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LAG Baden-Württemberg: Beleidigung bei Facebook mittels Emoticons „fettes Schwein“

Das LAG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 22.06.2016, Az.: 4 Sa 5/16,
 dass die Beleidigung von Vorgesetzten
mittels „Emoticons“ in einem Kommentar in der Facebook-Chronik eines anderen
nach Abwägung der Interessen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers keine
fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber rechtfertige. Vielmehr sei zunächst
eine Abmahnung als milderes Mittel geboten.
Die Beleidigung von Vorgesetzten in der Kommentarfunktion
bei Facebook rechtfertigte – im hier entschiedenen Einzelfall – keine
Kündigung, da eine Abmahnung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ausreichend war,
um künftige Vertragsstörungen zu vermeiden. Dabei ist es ohne Belang, ob die
Beleidigung (u.a. „fettes Schwein“) wörtlich niedergeschrieben wird oder
mittels Emoticon erfolgt.

Der Stein/Das Schwein des Anstoßes
Das Urteil im Volltext:

Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des
Arbeitsgerichts Pforzheim vom 08.12.2015 (1 Ca 290/15) wird
zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer
arbeitgeberseitigen außerordentlichen Kündigung und einer hilfsweisen
ordentlichen Kündigung, über Weiterbeschäftigung und über einen
Auflösungsantrag der Beklagten.
Der am 00.00.19… geborene, verheiratete und gegenüber
einem Kind unterhaltsverpflichtete Kläger ist bei der Beklagten seit 01.09.1999
beschäftigt als Montagearbeiter. Der Kläger hat einen Grad der Behinderung von
20. Der Kläger und seine Ehefrau, die ebenfalls bei der Beklagten beschäftigt
ist, pflegen daheim die demenzkranke Großmutter des Klägers, weshalb beide
wechselweise in Teilzeit arbeiten, der Kläger mit einem Beschäftigungsumfang
von 28 Stunden pro Woche. Der Kläger bezieht ein Tarifentgelt der EG 6 iHv.
2.230,00 EUR monatlich zuzüglich einer Leistungszulage von 18,91 %.

Die Beklagte ist ein Maschinenbauunternehmen. Sie stellt
Spritzgussmaschinen für die Kunststoffverarbeitung her. Sie beschäftigt an
ihrem Stammsitz in L. allein in der Produktion knapp 1.000 Mitarbeiter. Sie ist
damit der größte Arbeitgeber am Ort mit ca. 7.000 Einwohnern. Ein Betriebsrat
ist in diesem Betrieb gebildet.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem
Kläger mit Schreiben vom 03.08.2015, dem Kläger zugegangen am 03.05.2018,
außerordentlich und fristlos. Gegen diese Kündigung richtet sich die
vorliegende Kündigungsschutzklage, die am 11.08.2015 beim Arbeitsgericht
einging. Mit weiterem Schreiben vom 07.08.2015, dem Kläger zugegangen am
07.08.2015, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers hilfsweise
ordentlich zum 31.03.2016. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger am 17.08.2015
eine weitere Kündigungsschutzklage, die ursprünglich unter dem Aktenzeichen 1
Ca 295/15 geführt wurde und die mit Beschluss des Arbeitsgerichts vom
08.12.2015 mit dem vorliegenden Verfahren verbunden wurde.

Die Beklagte stützte die Kündigungen auf folgenden
Sachverhalt:
Der Mitarbeiter M. I. war seit 17.07.2015 wegen eines
Arbeitsunfalls arbeitsunfähig erkrankt. Er verletzte sich an der Hand. Herr I.
postete seine Verletzung in seiner Facebook-Chronik. Es entwickelte sich eine
lebhafte Diskussion in der Kommentarfunktion, an der sich 21 Personen
beteiligten, unter anderem der Kläger und vier weitere Mitarbeiter der
Beklagten (G. L., J. N., I. T. und M. S.). Die Diskussion handelte vom Arbeitsunfall
und der Krankmeldung des Herrn I. sowie um den Zeitpunkt dessen Rückkehr in den
Betrieb der Beklagten. Die Diskussion nahm, soweit vorliegend von Interesse,
folgenden Verlauf:

C. H.: 6 Wochen gelben Urlaubsschein.M. I.: Hahahaha
hahahahaL. F.(Kläger): Lars Ricken sags nicht er kommt im Oktober wieder!!!M.
I.: Was Oktober ich ab gedacht in Dezember!!!L. F.(Kläger): HahhahhahahahaL.
F.(Kläger): Das Fettedreht durch!!!M. I.: Das Spanferkel meinst du!!!!!L.
F.(Kläger): HahahahahL. F.(Kläger): Und derkopf auch!!!C. H.: wat nüü a nü lös
hier?? krank schreiben is wohl mode geworden bei a., seit schonny nicht mehr da
istL. F.(Kläger): Eyyyy keine Namen !!!!zuvieleundhier!!!!

