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Äußerungsrecht: Außerordentliche Kündigung wegen volksverhetzender Facebook-Äußerungen

Das Arbeitsgericht Herne hat mit  Urteil
vom 22.03.2016, Az.: 5 Ca 2806/15
entschieden, dass Verfehlungen von
Arbeitnehmern im privaten Bereich eine Kündigung nur dann rechtfertigen kann,
wenn das Arbeitsverhältnis konkret berührt wird. Bei beleidigenden oder gar
volksverhetzenden Äußerungen kann man solche Auswirkungen auf das
Arbeitsverhältnis in Betracht ziehen, wenn für die Öffentlichkeit erkennbar vom
Arbeitnehmer ein Bezug zu seinem Arbeitgeber hergestellt wird oder sich gar
Arbeitskollegen (mit Migrationshintergrund) angesprochen fühlen müssen.

Durch seine Äußerung „hoffe das alle verbrennen“ im
unmittelbaren Zusammenhang mit einer Presseveröffentlichung zum Brand in einem
Asylbewerberheim, bei dem ein Mensch ums Leben gekommen ist, hat der Kläger die
Menschenwürde anderer dadurch angegriffen, dass er Teile der Bevölkerung,
nämlich Asylbewerber, böswillig verächtlich gemacht und zum Hass gegen diese
aufgestachelt hat. Dies berechtigte den Arbeitgeber zur außerordentlichen Kündigung
nach § 626 Abs. 1 BGB.

Das Urteil im Volltext:
ARBEITSGERICHT HERNE
Im Namen des Volkes
Urteil
Entscheidung vom 22. März 2015
Az.: 5 Ca 2806/15
In dem Rechtsstreit

für Recht anerkannt:

Volksverhetzende Äußerungen im Internet –
außerordentliche Kündigung
Normen: § 626 BGB
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Der Streitwert wird auf 15.400,00 € festgesetzt.

T a t b e s t a n d
Die Parteien streiten um die Beendigung ihres
Arbeitsverhältnisses sowie um Zahlungsansprüche aus diesem.

Der 48-jährige ledige Kläger ist seit dem 01. September
1983 für die Beklagte zuletzt als Bergmechaniker unter Tage zu einem
Bruttomonatsentgelt von 3.850,00 € tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der
Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge des
Rheinisch – Westfälischen Steinkohlebergbaus Anwendung. Anfang Oktober 2015 –
der genaue Zeitpunkt ist zwischen den Parteien streitig – erbrachte der Kläger
zuletzt Arbeitsleistung für die Beklagte. Seither befindet sich der Kläger in
Kurzarbeit.

Der Kläger unterhält privat unter seinem Namen einen
Facebook – Acount. In seinem freizugänglichen Facebookprofil hat er als
Arbeitgeber „Bergwerke Q I bei S AG“ angegeben. Bei Aufruf des Profils
erscheinen die Angaben zum Arbeitgeber an oberster Stelle. Auf seiner
Facebookseite teilte der Kläger eine Vielzahl von Beiträgen, welche sich mit
dem Thema Asyl- und Einwanderungspolitik befasst haben (Blatt 82 ff der Akte).
Darüber hinaus kommentierte der Kläger auf anderen Seiten Beiträge anderer
Nutzer. Am 05. Oktober 2015 kommentierte der Kläger auf der Facebookseite des
Fernsehsenders nt-v einen Beitrag über einen Brand in einer Thüringer
Asylunterkunft in der Nacht vom 04. Oktober 2015 mit der Überschrift „Drama in
Thüringen: Leiche nach Brand in Asylunterkunft gefunden“ mit folgenden Worten:
„hoffe das alle verbrennen,,, die nicht gemeldet sind.“

