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OVG Lüneburg – Hinweis in Rechtsmittelbelehrung auf elektronischen Rechtsverkehr

Eine Rechtsmittelbelehrung, in der wegen der elektronischen
Form der Einlegung und Begründung des Rechtsmittels auf die Niedersächsische
Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Justiz verwiesen wird,
entspricht nicht mehr der ab dem 01. Januar 2018 geltenden Rechtslage.

Leitsatz:
Eine Rechtsmittelbelehrung, in der wegen der elektronischen
Form der Einlegung und Begründung des Rechtsmittels auf die Niedersächsische
Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Justiz verwiesen wird,
entspricht nicht mehr der ab dem 01. Januar 2018 geltenden Rechtslage.
Gründe:
I.            
Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen
eine mit einer sofortigen Vollziehung versehene Verfügung des Antragsgegners,
mit der ihr aufgegeben wurde, die Versiegelung von Betriebsräumen auf einem in
ihrem Eigentum stehenden Grundstück zu dulden.        
Gemäß einer Gewerbeanmeldung bei der Samtgemeinde Neuenhaus
vom 23. August 2012 zeigte die G. GmbH einen Gewerbebetrieb mit der Bezeichnung
„Groß- und Einzelhandel und Vertrieb mit Produktion von Lebensmitteln,
insbesondere Fleisch- und Wurstwaren sowie sonstige Feinkostartikel aller Art
(Schwerpunkt)“ an. Betriebssitz und Hauptniederlassung des Unternehmens
wurden unter der postalischen Anschrift E., F., angegeben. Die dortigen
Betriebsflächen, welche mit aufstehenden Gebäuden bebaut sind, stehen nach
einem Auszug aus dem Liegenschaftskataster zum Teil im Eigentum der H. mbH
(Flurstück I., Flur J., Gemarkung F.) und zu einem weiteren Teil (Flurstück K.)
im Eigentum der L. GmbH. Die H. mbH firmiert inzwischen unter dem Namen der in
Liquidation befindlichen Antragstellerin und die L. GmbH unter dem Namen D.
GmbH. Für diese handelt nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Beigeladene
als Insolvenzverwalter. Mit Bescheid vom 07. September 2017 untersagte der
Antragsgegner der G. GmbH gemäß § 35 Abs. 1 Gewerbeordnung (GewO) die Ausübung
ihres Gewerbes auf Dauer wegen Unzuverlässigkeit. Des Weiteren untersagte der
Antragsgegner der GmbH die Ausübung aller Gewerbe im Geltungsbereich der
Gewerbeordnung (§ 35 Abs. 1 Satz 2 GewO) und forderte sie auf, die
Gewerbeausübung spätestens 14 Tage nach Vollziehbarkeit dieser
Ordnungsverfügung einzustellen. Die sofortige Vollziehung der
Untersagungsverfügung wurde angeordnet. Mit gesondertem Bescheid vom 07.
September 2017 untersagte der Antragsgegner dem Geschäftsführer der G. GmbH,
Herrn M., gemäß § 35 Abs. 7a i. V. m. § 35 Abs. 1 GewO die Tätigkeit als
Geschäftsführer dieser GmbH sowie jegliche Tätigkeit als
Vertretungsberechtigter eines anderen Gewerbetreibenden und als mit der Leitung
eines Gewerbebetriebes beauftragte Person auf Dauer wegen Unzuverlässigkeit.
Ihm wurde des Weiteren die Ausübung aller Gewerbe im Geltungsbereich der
Gewerbeordnung untersagt (§ 35 Abs. 1 Satz 2 GewO) und er wurde aufgefordert,
die Geschäftsführertätigkeit spätestens 14 Tage nach Vollziehbarkeit dieser
Ordnungsverfügung einzustellen. Zugleich ordnete der Antragsgegner die
sofortige Vollziehung auch dieser Untersagungsverfügung an. Nachdem der
Antragsgegner festgestellt hatte, dass das Gewerbe der G. GmbH nicht abgemeldet
wurde und auf den oben genannten Betriebsflächen weiterhin gewerbliche
Tätigkeiten ausgeübt wurden, leitete er Zwangsmaßnahmen – zunächst in der
Gestalt von Zwangsgeldfestsetzungen unter Androhung unmittelbaren Zwangs – zur
Durchsetzung der Bescheide vom 07. September 2017 ein. Mit Bescheid vom 23.
November 2017 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass
beabsichtigt sei, die Betriebsräume E., F., am Mittwoch, dem 29. November 2017,
zu versiegeln, und verpflichtete die Antragstellerin unter Anordnung der
sofortigen Vollziehung zur Duldung dieser Maßnahme. Die Antragstellerin hat
dagegen beim Verwaltungsgericht Osnabrück Klage erhoben, über die noch nicht
entschieden ist (Az. 1 A 908/17). Ihren Antrag auf Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht mit dem im Tenor bezeichneten
Beschluss vom 15. Dezember 2017, auf dessen Begründung Bezug genommen wird,
abgelehnt. Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 20. Dezember 2017
zugestellten Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 22.
