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OLG Brandenburg – Rechte und Pflichten des Betreibers einer Internetplattform bei Verbreitung strafbarer Inhalte

Das OLG Brandenburg hat im Beschluss
vom 27.07.2018, Az.: 1 W 28/18
zu den Rechten und Pflichten des Betreibers
einer Internetplattform bei Verbreitung strafbarer Inhalte Stellung genommen.
Erfüllt eine auf einer Internetplattform getätigte Äußerung
den Tatbestand des § 111 Abs. 1 StGB, so ist der Betreiber der Plattform
verpflichtet, die Äußerung zu löschen. Für den Tatbestand ist eine an Dritte
gerichtete ernsthafte Aufforderung erforderlich, eine bestimmte rechtswidrige
Tat zu begehen. Die Aufforderung muss über eine bloße Information und über eine
Unmutsäußerung oder Provokation hinausgehen. Der Betreiber der Plattform, der
den Beitrag gelöscht und dem Verfasser ein befristetes virtuelles Hausverbot
erteilt hat, ist nicht verpflichtet, diese Maßnahmen aufzuheben, wenn er schon
nach §§ 1 Abs. 3, 3 Abs. 2 Nr. 2 u. 3 NetzDG zur Löschung des Beitrags
verpflichtet war.




Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den
Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 16. Mai 2018
wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin
zu tragen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf
7.500,00 € festgesetzt.

Gründe
I.
Die Antragstellerin ist Nutzerin der von der Antragsgegnerin
betriebenen Internetplattform … und begehrt die Unterlassung der Löschung eines
von ihr auf dieser Plattform geposteten Kommentars sowie der vorübergehenden
Sperrung ihres Nutzerkontos.
Die Antragstellerin äußerte sich am … 2018 auf der
Internetplattform der Antragsgegnerin zu einem Zeitungsbericht der … über einen
tätlichen Angriff auf eine zwölfjährige Schülerin in … durch zwei unbekannte
Männer, von denen einer als südländisch aussehend beschrieben wurde, mit dem
Kommentar „Prügelt das Pack aus unserem Land“. Wegen den Einzelheiten des von
der Antragstellerin kommentierten Berichts wird auf den entsprechenden Ausdruck
(Bl. 31 d. A.) Bezug genommen.
Die Antragsgegnerin entfernte diesen Kommentar unter Hinweis
auf ihre Gemeinschaftsstandards und sperrte das Nutzerkonto der Antragstellerin
für 30 Tage.
Daraufhin hat die Antragstellerin beantragt, die
Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung zu der Unterlassung zu
verpflichten, sie für das Einstellen des streitgegenständlichen Kommentars,
sofern er sich auf Berichte über gewalttätige unprovozierte Angriffe von
Männern gegen minderjährige Kinder beziehe, zu sperren oder den Beitrag zu
löschen.
Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist durch
Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 16. Mai 2018 mit der Begründung
zurückgewiesen worden, dass der streitgegenständliche Inhalt nicht mehr von den
Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt sei, da er eine Aufforderung zur
Anwendung von Gewalt gegen Ausländer beinhalte.
Gegen diesen ihr am 19. Mai 2018 zugestellten Beschluss hat
die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 30. Mai 2018, der am selben Tag bei
Gericht eingegangen ist, sofortige Beschwerde eingelegt.
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde durch
Beschluss vom 22. Juni 2018 nicht abgeholfen und die Sache dem
Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, nachdem sie
insbesondere innerhalb der in § 569 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO bestimmten Frist
eingelegt worden ist.
Das Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das
Landgericht hat den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung im Ergebnis
zu Recht abgelehnt.
Dabei kann dahinstehen, ob die von der Antragsgegnerin zur
Begründung der Löschung des streitgegenständlichen Kommentars und der Sperrung
des Nutzerkontos der Antragstellerin herangezogenen Gemeinschaftsstandards
wirksam in den zwischen den Beteiligten bestehenden Vertrag einbezogen worden
sind und für die streitgegenständlichen Maßnahmen eine hinreichende
Rechtsgrundlage darstellen. Die streitgegenständliche Äußerung verstößt
jedenfalls gegen die Vorgaben des § 1 Abs. 3 NetzDG in Verbindung mit § 111
Abs. 1 StGB, so dass die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin im
Rahmen des ihr als Betreiberin der Plattform … zustehenden virtuellen
Hausrechts (vgl. BSG, MMR 2013, 675 Rn. 14; OLG Köln, VersR 2001, 862) zu ihrer
Löschung und zur Sperrung des Nutzerkontos berechtigt und zu ihrer Löschung
darüber hinaus gemäß §§ 1 Abs. 3, 3 Abs. 2 Nr. 2 und 3 NetzDG verpflichtet war.
Auch im Internet kann der Eigentümer nach §§ 903 Satz 1, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB
analog jemanden von der Nutzung seiner Hardware durch das Speichern von
Inhalten ausschließen (LG München I, CR 2007, 264). Das Hausrecht ist Ausdruck
der durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Privatautonomie, die die
Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben schützt (vgl. BVerfG, NJW 1994,
36, 38 m.w.N.), und hat zur Folge, dass rechtlich erhebliche
Willensentscheidungen zu der Frage, ob und in welchem Umfang einem Dritten der
Zugang zu einer bestimmten Örtlichkeit – bzw. hier der von der Antragsgegnerin
betriebenen Internetplattform – gestattet wird, keiner Rechtfertigung bedürfen
(vgl. BGH, NJW 2012, 1725 Rn. 8).
Dieses Recht besteht hier aufgrund der vertraglichen
Beziehung der Beteiligten zwar nicht uneingeschränkt. Die mit der
Antragstellerin eingegangene vertragliche Bindung lässt die hausrechtlichen
Befugnisse der Antragsgegnerin jedoch nicht vollständig entfallen, sondern hat
lediglich zur Folge, dass ihre grundrechtlich geschützten Positionen, nämlich
die Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG), die unternehmerische Freiheit (Art. 12
Abs. 1 Satz 1 GG), die Ausübung ihrer Eigentumsrechte (Art. 14 Abs. 1 Satz 1
GG) sowie ihr Recht, sich durch die verhängten, der Erteilung eines Hausverbots
vergleichbaren Maßnahmen politisch zu positionieren (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG),
deutlich an Gewicht verlieren (vgl. BGH, NJW 2012, 1725 Rn. 14).
Bei der danach gebotenen Abwägung der beiderseitigen
Interessen waren die Löschung des Kommentars und die vorübergehende Sperrung
des Nutzerkontos der Antragstellerin vom Hausrecht der Antragsgegnerin umfasst.
Die streitgegenständliche Äußerung erfüllt den Tatbestand
des § 111 Abs. 1 StGB, so dass die Antragsgegnerin zu deren Löschung schon nach
§§ 1 Abs. 3, 3 Abs. 2 Nr. 2 und 3 NetzDG verpflichtet war. Erforderlich ist
insoweit die an Dritte gerichtete ernsthafte Aufforderung, eine bestimmte
rechtswidrige Tat zu begehen. Die Aufforderung muss über eine bloße Information
und über eine Unmutsäußerung oder Provokation hinausgehen (vgl. BGH, NJW 1984,
1631). Erforderlich ist eine bewusst-finale Erklärung an die Motivation
anderer, bestimmte Straftaten zu begehen (OLG Stuttgart, NStZ 2008, 36, 37).
