansicht der Klägerin – auf eine allgemeine geschäftliche (Un-)Gewandtheit
und nicht auf Spezialkenntnisse in der jeweiligen Rechtsmaterie (hier:
Verkehrsunfallrecht) ankommt, ist die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe von
vornherein als erforderlich anzusehen, im letztgenannten Fall erst ab dem
Zeitpunkt, in dem eine verzögerte Schadensregulierung erkennbar wird. 
b)Hier lag offensichtlich kein einfach gelagerter Fall vor,
so dass es auf die geschäftliche Gewandtheit der Klägerin und eine zögerliche
Regulierung seitens der Beklagten nicht weiter ankommt. Ungeachtet des
Umstandes, dass keine der Parteien den zugrundeliegenden Sachverhalt näher
skizziert hat, kann bereits aus den Umständen der Schadensabwicklung
geschlossen werden, dass jedenfalls hinsichtlich der Höhe des zu ersetzenden
Schadens durchaus komplexere Überlegungen eine Rolle gespielt haben. Die
Beklagte hat, wie ihrer ersten Abrechnung vom 12. Oktober 2015 zu entnehmen
ist, auf die geltend gemachten Reparaturkosten nämlich zunächst nur einen
Betrag von 1.256,93 € gezahlt und insoweit auf einen beigefügten, nicht zu den
Akten gereichten Prüfbericht verwiesen (Anl. B 15). Entgegen der Darstellung im
hiesigen Verfahren hatte dieser Einbehalt also offenbar mit Einwendungen zu tun,
die sich aus einem der Beklagten vorliegenden Prüfbericht ergeben haben und
nicht mit ergänzend benötigten Informationen. Solche, genauer ein Nachweis der
durchgeführten Reparatur, wurden von der Beklagten lediglich im Zusammenhang
mit den geltend gemachten Vorhaltekosten und dem Nachweis der Ausfallzeit
angefordert. Ein derartiger Nachweis wurde im Übrigen auch im späteren
Schreiben vom 20. Oktober 2015 (Anl. B 16) immer noch verlangt, so dass die
dort vorgenommene Nachzahlung offensichtlich nicht auf dem Nachreichen von
Informationen beruht, sondern vielmehr auf das Nachhaken des Rechtsanwalts der
Klägerin zurückzuführen ist. Die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe stellt sich
daher als erforderlich dar, weil der Fall gerade aus Sicht der Beklagten eben nicht
einfach gelagert war, sondern bezüglich der Höhe der angemeldeten Forderungen
einer Prüfung samt nachträglichen Korrektur bedurfte.
c) Die geltend gemachten Kosten sind entstanden. Die
Klägerin hat ihre Verfahrensbevollmächtigten mit der Wahrnehmung ihrer
Interessen bei der Schadensabwicklung beauftragt, was von der Beklagten im
Rahmen der Schadensabwicklung auch nicht in Zweifel gezogen wurde. Dies ist
überdies der vorgelegten E-Mail vom 25. September 2015 zu entnehmen, die als
postalischen Absender die Klägerin ausweist. Der Umstand, dass die Klägerin die
E-Mail gegebenenfalls von einem jedenfalls nicht auf den ersten Blick ihr
zuzuordnenden Account abgesendet hat, ist dabei ohne Belang. Im Übrigen dürfte
der Name „B.“ im E-Mail-Absender zwanglos auf die Verflechtung der
Klägerin mit dem unter diesem Namen firmierenden Unternehmen zu erklären sein
(vgl. dazu https://www.b….de/de/unternehmen/geschichte.html).        