Die Beklagte erlangte hiervon am 27.07.2015 Kenntnis.
Der Betriebsrat wurde zu den Kündigungen angehört mit
Schreiben vom 30.07.2015 (Bl. 45-47 der arbeitsgerichtlichen Akte). Mit
Stellungnahmen vom 31.07.2015 und 04.08.2015 widersprach der Betriebsrat den
Kündigungen, bzw. äußerte Bedenken gegen diese (Bl. 48-51 der arbeitsgerichtlichen
Akte).
Der Kläger meinte, die Kündigungen seien nicht
gerechtfertigt. Es habe sich um eine private Kommunikation in einem geschützten
Raum gehandelt. Die gesamte Kommunikation sei insidergeprägt gewesen. Über den
Empfängerkreis habe er sich keine Gedanken gemacht. Aufgrund der
Schnelllebigkeit des Internets würden die Einträge ohnehin schnell an Bedeutung
verlieren. Außerdem seien mit den Emoticons keine Vorgesetzten gemeint gewesen.
Aus der Konversation ergebe sich nicht, wer gemeint gewesen sei. „Bärenkopf“
sei auch keine Beleidigung. Im Rahmen der Interessenabwägung sei insbesondere
seine soziale Situation zu berücksichtigen.

Der Kläger bestritt eine ordnungsgemäße
Betriebsratsanhörung.

Der Kläger beantragte:
  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der
    Parteien durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom
    03.08.2015 nicht beendet wird.
  2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der
    Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 07.08.2015 nicht beendet wird.
  3. Im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. und/oder
    zu 2. wird die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen
    Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen
    Bedingungen als Montagemitarbeiter weiter zu beschäftigen.


Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.

Sie behauptete, die Kommentare seien auf der öffentlichen
und für jedermann einsehbaren, nicht eingeschränkten Chronik des Herrn I.
erfolgt und seien deshalb nicht nur für Freunde einsehbar gewesen. Das habe der
Kläger auch gewusst, wie sich aus der Kommentierung „Eyyy keine Namen!!!!“
ergebe. Der Kläger habe Vorgesetzte der Beklagten beleidigt. Mit „fettes
Schwein“ habe der Kläger den Produktionsleiter Herrn F. gemeint und mit
„Bärenkopf“ den Gruppenleiter und direkten Vorgesetzten des Herrn I., Herrn A.
H.. Dass Vorgesetzte gemeint sein mussten, ergebe sich auch aus dem
Folgekommentar. „Schonny“ sei der vormalige Abteilungsleiter der Montage A. B..

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 08.12.2015
festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht durch die beiden
streitgegenständlichen Kündigungen der Beklagten aufgelöst wurde. Die Beklagte
wurde zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt. Es führte zur Begründung
aus, es könne zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die beiden von
ihr benannten Vorgesetzten von den Beleidigungen gemeint sein sollten.
Angesichts einer 16-jährigen beanstandungslosen Tätigkeit des Klägers sei
dessen Interesse an einer Weiterbeschäftigung höher zu bewerten als das
Interesse der Beklagten, nur Mitarbeiter ohne Fehl und Tadel zu beschäftigen.
Eine Abmahnung sei deshalb nicht entbehrlich. Es sei zu erwarten, dass der
Kläger nach einer Abmahnung solche Äußerungen nicht mehr verbreiten würde.

Dieses Urteil wurde der Beklagtenseite am 30.12.2015
zugestellt. Hiergegen richtet sich die vorliegende Berufung, die am 15.01.2016
beim Landesarbeitsgericht einging und die am 05.02.2016 begründet wurde.

