Meinungsäußerungen in einem
sozialen Netzwerk sind im Gesamtgefüge der auch über einen längeren Zeitraum
hinweg erfolgten Einträge zu würdigen. Ergibt diese Gesamtwürdigung Züge einer
Privatfehde, liegt die Annahme einer unzulässigen Schmähkritik nahe. Für die
Erkennbarkeit des von einer Äußerung Betroffenen reicht es aus, wenn dieser
begründeten Anlass hat anzunehmen, er könne innerhalb seines mehr oder minder
großen Bekanntenkreises aufgrund der mitgeteilten Umstände erkannt werden.
das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom
Zurückweisung der Berufung im Übrigen – wie folgt
folgende Äußerungen zu unterlassen:
aus Z.“, sei ein „Kindesentfremder“.
Z.“, habe sich sein (des Beklagten)
angeeignet“ sowie „belogen, verleumdet und
Kinderschänder“, – „der elektrische Stuhl ist zwar
unsere elektrische Stihl“ –
„Pharmaindustrie“ einen Beitrag zu teilen mit der
arbeitet“ (Text vom 07.10.2016).
sinngemäß als „Kindesentzieher“
folgende Äußerungen mit Bezug auf den
werden, wird gerade gebaut. Er
Schweine…. Entfremden Eltern-Kind.“
diese Woche natürlich nur die Pest,
durchhalten“.
Es geht langsam los und ich weiß,
wach werden. Das ist eine Frage der
Einträgen ab dem Mai 2016 auf dem
unter Ziffer 1. und 2. angeführten Einträge
binnen einer Frist von 1 Woche ab
Entscheidung zu löschen.
Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in
Fall, dass dieses nicht beigetrieben
Monaten angedroht.
Landgerichts Chemnitz vom 28.03.2017 – 4 O 1452/16
Instanz tragen der Kläger zu 4/10 und der Beklagte zu
Berufungsverfahren trägt der Kläger zu 3/10,
vollstreckbar.
Berufungsverfahren wird auf 7800 EUR und für das
festgesetzt.
r ü n d e :
pharmazeutischen Unternehmen in Z. beschäftigt ist- und seine
03.12.2003 geborenen Hxx.. Er wendet sich gegen
der Facebook-Seite des Beklagten veröffentlicht
Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug
Beklagten zum überwiegenden Teil verurteilt, die auf
hat es abgewiesen. Für die Begründung wird auf
Mit seiner Berufung erstrebt der Beklagte die
Auffassung, der Kläger könne schon deshalb keine
streitgegenständlichen Eintragungen nicht erkennbar
Eintragungen zulässige Meinungsäußerungen, zum Teil in
Tenor des angegriffenen Urteils auch nicht vollstreckbar.
und die Klage abzuweisen.
zurückzuweisen.
Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten
Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug
Teil begründet. Dem Kläger steht in dem aus dem
auf Unterlassung der streitgegenständlichen
Abs. 1 S. 2 BGB i.v.m. § 185 StGB (analog) zu. In
Äußerungen des Beklagten auf dessen Facebook-Seite in
verletzt.
scheitert dieser Anspruch nicht an einer
Abs. 2 Nr. 2 ZPO der erstinstanzlich gestellten
nicht, wieso die Verwendung des Wortes „weiterhin“ der
entgegenstehen soll, wird hierdurch doch
die Begehungsgefahr von einer dem Beklagten
ausgeht, die nach dessen Angabe in der mündlichen
heutigen Tage andauert. Allerdings war die
angefochtenen Urteils, soweit diese aufrechterhalten wird,
ersichtlich zu formulieren. Eine inhaltliche Änderung liegt
Unterlassung der Äußerungen unter Ziffer 1.1. bis 1.5. sowie
2.14. gemäß §§ 1004, 823 Abs. 1, Abs. 2 sowie i.V.m.
vom 22.8.2017 erhobenen Behauptung, die
stammten überhaupt nicht von ihm, ist der Beklagte im
ZPO ausgeschlossen. Der Senat hält diese
Verteidigungsvorbringen ist es nicht nachvollziehbar,
durch Art. 5 GG geschützten Meinungsfreiheit zu
Berufungsverfahren in Abrede stellen zu wollen. Der
bei seiner Anhörung durch den Senat zu einem
/18.07.2016 bestritten hat, hat dies nach Einschätzung des
Laune heraus erklärt, ohne auf die eklatanten
Prozessverhalten oder die Frage, wie die durch die
seiner Facebookseite ansonsten zustande
Weise einzugehen. Insgesamt vermittelte er dem
Eindruck einer aufgrund des Streits über das
verbitterten und daher mit Blick auf den Streitgegenstand
Persönlichkeit.