Auf der Facebookseite des Fernsehsenders erschien neben
dem Kommentar ein Profilbild sowie der Profilname des Klägers. Sobald Besucher
der Webseite, die ihrerseits bei Facebook angemeldet waren, mit der Maus über
den Namen oder das Bild fuhren, öffnete sich in einem sogenannten
„PopUp-Fenster“ die Profilseite des Klägers, an dessen oberster Stelle der
Arbeitgeber benannt wurde (Blatt 108 der Akte). Auf den Kommentar des Klägers
reagierten andere Besucher der Webseite, so schrieb unter anderem ein Besucher
wörtlich:
„E U, du bist ja mal der Oberknaller. Scheint so als wenn
du mit „brauner“ Kohle zu tun hadt. Sceenshots sind doch was feines.“
Im weiteren Verlauf der Kommentierung äußerte der Kläger
noch:
„wenn mir einer sagt ich bin Nazi …falsch …Herr nazi“
„alle raus und geht es gut.“

Am 06. Oktober 2015 erhielt die S AG Konzernrevision GmbH
von einem externen Dritten einen telefonischen Hinweis auf die Kommentierungen
des Klägers auf der Facebookseite des Fernsehsenders nt-v. Die Konzernrevision
ging dem Hinweis nach und informierte am 19. Oktober 2015 den Personaldirektor
des Bergwergs Q I über das Ergebnis der Ermittlungen. Am 21. Oktober 2015 wurde
der Kläger auf dem Bergwerk Q I von Vertreter der Beklagten und des
Betriebsrats zu dem Vorfall angehört. Im Rahmen des Gespräches räumte der
Kläger die Urheberschaft der Kommentare ein. Weitere Einzelheiten des
Gespräches sind zwischen den Parteien streitig.

Mit Schreiben vom 23. Oktober 2015 (Blatt 120 ff der
Akte) wurde der Betriebsrat des Bergwerks Q I zu einer beabsichtigen
außerordentlichen Kündigung, hilfsweise ordentlichen Kündigung des
Arbeitsverhältnisses des Klägers angehört. Mit Schreiben vom 26. Oktober 2015
(Blatt 9 der Akte), welches dem Kläger noch am selben Tag zuging, kündigte die
Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos, hilfsweise zum 30. Juni
2016.
Mit seiner am 10. November 2015 bei Gericht eingegangen
und später erweiterten Klage wendet sich der Kläger gegen die Beendigung seines
Arbeitsverhältnisses und macht Entgeltansprüche für die Monate November und
Dezember 2015 geltend.

Der Kläger ist der Ansicht, die Kündigung seines
Arbeitsverhältnisses sei unwirksam. Die außerordentliche Kündigung sei
unwirksam, weil die Kündigungserklärungsfrist § 626 Abs. 2 BGB nicht
eingehalten worden sei. Hierzu behauptet er, am 05. Oktober 2015 die Kommentare
auf der Facebookseite des Fernsehsendes veröffentlicht zu haben. Am selben
Abend bzw. am anderen Morgen, mithin spätestens am 06. Oktober 2015 sei der
Beitrag bereits wieder gelöscht worden. Die Beklagte sei spätestens am 06.
Oktober 2015 durch einen anonymen Datenübermittler über den Vorgang in Kenntnis
gesetzt worden. Darüber hinaus sei die Kündigung unwirksam, weil der
Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung nicht angehört worden sei. Ferner sei
die Kündigung nicht gerechtfertigt. Hierzu behauptet er, den Kommentaren
vorausgegangen sei am 05. Oktober 2015 seine letzte 8-Stunden-Schicht bei der
Beklagten. Dieses sei der Grund gewesen, dass er an diesem Abend mit mehreren
Bekannten und Freunden zusammengekommen sei. Er habe dabei reichlich Alkohol zu
sich genommen. Zudem habe er zum damaligen Zeitpunkt erhebliche Probleme im
Privatbereich aufgewiesen. Er sei kein „Nazi“ und habe auch in keiner Weise
Aktivitäten dieser Sendung unterstützt. Die Kommentierung auf der Internetseite
sei ohne jeglichen Zusammenhang mit seinem Arbeitgeber erfolgt. Nur wenige
Leser des Kommentares konnten bei weiteren 
Recherchen durch einen Link auf
seine Facebookseite gelangen.