Dezember 2017 beim Verwaltungsgericht eingelegten und mit Schriftsatz vom 29.
Januar 2018 begründeten Beschwerde.  
II.           
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des
Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg.
1. Der Senat kann offenlassen, ob die Beschwerde bereits
wegen Versäumung der Begründungsfrist nach § 146 Abs. 4 Satz 1
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) als unzulässig zu verwerfen ist. Dies
erscheint eher zweifelhaft. Die Antragstellerin hat die Beschwerde zwar erst
mit Schriftsatz vom 29. Januar 2018, d. h. nicht innerhalb eines Monats nach
Zustellung der angefochtenen Entscheidung begründet. Es ist aber zu
berücksichtigen, dass die dem Beschluss des Verwaltungsgerichts beigefügte
Rechtsmittelbelehrung mit einem Hinweis zur Form der Einlegung und Begründung
der Beschwerde versehen ist, der wie folgt lautet:               
„Bei der Verwendung der elektronischen Form sind besondere
Voraussetzungen zu beachten (Nds. Verordnung über den elektronischen
Rechtsverkehr in der Justiz).“  
Der Klammerzusatz entspricht nicht mehr der ab dem 01.
Januar 2018 geltenden Rechtslage (vgl. dazu § 55a VwGO in der seit dem
01.01.2018 geltenden Fassung sowie die Verordnung über die technischen
Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere
elektronische Behördenpostfach vom 24.11.2017, BGBl. I S. 3803). Der Mangel
könnte bewirkt haben, dass für die Begründung der Beschwerde die in § 58 Abs. 2
VwGO bezeichnete Einjahresfrist gilt und folglich die mit Schriftsatz der
Antragstellerin vom 29. Januar 2018 vorgelegte Begründung des Rechtsmittels
nicht als verfristet angesehen werden kann. Der Senat sieht von einer
abschließenden Beurteilung dieser Frage ab, denn es kommt auf deren
Beantwortung nicht entscheidungserheblich an. Die zur Begründung des
Rechtsmittels dargelegten Gründe, auf deren Prüfung das Beschwerdegericht gemäß
§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen es jedenfalls in der
Sache nicht, die erstinstanzliche Entscheidung zu ändern.    
2. Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Begründung die
Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und
sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Eine ordnungsgemäße
Begründung liegt mithin nur dann vor, wenn sich aus den Darlegungen des
Beschwerdeführers die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung und die
Notwendigkeit seiner Abänderung oder Aufhebung ergeben (vgl. OVG
Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27.05.2008 – 2 M 72/08 -, NVwZ-RR 2008, 747; OVG
Hamburg, Beschluss vom 12.12.2013 – 4 Bs 333/13 -, NVwZ-RR 2014, 494). Diesen
Anforderungen wird der Beschwerdevortrag der Antragstellerin nicht gerecht.             
Die Antragstellerin beanstandet, dass ihr mit einer Frist
von lediglich sechs Tagen mitgeteilt worden sei, dass ihre Immobilie versiegelt
werde. Man müsse sich vergegenwärtigen, dass ihr selbst irgendein Fehlverhalten
nicht vorgeworfen worden sei. Die mit der Versiegelung verbundene Ausschließung
von der Nutzung ihrer Immobilie sei rechtswidrig. Auch ein etwaiges
Fehlverhalten ihrer Mieterin, der G. GmbH, könne ein derartig rigides Vorgehen
der Behörde nicht rechtfertigen.
Mit diesem Vortrag genügt die Antragstellerin dem
Darlegungserfordernis nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ersichtlich nicht. Denn sie
wiederholt im Wesentlichen nur ihren erstinstanzlichen Vortrag, mit dem das
Verwaltungsgericht sich auseinandergesetzt hat. Das Verwaltungsgericht hat näher
ausgeführt, dass die Antragstellerin durch die streitige Versiegelungsanordnung
nicht erheblich in ihrem Eigentum beeinträchtigt werde. Auf die diesbezügliche
Begründung des angefochtenen Beschlusses wird Bezug genommen (vgl. S. 8 f. des
Beschlussabdrucks). Die Beschwerde verhält sich zu dieser Begründung nicht und
setzt sich mit ihr nicht auseinander. So bleibt nach der Beschwerde – wie schon
im erstinstanzlichen Verfahren – unklar, aus welchen Gründen ein kurzfristiger
Zutritt der Antragstellerin zu den versiegelten Räumlichkeiten, soweit sie in
ihrem Eigentum stehen, erforderlich sein soll. Ein nachvollziehbares eigenes
Nutzungsinteresse hat die Antragstellerin nicht dargetan.