Dabei sind bei der Deutung einer Äußerung ausgehend von ihrem Wortlaut der
sprachliche Kontext und die Begleitumstände, unter denen sie gefallen ist, zu
berücksichtigen, soweit diese für die Leser erkennbar sind. Es ist darauf
abzustellen, wie sie unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs von
einem unvoreingenommenen Durchschnittsleser verstanden wird (vgl. BGH, NJW
2009, 1872 Rn. 11; BGH, NJW 2005, 279, 281; BGH, NJW 2004, 598, 599).
Danach ist der objektive Tatbestand des § 111 Abs. 1 StGB
vorliegend erfüllt; eine schuldhafte Tatbegehung ist für die hier
streitgegenständlichen Maßnahmen der Antragsgegnerin nicht erforderlich
(Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen
Netzwerken vom 16. Mai 2017, BT-Drucks. 18/12356, Seite 19 f.). Durch die
Verwendung der Imperativform eines Verbs, das den Tatbestand der
Körperverletzung beinhaltet, bringt die Antragstellerin die an die
Allgemeinheit gerichtete Aufforderung zum Ausdruck, gegen die – derzeit
unbekannten – Täter körperliche Gewalt einzusetzen und damit unter Umgehung der
Strafverfolgungsbehörden sowie, sofern aufgrund ihrer Nationalität und ihres
Aufenthaltsstatus denkbar, unter Umgehung verwaltungsgerichtlicher Verfahren
Selbstjustiz zu üben. Die Aufforderung ist auch hinreichend bestimmt, da die
von den Erklärungsadressaten erwartete Tat ihrer Art und ihrem rechtlichen
Wesen nach konkretisiert wird. Da es sich bei § 111 Abs. 1 StGB um ein
abstraktes Gefährdungsdelikt handelt, sind nähere Vorgaben zu Zeit, Ort und
speziellen Umständen der Tatausführung nicht erforderlich; es genügt vielmehr
die grobe Kennzeichnung des Deliktstypus (vgl. BayObLGSt 1992, 15, 19;
Münchener Kommentar/Bosch, StGB, 3. Auflage, § 111 Rn. 13). Daher ist es für
die Bewertung der Äußerung auch ohne Belang, dass die in dem Zeitungsbericht
beschriebenen Täter zum Zeitpunkt der Aufforderung nicht bekannt waren.
Eine von den vorstehenden Ausführungen abweichende Auslegung
kommt vorliegend nicht in Betracht. Insbesondere handelt es sich nicht um eine
lediglich parolenhafte Floskel mit Bezug zu benannten Personen, die
stellvertretend für eine vom Äußernden missbilligte gesellschaftliche oder
politische Institution stehen (vgl. BGH, NJW 1984, 1631). Die Antragstellerin
reagiert auf den Zeitungsbericht vielmehr mit der gezielten Aufforderung an
jeden Leser, auf das beschriebene Geschehen gleichermaßen durch die Begehung
einer Straftat zu reagieren.
Unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen war
daher nicht nur die Löschung des Kommentars, sondern auch die vorübergehende
Sperrung des Nutzerkontos für einen Zeitraum von 30 Tagen gerechtfertigt.
Zunächst muss es der Antragsgegnerin im Rahmen ihres Hausrechts grundsätzlich
möglich sein, auf rechtswidrige Inhalte nicht nur mit einer Löschung, sondern
auch mit anderweitigen Maßnahmen zu reagieren. Darüber hinaus hat sie mit ihrem
Hinweis auf ihre Gemeinschaftsstandards zum Ausdruck gebracht, dass die
Äußerung ihrer politischen Einstellung widerspricht, so dass auch ihr
gegenläufiges Recht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs.1 Satz 1 GG zu
berücksichtigen ist. Bei der danach zur Beurteilung der Rechtswidrigkeit einer
Äußerung vor dem Hintergrund der Meinungsfreiheit gebotenen Abwägung der
betroffenen Interessen (vgl. BGH, NJW 2009, 1872 Rn. 17) ist zu
berücksichtigen, dass die von der Antragstellerin gewählte Formulierung „aus
unserem Land“ eine gegen Ausländer gerichtete Intention beinhaltet, die im
Zusammenhang mit der vorherigen Aufforderung, an den gesuchten Personen eine
Körperverletzung zu verüben, über eine ablehnende Haltung hinausgeht und somit
ausländerfeindliche und rassistische Tendenzen aufweist. Demgegenüber ist die
nur vorübergehende Sperrung des – wenngleich mit der Übermittlung von Daten
einhergehenden – unentgeltlich zur Verfügung gestellten Nutzerkontos für einen
relativ kurzen Zeitraum verhältnismäßig und daher nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

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BGH: Schutz der Privatsphäre wird geschwächt oder entfällt ganz wenn Betroffener mit Veröffentlichung gewöhnlich als privat geltender Angelegenheiten einverstanden war

Der BGH hat mit Urteil
vom 12.06.2018, Az. VI ZR 284/17
entschieden, dass der Schutz der
Privatsphäre geschwächt ist oder auch entfallen kann, wenn der Betroffene mit
der Veröffentlichung gewöhnlich als privat geltender Angelegenheiten
einverstanden war.
Leitsatz
a) Der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher
Kenntnisnahme kann dort entfallen oder zumindest im Rahmen der Abwägung
zurücktreten, wo sich der Betroffene selbst damit einverstanden gezeigt hat,
dass bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten öffentlich
gemacht werden; die Erwartung, dass die Umwelt die Angelegenheiten oder
Verhaltensweisen in einem Bereich mit Rückzugsfunktion nur begrenzt oder nicht
zur Kenntnis nimmt, muss situationsübergreifend und konsistent zum Ausdruck
gebracht werden (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 20. Dezember 2011 – VI ZR
261/10, NJW 2012, 771, 772).
b) Die Selbstbegebung gibt nicht stets thematisch und
inhaltlich die exakte Grenze vor, in deren Rahmen sich die hinzunehmende
Veröffentlichung bewegen muss. Diese ist vielmehr im Rahmen einer
Güterabwägung im Einzelfall zu bestimmen.
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 15.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 22. Juni 2017 im Kostenpunkt und im
Übrigen insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an
das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung einer
Wortberichterstattung in Anspruch, die sich unter anderem mit seinen familiären
Verhältnissen befasst.
Der Kläger ist ein in Deutschland bekannter Schauspieler und
Musiker. Vater des Klägers ist der bereits verstorbene K. L. , ein Schauspieler
und Regisseur. Nach der frühen Trennung der Eltern des Klägers lebte der Vater
mit seiner neuen Lebensgefährtin H. B. zusammen, die ihren Sohn aus einer
anderen Beziehung mit in die Lebensgemeinschaft brachte.
Dieser Stiefbruder des Klägers, M. B. , ist ebenfalls
Schauspieler und einem breiteren Fernsehpublikum bekannt.