Der Kläger beantragt,
  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien
    weder durch die außerordentliche Kündigung vom 26. Oktober 2015 noch durch die
    ordentliche Kündigung der Beklagten vom 26. Oktober 2015 beendet wird;
  2. die Beklagter zu verurteilen, ihm im Falle des
    Obsiegens mit dem Antrag zu 1) bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits
    zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Bergmechaniker Untertage
    weiter zu beschäftigen;
  3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat
    November 2015 3.850,00 € brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten
    über dem Basiszinssatz seit dem 01. Dezember 2015;
  4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat
    Dezember 2015 3.580,00 € brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf
    Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Januar 2016.


Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Kündigung sei durch einen
wichtigen Grund gerechtfertigt. Durch seine Äußerung auf der Facebookseite des
Nachrichtensender nt-v habe der Kläger ihren Ruf beschädigt und dadurch in
grober Weise gegen seine Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis verstoßen.
Zwar handele es sich bei den Äußerungen des Klägers zunächst um private
Äußerungen. Durch das freizugängliche Facebookprofil des Klägers, auf dem sie
als Arbeitgeberin benannt wurde, sei sie jedoch selbst mit den Äußerungen des
Klägers in Verbindung gebracht worden. Die Reaktion anderer Nutzer der Seite
hätten gezeigt, dass dieser Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Klägers und
ihr auch hergestellt worden sei. Neben der Rufschädigung sei auch eine
nachhaltige Störung des Betriebsfriedens für den Fall der Weiterbeschäftigung
des Klägers zu befürchten. Der Kläger konnte auch nicht damit rechnen, dass sie
die volksverhetzenden Äußerungen dulden würde. Ferner behauptet die Beklagte,
der Betriebsrat sei vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß beteiligt worden.
Mit seiner Unterschrift auf dem Anhörungsbogen (Blatt 120 der Akte) habe der
Betriebsrat unter dem 26. Oktober 2015 dokumentiert, dass er keine Einwände
gegen die Kündigung erheben werde.

Bezüglich des weiteren Vorbringens wird auf die
wechselseitigen schriftsätzlichen Ausführungen der Parteien einschließlich der
Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Klage ist unbegründet.

I. Die zulässige und rechtzeitig erhobene
Kündigungsschutzklage ist unbegründet.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die
außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 26. Oktober 2015 mit deren Zugang
beim Kläger am selben Tag beendet worden. Die Kündigung ist durch einen
wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Die
Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist gewahrt. Der Betriebsrat ist
vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß beteiligt worden.

1. Die außerordentliche Kündigung ist durch einen
wichtigen Grund gerechtfertigt.

a) Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus
wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn
Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung
aller Umstände des Einzelfalles unter Abwägung der Interessen beider
Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf
der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen,
ab der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, das heißt
typischer Weise als wichtiger Grund geeignet ist. Als dann bedarf es der
Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter
Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles – jedenfalls bis zum Ablauf
der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (z.B. BAG, Urteil vom 26. März
2015 – 2 AzR 517/14 – EZA § 626 BGB 2002 Nr. 49; Urteil vom 20. November 2014 –
2 AzR 651/13 – EZA 626 BGB 2002 Nr. 47).

Als wichtiger Grund ist neben der Verletzung
vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten
„an sich“ geeignet (BAG, Urteil vom 26. März 2015 – 2 AzR 517/14 – a.a.O.;
Urteil vom 08. Mai 2014 – 2 AzR 449/13 – EZA § 626 BGB 2002 Nr. 45; Urteil vom
27. Januar 2011 – 2 AzR 825/09 – EZA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbare
Handlungen Nr. 10). Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrages
zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres
Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der
Förderung des Vertragszweckes. Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitspflichten so
zu erfüllen und im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehende Interessen
des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner
Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen
der anderen Arbeitnehmer im Betrieb nach Treu und Glauben verlangt werden kann
(BAG, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 2 AzR 293/09 – EZA § 1 KSchG
Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 78). Er ist auch außerhalb der Arbeitszeit
verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu
nehmen (BAG, Urteil vom 10. September 2009 – 2 AzR 257/08 – EZA § 1 KSchG
Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77; Urteil vom 23. Oktober 2008 – 2 AzR 483/07
– Juris). Allerdings kann ein außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers die
berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer
grundsätzlich nur beeinträchtigen, wenn es einen Bezug zu dienstlichen
Tätigkeit hat, wenn etwa der Arbeitnehmer die Straftat unter Nutzung von
Betriebsmitteln oder betrieblichen Einrichtungen begeht (BAG, Urteil vom 10.
September 2009 – 2 AzR 257/08 – a.a.O.). Ein solcher Bezug kann auch dadurch
entstehen, dass der Arbeitgeber oder andere Arbeitnehmer in der Öffentlichkeit
mit der Straftat in Verbindung gebracht werden (BAG, Urteil vom 28. Oktober
2010 – 2 AzR 293/09 – a.a.O., Urteil vom 27. November 2008 – 2 AzR 98/07 – EZA
§ 1 KSchG Verdachtskündigung Nr. 4). Fehlt hingegen ein solcher Zusammenhang
mit dem Arbeitsverhältnis, scheidet eine Verletzung der vertraglichen Pflichten
zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers regelmäßig aus (BAG,
a.a.O.).

