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BGH: Wer im Internet unwahre Tatsachenbehauptungen veröffentlicht, haftet auch für die Weiterverbreitung

Der BGH hat mit  Urteil
vom 28. Juli 2015, Az. VI ZR 340/14
entschieden,  dass Webseitenbetreiber, die unwahre
Tatsachenbehauptungen aufstellen indem sie 
rechtsverletzende Texte formulieren, diese nicht nur von ihrer eigenen
Webseite löschen müssen bzw. von Webseiten auf die sie eigenen Zugriff haben,
sondern auch auf die Löschung rechtsverletzender Textbestandteile mit falschen
Tatsachenbehauptungen auf Webseiten Dritter hinwirken müssen, selbst wenn die
Dritten die Texte ohne Wissen des Autors übernommen haben und weiterverbreiten.
Damit stärkt der BGH die Rechte von Betroffenen ganz erheblich.
Der Tenor lautet:
1. Zur
Beseitigung eines Zustands fortdauernder Rufbeeinträchtigung kann der
Betroffene den Störer grundsätzlich nicht nur auf Berichtigung, sondern auch
auf Löschung bzw. Hinwirken auf Löschung rechtswidriger, im Internet abrufbarer
Tatsachenbehauptungen in Anspruch nehmen.
2. Die Löschung bzw. das Hinwirken auf Löschung im
Internet abrufbarer Tatsachenbehauptungen kann im Rahmen eines
Beseitigungsanspruchs nur verlangt werden, wenn und soweit die beanstandeten
Behauptungen nachweislich falsch sind und die begehrte Abhilfemaßnahme unter
Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen, insbesondere der Schwere der
Beeinträchtigung, zur Beseitigung des Störungszustands geeignet, erforderlich
und dem Störer zumutbar ist.

3. Als Störer im Sinne von § 1004 BGB ist ohne Rücksicht
darauf, ob ihn ein Verschulden trifft, jeder anzusehen, der die Störung
herbeigeführt hat oder dessen Verhalten eine Beeinträchtigung befürchten lässt.
Von der Norm erfasst wird sowohl der unmittelbare Störer, der durch sein
Verhalten selbst die Beeinträchtigung adäquat verursacht hat, als auch der
mittelbare Störer, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an
der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat.
In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall wurde die unwahre
Tatsachenbehauptung  nach einer Abmahnung
der Betroffenen zwar vom späteren Beklagten von der ursprünglichen Ausgangswebseite
gelöscht, war aber noch in verschiedenen anderen Internetplattformen abrufbar.
Die in ihren Rechten verletzte Klägerin wollte ursprünglich
erreichen, dass die Beklagte verurteilt wird, die Löschung des im Internet
abrufbaren streitgegenständlichen Artikels zu faktisch „bewirken“, den Text
also zu löschen.
Diesen Anspruch hat der BGH verneint, weil  er eine grundsätzliche Pflicht des Beklagten,
gegen die Webseiten Dritter vorzugehen, als nicht gegeben angesehen hat. Dies
scheitere nach dem BGH auch bereits an dem Umstand, dass für den Beklagten generell
keine praktische Möglichkeit bestünde Texte auf fremden Webseiten zu löschen.
Jedoch wurde der Beklagte vom BGH verpflichtet, im Rahmen
des ihm Möglichen und Zumutbaren die Betreiber der Internetportale, auf denen
die angegriffenen Äußerungen noch abrufbar waren, zu kontaktieren und auf eine
Löschung der inkriminierenden Texte hinzuwirken.
Daher sollten Autoren, Blogger, Texter, Verlage und Webseitenbetreiber
in Zukunft  Sachverhalte noch genauer auf
deren Wahrheitsgehalt, Beweisbarkeit und Nachprüfbarkeit  prüfen bevor Tatsachenbehauptungen
veröffentlicht werden, denn auch wenn diese nur zum „Hinwirken“ auf die
Löschung statt zum „Bewirken“ der Löschung verpflichtet werden können, tragen sie
als Störer das volle (Kosten-)Risiko der Zwangsvollstreckung, wenn die
rechtsverletzenden Textstellen von den Dritten trotz „hinwirken“ nicht
beseitigt werden.
Der BGH formuliert hierzu klar und deutlich, „der Störer
(trägt) ggf. das Risiko der Zwangsvollstreckung, wenn die gewählte Maßnahme die
Störung nicht beseitigt.“
Bewertung:
Zwar ist das Urteil die an sich konsequente Weiterführung
der Grundsätze, die der BGH bereits im „RSS-Feed“-Fall (BGH, Urt. v. 11.11.2014 – Az.: VI ZR
18/14
) aufgestellt hat, bei dem Dritte rechtswidrige Inhalte eines
RSS-Feeds automatisiert übernommen hatten,  aber nach meiner Einschätzung  geht es an der Realität vorbei.
Der BGH erklärt nämlich nicht, wie der Webseitenbetreiber
bzw. der Erstautor seiner Pflicht nachzukommen hat oder auch wie er die
Erfüllung der Verpflichtung nachweisen kann bzw. muss um nicht mehr angreifbar
zu sein.
Reichen E-Mail, Telefon oder Fax aus? Muss es ein
Einschreiben sein? Wie, wenn der Text von Seiten übernommen wurde, die in
Timbuktu oder Lummerland gehostet werden und damit über kein Impressum oder gar
einen Ansprechpartner verfügen. Man also weder in Kontakt treten und damit
nicht „hinwirken“, noch die Löschung erzwingen kann
Eine Pflicht zu postulieren ist das eine, dabei aber die
Durchsetzbarkeit und die Nachweisbarkeit außer Acht zu lassen ist das andere.  Gut gemeint ist eben nicht gut gemacht.
Vorinstanzen:
OLG Hamburg, Entscheidung vom 08.07.2014 – 7 U 60/13 –
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Filesharing: Kein Haftung für volljährige Familienmitglieder