Im Jahre 2009 veröffentlichte der Kläger ein Buch mit dem
Titel „Soundtrack meiner Kindheit“, in dem er unter anderem seine
Kindheit in der DDR schildert und Erlebnisse mit Musikstücken verknüpft. M. B.
wird an einer Stelle des Buches erwähnt wie folgt:
„Von da an war mein Vater nur noch zu Gast in meiner
Kindheit. Er zog nach Berlin, wurde Regieassistent an der Volksbühne, arbeitete
mit Benno Besson, Manfred Karge und Matthias Langhoff und lebte viele Jahre
zusammen mit der Bühnen- und Kostümbildnerin H. B. , die einen Sohn mit in die
Beziehung brachte. M. B. ist inzwischen längst auch Schauspieler, wir verstehen
uns bestens und nennen uns Halbbrüder.“
Wenn man die Suchbegriffe „L. “ und „B.
“ bei der Suchmaschine Google eingibt, erhält man zahlreiche Treffer, von
denen bei mindestens 20 angegeben ist, dass beide Stiefbrüder oder Brüder oder
Halbbrüder seien.
Die Beklagte betreibt die Internetseite
www.freizeitrevue.de. Auf dieser Internetseite veröffentlichte sie anlässlich
eines Filmprojektes, an dem M. B. mit der Ehefrau des Klägers (A. L.)
zusammenarbeitete, den folgenden Artikel:
„A. L.: Begegnung mit dem verlorenen Bruder Autor:
Freizeitrevue Redaktion Ein Fall von Familien-Zusammenführung? Könnte man so
sagen. Denn bei den Dreharbeiten zur ARD-Miniserie ‚Die Stadt und die Macht‘
lernte A. L. den lange verlorenen Stiefbruder ihres Mannes J. L. so richtig
kennen. M. B. spielt in dem sechsteiligen Werk den Wahlkampf-Manager der
Berliner Bürgermeisterkandidatin, die A. L. darstellt. Da kommt man sich schon
mal familiär nahe. Und Zeit wird’s. Denn lange wusste M. überhaupt nichts von
der Existenz seines Bruders. Dessen Vater K. L. – hatte auch M. für seinen
leiblichen Vater gehalten. Schließlich lebte K. mit ihm und seiner Mutter. Doch
mit 12 entdeckte M. Unterlagen im Schrank und merkte: Stimmt alles nicht.
Lange verheimlicht Dass K. noch einen richtigen Sohn hatte,
erfuhr er erst jetzt. Es war J. L. . Den hatte K. bis dahin unterschlagen. ‚J.
durfte uns nie begegnen und als er mal da war, durfte er nicht sagen, wer er
ist. Das war für ihn wahnsinnig schwer, weil ich den Vater hatte, den er nicht
hatte‘, so M. zum Tagesspiegel. J. war schon 15, als M. die Wahrheit erfuhr. Er
versuchte, nochmal einen tragfähigen Kontakt zu seinem großen Bruder zu
kriegen. Und J. brachte dem jüngeren sogar brav Gitarrespielen bei und wie man
Zigaretten dreht. Doch richtig Familie wurde das nicht mehr. ‚Wenn wir uns heute
sehen, freuen wir uns, aber es ist kein gewachsenes familiäres Verhältnis.‘ Was
für eine schöne Gelegenheit für die warmherzige A. L., nun bei den Dreharbeiten
zu ‚Die Stadt und die Macht‘ den kleinen Bruder ihres Mannes endlich in ihre
große Patchwork-Familie einzugemeinden.“
Auf Antrag des Klägers hat das Landgericht der Beklagten
untersagt, erneut zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder
veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen:
„A. L.: Begegnung mit dem verlorenen Bruder
… lange verlorenen Stiefbruder ihres Mannes J. L. so
richtig kennen. … Und Zeit wird’s Denn lange wusste M. überhaupt nichts von
der Existenz seines Bruders. Dass K. noch einen richtigen Sohn hatte, erfuhr er
erst jetzt. Es war J. L. . Den hatte K. bis dahin unterschlagen. J. durfte uns
nie begegnen und als er mal da war, durfte er nicht sagen, wer er ist. Das war
für ihn wahnsinnig schwer, weil ich den Vater hatte, den er nicht hatte, so M.
zum Tagesspiegel. J. war schon 15, als M. die Wahrheit erfuhr. Er versuchte,
nochmal einen tragfähigen Kontakt zu seinem großen Bruder zu kriegen. Und J.
brachte dem Jüngeren sogar brav Gitarrenspielen bei und wie man Zigaretten
dreht“
wie geschehen auf www.freizeitrevue.de in dem Artikel mit
der Überschrift „A.L.: Begegnung mit dem verlorenen Bruder.“
Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten
überwiegend zurückgewiesen und lediglich den Satz „Und J. brachte dem
Jüngeren sogar brav Gitarrespielen bei und wie man Zigaretten dreht,“
nicht beanstandet. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt
die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Gründe
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger gegen
die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung der beanstandeten Äußerungen in dem
genannten Umfang aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB,
Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG zu. Es liege ein Eingriff in die Privatsphäre
des Klägers vor, diese erfasse insbesondere auch Vorgänge und Lebensäußerungen
aus dem familiären Bereich wie das Verhältnis zu Familienmitgliedern.
Mitgeteilt würden Details aus dem Privatleben des Klägers wie etwa das Verbot
des Vaters zur Offenlegung der Verwandtschaftsverhältnisse und die damit
verbundenen inneren Konflikte des Klägers. Dies habe gegenüber dem bekannten
Umstand, dass es sich bei dem Kläger und M. B. um sogenannte Stiefbrüder
handle, einen eigenständigen Eingriffsgehalt und lasse sogar negative
Rückschlüsse auf die Vater-Sohn-Beziehung und die moralische Integrität des
Vaters des Klägers und dessen Verhalten in der zumindest gefühlt abträglichen
Familienkonstellation zu. Der Kläger müsse sich eine umfassende
Berichterstattung über sein Verhältnis zu M. B. unter dem Gesichtspunkt einer
Selbstöffnung nicht gefallen lassen. Da die Selbstäußerung zu diesem Teil der
Familiengeschichte bewusst vage und substanzlos gehalten gewesen sei, führe
dies nicht dazu, dass in beliebiger Detaildichte über die weiteren
Familieninterna aus diesem Bereich frei und ungehindert berichtet werden dürfe.
Die Äußerungen zum „verlorenen Bruder“ und zum
„Unterschlagen“ des Stiefbruders seien auf den Tatsachenkern
gestützt, dass M. B. lange nicht gewusst habe, dass der Kläger der leibliche
Sohn von K. L. sei, die beiden sich lange auch nicht hätten begegnen dürfen und
der Kläger dabei später nicht habe sagen dürfen, dass er leiblicher Sohn von K.
L. sei, und dass eine Art familiäre Beziehung zwischen dem Kläger und M. B.
sich erst entwickelt habe, als der Kläger 15 Jahre alt gewesen sei. Dies seien
vertrauliche Details zu den persönlichen Verhältnissen, die den Kläger
(mit)beträfen und die er bisher auch allesamt nicht der Öffentlichkeit
preisgegeben habe. Auch in den anderen Passagen der Biographie habe der Kläger
sich nicht beliebig zu allen Details aus seiner Familiengeschichte geöffnet.