Der Höhe nach sind dem Geschädigten regelmäßig die sich aus
dem RVG ergebenden gesetzlichen Gebühren zu erstatten (vgl. BGH NJW 2015, 3447,
3451 Rn. 57). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin tatsächlich nur
einen geringeren Betrag an ihre anwaltlichen Vertreter gezahlt oder zu zahlen
hat, als den hier geltend gemachten, hat die Beklagte nicht vorgebracht oder
nachgewiesen. Letztlich sind solche Anhaltspunkte, die immerhin ein
betrügerisches Verhalten der Prozessbeteiligten auf Klägerseite nahelegen
würden, auch aus den sonstigen Umständen des Falles nicht erkennbar.               
2. Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet
sich auf § 286, § 288 BGB.            
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die
Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den
§§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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AG Frankenthal – OK-Vermerk des Fax kein Anscheinsbeweis für Zugang

Leitsatz:
Ok-Vermerk des Sendeberichtes eines Telefaxes begründet keinen
Anscheinsbeweis des Zugangs einer Kündigung des Versicherungsvertrages.
Gründe:
Die zulässige Klage ist begründet.     
Das Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) ist gem. § 215 Abs. 1 Satz 2 VVG
örtlich ausschließlich und sachlich gem. § 23 Nr. 1 GVG zuständig.    
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von
Versicherungsprämien in Höhe von jeweils € 171,72 für die bei der Klägerin bis
zum 30.09.2016 bestehende Privatkrankenversicherung des Beklagten für die
Monate Juli, August und September 2016, § 1 S. 2 VVG. Das
Versicherungsvertragsverhältnis ist gem. § 205 Abs. 2 S. 4 VVG mit Ablauf des
30.09.2016 beendet, nachdem der Beklagte mit Email vom 22.08.2016 die
Meldebescheinigung zur Sozialversicherung der Klägerin übersandte und daneben
mit Schreiben vom 01.09.2016, bei der Klägerin eingegangen am 19.09.2016, die
Kündigung des streitgegenständlichen Versicherungsverhältnisses erklärte. 
Soweit der Beklagte eine Kündigung über seinen Versicherungsmakler mit
Schreiben vom 27.06.2016 behauptet, ist er für den Zugang dieser
Kündigungserklärung, § 130 Abs. 1 S. 1 BGB beweisfällig geblieben. Ein OK
Vermerk des Sendeberichts eines Telefaxes begründet keinen Anscheinsbeweis
dafür, dass ein Telefax angekommen ist (BAG Urteil vom 14.08.2002 – 5 AZR
169/01; OLG Brandenburg Urteil vom 05.03.2008 – 4 U 132/07). Nach dem von der
Beklagten vorgelegten Faxjournal vom 20.06.2016 ist dort ein Fax des
Versicherungsmaklers des Beklagten vom 27.06.2016 nicht eingegangen.   
Unabhängig davon verpflichtet § 205 Abs. 2 S. 2 VVG den
Versicherungsnehmer den Eintritt der gesetzlichen Versicherungspflicht
innerhalb von 2 Monaten nachzuweisen, nachdem der Versicherer ihn hierzu in
Textform aufgefordert hat, ansonsten eine Kündigung unwirksam wird. Eine solche
rückwirkende Kündigung gem. § 205 Abs. 2 S. 1 VVG ist vorliegend nicht eröffnet
mangels Nachweises des Vorliegens der Voraussetzungen durch den Beklagten.
Davon unbenommen bleibt die Möglichkeit der Kündigung des Versicherungsverhältnisses
durch den Versicherungsnehmer zum Ende des Monats, in dem er den Eintritt der
Versicherungspflicht nachweist, vorliegend der 30.09.2016.
Die Zinspflicht folgt aus § 193 Abs. 6 VVG. 
Die Klägerin hat daneben gem. §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr.1, 288 Abs. 4,
280 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher
Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 91,39 (0,8 Geschäftsgebühr aus einem
Gegenstandswert von € 515,16, §§ 2, 12, 13 RVG, VV 2300, 64,00 € zzgl.
Auslagenpauschale 12,80 € VV 7001, 7002 sowie 19 % MwSt. 14,59 €).        
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.      

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre
Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO
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