Die Beklagte rügt eine Verletzung materiellen Rechts und
beanstandet, dass im angegriffenen Urteil keinerlei Auseinandersetzung mit den
konkreten Tatumständen, dem Verschulden des Klägers und dem Interesse der
Beklagten stattgefunden habe. Nicht beachtet worden sei innerhalb der Interessenabwägung,
dass es sich um eine anlasslose grobe Beleidigung gehandelt habe, die
öffentlich einsehbar gewesen sei. Es habe sich um eine gezielte Untergrabung
der Vorgesetztenfunktion der beleidigten Mitarbeiter gehandelt. Die Beklagte
sei aufgrund ihrer Fürsorgepflicht zum Einschreiten verpflichtet gewesen. Der
Kläger habe schlicht aus gehässigen Motiven gehandelt, was die Beklagte nicht
dulden müsse.

Im Tatsächlichen ergänzte die Beklagte (insoweit
unbestritten) ihren Vortrag dahingehend, dass Herr F. sehr korpulent sei und
Herr H. wegen einer Knochenerkrankung sehr markante Gesichtszüge, insbesondere
eine breite Stirnfront und eine breite Nase habe, sowie breitere Hände.
Hilfsweise begehrt die Beklagte die Auflösung des
Arbeitsverhältnisses. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei ihr deshalb
unzumutbar, weil der Kläger die Zwangsvollstreckung aus dem
arbeitsgerichtlichen Weiterbeschäftigungstitel betrieben habe, woraufhin neben
dem Zwangsgeld gegen die Beklagte gegen den Seniorgeschäftsführer der Beklagten
die ersatzweise Zwangshaft festgesetzt worden sei. Angesichts eines solchen
Verhaltens gegen den verdienten Geschäftsführer seien die Vorgesetzten nicht
mehr willens, mit dem Kläger weiterhin zusammenzuarbeiten, zumal eine
gedeihliche Zusammenarbeit durch die Beleidigungen ohnehin schon gestört sei.

Die Beklagte beantragt:
  1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Pforzheim vom
    8.12.2015, Az. 1 Ca
    290/15
    , wird abgeändert.
  2. Die Klage wird abgewiesen.
  3. Hilfsweise: Das Arbeitsverhältnis wird gegen Bezahlung
    einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird,
    aufgelöst.


Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt, dass er schon keine Vorgesetzte beleidigt
habe. Mit „fettes Schwein“ habe er seinen Freund und Kollegen D. D. C. gemeint.
Mit diesem sei er vor Jahren in Kroatien in Urlaub gewesen. Weil dieser dort
oft und gerne Spanferkel gegessen habe, habe er seitdem den Spitznamen
„Spanferkel“. Wegen des Attributs „fett“ habe er sich bei Herrn D. C.
entschuldigt. Der Kommentar, dass Herr D. C. sich ärgern würde, habe seinen
Hintergrund darin, dass Herr D. C. nebenher in F. in einer Pizzeria arbeite,
welche neben dem Diabeteszentrum liege. Der an Diabetes erkrankte Herr I. würde
zum Ärger des Herrn D. C. immer den Nebeneingang zum Diabeteszentrum durch die
Pizzeria nehmen.
Mit „Bärenkopf“ sei er selbst gemeint. Er sei früher
Türsteher in einer Gaststätte in F. gewesen und habe sich wegen der Kälte einen
dicken Pelzmantel angeschafft. Seitdem habe er den Spitznamen „Bär“ oder auch
„Bärenkopf“.

Dass Insiderspitznamen benutzt wurden, ergebe sich auch
aus der Bezeichnung „Lars Ricken“ für C. H., der Fan des Fußballvereins
Borussia Dortmund sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und
Streitstandes wird gem. § 64 Abs. 7 ArbGG iVm. 313 Abs. 2 Satz 2
ZPO auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Gründe
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und
auch im Übrigen zulässige Berufung ist nicht begründet.

I.
Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass das
zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die
streitgegenständliche außerordentliche Kündigung vom 03.08.2015 beendet wurde.
Die Kündigung ist nicht gemäß § 626 Abs. 1
BGB gerechtfertigt.

1. Gemäß § 626 Abs. 1
BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer
Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem
Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter
Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden
kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen
Umstände „an sich“, das heißt typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist.
Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls
und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum
Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht. Ein wichtiger Grund im
Sinne von § 626 Abs. 1
BGB ist also nur gegeben, wenn das Ergebnis dieser Gesamtwürdigung die
Feststellung der Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers
auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ist (BAG 9. Juni 2011 – 2 AZR 381/10 – AP BGB
§ 626 Nr. 234; BAG 10. Juni 2010 – 2
AZR 541/09
 – BAGE 134, 349).