Etwas Anderes folge auch nicht daraus, dass zumindest M. B. die berichteten
Tatsachen selbst der Öffentlichkeit im Interview preisgegeben haben solle. Dem
Kläger sei eine Selbstöffnung seines Stiefbruders nicht zuzurechnen, sondern
für jede Information müsse weiterhin eine Abwägung durchgeführt werden, ob im
konkreten Fall und Kontext das Persönlichkeitsrecht einer der Parteien eine
Wiedergabe der fraglichen Details verbiete oder ob dagegen das öffentliche
Berichterstattungsinteresse überwiege.
II.
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung
nicht in jeder Hinsicht stand.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem
Kläger gegen die Beklagte auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kein
Anspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art.
2 Abs. 1 GG auf Unterlassung der beanstandeten Teile des Berichts über den
„verlorenen Bruder“ zu.
1. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht angenommen,
dass die Veröffentlichung der angegriffenen Textpassage das durch Art. 2 Abs. 1
i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete allgemeine
Persönlichkeitsrecht des Klägers beeinträchtigt. Betroffen ist dieses in seiner
Ausprägung als Recht auf Achtung der Privatsphäre, das jedem einen autonomen
Bereich der eigenen Lebensgestaltung zugesteht, in dem er seine Individualität
unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen kann. Dazu gehört auch das
Recht, für sich zu sein, sich selber zu gehören und den Einblick durch andere
auszuschließen. Der Schutz der Privatsphäre ist sowohl thematisch als auch
räumlich bestimmt. Er umfasst insbesondere Angelegenheiten, die wegen ihres
Informationsinhalts typischerweise als „privat“ eingestuft werden,
etwa weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich
gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen
der Umwelt auslöst (vgl. Senatsurteile vom 2. Mai 2017 – VI ZR 262/16, VersR
2017, 959 Rn. 19; vom 29. November 2016 – VI ZR 382/15, VersR 2017, 365 Rn. 9;
vom 5. Dezember 1995 – VI ZR 332/94, AfP 1996, 137, 138; vom 14. Oktober 2008 –
VI ZR 272/06, AfP 2008, 610 Rn. 20; – VI ZR 256/06, AfP 2008, 606 Rn. 20 und –
VI ZR 260/06, VersR 2009, 511 Rn. 19; vom 18. September 2012 – VI ZR 291/10,
AfP 2012, 551 Rn. 12; BVerfGE 32, 373, 378; 101, 361, 382). Zur Privatsphäre
gehören grundsätzlich auch – regelmäßig in Abhängigkeit von Detailreichtum und
Tiefe der Informationen – Vorfälle aus dem Familienbereich, familiäre
Auseinandersetzungen und die Ausgestaltung und eigene Bewertung familiärer
Beziehungen (vgl. nur Senatsurteile vom 26. Januar 1965 – VI ZR 204/63, JZ
1965, 411; vom 22. November 2011 – VI ZR 26/11, NJW 2012, 763; Staudinger/Hager
(2017) C. Das Persönlichkeitsrecht, Rn. C 189; Wanckel in
Götting/Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, § 19 Rn. 5).
2. Nach diesen Maßstäben beeinträchtigt die beanstandete
Passage das Recht des Klägers auf Achtung der Privatsphäre.
a) Nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und
verständigen Lesers dieser Veröffentlichung (vgl. Senatsurteil vom 12. April
2016 – VI ZR 505/14, VersR 2016, 938 Rn. 11; BVerfG NJW 2013, 217, 218) teilt
die Beklagte in dem Artikel mit, dass M. B. lange Zeit nichts von der Existenz
des Klägers gewusst habe, dass der Vater des Klägers M. B. längere Zeit nichts
von der Existenz des Klägers erzählt habe, dass der Kläger der neuen Familie
seines Vaters nie habe begegnen dürfen, wenn er aber mal da gewesen sei, nicht
habe sagen dürfen, wer er sei, dass das aus Sicht von M. B. für ihn wahnsinnig
schwer gewesen sei, weil dieser den Vater gehabt habe, den er nicht gehabt
habe, dass der Kläger schon 15 Jahre alt gewesen sei, als M. B. die Wahrheit
erfahren habe, und dass dieser versucht habe, einen tragfähigen Kontakt zu
seinem großen Bruder zu bekommen. Auch wenn die Beklagte nicht durchgängig den
Begriff des „Stiefbruders“ verwendet, sondern auch von einem
„Bruder“ spricht, wird im Gesamtkontext – „dessen Vater K. L.
hatte auch M. für seinen leiblichen Vater gehalten“ – ersichtlich, dass es
sich bei M. B. nicht um einen Blutsverwandten des Klägers handelt. Die Ausführungen,
dass die Ehefrau des Klägers, die Schauspielerin A. L., diesen nun „so
richtig“ kennen lerne, macht dem verständigen Leser deutlich, dass eine
Bekanntschaft der beiden schon vorher bestand. Dargestellt wird dann, für den
durchschnittlichen verständigen Leser erkennbar aus Sicht des M. B. , wie
dieser die Gefühlslage des Klägers in der Folge des väterlichen Verhaltens
einschätzt. Diese Informationen sind der Privatsphäre zuzuordnen. Gegen ihre
Wahrheit wendet sich der Kläger nicht.
b) Entgegen der Auffassung der Revision ist eine
Beeinträchtigung des Rechts des Klägers auf Achtung seiner Privatsphäre nicht
deshalb zu verneinen, weil er in seiner Autobiographie mitgeteilt hat, dass
sein Vater nach der Trennung seiner Eltern mit der Mutter von M. B. und diesem
wie in einer Familie zusammen lebte. Zwar kann sich der Betroffene nicht auf
ein Recht zur Privatheit hinsichtlich solcher Tatsachen berufen, die er selbst
der Öffentlichkeit preisgegeben hat (vgl. BVerfGE 80, 367, 374; 101, 361, 385;
BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 25). Deshalb kann der Schutz der Privatsphäre vor
öffentlicher Kenntnisnahme dort entfallen oder zumindest im Rahmen der Abwägung
zurücktreten, wo sich der Betroffene selbst damit einverstanden gezeigt hat,
dass bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten öffentlich
gemacht werden; die Erwartung, dass die Umwelt die Angelegenheiten oder
Verhaltensweisen in einem Bereich mit Rückzugsfunktion nur begrenzt oder nicht
zur Kenntnis nimmt, muss situationsübergreifend und konsistent zum Ausdruck
gebracht werden (vgl. BVerfGE 101, 361, 385; BVerfG, NJW 2006, 3406, 3408;
Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 – VI ZR 292/03, VersR 2005, 84, 85; vom 5.
Dezember 2006 – VI ZR 45/05, NJW 2007, 686 Rn. 21; vom 29. November 2016 – VI
ZR 382/15, VersR 2017, 365 Rn. 12; vom 6. Februar 2018 – VI ZR 76/17, VersR
2018, 554 Rn. 27). Indes umfasst die Selbstöffnung des Klägers nicht die
beanstandeten Details der im Übrigen offengelegten persönlichen und familiären
Beziehungen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erfolgt eine weitere
Erwähnung von M. B. in der Autobiographie des Klägers nicht.
