Die Klägerin,
Claudia Pechstein, eine international erfolgreiche Eisschnellläuferin, verlangt
von der beklagten International Skating Union (ISU), dem internationalen
Fachverband für Eisschnelllauf, Schadensersatz, weil sie – nach ihrer
Auffassung zu Unrecht – zwei Jahre lang wegen Dopings gesperrt war. Im
Revisionsverfahren geht es im Wesentlichen um die Frage, ob eine von der
Klägerin unterzeichnete Schiedsvereinbarung wirksam ist, die unter anderem die
ausschließliche Zuständigkeit des Court of Arbitration for Sport (CAS) in
Lausanne vorsieht.
Claudia Pechstein, eine international erfolgreiche Eisschnellläuferin, verlangt
von der beklagten International Skating Union (ISU), dem internationalen
Fachverband für Eisschnelllauf, Schadensersatz, weil sie – nach ihrer
Auffassung zu Unrecht – zwei Jahre lang wegen Dopings gesperrt war. Im
Revisionsverfahren geht es im Wesentlichen um die Frage, ob eine von der
Klägerin unterzeichnete Schiedsvereinbarung wirksam ist, die unter anderem die
ausschließliche Zuständigkeit des Court of Arbitration for Sport (CAS) in
Lausanne vorsieht.
Die Beklagte ist
monopolistisch nach dem „Ein-Platz-Prinzip“ organisiert, d.h. es gibt
– wie auch auf nationaler Ebene – nur einen einzigen internationalen Verband,
der Wettkämpfe im Eisschnelllauf auf internationaler Ebene veranstaltet. Vor
der Eisschnelllauf-Weltmeisterschaft in Hamar (Norwegen) im Februar 2009
unterzeichnete die Klägerin eine von der Beklagten vorformulierte
Wettkampfmeldung. Ohne Unterzeichnung dieser Meldung wäre sie zum Wettkampf
nicht zugelassen worden. In der Wettkampfmeldung verpflichtete sie sich unter
anderem zur Einhaltung der Anti-Doping-Regeln der Beklagten. Außerdem enthielt
die Wettkampfmeldung die Vereinbarung eines schiedsgerichtlichen Verfahrens vor
dem CAS unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs. Bei der Weltmeisterschaft
in Hamar wurden der Klägerin Blutproben entnommen, die erhöhte
Retikulozytenwerte aufwiesen. Die Beklagte sah dies als Beleg für Doping an.
Ihre Disziplinarkommission verhängte gegen die Klägerin unter anderem eine
zweijährige Sperre. Die hiergegen eingelegte Berufung zum CAS war erfolglos.
Auch eine Beschwerde und eine Revision zum schweizerischen Bundesgericht
blieben in der Sache ohne Erfolg.
monopolistisch nach dem „Ein-Platz-Prinzip“ organisiert, d.h. es gibt
– wie auch auf nationaler Ebene – nur einen einzigen internationalen Verband,
der Wettkämpfe im Eisschnelllauf auf internationaler Ebene veranstaltet. Vor
der Eisschnelllauf-Weltmeisterschaft in Hamar (Norwegen) im Februar 2009
unterzeichnete die Klägerin eine von der Beklagten vorformulierte
Wettkampfmeldung. Ohne Unterzeichnung dieser Meldung wäre sie zum Wettkampf
nicht zugelassen worden. In der Wettkampfmeldung verpflichtete sie sich unter
anderem zur Einhaltung der Anti-Doping-Regeln der Beklagten. Außerdem enthielt
die Wettkampfmeldung die Vereinbarung eines schiedsgerichtlichen Verfahrens vor
dem CAS unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs. Bei der Weltmeisterschaft
in Hamar wurden der Klägerin Blutproben entnommen, die erhöhte
Retikulozytenwerte aufwiesen. Die Beklagte sah dies als Beleg für Doping an.
Ihre Disziplinarkommission verhängte gegen die Klägerin unter anderem eine
zweijährige Sperre. Die hiergegen eingelegte Berufung zum CAS war erfolglos.
Auch eine Beschwerde und eine Revision zum schweizerischen Bundesgericht
blieben in der Sache ohne Erfolg.
Die Klägerin hat
daraufhin Klage zum Landgericht München I erhoben. Sie verlangt Ersatz ihres
materiellen Schadens und ein Schmerzensgeld. Das Landgericht hat die Klage
abgewiesen. Das Oberlandesgericht München hat dagegen durch Teilurteil
festgestellt, dass die Schiedsvereinbarung unwirksam und die Klage zulässig sei.
daraufhin Klage zum Landgericht München I erhoben. Sie verlangt Ersatz ihres
materiellen Schadens und ein Schmerzensgeld. Das Landgericht hat die Klage
abgewiesen. Das Oberlandesgericht München hat dagegen durch Teilurteil
festgestellt, dass die Schiedsvereinbarung unwirksam und die Klage zulässig sei.