b) Der Kläger hat seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf
die Interessen der Beklagten verletzt in dem er unter Verwendung eines öffentlich
zugänglichen Facebook-Profils, in dem die Beklagte in identifizierbarer Weise
als Arbeitgeber benannt wurde, einen volksverhetzenden Kommentar auf der
Facebookseite des Fernsehseders nt-v veröffentlicht hat.

Durch seine Äußerung „hoffe das alle verbrennen“ im
unmittelbaren Zusammenhang mit einer Presseveröffentlichung zum Brand in einem
Asylbewerberheim, bei dem ein Mensch ums Leben gekommen ist, hat der Kläger die
Menschenwürde anderer dadurch angegriffen, dass er Teile der Bevölkerung,
nämlich Asylbewerber, böswillig verächtlich gemacht und zum Hass gegen diese
aufgestachelt hat. Unabhängig von der strafrechtlichen Beurteilung seiner
Äußerung ist diese geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören, in dem sie für
einen Teil der Bevölkerung das unveräußerliche Recht auf Unversehrtheit des
Lebens in Abrede stellt. Das Verhalten des Klägers ist nicht vom Grundrecht der
freien Meinungsäußerung (Artikel 5 GG) gedeckt. Das Grundrecht der
Meinungsäußerungsfreiheit findet seine Grenzen in den allgemeinen Gesetzen
(Artikel 5 Abs. 2 GG, vergl. BAG, Urteil vom 14. Februar 1996 – 2 AzR 274/95 –
EZA § 626 BGB neue Fassung Nr. 160).

Die volksverhetzenden Äußerungen des Klägers hatten auch
einen Bezug zum Arbeitsverhältnis zur Beklagten. In seinem öffentlich zugänglichen
Facebook-Profil hat der Kläger die Beklagte in identifizierbarer Weise als
Arbeitgeber benannt. Aufgrund der Programmierung der Webseiten auf Facebook
konnten somit die bei Facebook registrierten Besucher der Seite das Profil des
Klägers durch einfache Mausbewegungen aufrufen und somit die Beklagte als
Arbeitgeber identifizieren. Damit stellt der Kläger selbst einen Zusammenhang
zwischen der Beklagten und seiner volksverhetzenden Äußerung her. Dass diese
Verbindung bei den Besuchern der Seite auch tatsächlich hergestellt wurde,
zeigt der Kommentar eines Nutzers, der eine Anspielung auf braune Kohle machte.

c) Der Beklagten war die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist
am 30. Juni 2016 unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nicht
zumutbar war.