Die Antragstellerin macht weiterhin geltend, erschwerend
komme hinzu, dass die G. GmbH inzwischen in ein Insolvenzeröffnungsverfahren
verwickelt sei. Es sei die vorläufige Verwaltung ihres Vermögens durch einen
vorläufigen Insolvenzverwalter angeordnet worden. Die Gefahr von
Rechtsverstößen im Falle einer Entsiegelung ihrer Immobilie bestehe danach
nicht mehr.     
Auch mit diesem Vortrag dringt die Antragstellerin nicht
durch. Zum einen ist unklar geblieben, welche Rechte sie aus dem Umstand, dass
das Amtsgericht Nordhorn (Insolvenzgericht) mit Beschluss vom 11. Dezember 2017
die vorläufige Verwaltung des Vermögens der G. GmbH angeordnet und gemäß § 21
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Insolvenzordnung (InsO) einen vorläufigen
Insolvenzverwalter bestellt hat, für sich herleiten will. Sofern die
Antragstellerin damit – sinngemäß – die Erforderlichkeit der streitigen
Duldungsverfügung infrage stellen möchte, überzeugt ihr Vortrag bereits deshalb
nicht, weil die Versiegelung von Betriebsräumen nicht lediglich die
Durchsetzung der gegenüber der G. GmbH verfügten Gewerbeuntersagung bezweckt,
sondern auch die Verhinderung der weiteren gewerblichen Tätigkeit des Herrn N.,
gegen den der Antragsgegner mit Bescheid vom 07. September 2017 auf der
Grundlage des § 35 Abs. 7a i. V. m. § 35 Abs. 1 GewO eingeschritten ist. Nach
den erstinstanzlichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts, denen die
Antragstellerin nicht weiter entgegengetreten ist, ist davon auszugehen, dass
sich Herr N. von den Untersagungsbescheiden offensichtlich unbeeindruckt
gezeigt hat und das Gewerbe selbst nach der durchgeführten Versiegelung und
nach einer – den Umständen nach nicht näher geklärten – Entfernung der Siegel
und von Teilen der beschlagnahmten Fleischwaren in beiden Hallen des
Betriebsgeländes, d. h. auch in dem im Eigentum der Antragstellerin stehenden
Betriebsteil, ausgeübt hat.       
Der Vortrag der Antragstellerin, das Insolvenzgericht habe
Zwangsmaßnahmen gegen die G. GmbH für unwirksam erklärt, trifft – jedenfalls in
dieser Pauschalität – nicht zu und ist im Übrigen unerheblich. In dem genannten
Beschluss hat das Amtsgericht Nordhorn (Insolvenzgericht) unter 4. angeordnet:             
„Maßnahmen der Zwangsvollstreckung werden gem. § 21 Abs. 2
S. 1 Nr. 3 InsO untersagt, bereits eingeleitete Maßnahmen werden einstweilen
eingestellt – soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind.“        
Das unbewegliche Vermögen der Schuldnerin bleibt danach dem
Zugriff in der Vollstreckung ausgesetzt. Die gerichtliche Anordnung entspricht
insoweit § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO, in dem ausdrücklich geregelt ist, dass
das Gericht Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagen
oder einstweilen einstellen kann, soweit nicht unbewegliche Gegenstände
betroffen sind. Unter diesen Umständen können die weiteren Fragen, ob die
streitigen Betriebsräume dem Vermögen der G. GmbH, die nicht Eigentümerin des
Betriebsgrundstücks ist, zugeordnet werden können, und ob eine Anordnung nach §
21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO überhaupt einer Maßnahme in der
Verwaltungsvollstreckung zur Durchsetzung einer Gewerbeuntersagung entgegenstehen
kann, dahinstehen. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass Anordnungen
über die Untersagung zukünftiger Vollstreckungsmaßnahmen und die einstweilige
Einstellung laufender Vollstreckungsmaßnahmen nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
InsO die Wirksamkeit bereits durchgeführter Vollstreckungsmaßnahmen unberührt
lassen (vgl. Vallender in: Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 14. Aufl., § 21 Rn.
26). Auch aus diesem Grunde spricht Erhebliches dafür, dass die Anordnung des
Amtsgerichts Nordhorn (Insolvenzgericht) in seinem Beschluss vom 11. Dezember
2017 (unter 4.) keine Rechtswirkungen in Bezug auf die in Rede stehende
Versiegelung der Betriebsräume, welche bereits am 29. November 2017
durchgeführt wurde, entfaltet hat.     
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen beruht die
Entscheidung auf § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des
Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, weil er sich im Beschwerdeverfahren
nicht geäußert und sich mangels Antragstellung einem eigenen Kostenrisiko nicht
ausgesetzt hat (vgl. dazu § 154 Abs. 3 VwGO).           
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2
Nr. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).      
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68
Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).