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OLG Köln: Nutzung eines Laptops im Straßenverkehr

Das Aufnehmen eines Laptops durch den Betroffenen auf seinen Schoss zu einem
Zeitpunkt, zu dem nicht ausschliessbar der Motor des Fahrzeuges an der
Lichtzeichenanlage manuell ausgeschaltet ist, begründet kein (fortgesetztes)
Aufnehmen des Geräts gemäß § 23 Abs. 1a Nr. 1 StVO im Zeitpunkt des Losfahrens,
wenn der Betroffene den Laptop beim Anfahren nicht in den Händen hält, sondern
sich dieser auf seinem Schoss eingeklemmt zwischen Oberschenkel und Lenkrad
befindet. Beim Anfahren an einer Lichtzeichenanlage unter weiterem
„Tippen“ auf der Tastatur des Laptops scheidet eine noch erträgliche
kurze Blickabwendung nach Maßgabe des § 23 Abs. 1a Nr. 2 StVO schon ihrer Natur
nach aus; die festgestellten Benutzung erfordert jedenfalls mehr als einen nur
kurzen Blickkontakt.


Tenor:
I. Der Zulassungsantrag wird als unbegründet
verworfen.
II. Die Rechtsbeschwerde gilt damit als
zurückgenommen (§ 80 Abs.
4 S. 4 OWiG).
III. Die Kosten des Verfahrens vor dem
Beschwerdegericht trägt der Betroffene
G r ü n d e :
Die Entscheidung entspricht dem Antrag der
Generalstaatsanwaltschaft, der mit Vorlageverfügung vom 29. Januar 2019 wie
folgt begründet worden ist:
„I.
Die Oberbürgermeisterin der A hat gegen den
Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 25.06.2018 wegen vorschriftswidriger
Benutzung eines elektronischen Geräts, das der Kommunikation, Information oder
Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, gemäß §§ 23 Abs.
1a, 49 StVO; § 24 StVG; 246.1 BKat eine
Geldbuße in Höhe von 100,00 Euro festgesetzt (Bl. 6 f. d.VV.). Gegen den ihm am
28.06.2018 zugestellten Bußgeldbescheid (Bl. 8 d.VV.) hat der Betroffene mit
Schreiben seines Verteidigers vom 29.06.2018 rechtzeitig Einspruch eingelegt
(Bl. 9 d.VV.).
Das zur Entscheidung berufene Amtsgericht Köln hat
den Betroffenen mit Urteil vom 11.12.2018 – 802 OWi 402/18 – wegen einer
vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 23Abs.
1a, 49 StVO; § 24 StVG; 246.1 BKat zu
einer Geldbuße in Höhe von 100,00 Euro verurteilt (Bl. 34, 44 ff. d.A.).
Gegen dieses in seiner Anwesenheit verkündete, ihm
am 31.12.2018 zugestellte (Bl. 51 d.A.) Urteil hat der Betroffene mit
anwaltlichem Schreiben vom 11.12.2018 – per Telefax eingegangen beim
Amtsgericht Köln am selben Tag (Bl. 37 d.A.) – Antrag auf Zulassung der
Rechtsbeschwerde gestellt und diese mit weiterem anwaltlichem Schreiben vom
10.01.2019 – am selben Tag per Fax beim Gericht eingegangen -begründet (Bl. 52
ff. d.A.). Zur Begründung hat er ausgeführt, die Rechtsbeschwerde sei im
Hinblick auf die Neufassung des § 23 Abs. 1a) und b) StVO zur Fortbildung des
Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Gerügt
hat er zudem die Verletzung materiellen Rechts.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist
zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.
In dem angefochtenen Urteil bzw. Bußgeldbescheid
ist ausschließlich eine Geldbuße von nicht mehr als 250,- Euro festgesetzt
worden (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG). Nach
§ 80Abs. 1 OWiG wird die
Rechtsbeschwerde gegen Urteile, denen weniger bedeutsame Ordnungswidrigkeiten
im Sinne von § 79 Abs. 1 Satz 1
OWiG zugrunde liegen und gegen die sie grundsätzlich ausgeschlossen ist, nur
dann ausnahmsweise zugelassen, wenn das angefochtene Urteil wegen Versagung des
rechtlichen Gehörs aufzuheben ist (§ 80 Abs. 1 Nr. 2
OWiG) oder wenn die Nachprüfung des Urteils geboten ist, um den
Oberlandesgerichten im allgemeinen Interesse Gelegenheit zu geben, durch eine
Entscheidung zur Rechtsfortbildung oder zur Vereinheitlichung der
Rechtsprechung beizutragen (§ 80 Abs. 1 Nr. 1
OWiG). Sinn der letztgenannten Regelung ist somit nicht die Herstellung der
rechtlich richtigen Entscheidung im Einzelfall (vgl. SenE vom 11.12.2008 – 81
Ss-OWi 47/08 – 294 Z – m.w.N.; SenE v. 26.6.2008 – 81 Ss-OWi 49/08;
Göhler, OWiG, 15. Aufl., § 80 Rdnr. 5 m.w.N.).
