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AG Aschaffenburg – Gescheiterter Ebay-Verkauf eines Fahrzeugs

Leitsätze:
1. Gibt jemand an, bei einem bei Ebay zum Sofortkauf
angebotenen Objekt habe er nicht die Taste „kaufen“ gedrückt, sondern
diese sei aufgrund einer Fehlfunktion seines Handys ausgelöst worden, kommt
eine Anwendung von § 105 Abs. 2 BGB weder direkt noch entsprechend in Betracht.
(Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Aus der maßgeblichen Sicht des Verkäufers stellt sich das
Drücken der Taste „kaufen“ als Annahmeerklärung in Bezug auf das von
ihm per Sofortkauf eingestellte Verkaufsangebot dar. Auch ein Anfechtungsgrund
liegt nicht vor, wenn sich der Käufer zwar auf eine Fehlfunktion seines Handys
beruft, aber nicht plausibel darlegen kann, wie dieses selbstständig die
erforderliche zweimalige Bestätigung des Kaufs tätigen konnte. (Rn. 16 – 17)
(redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schadensersatz, ebay, Fahrzeugkauf, Erfüllungsinteresse,
Pflicht zur Kaufpreiszahlung, gescheiterter Verkauf, Marktwert, Anfechtung des
Kaufvertrags, empfangsbedürftige Willenserklärung
Tenor
1. Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Coburg vom
19.07.2016, Az. 16-7497050-0-7, wird aufrechterhalten.
2. Der Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu
tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110
% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Die
Vollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid darf nur gegen Leistung der
Sicherheit fortgesetzt werden.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 2.499,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche im
Zusammenhang mit dem Kauf eines Fahrzeugs.
Der Kläger bot Anfang April 2016 auf der Internetplattform
Ebay einen „Rolls Royce Silver Shadow Serie 1“ (Artikelnummer 13…44) zum
Preis von 19.999,00 € zum Sofortkauf an. Im Angebot war zum Stichpunkt
„Versand“ vermerkt, dass das Fahrzeug am Artikelstandort „RheinMain
Deutschland“ abzuholen sei, während zur Zahlung vermerkt war, dass die
Möglichkeit der Barzahlung bei Abholung bestünde. Am 10.04.2016 um 12:11 Uhr
kam es zu einer Annahme des Angebots durch den Beklagten, wobei zwischen den
Parteien streitig ist, ob es hier zum Abschluss eines Kaufvertrages kam. 11
Minuten später teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er nicht auf kaufen
gedrückt habe. Es kam zu einem Schriftwechsel zwischen den Parteien. Der Kläger
forderte den Beklagten mehrfach auf, das Fahrzeug zu bezahlen und bei ihm
abzuholen. Nachdem der Beklagte dies abgelehnt hatte, erklärte der Kläger den
Rücktritt vom Kaufvertrag. Der Kläger veräußerte das Fahrzeug rund vier Wochen
später zu einem Preis von 17.500,00 €, nachdem er es bei Ebay Kleinanzeigen,
mobile.de und AutoScout zum Preis von 19.999,00 € inseriert hatte.
Der Kläger behauptet, bei Einstellung des Fahrzeugs im April
2016 habe das Fahrzeug einen Marktwert von mindestens 19.999,00 € gehabt. Das
Fahrzeug sei durch das Scheitern des Verkaufs über Ebay „verbrannt“ gewesen, so
dass der Marktwert von 19.999,00 € beim Verkauf einen Monat später nicht mehr
zu erzielen gewesen sei. Der Kläger habe das Fahrzeug nach Erstellung des
Wertgutachtens im Jahr 2014 bis zum Verkauf im Jahr 2016 nur wenig genutzt. Im
Zeitraum zwischen dem Sofortkauf und der Weiterveräußerung habe er lediglich
rund 2 km zurückgelegt.