Das Jahr fängt gut an. Zumindest für jemanden wie mich, der immer wieder abgemahnte Eltern vertritt, die wegen illegalen Filesharings ihrer Kinder zur Abgabe einer Unterlassungserklärung und Schadensersatz aufgefordert worden sind.

Der BGH hat in der Entscheidung Bear Share, (bisher liegt nur die Pressemitteilung des BGH vor, Urteil vom 8. Januar 2014 – I ZR 169/12 – BearShare) entschieden, dass Eltern für volljährige Familienmitglieder nicht als Störer haften.

Der BGH urteilt richtigerweise, „dass die Überlassung durch den Anschlussinhaber auf familiärer Verbundenheit beruht und Volljährige für ihre Handlungen selbst verantwortlich sind. Im Blick auf das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Familienangehörigen und die Eigenverantwortung von Volljährigen darf der Anschlussinhaber einem volljährigen Familienangehörigen seinen Internetanschluss überlassen, ohne diesen belehren oder überwachen zu müssen; erst wenn der Anschlussinhaber – etwa aufgrund einer Abmahnung – konkreten Anlass für die Befürchtung hat, dass der volljährige Familienangehörige den Internetanschluss für Rechtsverletzungen missbraucht, hat er die zur Verhinderung von Rechtsverletzungen erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.“

Dies bedeutet für Eltern deren Haftung für minderjährige Kinder bereits mit der Entscheidung Morpheus weitestgehend ausgeschlossen worden ist, eine weitere Erleichterung und insgesamt eine Rückbesinnung auf den besonderen Schutz der Familie wie in Artikel 6 Grundgesetz garantiert.

Der BGH hat jetzt mit den Entscheidungen „Morpheus“ und „Bear Share“ die Haftung der Eltern von Kindern bis 15 Jahren und für Kinder ab 18 Jahren ausgeschlossen. Dazwischen liegt also noch ein Graubereich.

Ich bin der Auffassung, dass für Kinder im Alter von 16 und 17 Jahren die Störerhaftung der Eltern mit den gleichen Argumenten ausgeschlossen werden kann und muss, zumindest wenn das Kind die volle Einsichtsfähigkeit für sein Tun besitzt und das ist in dem Alter ja grundsätzlich gegeben, da zumindest in NRW Jugendliche ab dem vollendeten 16. Lebensjahr bei den Kommunalwahlen wählen dürfen.

Daher haften Eltern für das illegale Filesharing als Störer nur dann, wenn sie nach einem konkreten Anlass eine Belehrung und die Kontrolle unterlassen und es so ihren Kindern ermöglichen, dass diese weiterhin im Internet auf Tauschbörsen ihr Unwesen treiben.