Obwohl der Artikel die Begegnung der Ehefrau des Klägers und
des Stiefbruders in den Vordergrund rückt und vor allem das Verhalten des
Vaters des Klägers darstellt, kann der Kläger auch nicht, wie die Revision
meint, nur dem Kreis der mittelbar Betroffenen zugerechnet werden, da er
namentlich erwähnt wird und seine Beziehungen zu seinem Vater und dem
Stiefbruder thematisiert werden (vgl. Senatsurteil vom 15. April 1980 – VI ZR 76/79,
VersR 1980, 679 f.).
c) Eine Beeinträchtigung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts des Klägers ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil
sich der Kläger eine Selbstbegebung des M. B. wie eine eigene zurechnen lassen
müsste. Eine solche mag beispielsweise bei (Ehe)Partnern, minderjährigen
Kindern, Vertretern oder Bevollmächtigten oder freiwilliger Mitveranlassung des
Betroffenen zu erwägen sein (vgl. BVerfG, NJW 2006, 3406, 3408; Senatsurteil
vom 29. November 2016 – VI ZR 382/15, VersR 2017, 365 Rn. 13; vgl. auch die
Darstellung bei Tofall, AfP 2014, 399 ff.). Ob und ggf. wie die Voraussetzungen
einer Zurechnung grundsätzlich beschrieben und eingegrenzt werden können, muss
jedoch hier nicht entschieden werden, da Aspekte für eine engere Beziehung, ein
konkludent gebilligtes Verhalten, eine freiwillige Mitveranlassung oder eine
ähnliche Zurechnungsgrundlage nicht ersichtlich sind.
3. Die Beeinträchtigung des Rechts des Klägers auf Achtung
seiner Privatsphäre durch die genannten Äußerungen ist jedoch nicht
rechtswidrig. Das Recht der Beklagten auf Meinungs- und Pressefreiheit aus Art.
5 Abs. 1 GG und ihr Interesse an der Information der Öffentlichkeit überwiegen
hier das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit.
a) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines
Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss
grundsätzlich erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich
geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls
sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der europäischen
Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der
Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das
Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite
überwiegt (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 – VI ZR 211/12, BGHZ 199,
237 Rn. 22; vom 30. September 2014 – VI ZR 490/12, AfP 2014, 534, 536; vom 15.
September 2015 – VI ZR 175/14, BGHZ 206, 347 Rn. 20; vom 29. November 2016 – VI
ZR 382/15, VersR 2017, 365 Rn. 15).
b) Im Streitfall ist das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1
GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Klägers am Schutz seiner
Persönlichkeit mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten
Recht der Beklagten auf Meinungs- und Pressefreiheit abzuwägen. Zwar handelt es
sich bei den Angaben über die „neue Familie“ des Vaters des Klägers,
das Verbot des Vaters zur Offenlegung des Verwandtschaftsverhältnisses, die
nach Einschätzung des M. B. daraus folgende emotionale Belastung des Klägers
und seine Beziehung zu seinem Stiefbruder um wahre Tatsachenbehauptungen bzw.
Werturteile mit wahrem Tatsachenkern. Da sie aber die Privatsphäre betreffen,
ist ungeachtet ihrer Wahrheit von entscheidender Bedeutung, ob sie sich durch
ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit rechtfertigen lassen
(vgl. Senatsurteil vom 29. November 2016 – VI ZR 382/15, VersR 2017, 365 Rn.
16; BVerfGE 99, 185, 196 f.; BVerfG, AfP 2000, 445, 447). Davon ist im
Streitfall nach Abwägung der maßgeblichen Interessen auszugehen.
aa) Der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG erstreckt sich
auch auf die Äußerung von Tatsachen, soweit sie Dritten zur Meinungsbildung
dienen können (Senatsurteile vom 22. November 2011 – VI ZR 26/11, AfP 2012, 53
Rn. 14; vom 3. Februar 2009 – VI ZR 36/07, VersR 2009, 555 Rn. 11; vom 22.
April 2008 – VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 16; jeweils mwN; BVerfGE 99, 185,
197). Zum Kern der Presse- und Meinungsfreiheit gehört es, dass die Medien im
Grundsatz nach ihren eigenen publizistischen Kriterien entscheiden können, was
sie des öffentlichen Interesses für wert halten und was nicht (vgl.
Senatsurteile vom 22. November 2011 – VI ZR 26/11, aaO Rn. 19; vom 26. Oktober
2010 – VI ZR 230/08, BGHZ 187, 200 Rn. 20; vom 10. März 2009 – VI ZR 261/07,
BGHZ 180, 114 Rn. 11; vom 1. Juli 2008 – VI ZR 67/08, VersR 2008, 1411 Rn. 14;
BVerfGE 120, 180, 197; 101, 361, 389; jeweils mwN). Auch unterhaltende
Beiträge, etwa über das Privat- und Alltagsleben prominenter Personen, nehmen
grundsätzlich an diesem Schutz teil (vgl. Senatsurteile vom 22. November 2011 –
VI ZR 26/11, aaO Rn. 19; vom 26. Oktober 2010 – VI ZR 230/08, aaO Rn. 20; vom
10. März 2009 – VI ZR 261/07, aaO Rn. 11; vom 14. Oktober 2008 – VI ZR 272/06,
VersR 2009, 78 Rn. 14; vom 9. Dezember 2003 – VI ZR 373/02, NJW 2004, 762, 764;
BVerfGE 120, 180, 197, 205; BVerfG, NJW 2000, 2194, 2195; BVerfGE 101, 361, 389
ff.), ohne dass dieser von der Eigenart oder dem Niveau der Berichterstattung
abhängt (vgl. Senatsurteil vom 10. März 2009 – VI ZR 261/07, aaO Rn. 11 mwN).
Gerade prominente Personen können der Allgemeinheit Möglichkeiten der
Orientierung bei eigenen Lebensentwürfen bieten sowie Leitbild- und
Kontrastfunktionen erfüllen. Auch Aspekte aus ihrem Privatleben wie
beispielsweise die Normalität ihres Alltagslebens können der Meinungsbildung zu
Fragen von allgemeinem Interesse dienen (vgl. Senatsurteile vom 10. März 2009 –
VI ZR 261/07, aaO Rn. 11; vom 28. Oktober 2008 – VI ZR 307/07, BGHZ 178, 213
Rn. 13; BVerfGE 120, 180, 204; 101, 361, 390). Für die Frage, ob der Schutzbereich
des Art. 5 Abs. 1 GG eröffnet ist, kommt es nicht darauf an, ob es sich um eine
Person des politischen Lebens oder um eine andere Person des öffentlichen
Lebens handelt (BVerfGE 101, 361, 391).
bb) Im Rahmen der Abwägung ist von maßgeblicher Bedeutung,
ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse
ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des
Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob
sie lediglich die Neugier der Leser nach privaten Angelegenheiten prominenter
Personen befriedigen (Senatsurteil vom 22. November 2011 – VI ZR 26/11, aaO Rn.