Der Kläger meint, das Amtsgericht Aschaffenburg sei gemäß §
29 ZPO örtlich zuständig. Es sei ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen.
Am 19.07.2016 erging durch das Amtsgericht Coburg unter dem
Aktenzeichen 16-7497050-0-7 ein Vollstreckungsbescheid hinsichtlich der
Hauptforderung von 334,75 € zuzüglich Verzugszinsen seit Zustellung des
Mahnbescheids am 28.06.2016 sowie vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gegen
den Beklagten, der am 23.07.2016 zugestellt wurde. Hiergegen hat der Beklagte
mit Schriftsatz vom 03.08.2016, eingegangen am selben Tag, Einspruch eingelegt.
Der Kläger beantragt:
1.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in
Höhe von 2.499,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 28.6.2016 zu zahlen.
2.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche
Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 € zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, eine Fehlfunktion an seinem Handy
habe den Sofortkauf ausgelöst. Die Sperrfunktion habe nicht funktioniert,
obwohl der Beklagte die entsprechende Taste gedrückt habe. Der Beklagte
bestreitet, dass das Fahrzeug im Jahr 2016 überhaupt noch 17.500,00 € wert war.
Der Beklagte meint, die Klage sei mangels örtlicher
Zuständigkeit des Amtsgerichts Aschaffenburg unzulässig. Es sei kein
Kaufvertrag zustande gekommen. Jedenfalls habe der Kläger seine
Schadensminderungspflicht verletzt.
Mit Beschluss vom 30.06.2017 hat das Oberlandesgericht
Bamberg das Amtsgericht Aschaffenburg – ZwSt. Alzenau gemäß § 36 ZPO als
zuständiges Gericht bestimmt. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung
eines Gutachtens sowie durch die Anhörung des Sachverständigen Dipl.-Ing.
Christof zur Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens. Hinsichtlich des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 18.04.2018 (Bl. 182
ff d.A.) sowie das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 13.03.2019 (Bl. 259
ff d.A.) Bezug genommen und verwiesen. Hinsichtlich weiteren Parteivortrags
wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Vorbringen in
der öffentlichen Sitzung vom 16.08.2017 (Protokoll Bl. 150 ff d.A.) Bezug
genommen und verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Insbesondere ist das Amtsgericht Aschaffenburg, ZwSt.
Alzenau gemäß § 29 ZPO örtlich zuständig (vgl. hierzu Beschluss des OLG Bamberg
vom 30.06.2017 – 8 SA 17/17, BeckRS 2017, 118278 = Bl. 98 ff d.A.). Im Rahmen
des § 29 ZPO kommt es für die Bestimmung des Erfüllungsorts auf die jeweils
streitige Verpflichtung an. Der Erfüllungsort bestimmt sich nach
materiell-rechtlichen Vorschriften oder aufgrund Parteivereinbarung. Bei
gegenseitigen Verträgen ist für jede aus dem Vertrag folgende Verpflichtung der
Erfüllungsort gesondert zu bestimmen (BGH NJW-RR 2013, 309). Vorliegend handelt
es sich bei der verletzten Primärpflicht um die Pflicht zur Kaufpreiszahlung,
so dass sich der Gerichtsstand nach dem Ort dieser Vertragspflicht richtet.
Kaufpreisschulden sind, soweit nichts anderes vereinbart ist oder sich nicht
anderes aus den Umständen ergibt, gemäß §§ 269 Abs. 1 und 2, 270 Abs. 4 BGB am
Wohnsitz des Schuldners bzw. am Ort seiner Niederlassung zu erfüllen
(Vollkommer in: Zöller, ZPO, 32. Auflage, § 29 ZPO, Rn. 25). Nach dem
maßgeblichen Vortrag des Klägers war die Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung am
Ort der Abholung zu erfüllen, mithin in Omersbach. Das Amtsgericht
Aschaffenburg, ZwSt. Alzenau ist hierfür örtlich zuständig.
I.
Der Kläger hat gegen den Beklagten Anspruch auf
Schadensersatz in Höhe von 2.499,00 €.
