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BVerfG: Durchsuchung bei Medienorganen darf nicht vorrangig der Aufklärung möglicher Straftaten von Informanten dienen

Beschlüsse vom 13. Juli 2015
Die Durchsuchung in Redaktionsräumen oder Wohnungen von
Journalisten darf nicht vorrangig dem Zweck dienen, den Verdacht von Straftaten
durch Informanten aufzuklären. Erforderlich sind vielmehr zureichende
tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat der konkret betroffenen
Presseangehörigen, die den Beschlagnahmeschutz nach § 97 Abs. 5 Satz 1
Strafprozessordnung entfallen lässt. Dies hat die 3. Kammer des Ersten Senats
des Bundesverfassungsgerichts mit zwei heute veröffentlichten Beschlüssen
entschieden und Verfassungsbeschwerden eines Journalisten sowie eines
Zeitungsverlags gegen Durchsuchungsmaßnahmen stattgegeben.
Sachverhalt und
Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführer sind ein Journalist sowie ein
Zeitungsverlag. Im Frühjahr 2011 reiste der Journalist nach Amsterdam, um über
das Verschwinden zweier Kinder in den 1990er Jahren zu recherchieren. Dabei
wurde er von dem Polizeioberkommissar N. begleitet, der eine Rechnung über
3.149,07 Euro an die Chefredaktion der Beschwerdeführerin stellte. Sie endet
mit den Worten: „Wegen der Konspirativität in dieser Sache bitte ich um
Barauszahlung“. Auf diese Rechnung stießen die Ermittlungsbehörden im Rahmen
eines Ermittlungsverfahrens gegen N. wegen Geheimnisverrats (§ 353b
Strafgesetzbuch – StGB). N. stand in Verdacht, eine geplante Razzia der
Berliner Polizei im Rockermilieu an Journalisten weitergegeben zu haben. Über
die bevorstehende Razzia hatte jedoch nicht der Zeitungsverlag vorab berichtet,
sondern ein mit diesem nicht in Zusammenhang stehendes Online-Portal.
Im November 2012 wurden das Redaktionsgebäude des
Zeitungsverlags sowie die Privatwohnung des Journalisten wegen des Verdachts
der Bestechung (§ 334 Strafgesetzbuch – StGB) durchsucht. Der
Durchsuchungsbeschluss stützte sich auf eine Zahlung des Journalisten an N. in
Höhe von 100,00 Euro sowie auf die genannte Rechnung. Aufgrund der Heimlichkeit
der Reise, des ungewöhnlich hohen Tagessatzes von 500,00 Euro sowie der Bitte
um konspirative Abrechnung bestehe der Verdacht, dass die von N. für die
Zeitung erledigten Tätigkeiten dienstlichen Bezug hätten. Nach Darstellung der
Beschwerdeführer sei N. jedoch außerhalb seiner Dienstzeit als
Sicherheitsexperte für die Recherchereise nach Amsterdam engagiert worden. Die
100,00 Euro seien N. für den Kauf von zwei Jacken ausgelegt und später von ihm
zurückgezahlt worden.
Wesentliche
Erwägungen der Kammer:
Die Verfassungsbeschwerden sind begründet.
1. Der Schutzbereich der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz
2 GG) ist eröffnet. Sie umfasst den Schutz vor dem Eindringen des Staates in
die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit sowie in die Vertrauenssphäre zwischen
den Medien und ihren Informanten. Dieser Schutz ist unentbehrlich, weil die
Presse auf private Mitteilungen nicht verzichten kann, diese Informationsquelle
aber nur dann fließt, wenn sich der Informant grundsätzlich auf die Wahrung des
Redaktionsgeheimnisses verlassen kann. Eine Durchsuchung in Presseräumen stellt
wegen der damit verbundenen Störung der redaktionellen Arbeit und der
Möglichkeit einer einschüchternden Wirkung eine Beeinträchtigung der
Pressefreiheit dar.
2. Der Eingriff durch die Anordnung der Durchsuchung der
Redaktionsräume und die Beschlagnahme der dort gefundenen Gegenstände ist
verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.
a) Nach Art. 5 Abs. 2 GG findet die Pressefreiheit ihre
Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Die Bestimmungen der
Strafprozessordnung (StPO) sind als allgemeine Gesetze anerkannt, müssen
allerdings im Lichte dieser Grundrechtsverbürgung gesehen werden. Es bedarf
einer Zuordnung der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Freiheit und
des durch die einschränkenden Vorschriften geschützten Rechtsgutes. Eine solche
Zuordnung hat der Gesetzgeber vorgenommen, indem er einerseits die allgemeine
Zeugnispflicht von Medienangehörigen in § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO und
korrespondierend hierzu Beschlagnahmen bei Journalisten und in Redaktionsräumen
in § 97 Abs. 5 Satz 1 StPO eingeschränkt hat, andererseits aber ein
Beschlagnahmeverbot in § 97 Abs. 5 Satz 2, Abs. 2 Satz 3 StPO bei
strafrechtlicher Verstrickung des Zeugen oder der Sache ausgeschlossen hat. Auf
diese Weise hat der Gesetzgeber jedenfalls im Grundsatz einen tragfähigen
Ausgleich zwischen dem Schutz der Institution einer freien Presse auf der einen
Seite und dem legitimen Strafverfolgungsinteresse auf der anderen Seite
geschaffen, wobei offen bleiben kann, ob er den Schutz der Presse und des
Rundfunks weiter hätte ziehen oder stärker hätte beschränken dürfen.