19; BVerfG, NJW 2000, 2194, 2195; vgl. auch Senatsurteile vom 10. März 2009 –
VI ZR 261/07, aaO Rn. 12; vom 14. Oktober 2008 – VI ZR 272/06, aaO Rn. 15;
BVerfGE 101, 361, 391; 120, 180, 205). Je größer der Informationswert für die
Öffentlichkeit ist, desto mehr muss das Schutzinteresse desjenigen, über den
informiert wird, hinter den Informationsbelangen der Öffentlichkeit zurücktreten.
Umgekehrt wiegt aber auch der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen umso
schwerer, je geringer der Informationswert für die Allgemeinheit ist (vgl.
Senatsurteile vom 26. Oktober 2010 – VI ZR 230/08, aaO Rn. 10; vom 9. Dezember
2003 – VI ZR 373/02, aaO mwN).
cc) Bei der Prüfung der Frage, ob und in welchem Ausmaß die
Berichterstattung einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung leistet und
welcher Informationswert ihr damit beizumessen ist, ist von erheblicher
Bedeutung, welche Rolle dem Betroffenen in der Öffentlichkeit zukommt. Der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte unterscheidet zwischen Politikern
(„politicians/ personnes politiques“), sonstigen im öffentlichen
Leben oder im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehenden Personen („public
figures/personnes publiques“) und Privatpersonen („ordinary
person/personne ordinaire“), wobei einer Berichterstattung über letztere
engere Grenzen als in Bezug auf den Kreis sonstiger Personen des öffentlichen
Lebens gezogen seien und der Schutz der Politiker am schwächsten sei (vgl.
EGMR, NJW 2015, 1501; NJW 2010, 751; Urteile vom 30. März 2010, Beschwerde-Nr.
20928/05, BeckRS 2012, 18730; vom 17. Oktober 2006, Beschwerde-Nr. 71678/01;
GRUR 2012, 745). Er erkennt ein gesteigertes Informationsinteresse der
Öffentlichkeit hinsichtlich politischer Akteure an, wobei nicht nur die
Amtsführung, sondern unter besonderen Umständen im Hinblick auf die Rolle der
Presse als „Wachhund der Öffentlichkeit“ auch Aspekte des
Privatlebens betroffen sein können (vgl. EGMR, NJW 2010, 751; NJW 2004, 2647;
GRUR 2012, 745). Auch der Senat hat für Personen des politischen Lebens ein
gesteigertes Informationsinteresse des Publikums unter dem Gesichtspunkt
demokratischer Transparenz und Kontrolle stets als legitim anerkannt, weshalb
eine Berichterstattung über die Normalität ihres Alltagslebens oder über
Umstände der privaten Lebensführung wie etwa eine private Beziehung zu einer
prominenten Lebensgefährtin durch das Informationsinteresse der Öffentlichkeit
gerechtfertigt sein kann (Senatsurteil vom 22. November 2011 – VI ZR 26/11, aaO
Rn. 18; vgl. auch Senatsurteil vom 24. Juni 2008 – VI ZR 156/06, BGHZ 177, 119
Rn. 17 unter Verweis auf BVerfGE 101, 361, 390). Der Persönlichkeitsschutz
greift in diesen Fällen erst dann, wenn die beanstandeten Äußerungen für sich
genommen oder im Zusammenhang mit der Bildberichterstattung einen
eigenständigen Verletzungseffekt aufweisen, der ihr Verbot rechtfertigen
könnte, etwa wenn sie in den besonders geschützten Kernbereich der Privatsphäre
des Betroffenen eingreifen oder Themen betreffen, die schon von vornherein
überhaupt nicht in die Öffentlichkeit gehören (Senatsurteil vom 22. November
2011 – VI ZR 26/11, aaO Rn. 19). Stets abwägungsrelevant ist die Intensität des
Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (vgl. Senatsurteile vom 22.
November 2011 – VI ZR 26/11, aaO Rn. 20; vom 10. März 2009 – VI ZR 261/07, aaO
Rn. 19; vom 26. Oktober 2008 – VI ZR 230/08, aaO Rn. 22; BVerfG AfP 2010, 562
Rn. 64; BVerfGE 120, 180, 209). Diese ist als gering zu werten, wenn es sich um
zutreffende Tatsachen handelt, die entweder belanglos sind oder sich allenfalls
oberflächlich mit der Person des Klägers beschäftigen, ohne einen tieferen
Einblick in seine persönlichen Lebensumstände zu vermitteln (vgl. Senatsurteile
vom 10. März 2009 – VI ZR 261/07, aaO Rn. 19; vom 26. Oktober 2008 – VI ZR
230/08, aaO Rn. 22) und ohne herabsetzend oder gar ehrverletzend zu sein (vgl.
Senatsurteile vom 22. November 2011 – VI ZR 26/11, aaO Rn. 20; vom 2. Mai 2017
– VI ZR 262/16, VersR 2017, 959 Rn. 28).
dd) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es
sich bei dem Kläger, einem bekannten deutschen Schauspieler und Musiker, um
eine Person des öffentlichen Lebens. Da er keine Person des politischen Lebens
ist, lässt sich ein gesteigertes Informationsinteresse an Aspekten seines
Privatlebens nicht unter dem Gesichtspunkt demokratischer Transparenz und
Kontrolle begründen. Als prominente Person kann er dennoch gegenüber der
Allgemeinheit, insbesondere seinen Anhängern, eine Leitbild- und
Kontrastfunktion erfüllen. Ein Beitrag zur öffentlichen Diskussion und Bildung
der öffentlichen Meinung zur Bewältigung von elterlicher Trennung und Scheidung
und Ausbildung neuer Familienstrukturen kann dem Artikel auch bei überwiegend
unterhaltender Ausrichtung insoweit nicht abgesprochen werden.
ee) Wie bereits dargelegt, kann der Schutz der Privatsphäre
im Rahmen der Abwägung zurücktreten, wo sich der Betroffene selbst damit
einverstanden gezeigt hat, dass bestimmte, gewöhnlich als privat geltende
Angelegenheiten öffentlich gemacht werden.
Das hat der Kläger zwar nicht hinsichtlich der beanstandeten
Details getan. In seiner Autobiographie „Soundtrack meiner Kindheit“
hat er aber über das Privatleben seiner Eltern – Trennung und Scheidung – und
die neue Lebensgemeinschaft seines Vaters unter namentlicher Nennung der
Lebensgefährtin und deren Sohnes sowie über deren Berufe berichtet. Er hat sein
Verhältnis zum Stiefbruder – wenn auch oberflächlich – beleuchtet und selbst
die Bezeichnung „Halbbruder“ gewählt, die eine engere Beziehung als
die zu einem Stiefbruder nahelegt. Darüber hinaus wirft die Beschreibung des
Vaters – „zu Gast in meiner Kindheit“ – ein aus seiner Sicht
vorsichtig kritisches Licht auf diesen, wenn auch ein gewisser Stolz auf die
Zugehörigkeit zu einer „Theaterfamilie“ bei der Verknüpfung der
väterlichen Arbeit mit den Namen bekannter Regisseure durchscheint. Der Kläger
hat damit Teile seines Privatlebens bzw. des Privatlebens seines Vaters und
seines Stiefbruders offengelegt. Eine Erwartung der Geheimhaltung weiterer
Details über seine Informationen hinaus hat er schon nicht konsistent zum
Ausdruck gebracht, denn er hat es nicht bei der Schilderung der rechtlichen
Beziehungen und faktischen Lebensverhältnisse belassen, sondern identifizierend
berichtet und die Beziehungen aus seiner Sicht wertend eingeordnet.