Beklagten auf seinem Facebook-Account u.a. mit
oder „Kinderschänder“ erkennbar dargestellt. Eine
vollständige noch eine auch nur abgekürzte
Übermittlung von Teilinformationen, aus denen
interessierte Leserschaft ohne Weiteres ergibt oder mühelos
30.08.2016 – 4 U 314/16; vgl. BGH, Urt. v. 21.06.2005 – VI
die Schilderung von Einzelheiten aus dem
Nennung seines Wohnortes und seiner Berufstätigkeit
30.08.2016 – 4 U 314/16). Für die Erkennbarkeit reicht es aus,
hat anzunehmen, er könne innerhalb eines mehr
erkannt werden (so Senat a.a.O.). Der Beklagte setzt
Thema Kindesentfremdung und
Pflegevater seines Sohnes – auseinander. So
dass gegen ihn ein Umgangsausschluss erfolgt ist und
weiteren Eintrag macht er deutlich, wen er dafür verantwortlich
Klägers an, sondern auch seinen Vornamen und den
Weiteren wird der Beruf zwar mit
verfremdend dargestellt, gleichwohl ist einem
dem pharmazeutischen Bereich zuzuordnen ist.
Privatleben des Klägers genannt. Der Eintrag
Anlage B 2 vorgelegt hat, identifiziert den Kläger über
Kinderlosigkeit und den Umstand, dass der Kläger einen
der leiblichen Mutter bei sich aufgenommen hat. In
Arbeitsort des Klägers genannt. Dies reicht für eine
im Telefonbuch von Z. 22 Personen mit dem
Anfangsbuchstaben „H“ beginnen, kann
Individualisierbarkeit angesichts der aufgezeigten Fülle
Kläger hindeuten, aber nicht entgegen.
Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine
muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden
bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände
Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen
interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das
rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die
überwiegt. Abzuwägen sind danach das Recht
Persönlichkeit aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8
10 EMRK verankerten Recht des Beklagten auf
ist nicht vorbehaltlos sondern nur in den Schranken
BGH, Urteil vom 16.11.2004 – VI ZR 298/03). Zu
Ehre und auf öffentliches Ansehen. Unzulässig
Beleidigungen im Sinne des § 185 StGB und
jedem sachlichen Kern mangelt und bei denen die
polemischer und überspitzter Kritik gleichsam an
Vordergrund steht (vgl. hierzu BGH, Urteil 03.02.2009 –
v. 08.02.2012 – 4 U 1850/11). Die
sind vorliegend in weiten Teilen durch Züge einer
Bezug zu einer die Öffentlichkeit wesentlichen
charakteristisch für eine Schmähkritik ist (BVerfG,
September 2012 – – 1 BvR 2979/10 – –, juris).
diejenigen Äußerungen, die sich ohne direkten Bezug
Äußerungen anderer User, mit der Problematik der
wenn diese größtenteils polemisch überspitzt
geschmacklos sind, kann ihnen ein Sachbezug nicht
Pauschalverbot aller Äußerungen, wie es das
hiernach nicht in Betracht. Vielmehr war jede
umgebenden Einträge zu würdigen.
Einzeläußerungen gilt nach diesen Maßstäben das
aus Z.“ sei ein „Kindesentfremder“.
in seinem öffentlichen Ansehen zu beeinträchtigen
Beklagten selbst vorgelegten Fassung der Anlage B2
aus dem Gesamtzusammenhang. Die
genommen, mindestens aber durch die wiederholte
„Kindesentfremder“ mit „Kinderschänder“ in hohem Maße
ehrverletzend, weist
der o.a. „Privatfehde“.