Beträgt – wie im vorliegenden Fall – die
festgesetzte Geldbuße nicht mehr als 100,- €, so ist die Möglichkeit der
Rechtsbeschwerde durch § 80 Abs.
2 Nr. 1 OWiG noch weiter, nämlich in der Weise eingeschränkt, dass in den
Fällen des § 80 Abs.
1 Nr. 1 OWiG nur noch die Notwendigkeit einer Rechtsfortbildung bezogen auf das
sachliche Recht die Zulassung rechtfertigt.
Beide Voraussetzungen, die danach die Zulassung
der Rechtsbeschwerde
ermöglichen, liegen hier nicht vor.
1.
Eine Versagung des rechtlichen Gehörs, die mit
einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO
genügenden Verfahrensrüge geltend zu machen ist (vgl. ständige
Senatsrechtsprechung: u.a. Senat, VRS 96, 451 ff.
[453]; SenE. v. 18.06.2008 – 82 Ss OWi 50/08 – 153 Z -; SenE v. 11.02.2009 – 82
Ss-OWi 5/09 – 31 Z – ; SenE v. 01.09.2009 – 82 Ss-OWi 85/09 – 250 Z -; SenE. v.
13.01.2010 – III 1 RBs 5/10; OLG Düsseldorf, VRS 97, 55 ff.
[56]; OLG Hamm, VRS 98, 117 f.
[117]), ist weder dargetan noch erkennbar.
2.
Soweit der Antrag auf Zulassung der
Rechtsbeschwerde mit der Verletzung materiellen Rechts begründet wird, ist eine
Zulassung der Sachrüge zur Fortbildung des materiellen Rechts nicht geboten.
Eine Fortbildung des Rechts ist nur möglich bei Rechtsfragen, die
entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und durch Aufstellen abstrakt‑genereller
Regeln verallgemeinerungsfähig sind.
Der vorliegende Fall gibt keine Veranlassung,
allgemeine Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen
Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen.
Zulassungsbedürftige Fragen in dieser Hinsicht wirft die Sache nicht auf. Auch
nach der Neufassung des § 23 StVO
ist dem Fahrzeugführer die Benutzung eines in der vorbezeichneten Vorschrift
aufgeführten elektronischen Geräts jedenfalls dann untersagt, wenn er hierfür
das Gerät aufgenommen hat oder hält. Nach der Verordnungsbegründung soll auch
durch die Neufassung der Vorschrift insbesondere eine über die kurze
Blickabwendung und Bindung der Hände hinausgehende Vielfachbeschäftigung der
Hände vermieden werden (BR-Drs. 556/17, S. 25).
Demzufolge ist eine über die kurze Blickabwendung hinausgehende Nutzung
elektronischer Geräte nach dem Willen des Gesetzgebers verboten (zu vgl. BR-Drs. 556/17, S. 26). Bezogen
auf den vorliegenden Fall besteht daher vor dem Hintergrund des Willens des
Gesetzgebers keine klärungsbedürftige Rechtsfrage, da ausweislich der
tatrichterlichen Feststellungen durch das „Tippen“ auf dem Laptop während des
Wegfahrens von der Ampel jedenfalls nicht lediglich eine kurze Blickabwendung
festgestellt worden ist.
Ebenso höchstrichterlich genügend geklärt sind die
materiell-rechtlichen Anforderungen an die tatrichterliche Beweiswürdigung und
an deren Darstellung in den Urteilsgründen (SenE vom 04.08.2006 – 82 Ss-OWi
59/06 –; SenE vom 26.01.2007 – 82 Ss-OWi 7/07 – ).
Ob das angefochtene Urteil den in den angeführten
Entscheidungen aufgestellten Anforderungen entspricht oder insoweit
rechtsfehlerhaft ist, ist im Zulassungsverfahren nicht zu prüfen.“
Dem stimmt der Senat nach Maßgabe der folgenden ergänzenden
Ausführungen zu:
1.
Das Amtsgericht hat zum Tatgeschehen festgestellt,
dass der Betroffene mit seinem PKW in A, B, die Cstraße in Fahrtrichtung
Dstraße befuhr, an der Lichtzeichenanlage der dortigen Kreuzung verkehrsbedingt
anhalten musste, spätestens zu diesem Zeitpunkt seinen Laptop auf den Schoß
nahm, das Gerät zwischen Oberschenkel und Lenkrad „klemmte“ und darauf „herum
tippte“; als die Lichtzeichenanlage von rot auf grün umschaltete, fuhr der
Betroffene „verzögert und tippender Weise an und weiter“. Nach dem
Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe konnte das Tatgericht nicht ausschließen,
dass der Betroffene den Motor seines Fahrzeugs an der Lichtzeichenanlage
zunächst vollständig ausgeschaltet hatte.