Der bereits prominente Kläger hat mit seiner Autobiographie
aktiv die Öffentlichkeit gesucht und identifizierend über die Trennung seiner
Eltern, die neue Familie seines Vaters und sein Verhältnis zum Vater berichtet.
Er musste deshalb damit rechnen, dass die Neugier der Öffentlichkeit geweckt
wird und einer der von seinen Informationen Betroffenen der Öffentlichkeit
einen etwas tieferen Einblick in die Familiengeschichte gibt. Darüber hinaus
bewirbt er mit seiner Autobiographie seine musikalischen und schauspielerischen
Fähigkeiten und Aktivitäten und kommerzialisiert damit auch teilweise seine
familiären Verhältnisse (vgl. BVerfG, NJW 2012, 1500 Rn. 37).
ff) Soweit im Zusammenhang mit der Rechtsschutz
beschränkenden Wirkung einer Selbstöffnung gefordert wird, dass die jeweilige
Veröffentlichung grundsätzlich mit dem von dem Betroffenen der Öffentlichkeit
zugänglich gemachten Teilbereich seiner Privatsphäre korrespondieren muss (vgl.
Korte, Praxis des Presserechts, 2014, § 2 Rn. 71), ist eine solche thematische
Korrespondenz hier gegeben. Auch die „Intensität der Selbstbegebung“
(vgl. Korte, aaO, § 2 Rn. 72) bzw. die Informationstiefe hat das Berufungsgericht
zu Recht in den Blick genommen (vgl. Senatsurteil vom 29. November 2016 – VI ZR
382/15, VersR 2017, 365 Rn. 11 ff.; vgl. BVerfG AfP 2010, 365 Rn. 31; vgl. zur
Bildberichterstattung insoweit Senatsurteile vom 6. Februar 2018 – VI ZR 76/17,
VersR 2018, 534 Rn. 26, 27; vom 9. Dezember 2003 – VI ZR 404/02, VersR 2004,
525 zu Luftbildaufnahmen, die „in der Sache kaum neues hinzufügen“;
BVerfG, NJW 2006, 2838).
Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die beanstandeten
Äußerungen zum Verhältnis des (Stief)Vaters zu Sohn und Stiefsohn, zum
Verhalten des Vaters bzw. Stiefvaters und zu der Beurteilung, dessen Anordnung
oder die Situation sei für den Kläger „wahnsinnig schwer“ gewesen,
auf Informationen beruhen, die M. B. bei einem Interview der Presse gegeben
hat. Dies ist deshalb zu Gunsten der Revision zu unterstellen. Grundlage der
beanstandeten Äußerungen sind danach Angaben, die M. B. öffentlich gemacht hat
und in denen er seine – vom Kläger inhaltlich nicht angegriffene – Sicht auf
die familiären Verhältnisse schildert.
Gegenüber der Darstellung in der Autobiographie des Klägers
handelt es sich bei dieser Schilderung um eine thematisch korrespondierende,
wenig intensive Vertiefung der Informationen, die nicht der Intimsphäre
zuzuordnen ist (vgl. dazu auch BVerfGE, NJW 1990, 1980).
III.
Danach kann das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben. Da
noch weitere Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob M. B. die ihm
zugeschriebenen Äußerungen öffentlich gemacht hat, ist die Sache nicht
entscheidungsreif und deshalb gemäß § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen.
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 09.11.2016 – 28 O 122/16 –
OLG Köln, Entscheidung vom 22.06.2017 – 15 U 181/16 –

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Bundesgerichtshof gestattet Bildberichterstattung über den damaligen Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit bei einem Restaurantbesuch am Vorabend einer Misstrauensabstimmung

Der
BGH hat entschieden, dass die Bildberichterstattung in der BILD-Zeitung über
den damaligen Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit bei einem
Restaurantbesuch am Vorabend einer Misstrauensabstimmung zulässig war.
Urteil
vom 27. September 2016 – VI ZR 310/14 
Der
Kläger, ehemaliger Regierender Bürgermeister der Stadt Berlin, wendet sich
gegen die Veröffentlichung von drei Bildern in der Berlin-Ausgabe der von der
Beklagten verlegten „BILD“-Zeitung unter der Überschrift „Vor
der Misstrauensabstimmung ging´s in die Paris-Bar …“. Die Bilder zeigen
den Kläger beim Besuch dieses Restaurants, einem bekannten Prominenten-Treff in
Berlin, ferner einen Freund, den „“Bread &
Butter“-Chef“, und dessen Frau am Vorabend der Misstrauensabstimmung
im Abgeordnetenhaus von Berlin. Diese war wegen des in die Kritik
geratenen  Managements beim Bau des neuen
Berliner Flughafens (BER) beantragt worden. Im Bildtext heißt es unter anderem:
„Der Regierende wirkt am Vorabend der Abstimmung im Parlament ersichtlich
entspannt … und genehmigt sich einen Drink in der Paris-Bar
(Kantstraße)“. Die Bilder sind eingeschoben in einen Artikel über die
politische Vita des Klägers mit der Überschrift „Vom Partybürgermeister
zum Bruchpiloten“, in dem über die Amtsjahre des Klägers und seinen
„Absturz in 11,5 Jahren“ berichtet wird.
Das
Landgericht hat der Klage auf Unterlassung der Veröffentlichung der
genannten  Bilder stattgegeben. Das
Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten
zurückgewiesen. Auf die Revision der Beklagten hat der VI. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs nunmehr die Klage abgewiesen.
Im
Streitfall waren die veröffentlichten Fotos dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1
KunstUrhG
) zuzuordnen und durften von der Beklagten deshalb auch ohne Einwilligung
des Klägers (§ 22
KunstUrhG
) verbreitet werden, da berechtigte Interessen des Abgebildeten
damit nicht verletzt wurden. Das Berufungsgericht hatte bei der Beurteilung des
Zeitgeschehens den Kontext der beanstandeten Bildberichterstattung nicht hinreichend
berücksichtigt und deshalb rechtsfehlerhaft dem Persönlichkeitsrecht des
Klägers den Vorrang vor der durch Art.