aa) Bei der Prüfung ob dem Arbeitgeber die
Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen
Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist,
ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen
Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an
dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalles unter
Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG, Urteil vom 08.
Mai 2014 – 2 AZR 429/13 – EZA § 626 BGB 2002 Nr. 45; Urteil vom 21. November
2013 – 2 AZR 797/11 – EZA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 5). Dabei
lassen sich die Umstände, an Hand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber
die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, nicht abschließend festlegen.
Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkung der in
Rede stehenden Pflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers,
eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des
Beschäftigungsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG, Urteil vom
08. Mai 2014 – 2 AzR 249/13 – a.a.O., Urteil vom 10. Juni 2010 – 2 AzR 541/09 –
EZA § 626 BGB 2002 Nr. 32). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in
Betracht, wenn es keinen angemessen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis
fortzusetzten, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten
unzumutbar sind (BAG, Urteil vom 16. Dezember 2010 – 2 AzR 485/08 – EZA § 626
BGB 2002 Nr. 33). Eine gegenüber der fristlosen Kündigung in diesem Sinne
milderes Mittel sind unter anderem die ordentliche Kündigung oder der Ausspruch
einer Abmahnung (BAG, Urteil vom 08. Mai 2014 – 2 AzR 249/13 – a.a.O.; Urteil
vom 21. November 2013 – 2 AzR 797/11 a.a.O.).

Beruht die Pflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten
des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein künftiges
Verhalten durch die Androhung von Folgen für den Bestand des
Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und
außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb
regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des in §
314 Abs. 2 i.V.m. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine
Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder
es sich um eine so schwerwiegende Pflichtverletzung handelt, dass bereits deren
erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und
damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist
(BAG, Urteil vom 20. November 2014 – 2 AzR 651/13 – EZA § 626 BGB 2002 Nr. 47,
Urteil vom 25. Oktober 2012 – 2 AzR 495/11 – EZA § 626 BGB 2002 Nr. 41).

bb) Gemessen an diesen Grundsätzen bedurfte es keiner
vorherigen Abmahnung des Klägers. Es war auch für den Kläger ohne weiteres
erkennbar, dass die Beklagte es auch nicht einmalig hinnehmen würde, mit volksverhetzenden
Äußerungen, die strafrechtliche Relevanz haben könnten, in Verbindung gebracht
zu werden. So stellt auch der Kläger nicht in Abrede, dass ihm das soziale
Engagement der Beklagten für Flüchtlinge bekannt war. Unter Zugrundelegung
objektiver Maßstäbe konnte deshalb auch der Kläger nicht ernsthaft annehmen,
die Beklagte werde die Aufstachelung von Hass gegen Flüchtlinge auch nur
einmalig hinnehmen.

cc) Unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des
Einzelfalles ist die außerordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses
angemessen. Zwar war insoweit zu Gunsten des Klägers dessen über 32-jährige
beanstandungsfreie Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen. Ebenfalls ging die
Kammer mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon aus, dass der Kläger bei
Abfassung der streitgegenständlichen Kommentare sich der Benennung der
Beklagten in seinem Facebook-Profil nicht bewusst war. Zu Gunsten des Klägers
war schließlich auch zu berücksichtigen, dass er zum Zeitpunkt des Zugangs der
Kündigung nicht mehr aktiv von der Beklagten beschäftigt wurde und bei einem
gewöhnlichen Lauf der Dinge auch nicht mehr in ein aktives
Beschäftigungsverhältnis zurückgekehrt wäre. Unstreitig befand sich der Kläger
bereits am 05. Oktober 2015 in struktureller Kurzarbeit und wäre – nach dem
gewöhnlichen Lauf der Dinge – anschließend in die so genannte Anpassung
gegangen.

Dem gegenüber war jedoch die besondere Schwere der
Pflichtverletzung des Klägers zu dessen Lasten zu berücksichtigen. Ferner war
zu berücksichtigen, dass sich die Pflichtverletzung des Klägers nicht
unmittelbar auf die betrieblichen Abläufe bei der Beklagten auswirkte, sondern
außerbetrieblich zu einer Beeinträchtigung des Ansehens der Beklagten geführt
hat. Deshalb kommt es im Rahmen der Interessenabwägung weniger darauf an, wie
sich die Reaktion der Beklagten innerbetrieblich auswirkt, sondern darauf, wie
die Beklagte auch nach außen hin angemessen auf das Fehlerverhalten des Klägers
reagieren kann. Zur Minimierung des nach außen hin eingetretenen Imageschadens
der Beklagten erscheint es deshalb unter Abwägung der widerstreitenden
Interessen beider Vertragsteile im vorliegenden Fall angemessen das
Arbeitsverhältnis des Klägers mit sofortiger Wirkung zu lösen.