2. Das Vorliegen eines Kündigungsgrundes an sich in Form
einer Beleidigung von Vorgesetzten, kann vorliegend unterstellt werden.

a) Auch grobe Beleidigungen des Arbeitgebers und/oder
seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen, die nach Form und
Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, können einen
gewichtigen Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten
Interessen des Arbeitgebers (§ 241 Abs. 2 BGB)
darstellen und eine außerordentliche Kündigung an sich rechtfertigen (BAG 10.
Dezember 2009 – 2 AZR
534/08
 – AP BGB § 626 Nr. 226).

b) Solche grobe Beleidigungen liegen vor.

aa) Die Bezeichnung einer anderen Person als
„Fettesstellt ohne Zweifel eine grobe Beleidigung dar.

Es liegt im Gesamtkontext der Konversation nahe, dass ein
Vorgesetzter des Herrn I. mit dieser Beleidigung gemeint war, zumal die
Beleidigung erfolgte im direkten Zusammenhang mit der diskutierten Frage, für
wie lange Herr I. einen „gelben Urlaubschein“ erhalte. Lang andauernde
Arbeitsunfähigkeiten führen klassischerweise zu Verdruss bei Vorgesetzten. Wenn
kurz darauf in der Diskussion der vormalige Beschäftigte C. H. darauf verweist,
dass (übersetzt) solche langen Krankschreibungen bei „S.“, also dem vormaligen
Abteilungsleiter der Montage A. B., nicht durchgegangen wären, wird deutlich,
dass auch andere in den internen Code eingeweihte Diskutanten davon ausgingen,
dass über Vorgesetzte diskutiert wurde.

Ob aber tatsächlich Herr F. wegen seiner Körperfülle das
einzige in Betracht kommende Beleidigungsopfer ist, oder ob ein anderer
Vorgesetzter gemeint gewesen sein könnte oder gar Herr D. C., wie vom Kläger
behauptet, kann dahinstehen und bedarf keiner weiteren Sachaufklärung. Es wird
nachfolgend zugunsten der Beklagten unterstellt, dass ihre Behauptung insoweit
zutrifft.

bb) Ob und wie grob „kopf“ eine Beleidigung darstellt,
hängt von den Umständen und auch vom Adressaten der Beleidigung ab.
Das vom Kläger benutzte Emoticonbedeutet ausweislich der
List of Emoticons for Facebook
(http://www.symbols-n-emoticons.com/p/facebook-emoticons-list.html) nämlich
nicht „Bärenkopf“, sondern „monkey face“. Ein Bärenkopf wird dagegen mit dem
Emoticonausgedrückt, welches „teddy bear Emoticon“ heißt. Aber offenbar haben
beide Parteien das verwendete Emoticon als Bärenkopf angesehen.

Die Benutzung des Spitznamen „Bärenkopf“ wäre jedenfalls
dann grob beleidigend, sollte damit Herr H. gemeint gewesen sein und sollte
damit beabsichtigt gewesen sein, sich über dessen krankheitsbedingt ausgeprägte
Gesichtszüge lustig zu machen. Ob Herr H. tatsächlich gemeint war oder
möglicherweise der Kläger selbst, wobei ein Anlass, weshalb sich der Kläger
über eine länger andauernde Arbeitsunfähigkeit des Herrn I., der gar nicht in
der Gruppe des Klägers beschäftigt ist, hätte ärgern sollen, nicht erkennbar
ist, kann dahinstehen und bedarf keiner weiteren Sachaufklärung. Es wird
nachfolgend zugunsten der Beklagten unterstellt, dass ihre Behauptung insoweit
zutrifft.

3. Die Kündigung erweist sich jedenfalls im Rahmen der
gebotenen umfassenden Interessenabwägung als nicht erforderlich.

a) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine
Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen
Pflichtverletzung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist oder bis zur
vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist, ist in einer
Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an einer sofortigen Beendigung
des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen
Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalles unter Beachtung
des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu
beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder
nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber
regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung –
etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlustes und
die wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers,
eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und
dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in
Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis
fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten
unzumutbar sind. Als mildere Reaktion ist insbesondere die Abmahnung anzusehen.
Sie ist dann alternatives Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet ist, den
mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – die Vermeidung des
Risikos künftiger Störungen – zu erreichen. Das Erfordernis weitergehend zu
prüfen, ob nicht schon eine Abmahnung ausreichend gewesen wäre, folgt aus dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und trägt zugleich dem Prognoseprinzip bei der
verhaltensbedingten Kündigung Rechnung (BAG 10. Juni 2010 – 2
AZR 541/09
 – BAGE 134,349; BAG 25. Oktober 2012 – 2
AZR 495/11
 – AP BGB § 626 Nr. 239).

Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem
Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein
künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des
Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und
außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb
regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch
in § 314Abs.
2 iVm. § 323 Abs.
2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht,
wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft
auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere
Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem
Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich –
auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG 25. Oktober 2012 aaO).

b) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hält die Kammer
dafür, dass es unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ausreichend gewesen
wäre, den Kläger abzumahnen. Die Abmahnung war nicht entbehrlich.

aa) Dabei ist zugunsten der Beklagten aber in die
Abwägung einzustellen, dass die Beleidigungen erfolgten ohne jeglichen von den
Beleidigten gesetzten äußeren Anlass.

Eine solche Unterhaltung über Vorgesetzte auch unter
Kollegen ist durchaus geeignet, die Vorgesetztenstellung zu untergraben.

Auch das Verbreitungsmedium Facebook ist besonders zu
berücksichtigen. Der Kläger stellte seinen Kommentar nämlich zu einem Post des
Herrn I. auf dessen Chronik. Erfolgt eine beleidigende Äußerung nicht in der
eigenen Chronik, sondern in der Chronik eines anderen Nutzers, so muss der
beleidigende Arbeitnehmer davon ausgehen, dass er die Angabe gegenüber einem
ihm unbekannten Empfängerkreis macht. Neben den eigenen Freunden kann die
Mitteilung nämlich zumindest auch von den Freunden des Chronikinhabers
eingesehen werden. Außerdem hat der beleidigende Arbeitnehmer keine Kontrolle
mehr darüber, ob sein Kommentar öffentlich wird. Denn der Chronikinhaber kann
den Empfängerkreis jederzeit (auch nachträglich) ändern. Sollte der
Chronikinhaber die Facebook-Grundeinstellungen nicht verändert haben, ist der
Kommentar ohnehin von vornherein öffentlich (Bauer/Günther NZA 2013, 67). Dass
Herr I. seine Grundeinstellungen geändert hätte und die Kommunikation nur in
einer Gruppe von definierten Freunden erfolgte, hat selbst der Kläger nicht
behauptet. Es bestand somit zumindest die Gefahr einer sehr schnellen
Verbreitung an einen sehr großen Empfängerkreis in kurzer Zeit (Bauer/Günther
NZA 2013, 67).

bb) Es ist aber zugunsten des Klägers angesichts der
tatsächlichen Gesamtumstände davon auszugehen, dass dem Kläger die Tragweite
seines Tuns und die Reichweite seiner Beleidigungen so nicht bewusst war. Auch
wenn sich der Kreis der Kommentatoren (21 Personen) nicht nur aus einem kleinen
Kreis mit den betrieblichen Verhältnissen der Beklagten vertrauter Person
beschränkte, ging der Kläger offenkundig davon aus, dass die von ihm
verwendeten Codes und Spitznamen nicht allgemein verständlich sind, sondern
eben nur für Eingeweihte, insbesondere für den Chronikinhaber Herrn I.. Das
„fette Schwein“ wurde von Herrn I. sofort einer Person zugeordnet, die den
synonymen Spitznamen „Spanferkel“ trage. Es handelt sich also erkennbar um
einen Insidersprachgebrauch. So ist auch der Spitznamen „Bärenkopf“ zu
verstehen. Mit dieser Bezeichnung vermag ein Außenstehender nichts anzufangen.
Ein Außenstehender vermag darin noch nicht einmal notwendigerweise eine
Beleidigung sehen. Es handelt sich um einen Herrn H. von einer Gruppe an
Eingeweihten gegebenen Spitznamen, der am äußeren Erscheinungsbild anknüpft,
von dem aber nicht zu erwarten ist, dass dieser von irgendeinem des
eingeweihten Kreises jemals direkt gegenüber Herrn H. verwendet würde. Der
Kläger ging davon aus, dass nur in den Code eingeweihten Personen eine
Zuordnung möglich wäre. Dies ergibt sich auch aus dem ebenfalls verwendeten
Spitznamen „Lars Ricken“ für den ehemaligen Mitarbeiter der Beklagten Herrn H..
Eine Zuordnung von Namen an Personen außerhalb eines Kreises von Eingeweihten
sollte vermieden werden, wie sich aus dem Kommentar des Klägers zur
Namensnennung „Schonny“ durch Herrn H. ergibt.