Die Revision der
ISU bekämpft diese Bewertung. Die Klägerin meint hingegen mit dem
Oberlandesgericht, die Schiedsvereinbarung sei nach § 19 GWB* unwirksam. Die ISU habe durch
den Zwang, entweder die (alleinige) Zuständigkeit des CAS als Schiedsgericht zu
vereinbaren oder an der Weltmeisterschaft nicht teilzunehmen, ihre
marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausgenutzt. Die Schiedsrichterliste
des CAS, aus der die Parteien jeweils einen Schiedsrichter auswählen müssen,
sei nicht unparteiisch aufgestellt worden, weil die Sportverbände und
olympischen Komitees bei der Erstellung der Liste ein deutliches Übergewicht
hätten.
ISU bekämpft diese Bewertung. Die Klägerin meint hingegen mit dem
Oberlandesgericht, die Schiedsvereinbarung sei nach § 19 GWB* unwirksam. Die ISU habe durch
den Zwang, entweder die (alleinige) Zuständigkeit des CAS als Schiedsgericht zu
vereinbaren oder an der Weltmeisterschaft nicht teilzunehmen, ihre
marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausgenutzt. Die Schiedsrichterliste
des CAS, aus der die Parteien jeweils einen Schiedsrichter auswählen müssen,
sei nicht unparteiisch aufgestellt worden, weil die Sportverbände und
olympischen Komitees bei der Erstellung der Liste ein deutliches Übergewicht
hätten.
Der Kartellsenat
des Bundesgerichtshofs ist dieser Argumentation der Klägerin nicht gefolgt. Er
hat entschieden, dass die Klage unzulässig ist, weil ihr die Einrede der
Schiedsvereinbarung entgegensteht.
des Bundesgerichtshofs ist dieser Argumentation der Klägerin nicht gefolgt. Er
hat entschieden, dass die Klage unzulässig ist, weil ihr die Einrede der
Schiedsvereinbarung entgegensteht.
Die Beklagte ist
zwar bei der Veranstaltung von internationalen Eisschnelllaufwettbewerben
marktbeherrschend. Ob das Verlangen nach Abschluss einer Schiedsabrede, die die
ausschließliche Zuständigkeit des CAS vorsieht, einen Missbrauch dieser
marktbeherrschenden Stellung darstellt, ergibt sich aber erst aus einer
umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen. Bei dieser Abwägung hat der
Kartellsenat kein missbräuchliches Verhalten der Beklagten feststellen können.
zwar bei der Veranstaltung von internationalen Eisschnelllaufwettbewerben
marktbeherrschend. Ob das Verlangen nach Abschluss einer Schiedsabrede, die die
ausschließliche Zuständigkeit des CAS vorsieht, einen Missbrauch dieser
marktbeherrschenden Stellung darstellt, ergibt sich aber erst aus einer
umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen. Bei dieser Abwägung hat der
Kartellsenat kein missbräuchliches Verhalten der Beklagten feststellen können.
Der CAS ist ein
„echtes“ Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO. Weder der CAS
selbst noch das konkrete Schiedsgericht sind wie ein Verbands- oder
Vereinsgericht in eine Organisation eingegliedert. Dem steht nicht entgegen,
dass die Schiedsrichter aus einer geschlossenen Liste ausgewählt werden müssen
und dass diese Liste von einem Gremium erstellt wird, dem überwiegend Vertreter
der internationalen Sportverbände und der Olympischen Komitees angehören. Diese
Regelung begründet kein strukturelles Ungleichgewicht bei der Besetzung des
konkreten Schiedsgerichts. Denn die Verbände und die Athleten stehen sich nicht
als von grundsätzlich gegensätzlichen Interessen geleitete Lager gegenüber.
Vielmehr entspricht die weltweite Bekämpfung des Dopings sowohl den Interessen
der Verbände als auch denen der Athleten.
„echtes“ Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO. Weder der CAS
selbst noch das konkrete Schiedsgericht sind wie ein Verbands- oder
Vereinsgericht in eine Organisation eingegliedert. Dem steht nicht entgegen,
dass die Schiedsrichter aus einer geschlossenen Liste ausgewählt werden müssen
und dass diese Liste von einem Gremium erstellt wird, dem überwiegend Vertreter
der internationalen Sportverbände und der Olympischen Komitees angehören. Diese
Regelung begründet kein strukturelles Ungleichgewicht bei der Besetzung des
konkreten Schiedsgerichts. Denn die Verbände und die Athleten stehen sich nicht
als von grundsätzlich gegensätzlichen Interessen geleitete Lager gegenüber.
Vielmehr entspricht die weltweite Bekämpfung des Dopings sowohl den Interessen
der Verbände als auch denen der Athleten.
