Kategorien
Uncategorized

OLG Celle: Eintrag auf Facebook-Seite eines Autohauses ist Werbung nach § 5 Pkw-EnVKV

Das OLG Celle hat mit  Urteil
vom 01.06.2017, 13 U 15/17
entschieden, dass  es sich bei dem Eintrag auf der Facebook-Seite
eines Autohauses, mit dem das Autohaus ein von einem Kunden eingesandtes Foto
seines Pkw veröffentlicht und unter Angabe des konkreten Fahrzeugmodells als
„tolles Bild“ kommentiert, sich um eine Werbung i. S. v. § 5 Abs. 1, Abs. 2
Nr. 1 Pkw-EnVKV
handelt . Damit gelten auch für Facebook-Posting eines
Autohauses die Informationspflichten nach der 
PKW-EnVKV. Danach müssen wenn im gewerblichen Bereich für ein Auto
geworben wird, grundsätzlich bestimmte Pflichtangaben (z.B.
(Kraftstoffverbrauch,  CO2-Emissionen)
nach der PKW-EnVKV mit angegeben werden.

Gründe:
I.            
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs.
2, 313 a Abs. 1 Nr. 1 ZPO abgesehen.  
II.            Die
zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg.  
1. Der Senat hat sich zur Einschätzung der Rechtslage
bereits mit dem Hinweisbeschluss vom 2. März 2017 (Bl. 76 ff. d. A.) geäußert.          
Er hat insoweit Folgendes ausgeführt:
(…)       
1. Unterlassungsantrag               
Dem Kläger, einem in die Liste qualifizierter Einrichtungen
gemäß § 4 UKlaG eingetragenen Verein, steht ein Unterlassungsanspruch gegen die
Beklagte gemäß §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 2, 3a UWG i. V. m. § 1 Abs. 1, 5 Abs. 1,
Abs. 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV i. V. m. Abschn. I der Anlage 4 zu § 5 Pkw-EnVKV wegen
des auf der Facebook-Seite der Beklagten am 3. Mai 2016 erfolgten Eintrags zu.        
a) Die Beklagte ist unstreitig ein Händler i. S. d. §§ 2 Nr.
3, 5 Abs. 1 Pkw-EnVKV, so dass ihr die in §§ 1 Abs. 1, 5 Abs. 1 Pkw-EnVKV
geregelten Informationspflichten auferlegt sind. Diese stellen
Marktverhaltensregelungen i. S. d. § 3a UWG (= § 4 Nr. 11 UWG a. F.) dar (vgl.
BGH, Urteil vom 5. März 2015 – I ZR 163/13 – Neue Personenkraftwagen II, juris
Rn. 13; Urteil vom 21. Dezember 2011 – I ZR 190/10 – Neue Personenkraftwagen,
juris Rn. 16).     
b) Die Beklagte hat gegen §§ 1 Abs. 1, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr.
1 Pkw-EnVKV i. V. m. Abschn. I der Anlage 4 zu § 5 Pkw-EnVKV verstoßen.        
Nach § 5 Pkw-EnVKV haben Hersteller und Händler, die
Werbeschriften verwenden, sicherzustellen, dass dort Angaben über die
offiziellen spezifischen CO2-Emissionen der betreffenden Modelle neuer
Personenkraftwagen nach Maßgabe von Abschn. I der Anlage 4 gemacht werden. Nach
diesem Abschn. I der Anlage 4 sind für das in der Werbeschrift genannte
Fahrzeugmodell Angaben über die offiziellen spezifischen CO2-Emissionen im
kombinierten Testzyklus zu machen (Nr. 1 Satz 1), wobei die Angaben auch bei
flüchtigem Lesen leicht verständlich, gut lesbar und ebenso hervorgehoben sein
müssen wie der Hauptteil der Werbebotschaft (Nr. 2). Gemäß Abschn. I Nr. 3 der
Anlage 4 ist eine Angabe der CO2-Werte nicht erforderlich, wenn nicht für ein
bestimmtes Modell, sondern lediglich für die Fabrikmarke geworben wird. Nach §
2 Nr. 15 Pkw-EnVKV ist „Modell“ i. S. dieser Verordnung die
Handelsbezeichnung eines Fahrzeugs, bestehend aus Fabrikmarke, Typ sowie ggf.
Variante und Version eines Personenkraftwagens.           
aa) Der streitgegenständliche Facebook-Eintrag vom 3. Mai
2016 betrifft einen SEAT L. …, mithin ein bestimmtes Modell. Aufgrund der
Angabe des Hubraums des Fahrzeuges mit „1.4″ bezieht sich der Eintrag
nicht nur allgemein auf eine Fahrzeugmarke, sondern auf eine konkrete
Motorisierung und damit auf ein bestimmtes Modell (vgl. Senatsbeschluss vom 1.
Oktober 2010 – 13 U 99/10 = Anlage K 4, Anlagenband Kläger; Senatsurteil vom
18. August 2016 – 13 U 33/16 zur Modellbezeichnung „Sondermodell Golf G. mit
265 PS“ = Anlage K 14, Anlagenband Kläger; OLG Oldenburg, Urteil vom 14.
September 2006 – 1 U 41/06, juris Rn. 24 f.; sowie die vom Kläger weiter
zitierte Rechtsprechung, vorgelegt als Anlagen K 5 bis K 9, Anlagenband
Kläger).   
bb) Der Facebook-Eintrag vom … (vgl. Anlage K 2,
Anlagenband Kläger) mit dem Inhalt             
„H. de hat ein neues Foto zu dem Album „Fan Galerie“
hinzugefügt     
… um 16:20       
Schon das nächste Fan-Bild…   
T. S. hat hier seinen SEAT L. … vor dem T. I. in einem
tollen Bild festgehalten.  
Ganz großes Dankeschön dafür!            