Z., habe sich sein (des Beklagten) Kind und
belogen, verleumdet und betrogen“.
im Kontext um eine Schmähkritik. Auf die
Bezug genommen.
Kinderschänder“, versehen mit einer Karikatur mit
Stuhl ist zwar defekt, aber wir haben ja immer noch
Aufdruck „Todesstrafe für Kinderschänder“.
kann der Kläger auch isoliert anfechten. Er muss
„Kinderschänder“ bezeichnen zu lassen. Es
Formalbeleidigung gemäß § 185 StGB, die ohne Abwägung mit
Bei dem im Kontext der Äußerung fraglos auf den
arbeitet“) bezogenen Vorwurf des sexuellen
schwere Straftat, die nicht als satirische Stellungnahme
verharmlost werden kann. In dem von ihm selbst als
der Beklagte überdies: „Nun droht ihnen die Strafe
klar zu erkennen gibt, dass er auch bereit ist, sich
Äußerung ist Bestandteil der o.a. „Privatfehde“.
„Dort, wo der Z. Kinderschänder arbeitet“.
entsprechend.
sinngemäß als „Kindesentzieher“ oder
Formalbeleidigung. Kindesentziehung ist ein
StGB). Mit dieser Bezeichnung wird bei einem
der Kläger könnte widerrechtlich ein Kind seines
Wegen der Schwere eines solchen als
Verdachtes ohne konkrete und stichhaltige
Persönlichkeitsrecht des Klägers der Vorrang einzuräumen (vgl.
13.2.2008 – 15 U 180/05). Ein sachlicher Bezug zu etwa
zu der an anderer Stelle aufgeworfenen
alienation syndrome (PAS) ist weder erkennbar noch von
Kinderschänder auch als gesetzliche Möglichkeit?“
die sich im Kontext der gesamten Facebook-Timeline
Kläger bezieht, sondern eine allgemeinpolitische
solche ist sie noch vom Recht auf freie
Finsternis ist die Zerstörung von Bindungen,
Verursachen von PAS. Langsame qualvolle Todesstrafe
allgemeine, von einem konkreten Sachverhalt losgelöste
Landgericht angenommen hat, enthält sie nicht bereits
sich diese Äußerung mit „Kindesentfremdern“
Kläger rechnet. Hier ist die Auseinandersetzung
abstrakt formuliert, ein Bezug zum Kläger wird nicht
gehaltene Polemik gegen „Verbrecher“ lässt offen, ob
Gerichte gemeint sind, die über den
Auch wenn die Äußerung keinen Sachbezug
Diskussion über Probleme von Umgangsstreitigkeiten
Unterlassungsanspruch mangels individueller Betroffenheit des
Tag beginnen… Viel zu schade, um die
entsprechend.
werden, wird gerade gebaut. Er hat Hacken, so
dieser ehrverletzenden Äußerung. Aus dem
dass der Beklagte mit „Verursacher“ diejenigen
für die Entfremdung zwischen ihm und seinen Sohn
Stelle den Kläger rechnet, den er für die
verantwortlich macht. Die Äußerung ist ohne jeden Sachbezug
Grundeinstellung geprägt, die keinen Beitrag zu einer
Kläger mit einem Schwein gleichsetzt und im Kontext
ist.
Freunden. Meinen Kindesentfremdern auch für diese
müsst ihr nicht mehr durchhalten …“.
die durch das Possesivpronomen „meinen“
zudem als „Kindesentfremder“ gebrandmarkt wird.
Schmähkritik im Rahmen der erwähnten Privatfehde.
mit der Karikatur und dem Begleittext: „Gartenarbeit
an, wen man da vergräbt“.
gehaltene Äußerung. Ein unmittelbarer Bezug zum
nur die Todesstrafe und dem anderen Elternteil
Kinderschändung“.