2. Die außerordentliche Kündigung ist innerhalb der Frist
des § 626 Abs. 2 BGB erklärt worden.

a) Die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB beginnt nach Satz
2 der Vorschrift mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von dem
für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall,
sobald er eine zuverlässige und hinreichende vollständige Kenntnis der
einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er
das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Selbst eine grob fahrlässige
Unkenntnis setzt die Frist nicht in Gang (BAG, Urteil vom 16. Juli 2005 – 2 AzR
85/15 – Juris; Urteil vom 12. Februar 2005 – 6 AzR 815/13 EZA § 22
Berufsbildungsgesetz 2005 Nr. 1; Urteil vom 22. November 2012 – 2 AzR 732/11 –
EZA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 2). Zu den maßgeblichen Tatsachen
gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Der
Kündigungsberechtigte, der gewisse Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der
zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßen
Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und dazu auch den Betroffenen anhören,
ohne das die Frist des 626 Abs. 2 BGB zu Laufen begänne. Dies gilt allerdings
nur so lange, wie er aus verständigen Gründen und mit der gebotenen Eile
Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des
Kündigungssachverhaltes verschaffen soll. Soll der Kündigungsgegner angehört
werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im
Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen und nur bei Vorliegen besonderer
Umstände werden (BAG, Urteil vom 16. Juli 2005 – 2 AzR 85/15 – a.a.O. Urteil
vom 20. März 2014 – 2 AzR 1037/12 – EZA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 6).
Für die übrigen Ermittlungen gibt es keine Regelfrist. Bei ihnen ist Fall
bezogen zu beurteilen, ob sie hinreichend zügig betrieben wurden (BAG, Urteil
vom 31. März 1993 – 2 AzR 492/92 – EZA § 626 BGB Ausschlussfristen Nr. 5).

b) Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass am 06.
Oktober 2015 die S AG Konzernrevision GmbH von den Veröffentlichungen des
Klägers Kenntnis erlangt hat. Die S AG Konzernrevision GmbH ist nicht Arbeitgeber
des Klägers. Dass die S AG Konzernrevision GmbH zur Kündigung des
Arbeitsverhältnisses des Klägers berechtigt gewesen wäre, wird auch vom Kläger
nicht behauptet.

Nach dem letztlich unbestrittenen Vortrag der Beklagten
wurde der Personaldirektor des Bergwerks Q I, der zur Kündigung des
Arbeitsverhältnisses des Klägers berechtigt war, erst am 19. Oktober 2015 über
die Kündigungssachverhalt informiert. Unabhängig von den weiteren Ermittlungen
der Beklagten begann der Lauf der Kündigungserklärungsfrist mithin frühestens
am 19. Oktober 2015. Die außerordentliche Kündigung ist dem Kläger mithin noch
innerhalb der Zweiwochenfrist am 26. Oktober 2015 zugegangen.

3. Der Betriebsrat ist vor Ausspruch der Kündigung
ordnungsgemäß beteiligt worden.

a) Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat
vor jeder Kündigung anzuhören. Der Arbeitgeber hat ihn gemäß § 102 Abs. 1 Satz
2 BetrVG die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des
Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG
unwirksam. Will der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken
erheben, muss dies gemäß § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG dem Arbeitgeber spätestens
innerhalb von drei Tagen schriftlich mitteilen. Eine vor Fristablauf
ausgesprochene Kündigung ist gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam, es sei
denn, es liegt bereits eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats vor
(BAG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 2 AzR 736/13 – EZA § 102 BetrVG 2001 Nr.
31; Urteil vom 13. November 1975 – 2 AzR 610/74 – EZA § 102 BetrVG 1972 Nr.
20).

Eine Verletzung von § 102 Abs. 1 BetrVG mit der Folge der
Unwirksamkeit der Kündigung liegt nur vor, wenn dem Arbeitgeber bei dem ihm
obliegenden Einleitung des Beteiligungsverfahrens ein Fehler unterläuft. Mängel,
die im Verantwortungsbereich des Betriebsrats entstehen, führen grundsätzlich
nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung wegen fehlende Anhörung, dies gilt selbst
dann, wenn der Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt weiss, oder erkennen kann,
dass der Betriebsrat die Angelegenheit nicht fehlerfrei behandelt hat (BAG,
Urteil vom 24. Juni 2004 – 2 AzR 461/03 – EZA § 102 BetrVG 2001 Nr. 9; Urteil
vom 15. November 1995 – 2 AzR 974/94 – EZA § 102 BetrVG 1972 Nr. 89).