5 Abs. 1 GG
geschützten Pressefreiheit eingeräumt. Im Zusammenhang mit der
Presseberichterstattung über ein bedeutendes politisches Ereignis (hier:
Misstrauensabstimmung im Berliner Abgeordnetenhaus) kann die ohne Einwilligung
erfolgende Veröffentlichung von Fotos, die den davon betroffenen Regierenden
Bürgermeister am Vorabend  in einer für
sich genommen privaten Situation zeigen, durch das Informationsinteresse der
Allgemeinheit gerechtfertigt sein. Die Bilder zeigten, wie der – von ihm
unbeanstandet – als „Partybürgermeister“ beschriebene Kläger in der
Öffentlichkeit am Vorabend des möglichen Endes seiner politischen Laufbahn mit
dieser Belastung umging und zwar – wie im Kontext beschrieben – entspannt
„bei einem Drink“ in der Paris-Bar. Durch die beanstandete
Bildberichterstattung wurden auch keine berechtigten Interessen des
abgebildeten Klägers im Sinne des § 23 Abs. 2 KUG
verletzt. Sie zeigte den Kläger in einer eher unverfänglichen Situation beim
Abendessen in einem bekannten, von prominenten Personen besuchten Restaurant.
Er konnte unter diesen Umständen – gerade am Vorabend der Misstrauensabstimmung
– nicht damit rechnen, den Blicken der Öffentlichkeit und der Presse entzogen
zu sein.
Bildnisse
dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur
Schau gestellt werden. 
Ohne
die nach § 22
erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:
Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte.
Die
Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung,
durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten …verletzt wird.
Vorinstanzen: 
LG
Berlin – Urteil vom 27. August 2013 – 27 O 180/13
Quelle: Pressemitteilung
Nr.
167/2016 vom 27.09.2016
Karlsruhe,
den 27. September 2016 
Pressestelle
des Bundesgerichtshofs
76125
Karlsruhe
Telefon
(0721) 159-5013

Telefax
(0721) 159-5501
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BVerfG: Die falsche Einordnung einer Äußerung als Schmähkritik verkürzt den grundrechtlichen Schutz der Meinungsfreiheit

Beschluss vom 29. Juni
2016
Wegen seines die
Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik von
Verfassungs wegen eng zu verstehen. Schmähkritik ist ein Sonderfall der
Beleidigung, der nur in seltenen Ausnahmekonstellationen gegeben ist. Die
Anforderungen hierfür sind besonders streng, weil bei einer Schmähkritik anders
als sonst bei Beleidigungen keine Abwägung mit der Meinungsfreiheit
stattfindet. Wird eine Äußerung unzutreffend als Schmähkritik eingestuft, liegt
darin ein eigenständiger verfassungsrechtlicher Fehler, auch wenn die Äußerung
im Ergebnis durchaus als Beleidigung bestraft werden darf. Dies hat die 3.
Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts mit heute
veröffentlichtem Beschluss entschieden und damit einer Verfassungsbeschwerde
gegen die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen
Beleidigung stattgegeben.
Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer
ist Rechtsanwalt und vertrat als Strafverteidiger den Beschuldigten in einem
Ermittlungsverfahren wegen Veruntreuung von Spendengeldern. Nachdem gegen den
Beschuldigten auf Antrag der Staatsanwaltschaft Haftbefehl erlassen worden war,
kam es bei der Haftbefehlsverkündung zu einer heftigen Auseinandersetzung
zwischen der mit dem Verfahren betrauten Staatsanwältin und dem
Beschwerdeführer, der der Ansicht war, dass sein Mandant zu Unrecht verfolgt
wurde. Am Abend desselben Tages meldete sich ein Journalist, der eine Reportage
über den Beschuldigten plante, telefonisch beim Beschwerdeführer. Der Beschwerdeführer
wollte mit dem ihm unbekannten Journalisten nicht sprechen. Auf dessen
hartnäckiges Nachfragen und weil er immer noch verärgert über den Verlauf der
Ermittlungen war, äußerte er sich dann doch über das Verfahren und bezeichnete
im Laufe des Telefonats die mit dem Verfahren betraute Staatsanwältin unter
anderem als „dahergelaufene Staatsanwältin“ und „durchgeknallte
Staatsanwältin“.
Das Landgericht
verurteilte den Beschwerdeführer wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 70
Tagessätzen zu je 120 €. Die Revision des Beschwerdeführers war erfolglos. Mit
seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer vornehmlich die
Verletzung seines Grundrechts auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG).
Wesentliche Erwägungen
der Kammer:
Die angegriffenen
Entscheidungen verletzten den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf
Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs.
1 Satz 1 GG
.
1. Das Grundrecht auf
Meinungsfreiheit schützt nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen. Vielmehr
darf Kritik auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen. Einen Sonderfall
bilden herabsetzenden Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung
darstellen. In diesen Fällen ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der
Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die
Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktritt. Diese für die
Meinungsfreiheit einschneidende Folge gebietet es aber, hinsichtlich des
Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik strenge Maßstäbe anzuwenden.
Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind auch dann verkannt, wenn eine
Äußerung unzutreffend als Schmähkritik eingestuft wird mit der Folge, dass sie
dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen,
die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen
sind.
2. Das Landgericht geht
bei seiner Verurteilung ohne hinreichende Begründung vom Vorliegen einer
Schmähkritik aus. Zwar sind die in Rede stehenden Äußerungen ausfallend scharf
und beeinträchtigen die Ehre der Betroffenen. Die angegriffenen Entscheidungen
legen aber nicht in einer den besonderen Anforderungen für die Annahme einer
Schmähung entsprechenden Weise dar, dass ihr ehrbeeinträchtigender Gehalt von
vornherein außerhalb jedes in einer Sachauseinandersetzung wurzelnden
Verwendungskontextes stand. Es hätte insoweit näherer Darlegungen bedurft, dass
sich die Äußerungen von dem Ermittlungsverfahren völlig gelöst hatten oder der
Verfahrensbezug nur als mutwillig gesuchter Anlass oder Vorwand genutzt wurde,
um die Staatsanwältin als solche zu diffamieren. So lange solche Feststellungen
nicht tragfähig unter Ausschluss anderer Deutungsmöglichkeiten getroffen sind,
hätte das Landgericht den Beschwerdeführer nicht wegen Beleidigung verurteilen dürfen,
ohne eine Abwägung zwischen seiner Meinungsfreiheit und dem
Persönlichkeitsrecht der Staatsanwältin vorzunehmen. An dieser fehlt es hier.
Auch das Kammergericht hat diese nicht nachgeholt, denn es verweist lediglich
auf eine „noch hinreichende“ Abwägung durch das Landgericht, die indes nicht
stattgefunden hat.
3. Die angegriffenen
Entscheidungen beruhen auf diesem Fehler. Die Gerichte haben folglich erneut
über die strafrechtliche Beurteilung der Äußerung nunmehr im Rahmen einer
Abwägung zu entscheiden. Dabei ist freilich festzuhalten, dass ein Anwalt
grundsätzlich nicht berechtigt ist, aus Verärgerung über von ihm als falsch
angesehene Maßnahmen einer Staatsanwältin oder eines Staatsanwalts diese gerade
gegenüber der Presse mit Beschimpfungen zu überziehen. Insoweit muss sich im
Rahmen der Abwägung grundsätzlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht der
Betroffenen durchsetzen. Die insoweit gebotene Abwägung die sich
gegebenenfalls auch auf die Strafzumessung auswirkt obliegt
jedoch den Fachgerichten.
Vorinstanzen
LG Berlin, Urt. v.
26.01.2015 – (569) 83 Js 445/10 Ns (126/13)
KG, Beschl. v.
21.09.2015 – (3) 121 Ss 71/15 (96/15)