1. Zwischen den Parteien kam zunächst ein wirksamer
Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug zustande. Insbesondere kann
der Beklagte sich nicht auf eine Fehlfunktion seines Handys berufen.
a) Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt eine
Anwendung des § 105 Abs. 2 BGB vorliegen nicht in Betracht, da weder für eine
direkte noch für eine entsprechende Anwendung die Voraussetzungen vorlagen.
b) Der Beklagte hat ein Angebot des Klägers auf Abschluss
eines Kaufvertrages über das Fahrzeug angenommen, so dass ein Kaufvertrag
zustande gekommen ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte das
Angebot abgeben wollte. Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind so
auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter
Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte. Nach dem Empfängerhorizont
hat aber der Beklagte ein Angebot über einen Sofortkauf angenommen (LG Kiel,
Beschluss vom 11.02.2004 – 1 S 153/03, BeckRS 2007, 01398; so im Ergebnis auch
Palandt, BGB, 76. Auflage, § 130 BGB, Rn. 4).
c) Der Beklagte beruft sich darauf, den Vertrag jedenfalls
wirksam angefochten zu haben. Der Beklagte ist dabei für das Vorliegen eines
Anfechtungsgrundes darlegungs- und beweisbelastet. Der Beklagte beruft sich
hier auf eine Fehlfunktion seines Handys dahingehend, dass sich das Telefon
trotz Drückens der Sperrtaste nicht gesperrt habe. Die Klagepartei hat
substantiiert dazu vorgetragen, dass jedenfalls noch eine zweimalige Bestätigung
des Kaufs erforderlich ist, auch wenn der Nutzer bei Ebay bereits eingeloggt
ist und den Artikel bereits aufgerufen hat. Das pauschale Bestreiten des
Beklagten ist unbeachtlich. Der Beklagte hat jedoch nicht dazu vorgetragen, wie
es dazu gekommen sein soll, dass das – unterstellt – nicht gesperrte Handy
selbständig zweimal den Kauf bestätigt.
d) Im Übrigen ergäbe sich auch dann, wenn man von einer
wirksamen Anfechtung des Kaufvertrags ausgeht, eine Schadensersatzpflicht des
Beklagten. Der Beklagte hätte dann gemäß § 122 Abs. 2 BGB dem Kläger das
negative Interesse, begrenzt durch das Erfüllungsinteresse zu erstatten.
2. Der Kläger forderte den Beklagten unstreitig mehrfach zur
Abholung des Fahrzeugs sowie zur Zahlung des Kaufpreises auf. Der Beklagte hat
dies abgelehnt. Der Kläger durfte gemäß §§ 433, 323 Abs. 1 BGB vom Kaufvertrag
zurücktreten.
3. Der ersatzpflichtige Schaden des Klägers beläuft sich auf
2.499,00 €.
a) Beim Verkauf des Fahrzeugs hat der Kläger unstreitig
lediglich 17.500,00 € erlöst anstelle der im Kaufvertrag mit dem Beklagten
vereinbarten 19.999,00 €, so dass ein Verlust in Höhe von 2.499,00 €
eingetreten ist. Ein Mitverschulden ist dem Kläger nicht anzurechnen. Die
Beweislast für das Mitverschulden bzw. einen Verstoß gegen die
Schadensminderungspflicht trägt der Schädiger (Looschelders in: BeckOGK, Stand:
01.03.2019, § 254 BGB, Rn. 336). Soweit die maßgeblichen Umstände in der Sphäre
des Geschädigten liegen, hat dieser im Rahmen des Zumutbaren an der Aufklärung
des Sachverhalts mitzuwirken (BeckOGK, a.a.O.).
b) Der Vorwurf, das Fahrzeug nicht möglichst schnell zu
einem möglichst guten Preis verkauft zu haben, kann dem Kläger nicht gemacht
werden. Zwar hat der Kläger den Nachweis, dass das Fahrzeug nach dem ersten
Einstellen bei ebay „verbrannt“ gewesen sei, nicht führen können, da dies nach
nachvollziehbarer und schlüssiger Feststellung des gerichtlich bestellten
Sachverständigen Dipl.-Ing. Christof einer sachverständigen Feststellung nicht
zugänglich ist. Nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers im Rahmen seiner
informatorischen Anhörung hat dieser jedoch das Fahrzeug nach dem hier
streitgegenständlichen Verkauf bei ebay Kleinanzeigen, bei mobile.de und bei
Auto-Scout zum Preis von 19.999,00 € inseriert. Dabei ist zu berücksichtigen,
dass es sich bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug unstreitig nicht um ein
gängiges Fahrzeug handelt, sondern ein solches, welches nur einen begrenzten
Käuferkreis ansprechen dürfte. Dass ein anderer Käufer vorhanden und bereit
gewesen wäre, einen Preis von 19.999,00 € für das Fahrzeug zu zahlen, ist nicht
dargetan. Auch ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger für das
Fahrzeug nach dem gescheiterten Verkauf eine Garage anmieten musste, was mit
weiterem Zeitablauf zu weiteren Kosten geführt hätte.