Die Beleidigungen sind ein Ausdruck des vielfach zu
beobachtenden Phänomens, dass unter dem Schutz der Anonymität der sozialen
Netzwerke deutlich heftiger „vom Leder gezogen“ wird als man dies in einem
Gespräch direkt Auge gegenüber Auge getan hätte. Dies kann zwar nicht als
Rechtfertigung für ungebührliche Äußerungen herhalten. Jedoch wird erkennbar,
dass der Kläger das Aufschaukeln an Herabsetzungen anderer in einer plumpen Art
und Weise schlicht lustig gefunden hat. Dies ist zwar gänzlich inakzeptabel.
Jedoch geht die Kammer davon aus, dass wenn dem Kläger durch eine Abmahnung die
Außenwirkung seiner Beleidigungen deutlich vor Augen gehalten worden wäre, auch
bei diesem eine Einsicht in die Unrechtmäßigkeit seines Tun hätte geweckt
werden können, sodass mit entsprechenden Vertragsstörungen künftig nicht mehr
hätte gerechnet werden müssen.

Das Vertrauen in den Kläger erscheint auch deshalb nicht
endgültig zerstört, da der Kläger bislang 16 Jahre unbeanstandet seine
Arbeitsleistung verrichtet hat und einen Vertrauensbonus aufgebaut hat. Der
Kläger ist ein überdurchschnittlich guter Mitarbeiter, wie aus der
überdurchschnittlichen Leistungszulage von 18,91 % ersichtlich ist.

Der Kläger hat auch keinen ständigen direkten Kontakt mit
den beiden beleidigten Vorgesetzten. Herr F. ist der Produktionsleiter des
gesamten Werkes mit ca. 1.000 Produktionsmitarbeitern. Ein Kontakt und
Austausch zwischen diesen beiden dürfte eher selten sein. Herr H. ist
Gruppenleiter des Herrn I., nicht aber des Klägers. Auch diese beiden dürften
bei der täglichen Arbeit wenig Berührungspunkte haben.

Hinzu kommt, dass die Kündigung den Kläger in seiner
besonderen sozialen Lage überdurchschnittlich schwer treffen würde. Der Kläger
selbst ist mit einem Grad der Behinderung von 20 behindert. Er arbeitet im
Wechsel mit seiner Ehefrau in Teilzeit, um die Betreuung des einjährigen Kindes
und die Pflege der demenzkranken Großmutter organisieren zu können. In der sehr
ländlich geprägten Region um L., wo die Beklagte bei weitem der größte
Arbeitgeber ist, erscheint es zumindest mehr als schwierig, eine neue
Anstellung zu finden, bei der auch weiterhin die Betreuung und Pflege gesichert
werden könnte.
Eine deutliche „Gelbe Karte“ erscheint daher ausreichend.

II.
Ist aber eine Abmahnung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit
ausreichend, um künftige Vertragsstörungen zu vermeiden, so ist auch die
hilfsweise ordentliche Kündigung vom 07.08.2015 nicht sozial gerechtfertigt
iSv. § 1 Abs. 2
KSchG.

III.
Das Arbeitsverhältnis ist auch nicht auf Antrag der
Beklagten gemäß § 9 Satz
2 KSchG aufzulösen.

1. Ein Auflösungsantrag auf eine für unwirksam erachtete
außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers ist nicht zulässig. Während § 9 KSchG
nämlich beiden Seiten das Recht einräumt, einen Auflösungsantrag zu stellen,
gilt dies gemäß § 13 Abs.
1 Satz 3 KSchG für außerordentliche Kündigungen nur für den Arbeitnehmer. Der
Gesetzgeber sieht in der unberechtigten außerordentlichen Kündigung einen
besonders schwerwiegenden Eingriff in das Arbeitsverhältnis und verweigert dem
Arbeitgeber deshalb bewusst die Möglichkeit, einen Auflösungsantrag zu stellen
(BAG 26. März 2009 – 2
AZR 879/07
 – AP KSchG 1969 § 9 Nr. 57).
Wird neben einer außerordentlichen Kündigung aber zudem
(hilfsweise) eine ordentliche Kündigung ausgesprochen, so kann im Falle deren
Sozialwidrigkeit jedoch auch vom Arbeitgeber ein Auflösungsantrag gestellt
werden (BAG 10. November 1994 – 2 AZR 207/94 – AP
KSchG 1969 § 9 Nr. 24).

