Wie ausführlich hier
und hier
und hier
berichtet, wurden wohl zehntausende Anschlussinhaber von der Regensburger
Kanzlei U+C Rechtsanwälte wegen des angeblichen Ansehens von Pornofilmen auf
der Streaming-Plattform Redtube abgemahnt und zur Abgabe einer
Unterlassungserklärung und Zahlung eines Betrages von 250,00 € aufgefordert.
Namen und Anschriften der abgemahnten Anschlussinhaber erhielten U+C Rechtsanwälte
aufgrund vom LG Köln im Rahmen von Auskunftsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG
erlassenen Auskunftsbeschlüssen von dem Provider des Anschlussinhabers.
Die entsprechenden Auskunftsanträge beim LG Köln wurden von dem Berliner
Rechtsanwalt Daniel
Sebastian, auch kein Unbekannter in Sachen Filesharing-Abmahnungen, im Namen der Rechteinhaberin The Archive AG gestellt.
Rechtsanwalt Daniel Sebastian beantragte insgesamt 89 Auskunftsbeschlüsse,
von denen 62 durchgewinkt und 27 abgelehnt wurden. In den jetzt vom LG Köln veröffentlichten
Auskunftsbeschlüssen geht es um Beschlussanträge, denen die Richter nicht
gefolgt sind.
Da mag sich der rechtliche Laie zu Recht die Frage stellen: Wie kann es zu
diesen unterschiedlichen Entscheidungen kommen?
Die Begründung ist ganz einfach. Die Anträge wurden von unterschiedlichen
Kammern beim LG Köln bearbeitet und
nicht jede Kammer des LG Köln verfügt über vertiefte Kenntnis im Urheberrecht.
Aufgrund der vom LG Köln als örtlich zuständigem Gericht für die Deutsche
Telekom AG zu bearbeitenden Antragsflut, gerade auch in Filesharing-Fällen, muss jede Zivil-Kammer, auch die mit anderen Spezialisierungen, am LG Köln im
Rotationsprinzip Auskunftsanträge bearbeiten und bescheiden.
In den Redtube Verfahren wurden jetzt zwei der ablehnenden
Auskunftsbeschlüsse im Volltext veröffentlicht (LG Köln, Beschluss vom
17.10.2013, und 214 O 190/13 und LG Köln, Beschluss
vom 02.12.2013, 228 O 173/13).
Auffällig ist, dass es sich bei der 14. Zivilkammer und der 28. Zivilkammer
um die beiden Urheberrechtskammern des LG Köln handelt. Da die Begründungen nahezu
wortgleich die Auskunftsanträge ablehnen, ist davon auszugehen, dass sich die
Richter, die über entsprechende Expertise im Urheberrecht verfügen,
abgesprochen haben
In den Beschlüssen betonen die Kammern nicht nur, dass es streitig ist, ob
durch Streaming das urheberrechtliche Vervielfältigungsrecht nach § 16 UrhG
verletzt wird, sondern bemängeln auch, dass der Rechteinhaber (The Archive AG)
die ordnungsgemäße Ermittlung der IP-Adressen nicht hinreichend glaubhaft
gemacht hat.
In dem Beschluss zum Verfahren unter dem Az.: 228 O 173/13 heißt es wie folgt:
„Die Voraussetzungen für eine Anordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG liegen
nicht vor.
Die Kammer sieht dabei von weiteren Ermittlungen ab, da nach dem
bisherigen Vorbringen der Beteiligten nichts Sachdienliches mehr zu erwarten
ist (… ). Im Einzelnen gilt folgendes:
Das Vorliegen einer offensichtlichen Rechtsverletzung ist nicht
glaubhaft gemacht. Der Antrag knüpft an einen Download des geschützten Rechts
und damit an einen Verstoß gegen das Vervielfältigungsrecht gemäß § 16 UrhG.
Zur Form des Downloads und der Identität des jeweiligen Webhosters, fehlt es
indes an jedwedem Vortrag, so dass nicht beurteilt werden kann, ob eine
Speicherung auf der Festplatte erfolgt oder ein Fall des Cachings oder
Streamings vorliegt, bei dem streitig ist, ob hierdurch urheberrechtliche
Vervielfältigungsrechte verletzt werden. Insoweit begründen sowohl die unklare
Tatsachenlage als auch die ungeklärte Rechtsfrage Zweifel an der erforderlichen
Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung.
Weiterhin ist auch die ordnungsgemäße Ermittlung der IP-Adressen nicht
hinreichend glaubhaft gemacht. Das vorgelegte Gutachten befasst sich mit der
Erfassung des selbst initiierten Downloadvorgangs. Dass auch Downloads von
anderen Rechnern zuverlässig erfasst würden, ergibt sich hieraus nicht.
Insoweit erschließt sich der Kammer auch nicht, wie das eingesetzte
Ermittlungsprogramm in der Lage sein soll, die IP-Adresse des Downloaders zu
erfassen, der lediglich mit dem Server kommuniziert, auf dem das Werk
hinterlegt ist. Es stellt sich mithin die Frage, wie das Programm in diese
zweiseitige Verbindung eindringen kann.
Auf diese Bedenken ist die Antragstellerseite bereits mit Schreiben vom
06.09.2013 hingewiesen worden, ohne darauf Stellung zu nehmen.“
Die Frage ist nach diesen Veröffentlichungen nur, ob man lachen oder weinen soll.
Freuen kann der IT- und Urheberrechtler darüber, dass zumindest die Fachkammern genau hingeschaut haben und nicht alle Anträge einfach haben passieren lassen.
Weinen aber eher darüber, dass auf Grund der Masse an Auskunftsanträgen in Filesharingsachen, man spricht von monatlich 600, auch Kammern mit der Thematik betraut werden, die nicht über die notwendige Fachkenntnis verfügen und deshalb nicht die Vollständigkeit oder besser die Unvollständigkeit der Anträge gerügt haben.
Da das Jahr 2014 gerade beginnt darf man zumindest den Wunsch äußern und die Hoffnung hegen, dass in Zukunft alle Kammern bei entsprechenden Anträgen genauer hinschauen oder sich von Richter-Kolleginnen und -Kollegen schlau machen lassen, bevor sie entscheiden.