b) Auch ist am Fahrzeug kein vom Kläger zu vertretender
Wertverlust eingetreten, der gegen den Mindererlös aufzurechnen wäre. Nach dem
nicht substantiiert bestrittenen Vortrag des Klägers hat dieser mit dem
Fahrzeug nach Erstellung des Wertgutachtens im Jahr 2014 dieses nur wenig
genutzt und sodann zwischen dem Verkauf am 10.04.2016 und dem Weiterverkauf am
16.05.2016 lediglich rund 2 km bis zu einer angemieteten Garage zurückgelegt.
Das Gericht hat zum Marktwert des Fahrzeugs im Jahr 2016 ein Gutachten des
Sachverständigen Dipl.-Ing. Christof eingeholt. Der Sachverständige kommt zu
dem Ergebnis, dass ein Marktwert von mindestens 19.999,00 € auf Grundlage der
vorhandenen Anknüpfungstatsachen bestätigt werden könne. Zu berücksichtigen sei
jedoch, dass der Sachverständige das Fahrzeug nicht in Augenschein nehmen
konnte und daher seine Ausführungen ausschließlich nach Aktenlage getätigt hat.
Sofern zwischenzeitlich Verschlechterungen am Fahrzeug, beispielsweise durch
Unfall, eingetreten sind, ergebe sich ggf. eine andere Beurteilung. Diese
Ausführungen hat der Sachverständige auch im Rahmen seiner mündlichen Anhörung
zur Erläuterung des Gutachtens vom 13.03.2019 bestätigt. Ausdrücklich hat der
Sachverständige dabei auch darauf hingewiesen, dass der konkrete Marktwert
nicht zu bestimmen gewesen sei; aufgrund der Fragestellung im Beweisbeschluss
habe er auf Grundlage der vorliegenden Anknüpfungstatsachen jedoch den
Mindestwert von 19.999,00 € bestätigen können. Die Ausführungen des Sachverständigen
sind in sich schlüssig und nachvollziehbar. Die mündlichen Angaben des
Sachverständigen haben die Feststellungen aus dem schriftlichen Gutachten
bestätigt. Die Parteien haben zuletzt keine Einwände gegen die Ausführungen des
Sachverständigen vorgebracht. Das Gericht hat an der Sachkunde des
Sachverständigen keine Zweifel und schließt sich dessen Ausführungen
vollumfänglich an. Auf Grundlage dessen geht das Gericht davon aus, dass das
Fahrzeug im Jahr 2016 noch einen Marktwert von mindestens 19.999,00 € hatte.
Zwar ist dem Beklagten zuzugeben, dass nicht auszuschließen ist, dass
zwischenzeitlich aufgrund eines Unfalls oder sonstiger Beschädigungen o.ä.
lediglich noch ein niedrigerer Marktwert gegeben war. Konkrete Anhaltspunkte
dafür, dass es zu einer solchen Verschlechterung tatsächlich gekommen ist,
trägt er jedoch nicht vor.
II.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus Verzug gemäß §§ 280 Abs. 1,
Abs. 2, 286 BGB. Der Zinsbeginn ergibt sich aus der Zustellung des
Mahnbescheids.
III.
Der Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten ergibt
sich ebenfalls aus Verzug. Die Höhe berechnet sich aus einer 1,3
Geschäftsgebühr aus einem Betrag von 2.499,00 €, mithin 261,30 €, zuzüglich der
Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 €, zuzüglich der
Mehrwertsteuer nach Nr. 7008 VV RVG in Höhe von 53,45 €, mithin insgesamt
334,75 €. Die Klägervertreterin hat zum Nachweis der erfolgten
Rechnungsstellung und Zahlung durch den Kläger die Rechnung vom 02.12.2016
sowie eine Quittung über die Zahlung des Rechnungsbetrages vorgelegt (Bl. 156
d.A.).
