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BGH: zur Zulässigkeit der Speicherung von dynamischen IP-Adressen

Der Kläger verlangt von der beklagten Bundesrepublik
Deutschland Unterlassung der Speicherung von dynamischen IP-Adressen. Dies sind
Ziffernfolgen, die bei jeder Einwahl vernetzten Computern zugewiesen werden, um
deren Kommunikation im Internet zu ermöglichen. Bei einer Vielzahl allgemein
zugänglicher Internetportale des Bundes werden alle Zugriffe in
Protokolldateien festgehalten mit dem Ziel, Angriffe abzuwehren und die
strafrechtliche Verfolgung von Angreifern zu ermöglichen. Dabei werden unter
anderem der Name der abgerufenen Seite, der Zeitpunkt des Abrufs und die
IP-Adresse des zugreifenden Rechners über das Ende des jeweiligen
Nutzungsvorgangs hinaus gespeichert. Der Kläger rief in der Vergangenheit
verschiedene solcher Internetseiten auf. 
Mit seiner Klage begehrt er, die Beklagte zu verurteilen,
es zu unterlassen, ihm zugewiesene IP-Adressen über das Ende des jeweiligen
Nutzungsvorgangs hinaus zu speichern. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht dem Kläger den
Unterlassungsanspruch nur insoweit zuerkannt, als er Speicherungen von
IP-Adressen in Verbindung mit dem Zeitpunkt des jeweiligen Nutzungsvorgangs
betrifft und der Kläger während eines Nutzungsvorgangs seine Personalien angibt.
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien die vom Berufungsgericht zugelassene
Revision eingelegt. 
Der Bundesgerichtshof (vgl. Pressemitteilung Nr.152/2014) hat mit Beschluss vom 28. Oktober 2014 – VI ZR 135/13, VersR 2015,
370 das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof zwei Fragen zur
Auslegung der EG-Datenschutz-Richtlinie zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Nachdem der Gerichtshof mit Urteil vom 19. Oktober 2016 – C-582/14, NJW 2016,
3579 die Fragen beantwortet hat, hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
nunmehr mit Urteil vom 16. Mai 2017 über die Revisionen der Parteien
entschieden. Diese hatten Erfolg und führten zur Aufhebung des Berufungsurteils
und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Auf der Grundlage des EuGH-Urteils ist das
Tatbestandsmerkmal „personenbezogene Daten“ des § 12 Abs. 1 und 2 TMG
in Verbindung mit § 3 Abs. 1 BDSG richtlinienkonform auszulegen: Eine
dynamische IP-Adresse, die von einem Anbieter von Online-Mediendiensten beim
Zugriff einer Person auf eine Internetseite, die dieser Anbieter allgemein
zugänglich macht, gespeichert wird, stellt für den Anbieter ein (geschütztes)
personenbezogenes Datum dar. 
Als personenbezogenes Datum darf die IP-Adresse nur unter
den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 TMG gespeichert werden. Diese Vorschrift
ist richtlinienkonform entsprechend Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46 EG –
in der Auslegung durch den EuGH – dahin anzuwenden, dass ein Anbieter von
Online-Mediendiensten personenbezogene Daten eines Nutzers dieser Dienste ohne
dessen Einwilligung auch über das Ende eines Nutzungsvorgangs hinaus dann
erheben und verwenden darf, soweit ihre Erhebung und ihre Verwendung
erforderlich sind, um die generelle Funktionsfähigkeit der Dienste zu
gewährleisten. Dabei bedarf es allerdings einer Abwägung mit dem Interesse und
den Grundrechten und -freiheiten der Nutzer.
Diese Abwägung konnte im Streitfall auf der Grundlage der
vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend vorgenommen
werden. Das Berufungsgericht hat keine hinreichenden Feststellungen dazu
getroffen, ob die Speicherung der IP-Adressen des Klägers über das Ende eines
Nutzungsvorgangs hinaus erforderlich ist, um die (generelle) Funktionsfähigkeit
der jeweils in Anspruch genommenen Dienste zu gewährleisten. Die Beklagte
verzichtet nach ihren eigenen Angaben bei einer Vielzahl der von ihr
betriebenen Portale mangels eines „Angriffsdrucks“ darauf, die
jeweiligen IP-Adressen der Nutzer zu speichern. Demgegenüber fehlen insbesondere
Feststellungen dazu, wie hoch das Gefahrenpotential bei den übrigen
Online-Mediendiensten des Bundes ist, welche der Kläger in Anspruch nehmen
will. Erst wenn entsprechende Feststellungen hierzu getroffen sind, wird das
Berufungsgericht die nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs gebotene
Abwägung zwischen dem Interesse der Beklagten an der Aufrechterhaltung der
Funktionsfähigkeit ihrer Online-Mediendienste und dem Interesse oder den
Grundrechten und -freiheiten des Klägers vorzunehmen haben. Dabei werden auch
die Gesichtspunkte der Generalprävention und der Strafverfolgung gebührend zu
berücksichtigen sein.
Vorinstanzen:
Karlsruhe, den 16. Mai 2017
* § 12 Telemediengesetz – Grundsätze 
(1) Der Diensteanbieter darf personenbezogene Daten zur
Bereitstellung von Telemedien nur erheben und verwenden, soweit dieses Gesetz
oder eine andere Rechtsvorschrift, die sich ausdrücklich auf Telemedien
bezieht, es erlaubt oder der Nutzer eingewilligt hat. 
(2) … 
** § 15 Telemediengesetz – Nutzungsdaten 
(1) Der Diensteanbieter darf personenbezogene Daten eines
Nutzers nur erheben und verwenden, soweit dies erforderlich ist, um die
Inanspruchnahme von Telemedien zu ermöglichen und abzurechnen
(Nutzungsdaten)… 

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
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