Hat der Arbeitnehmer vorgetragen, es bestehe ein Betriebsrat,
weswegen vor Ausspruch einer Kündigung dessen Anhörung nach 102 Abs. 1 BetrVG
erforderlich sei, so obliegt es dem Arbeitgeber darzulegen, dass die Anhörung
des Betriebsrats ordnungsgemäß erfolgt ist. Da es sich um eine
Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung handelt, trifft den Arbeitgeber
insoweit Darlegungs- und Beweislast. Auf einen entsprechenden Prozessvortrag
des Arbeitgebers darf sich der Arbeitnehmer nicht darauf beschränken, die
ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung weiter pauschal mit Nichtwissen zu
bestreiten, vielmehr hat er nach § 138 Abs. 1 und 2 ZPO vollständig und in
einzelnen darzulegen, ob der Betriebsrat entgegen der Behauptungen des
Arbeitgebers überhaupt nicht angehört worden sei oder in welchem Punkten er die
tatsächlichen Erklärungen des Arbeitgebers über die Betriebsratsanhörung für
falsch oder für unvollständig hält (BAG, Urteil vom 24. April 2008 – 8 AzR
268/07 – EZA § 613a BGB 2002 Nr. 92; Urteil vom 18. Mai 2006 – 2 AzR 245/05 –
EZA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 148).

b) Gemessen an diesen Grundsätzen wurde der Betriebsrat
ordnungsgemäß beteiligt.

Mit Schreiben vom 23. Oktober 2015 ist der auf dem
Bergwerk Q I gewählte Betriebsrat über die beabsichtige Kündigung des
Arbeitsverhältnisses des Klägers unter Darlegung der aus Sicht der Beklagten
maßgeblichen Kündigungsgründe informiert worden. Diesem Vortrag der Beklagten
ist der Kläger nicht konkret entgegengetreten. Nach dem Vortrag der Beklagten
hat der Betriebsrat zudem unter dem 26. Oktober 2015 durch Unterschrift auf dem
Anhörungsbogen eine abschließende Stellungnahme zur Kündigung abgegeben. Soweit
der Kläger pauschal bestreitet, dass die entsprechende Unterschrift durch einen
Vertreter des Betriebsrats abgegeben worden ist, ist dieses pauschale
Beschreiben nach den oben dargelegten Grundsätzen unbeachtlich. Auch auf
konkrete Nachfrage des Gerichtes konnte der Kläger keinerlei Umstände
vortragen, die darauf hindeuten, die Erklärung wäre nicht vom Betriebsrat
abgegeben worden. Dass die Unterschrift von Vertretern der Beklagten gefälscht
worden ist, wird auch vom Kläger nicht behauptet.
Keiner Aufklärung bedarf hier die Frage, ob der
Betriebsrat die Anhörung zur Kündigung ordnungsgemäß bearbeitet hat. Wie oben
dargelegt, werden etwaige Fehler des Betriebsrats bei der Bearbeitung der
Anhörung nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 BetrVG führen.

II. Steht mithin fest, dass das Arbeitsverhältnis der
Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 26. Oktober
2015 mit dessen Zugang beim Kläger noch am selben Tag beendet worden ist, so
hat der Kläger gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf tatsächliche
Weiterbeschäftigung aus § 611 BGB, der hier allein in Betracht kommenden
Anspruchsgrundlage.

III. Mangels über den 26. Oktober 2015 hinaus fortbestehenden
Arbeitsverhältnis der Parteien hat der Kläger gegen die Beklagte auch keinen
Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt für die Monate November und Dezember
2015 aus § 611, 615 BGB, der hier allein in Betracht kommenden
Anspruchsgrundlage.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG
i.V.m. §§ 42 Abs. 3 GKG, 3 ff ZPO.