Die mit einer
einheitlichen internationalen Sportsgerichtsbarkeit verbundenen Vorteile, wie
etwa einheitliche Maßstäbe und die Schnelligkeit der Entscheidung, gelten nicht
nur für die Verbände, sondern auch für die Sportler. Ein dennoch verbleibendes
Übergewicht der Verbände wird ausgeglichen durch die Verfahrensordnung des CAS,
die eine hinreichende individuelle Unabhängigkeit und Neutralität der
Schiedsrichter gewährleistet. Der konkret an dem Verfahren vor dem CAS
beteiligte Sportverband – hier die ISU – und der Athlet müssen je einen
Schiedsrichter aus der mehr als 200 Personen umfassenden Liste auswählen. Diese
Schiedsrichter bestimmen gemeinsam den Obmann des Schiedsgerichts. Ist ein
Schiedsrichter befangen, kann er abgelehnt werden. Die unterliegende Partei hat
die Möglichkeit, bei dem zuständigen schweizerischen Bundesgericht um
staatlichen Rechtsschutz nachzusuchen. Das schweizerische Bundesgericht kann
den Schiedsspruch des CAS in bestimmtem Umfang überprüfen und gegebenenfalls
aufheben.
einheitlichen internationalen Sportsgerichtsbarkeit verbundenen Vorteile, wie
etwa einheitliche Maßstäbe und die Schnelligkeit der Entscheidung, gelten nicht
nur für die Verbände, sondern auch für die Sportler. Ein dennoch verbleibendes
Übergewicht der Verbände wird ausgeglichen durch die Verfahrensordnung des CAS,
die eine hinreichende individuelle Unabhängigkeit und Neutralität der
Schiedsrichter gewährleistet. Der konkret an dem Verfahren vor dem CAS
beteiligte Sportverband – hier die ISU – und der Athlet müssen je einen
Schiedsrichter aus der mehr als 200 Personen umfassenden Liste auswählen. Diese
Schiedsrichter bestimmen gemeinsam den Obmann des Schiedsgerichts. Ist ein
Schiedsrichter befangen, kann er abgelehnt werden. Die unterliegende Partei hat
die Möglichkeit, bei dem zuständigen schweizerischen Bundesgericht um
staatlichen Rechtsschutz nachzusuchen. Das schweizerische Bundesgericht kann
den Schiedsspruch des CAS in bestimmtem Umfang überprüfen und gegebenenfalls
aufheben.
Die Klägerin hat
die Schiedsvereinbarung freiwillig unterzeichnet. Dass sie dabei fremdbestimmt
gehandelt hat, da sie andernfalls nicht hätte antreten können, führt nicht zur
Unwirksamkeit der Vereinbarung. Denn auch insoweit ergibt die Abwägung der
beiderseitigen Interessen am Maßstab des §
19 GWB eine sachliche Rechtfertigung der Verwendung der Schiedsklausel, die
nicht gegen gesetzliche Wertentscheidungen verstößt. Dem Justizgewährungsanspruch
der Klägerin sowie ihrem Recht auf freie Berufsausübung steht die
Verbandsautonomie der Beklagten gegenüber. Schließlich ist der Klägerin im
Anschluss an das Schiedsgerichtsverfahren Zugang zu den nach internationalem
Recht zuständigen schweizerischen Gerichten möglich. Ein Anspruch gerade auf
Zugang zu den deutschen Gerichten besteht danach nicht.
die Schiedsvereinbarung freiwillig unterzeichnet. Dass sie dabei fremdbestimmt
gehandelt hat, da sie andernfalls nicht hätte antreten können, führt nicht zur
Unwirksamkeit der Vereinbarung. Denn auch insoweit ergibt die Abwägung der
beiderseitigen Interessen am Maßstab des §
19 GWB eine sachliche Rechtfertigung der Verwendung der Schiedsklausel, die
nicht gegen gesetzliche Wertentscheidungen verstößt. Dem Justizgewährungsanspruch
der Klägerin sowie ihrem Recht auf freie Berufsausübung steht die
Verbandsautonomie der Beklagten gegenüber. Schließlich ist der Klägerin im
Anschluss an das Schiedsgerichtsverfahren Zugang zu den nach internationalem
Recht zuständigen schweizerischen Gerichten möglich. Ein Anspruch gerade auf
Zugang zu den deutschen Gerichten besteht danach nicht.
* § 19 GWB aF Missbrauch einer
marktbeherrschenden Stellung
marktbeherrschenden Stellung
(1)Die
missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder
mehrere Unternehmen ist verboten.
missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder
mehrere Unternehmen ist verboten.
(…)
(4)Ein Missbrauch
liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter
oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen
liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter
oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen
1.(…)
2.Entgelte oder
sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich
bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden; hierbei
sind insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren
Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen;
sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich
bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden; hierbei
sind insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren
Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen;
(…)
Vorinstanz:
OLG München – Urteil vom 15. Januar
2015 – U 1110/14 Kart (WuW/E DE-R 4543)
2015 – U 1110/14 Kart (WuW/E DE-R 4543)
LG München I – Urteil vom 26. Februar
2014 – 37 O 28331/12 (SchiedsVZ 2014, 100)
2014 – 37 O 28331/12 (SchiedsVZ 2014, 100)
Karlsruhe, den 7.
Juni 2016
Juni 2016
Pressestelle des
Bundesgerichtshofs
Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721)
159-5013
159-5013
Telefax (0721)
159-5501
159-5501
Quelle: Pressemitteilung
Nr. 97/2016
Nr. 97/2016