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BGH: Zum wettbewerbsrechtlichen Schutz einer Romanfigur – Pippi-Langstrumpf-Kostüm II


Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage entschieden, ob eine
bekannte literarische Figur wettbewerbsrechtlich gegen eine Benutzung als
Karnevalskostüm geschützt ist.

Die Beklagte betreibt Einzelhandelsmärkte. Um für ihre
Karnevalskostüme zu werben, verwandte sie in Verkaufsprospekten im Januar 2010
die Abbildungen eines Mädchens und einer jungen Frau, die mit dem Karnevalskostüm
verkleidet waren. Sowohl das Mädchen als auch die junge Frau trugen eine rote
Perücke mit abstehenden Zöpfen und ein T-Shirt sowie Strümpfe mit rotem und
grünem Ringelmuster. Die Fotografien waren bundesweit in Verkaufsprospekten,
auf Vorankündigungsplakaten in den Filialmärkten sowie in Zeitungsanzeigen
abgedruckt und über die Internetseite der Beklagten abrufbar. Darüber hinaus
waren die Abbildungen den jeweiligen Kostümsets beigefügt, von denen die
Beklagte insgesamt mehr als 15.000 Stück verkaufte.

Die Klägerin, die für sich in Anspruch nimmt, über Rechte
am künstlerischen Schaffen von Astrid Lindgren zu verfügen, ist der Auffassung,
die Beklagte habe mit ihrer Werbung die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an
der literarischen Figur Pippi Langstrumpf verletzt sowie gegen
wettbewerbsrechtliche Vorschriften verstoßen, weil die Beklagte sich in den
verwendeten Abbildungen an diese Figur angelehnt habe. Aus diesem Grund stehe
ihr Schadensersatz in Höhe einer fiktiven Lizenzgebühr von 50.000 € zu.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Das
Oberlandesgericht hat in seinem ersten Berufungsurteil angenommen, der Klägerin
stehe der geltend gemachte urheberrechtliche Anspruch nach § 97 Abs. 2 UrhG zu. Auf die
Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben
und die Klage abgewiesen, soweit sie auf Ansprüche aus dem Urheberrecht
gestützt ist. Im Hinblick auf die hilfsweise geltend gemachten
wettbewerbsrechtlichen Ansprüche hat der Bundesgerichtshof die Sache zur neuen
Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen (vgl. Pressemitteilung
Nr. 127/2013
).


Das Oberlandesgericht hat die Klage mit seinem zweiten
Berufungsurteil auch im Hinblick auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche
abgewiesen. Es hat angenommen, dass sich der Zahlungsanspruch nicht unter dem
Gesichtspunkt eines wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutzes nach § 4 Nr. 9 Buchst. a und b UWG* ergebe.
Die Abbildung eines Mädchens und einer jungen Frau in einem Pippi-Langstrumpf-Kostüm
stelle zwar eine nachschaffende Nachahmung der Romanfigur von Astrid Lindgren
dar. Besondere Umstände, die dieses Verhalten unlauter erscheinen ließen, seien
aber nicht gegeben. Eine unlautere Herkunftstäuschung scheide ebenso aus wie eine
unangemessene Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung der Romanfigur
Pippi Langstrumpf.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Der Bundesgerichtshof hat die Revision zurückgewiesen.
Ein Anspruch gemäß § 4 Nr. 9 UWG
scheidet aus. Zwar kann auch eine literarische Figur dem Schutz dieser
Bestimmung unterfallen. Es fehlt jedoch vorliegend an einer Nachahmung. An eine
Nachahmung einer Romanfigur durch Übernahme von Merkmalen, die wettbewerblich
eigenartig sind, in eine andere Produktart, wie sie bei einem Karnevalskostüm
gegeben ist, sind keine geringen Anforderungen zu stellen. Im Streitfall
bestehen zwischen den Merkmalen, die die Romanfigur der Pippi Langstrumpf
ausmachen, und der Gestaltung des Kostüms nur so geringe Übereinstimmungen,
dass keine Nachahmung vorliegt.

Der Klägerin steht auch kein Anspruch aus der
wettbewerbsrechtlichen Generalklausel gemäß § 3 Abs. 1 UWG** zu. Im
Streitfall ist nicht ersichtlich, dass eine durch die Anwendung der
Generalklausel zu schließende Schutzlücke besteht. Die von der Klägerin oder
ihren Lizenznehmern vertriebenen konkreten Merchandisingartikel sind gegen
Nachahmungen unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 9 UWG geschützt. Der
Klägerin steht es zudem frei, das Erscheinungsbild solcher Produkte als Marke
und Design schützen zu lassen. Darüber hinausgehend ist es wettbewerbsrechtlich
nicht geboten, denjenigen, der eine Leistung erbringt, grundsätzlich auch an
allen späteren Auswertungsarten seiner Leistung zu beteiligen.

Vorinstanzen:

Karlsruhe, den 19. November 2015


Unlauter handelt insbesondere, wer
9. Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine
Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a) eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die
betriebliche Herkunft herbeiführt,
b) die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder
Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt …

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig,
wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder
sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen.

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
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