2. Der Auflösungsantrag konnte gem. § 9 Abs.
1 Satz 3 KSchG bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der
Berufungsinstanz gestellt werden. Diese Vorschrift ist somit lex specialis zum
Novenrecht des § 67 ArbGG
(KR/Spilger 10. Aufl. § 9 KSchG
Rn. 20).
3. Es liegen jedoch keine Gründe vor, die eine den
Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Kläger und Beklagten
nicht erwarten lassen.

a) Im Interesse eines wirksamen Bestandsschutzes des
Arbeitsverhältnisses vor einem Verlust des Arbeitsplatzes durch sozialwidrige
Kündigungen, ist es gerechtfertigt, an den Auflösungsantrag des Arbeitgebers
strenge Anforderungen zu stellen (BVerfG 22. Oktober 2004 – 1 BvR 1994/01 – NZA 2005, 41; BAG 23. Juni
2005 – 2 AZR 256/04 – AP KSchG 1969 §
9 Nr. 52
). Als Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere
Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht erwarten lassen, kommen nur Umstände
in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitgeber, die Wertung der
Persönlichkeit des Arbeitnehmers, seine Leistung oder seiner Eignung für die
ihm gestellten Aufgaben, etwa als Vorgesetzter und sein Verhalten zu den
übrigen Mitarbeitern betreffen (BAG 14. Oktober 1954 – 2 AZR 34/53 – BAGE 1, 152). Es ist stets
erforderlich, dass die Zerrüttung des Arbeitsverhältnisses in dem Verhalten
oder der Person des Arbeitnehmers ihren Grund hat. Es muss überprüft werden, ob
eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien noch erwartet werden
kann. Die wechselseitigen Grundrechtspositionen des Arbeitgebers und des
Arbeitnehmers sind zu beachten (BVerfG 22. Oktober 2004 aaO; BAGE, 23. Juni 2005 aaO).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung der Frage, ob
eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber
und Arbeitnehmer zu erwarten ist, ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen
Verhandlung in der Tatsacheninstanz. Der Auflösungsantrag ist nämlich trotz
seiner nach § 9Abs.
2 KSchG gesetzlich angeordneten Rückwirkung auf den Kündigungszeitpunkt in die
Zukunft gerichtet. Das Gericht hat eine Vorausschau anzustellen. Im Zeitpunkt
der Entscheidung über den Antrag ist zu fragen, ob aufgrund des Verhaltens des
Arbeitnehmers in der Vergangenheit in der Zukunft noch mit einer den
Betriebszwecken dienenden weiteren Zusammenarbeit der Parteien zu rechnen ist
(BAG 7. März 2002 – 2
AZR 158/01
 – AP KSchG 1969 §
9 Nr. 42
).

b) Gemessen an diesen Voraussetzungen liegt ein
Auflösungsgrund nicht vor.

aa) Dass der Kläger einen Zwangsvollstreckungsantrag
stellen musste auf Weiterbeschäftigung, ist kein Fehlverhalten aus der Sphäre
des Klägers. Vielmehr war es die Beklagte selbst, die den titulierten vorläufig
vollstreckbaren Anspruch des Klägers nicht erfüllen wollte.

bb) Wie bereits oben dargelegt, kann davon ausgegangen
werden, dass der Kläger über eine Abmahnung wieder zu vertragsgerechten Handeln
angehalten werden kann. Angesichts einer 16-jährigen beanstandungsfreien
Arbeitsleistung muss davon ausgegangen werden, dass die einmalige Verfehlung
durch Beleidigungen nicht dauerhaft auf eine betriebsdienliche Zusammenarbeit
durchschlägt. Dies zumal der Kläger, wie ebenfalls bereits oben erwähnt, auch
nicht in regelmäßigem und direktem Kontakt zu den beiden beleidigten
Vorgesetzten steht.

IV. Nebenentscheidungen

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

2. Gründe für eine Revisionszulassung gem. § 72 Abs.
2 ArbGG liegen nicht vor.