Diese Normen sind nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts allerdings keine abschließenden Regelungen. Auch wenn
§ 97 Abs. 5 Satz 1 StPO nicht anwendbar ist, weil ein Journalist selbst (Mit-)
Beschuldigter ist, bleibt Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG für die Auslegung und
Anwendung der strafprozessualen Normen über Durchsuchungen und Beschlagnahmen
in Redaktionen oder bei Journalisten von Bedeutung.
Im Jahr 2012 hat der Gesetzgeber geregelt, dass
Beihilfehandlungen zum Geheimnisverrat nach Maßgabe des § 353b Abs. 3a StGB
nicht mehr als rechtswidrig anzusehen sind. Strafbar bleiben demgegenüber die
Anstiftung zum Geheimnisverrat sowie Beihilfehandlungen, die der Vollendung der
Haupttat vorausgehen oder über das Entgegennehmen und Veröffentlichen der
Information hinausgehen. Hierzu soll insbesondere die Zahlung von Honorar für
dienstlich erlangte Informationen zu rechnen sein. Unter Berücksichtigung von
Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG kann dies jedoch dann nicht gelten, wenn die
Durchsuchung und Beschlagnahme nicht auf einen konkreten Verdacht gerade
gegenüber den betroffenen Presseangehörigen gestützt ist, sondern dem
vorrangigen oder ausschließlichen Zweck dient, Verdachtsgründe gegen den
Informanten zu finden. Vielmehr erfordert eine Durchsuchung zureichende
tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat, die den Beschlagnahmeschutz des §
97 Abs. 5 Satz 1 StPO entfallen lässt. Ein bloß allgemeiner Verdacht, dass
dienstliche Informationen an die Presse weitergegeben wurden, genügt den
verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht.
b) Im vorliegenden Fall ging es den
Strafverfolgungsbehörden, wie auch in dem angefochtenen landgerichtlichen
Beschluss deutlich wird, zumindest vorwiegend um die Ermittlung belastender
Tatsachen gegen einen Informanten aus Polizeikreisen. Diesem sollen Geldbeträge
für Informationen zu bevorstehenden Ermittlungsmaßnahmen gezahlt worden sein.
Bezogen auf dessen Kontakt zu den Beschwerdeführern handelt es sich jedoch um
bloße Mutmaßungen. Zum einen berichtete nicht der beschwerdeführende
Zeitungsverlag über die bevorstehende Razzia, sondern ein mit diesem nicht
zusammenhängendes Online-Portal. Weder dem Durchsuchungsbeschluss noch der
Beschwerdeentscheidung ist zum anderen zu entnehmen, für welche Informationen
Geld gezahlt worden sein soll. Der Tatbestand der Bestechung verlangt jedoch
schon einfachrechtlich die Vornahme einer hinreichend konkreten Diensthandlung.
In Bezug auf die Beschwerdeführer mangelt es daher an zureichenden tatsächlichen
Anhaltspunkten für eine Straftat, die den Beschlagnahmeschutz entfallen lässt.
Ferner lässt sich aus dem bloßen Umstand, dass der
mitbeschuldigte Polizeibeamte ein auf eine fingierte Person angemeldetes
„Journalisten-Handy“ nutzte, nicht auf einen Tatverdacht der Bestechung gerade
gegen die Beschwerdeführer schließen. Auf dem Handy waren die Namen des
Beschwerdeführers und eines Journalisten des Online-Portals gespeichert. Dies
mag dafür sprechen, dass der Informant dienstliche Geheimnisse an Journalisten
weitergegeben hat. Wegen des in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten
Informantenschutzes rechtfertigt das bloße Interesse der
Strafverfolgungsbehörden, dies zu erfahren, jedoch keine Durchsuchung in den
Redaktionsräumen von Presseorganen, sofern nicht erkennbar ist, dass auch gegen
diese selbst strafrechtlich relevante Vorwürfe zu erheben sind. Was für eine
Weitergabe der Informationen über eine Razzia gerade an den Beschwerdeführer
sprechen soll, obwohl ein anderes Online-Magazin, für das der andere
eingespeicherte Journalist tätig war, über diesbezügliche Ermittlungsmaßnahmen
vorab berichtete, bleibt unklar.

Auch aus dem Vermerk auf der Rechnung lässt sich nicht mit
der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf eine Bestechung schließen. Die
Rechnung bezog sich auf die Reise nach Amsterdam, für deren Ermöglichung sich
der Beamte dienstunfähig gemeldet hatte. Es erscheint daher nicht fernliegend,
dass der Beamte disziplinarrechtliche Konsequenzen wegen der falschen
Krankmeldung und mangelnden Nebentätigkeitsgenehmigung befürchtete. Ein
Verdacht gegenüber den Beschwerdeführern folgt hieraus jedoch nicht.