Gesamtkontext der Eintragungen nicht erkennbar, die
bezieht sich erkennbar auf den Post der
der Instrumentalisierung von Trennungskindern und
besteht insoweit nicht.
der begleitenden Karikatur „Glaubst du, dass das
hängt ganz davon ab, wer stirbt.“
gehalten und weist keinen Bezug zum Kläger auf.
gelungen“.
mit einem „Schlag“ gemeint ist und gegen wen er
Begriffes „Kindesentfremder“ stellt im Gesamtkontext noch
her. Die Äußerung enthält auch weder eine
Schmähkritik, sondern stellt eine unsubstantiierte
Es geht langsam los und ich weiß, dass sie es
strafrechtlich relevante Bedrohung handelt, mit
Ernsthaftigkeit dieses Anliegens – die physische
dahinstehen. Sie stellt jedenfalls eine Schmähkritik als
dar. Aus dem Gesamtkontext dieses Posts, der auf
Begleittext „wenn du etwas erreichen willst, dann
Arsch“ mit den Worten „Mach ich doch! … und
reagiert, wird deutlich, dass der Beklagte sich nicht
vermeintlich angetane Unrecht nunmehr sühnen und
Leser seiner Facebook-Seite, der die umgebenden
Drohung auf den Kläger beziehen.
bestrafen … Der Teufel steckt im Detail und die Fahrten
kann dieser Unterlassung der Äußerung 2.11.
nimmt der Senat Bezug.
Finsternis ist die Zerstörung von Bindungen,
Todesstrafe für diese Verbrecher?“
kann dieser Unterlassung der Äußerung 2.12.
nimmt der Senat Bezug.
Kinderseelenkiller … Die Hölle wartet schon, ihr
kann dieser Unterlassung der Äußerung 2.13.
nimmt der Senat Bezug.
wach werden.“ „Das ist eine Frage der Ehre
Zurück und sie werden nicht entkommen.“
Äußerung verlangen, die sich durch die Erwähnung
2.10 im Gesamtkontext ersichtlich auf ihn bezieht.
vielmehr beschränkt sie sich auf eine im ungefähren
der erwähnten Privatfehde. Durch einen Vergleich
einer „Balkanroute“, die wiederum mit „Russisch
dem Beklagten verweigerte Umgang mit seinem Sohn als
für die Verantwortlichen dargestellt werden. Durch
Zurück und sie werden nicht entkommen“ wird diese
unausweichlich bezeichnet.
einen Anspruch darauf, dass die unter Ziffer 1. und 2.
seinem Facebook-Account gelöscht werden. Die
enthält zugleich die Verpflichtung zu einem positiven Tun,
Unterlassungspflicht nur gerecht werden kann, in dem er auch die
notwendig ist, um den rechtmäßigen Zustand zu erreichen
hier der Fall, weil das in die Zukunft weisende
äußern, notwendigerweise die Löschung der
nach § 890 ZPO kann zwar dann auch erfolgen,
ausgesprochen ist (BGH aaO; Zöller-Stöber, ZPO, 31.
hierauf gerichteter Antrag ist jedoch ohne weiteres
außergerichtlichen Anwaltskosten steht dem Kläger nicht
Tätigkeiten sind weder ersichtlich noch vorgetragen worden.
Abs. 1 ZPO, wobei der Senat den Grad des
unterschiedlichen Streitwerte für die Einzelanträge
die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10,
zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2
Streitwertfestsetzung bei Unterlassungsansprüchen wegen
Verbreitung die Schwere des Vorwurfs sowie die
Geltungsanspruches des Verletzten in der Öffentlichkeit, die
Bedeutung der Sache einzubeziehen (vgl.
12. Aufl., Rn. 1421 ff.; Rn. 1627 ff.; Senat,
vom 29.3.2010 – 4 W 313/10; vom 28.01.2009 – 4
vom 30.07.2007 – 4 W 899/07). Der Senat hat
Ziffer 1.1 bis 1.5 mit jeweils 1.000 EUR
Ziffer 2.1 bis 2.14 jeweils 200,- EUR zugrunde gelegt.
erkennbar auf den Kläger zielenden Äußerungen nach
die lediglich allgemeinpolitischen Kommentare
zum Ausdruck zu bringen ist. Der Löschungsantrag,
identisch ist, hat keinen eigenen Streitwert.