IV.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 ZPO. Die
Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 S. 1
und S. 3 ZPO.

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OLG Hamm: Rücktritt vom Fahrzeugkauf – Käufer darf ʺzu Hauseʺ klagen

Ein Käufer, der vom Kaufvertrag eines ihm bereits
überlassenen Fahrzeugs zurücktritt, darf die Vertragsrückabwicklung regelmäßig
an dem für seinen Wohnsitz zuständigen Amts- oder Landgericht einklagen und ist
nicht verpflichtet, den Prozess beim Gericht am Wohn- oder Geschäftssitz des
beklagten Verkäufers zu führen. Das hat der 28. Zivilsenat des
Oberlandesgerichts Hamm am 27.10.2015 entschieden und damit die
erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Bielefeld aufgehoben.

Der klagende Käufer aus Löhne erwarb im September 2014
beim beklagten Verkäufer aus Potsdam ein Gebrauchtfahrzeug vom Typ Saab 900
Cabriolet zum Kaufpreis von 5650 Euro. Nach entsprechender Barzahlung
verbrachte der Kläger das Fahrzeug nach Löhne. Hier kam ihm der Verdacht, dass
der im Kaufvertrag angegebene Kilometerstand von 173.000 km unzutreffend sei
und das Fahrzeug tatsächlich eine erheblich höhere Laufleistung aufwies. Noch
bevor der Kläger das Fahrzeug auf seinen Namen zuließ, erklärte er gegenüber
dem Beklagten den Vertragsrücktritt und verlangte die Rückabwicklung des Kaufvertrages.
Die vom Kläger vor dem Landgericht Bielefeld erhobene
Klage hatte zunächst keinen Erfolg, weil das Landgericht Bielefeld sich als
örtlich unzuständig ansah. Die Berufung des Klägers gegen das landgerichtliche Urteil
war erfolgreich. Der 28. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat die
erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und das Landgericht Bielefeld
verpflichtet, den Rechtsstreit zu verhandeln und zu entscheiden.
In der Hauptsache beantrage der Kläger nunmehr – so der
28. Zivilsenat – ihm den Kaufpreis Zug um Zug gegen die Rückgabe des Fahrzeugs zurückzuzahlen.
Diesen Prozess könne der Kläger vor dem
Landgericht Bielefeld durchführen. Dort sei der Gerichtsstand
des Erfüllungsortes gegeben. Wenn nicht anders vereinbart, sei für diesen Gerichtsstand
der Ort maßgeblich, an dem der Kaufvertrag im Falle eines zu Recht erklärten
Rücktritts rückabzuwickeln sei. Bei einem Fahrzeugkauf habe ein Käufer nach der
Ausübung seines Rücktrittsrechts keinen uneingeschränkten Anspruch auf
Rückzahlung des Kaufpreises. Dieser Anspruch sei vom Verkäufer vielmehr nur Zug
um Zug gegen Rückgabe des verkauften Fahrzeugs zu erfüllen. Dabei sei der
Verkäufer verpflichtet, ein mangelhaftes Fahrzeug dort abzuholen, wo es sich
nach der Vorstellung der Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsrücktritts
befinde. Das sei im vorliegenden Fall am Wohnsitz des Klägers in Löhne, weil
der Kläger das Fahrzeug dort habe nutzen wollen. Dem stehe nicht entgegen, dass
die nach dem Vertrag vorrangig vor einem Rücktritt vom Verkäufer geschuldete
Nachbesserung an dessen Betriebs- oder Wohnsitz vorzunehmen gewesen wäre. Das Scheitern
einer Nachbesserung sei ggfls. eine Rücktrittsvoraussetzung und lasse sich in
der Regel erst dann feststellen, wenn der Käufer das Fahrzeug im Anschluss an
die Nachbesserung zurückerhalten habe.
Vertragsgemäß befinde es sich dann wieder an seinem
Wohnsitz.