2.
Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen
hat das Amtsgericht ausdrücklich offengelassen, ob das Verhalten des
Betroffenen dem Tatbestand des § 23 Abs. 1a
Nr. 2 StVO unterfällt, da er jedenfalls den Bußgeldtatbestand des § 23 Abs. 1a
Nr. 1 StVO in der Fassung der ÄndVO vom 6. Oktober 2017 erfüllt habe. Diese
Rechtsanwendung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Nachdem der Betroffene den Motor seines Fahrzeugs
an der LZA zunächst nicht ausschließbar vollständig ausgeschaltet hatte,
unterfällt ein Aufnehmen und Halten des Laptops zu diesem Zeitpunkt nicht der
vom Tatgericht bejahten Tatbestandsalternative. Der Wortlaut des § 23 Abs. 1b
S 2 StVO, der eine „Ausnahme von der Ausnahme“ begründet (vgl. Rebler, Das neue
Verbot der Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel während des
Fahrzeugführens, SVR 2018, 241, 244), erfasst lediglich ein „fahrzeugseitig
automatisches Abschalten des Motors“, nicht eine hier festgestellte (S 3, 6 UA)
manuelle Abschaltung; eine Analogie verbietet sich (vgl. KG, Beschluss v.
23.08.2018, Az. 3 Ws (B) 217/18,
zitiert nach juris).
Soweit das Amtsgericht von den getroffenen
Feststellungen ausgehend auf die weitere Benutzung des Laptops abstellt, als
der Betroffene von der Lichtzeichenanlage angefahren ist und weiterhin auf dem
auf seinem Schoß zwischen Oberschenkel und Laptop eingeklemmten Gerät „getippt“
hat, unterfällt das festgestellte Verhalten ebenfalls nicht dem Tatbestand des
§ 23 Abs. 1a
Nr. 1 StVO. Die genannte Tatbestandsalternative begründet nach dem Willen des
Verordnungsgebers ein „Hand-Held-Verbot“, erfordert mithin ein Aufnehmen mit den
Händen bzw. ein Halten in den Händen (vgl. Hentschel/König/Dauer, StVO, 45.
Auflage, § 23 StVO
Rn. 32, 32a). So stellt die Gesetzesbegründung ausdrücklich auf das
„In-den-Händen-halten“ des Geräts und dessen besondere Gefährlichkeit ab
(vgl. BR-Drucks. 556/17, S 25 ff).
Das Aufnehmen des Laptops durch den Betroffenen
auf seinen Schoß zu einem Zeitpunkt, zu dem nicht ausschließbar der Motor
seines Fahrzeuges manuell ausgeschaltet war, begründet demnach kein
tatbestandsmäßiges (fortgesetztes) Aufnehmen des Geräts im Zeitpunkt des
Losfahrens, als der Betroffene den Laptop nach den Feststellungen nicht in den
Händen hielt, sondern sich dieser auf seinem Schoß eingeklemmt zwischen
Oberschenkel und Lenkrad befand.
3.
Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde zur
Fortbildung des materiellen Rechts ist gleichwohl nicht erforderlich, da die
Anwendung der Tatbestandsalternative des § 23 Abs. 1a
Nr. 1 StVO nicht entscheidungserheblich ist.
Denn das vom Tatgericht festgestellte Verhalten
des Betroffenen erfüllt – wie auch die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend
ausführt – zwanglos und ohne dass es weiterer Feststellungen bedarf den
Tatbestand des § 23 Abs.
1a Nr. 2 StVO. Wird das von der Norm erfasste elektronische Gerät nicht in der
Hand gehalten oder aufgenommen, ist die Benutzung nach Nr. 2 unter anderem nur
dann gestattet, wenn hierfür nur eine kurze, den Verhältnissen angepasste
Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom
Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist (vgl. dazu
Hentschel/König/Dauer, a.a.O., Rn. 33). Beim Anfahren an einer
Lichtzeichenanlage unter weiterem „Tippen“ auf der Tastatur des Laptops
scheidet eine noch erträgliche kurze Blickabwendung schon ihrer Natur nach aus;
die festgestellten Benutzung erfordert jedenfalls mehr als einen nur kurzen
Blickkontakt nach Maßgabe des § § 23 Abs. 1a
Nr. 2 StVO. Davon ist auch das Tatgericht ausgegangen (S 6 UA).
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 473 Abs.
1 StPO, 46 OWiG.
RechtsgebietStVOVorschriften§ 23 Abs. 1a
Nr. 1 und 2 StVO