Wir wollen mehr J… Mehr anzeigen     
enthält unstreitig keine Angaben über die offiziellen
spezifischen CO2-Emissionen des angegebenen Fahrzeugmodells.               
cc) Entgegen der Auffassung des Landgerichts handelt es sich
bei dem Facebook-Eintrag auch um eine Werbung i.S.v. § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1
Pkw-EnVKV.             
Nach § 2 Nr. 11 Pkw-EnVKV ist „Werbematerial“ jede
Form von Informationen, die für Vermarktung und Werbung für Verkauf und Leasing
neuer Personenkraftwagen in der Öffentlichkeit verwendet werden; dies umfasst
auch Texte und Bilder auf Internetseiten. Dabei gilt § 5 Abs. 1 Pkw-EnVKV gemäß
§ 5 Abs. 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV auch für die Verbreitung in elektronischer Form nach
§ 2 Nr. 10 Pkw-EnVKV. Der Begriff der Werbung umfasst nach dem allgemeinen
Sprachgebrauch alle Maßnahmen eines Unternehmens, die auf die Förderung des
Absatzes seiner Produkte oder Dienstleistungen gerichtet sind. Damit ist außer
der unmittelbar produktbezogenen Werbung auch die mittelbare Absatzförderung –
beispielsweise in Form der Imagewerbung oder des Sponsoring – erfasst. Werbung
ist deshalb in Übereinstimmung mit Art. 2 Buchst. a) der Richtlinie 2006/114/EG
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über
irreführende und vergleichende Werbung jede Äußerung bei der Ausübung eines
Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von
Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern (vgl. BGH, Urteil vom
15. Dezember 2015 – VI ZR 134/15, juris Rn. 16). Dies ist bei dem
streitgegenständlichen Facebook-Eintrag der Fall, da hiermit für den SEAT L. …
geworben wird (vgl. auch Senatsurteil vom 18. August 2016 – 13 U 33/16; OLG
Frankfurt, Beschluss vom 19. November 2013 – 14 U 188/13, juris Rn. 18).     
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des
Landgerichts nicht daraus, dass der Eintrag keine ausdrückliche Aufforderung
zum Kauf enthält, sondern „nur“ ein von einem Kunden bzw. „Fan“ der
Beklagten gefertigtes Foto in ein Fotoalbum namens „Fan-Galerie“ aufnimmt.
Die Beklagte betreibt ihren Facebook-Auftritt nicht lediglich mit dem
selbstlosen Zweck, ihren bereits vorhandenen Kunden ein Forum zum Austausch
über die Fahrzeuge der Beklagten zur Verfügung zu stellen. Sinn und Zweck der
Postings der Beklagten – einschließlich der Erstellung einer „Fan-Galerie“
– ist es vielmehr gerade, für die Beklagte und ihre Fahrzeuge zu werben. Zu
diesem Zweck sollen die Millionen von Nutzern des sozialen Netzwerks u. a. mit
den „tollen Bildern“ in der „Fan-Galerie“ angesprochen und für die
abgebildeten Fahrzeuge interessiert werden. Ob es sich dabei um Neukunden oder
– teilweise – um bereits bestehende Kunden der Beklagten handelt, ist schon
deshalb nicht von Bedeutung, weil auch letztere durch die Einträge der
Beklagten zum Erwerb eines neuen/anderen Fahrzeugmodells animiert werden können
und sollen. Es kann deshalb nach Auffassung des Senats nicht die Rede davon
sein, der Facebook-Auftritt der Beklagten richte sich „gerade nicht an
potentielle Käufer oder Kunden, die ein Nutzfahrzeug leasen wollen, sondern an
Kunden, die bereits einen VW ihr eigen nennen“ (so aber S. 5 LGU, Bl. 32 d.
A.). Wenn das Landgericht weiter ausführt, es sei „in diesem Zusammenhang, in
dem Kunden über ihre Erlebnisse mit Fahrzeugen der Marke Seat sich
beschäftigen, (…) auch völlig lebensfremd, dort Angaben über die
Energieeffizienz der betreffenden Fahrzeuge zu verlangen“, so greift diese
Erwägung nicht durch, weil der Kläger vorliegend nicht einen Eintrag des
Fotografen T. S. auf der Facebook-Seite der Beklagten beanstandet, sondern ein
Posting der Beklagten selbst, das sich auf das ihr übersandte Foto des SEAT L.
… bezieht. Insofern kann von der beklagten Kfz-Händlerin, die mit dem von einem
Dritten gefertigten Foto jedenfalls auch den Absatz ihrer Produkte zu fördern
sucht, verlangt werden, dass sie ihren Pflichten aus § 5 Abs. 1 Pkw-EnVKV im
Zusammenhang mit der Veröffentlichung nachkommt.              
dd) Bei der Facebook-Seite der Beklagten handelt es sich
auch nicht um einen audiovisuellen Mediendienst i. S. d. Art. 1 Buchst. a) der
Richtlinie 2010/13/EU, der nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Pkw-EnVKV von den streitgegenständlichen
Informationspflichten ausgenommen ist (vgl. Senatsurteil vom 18. August 2016 –
13 U 33/16 m. w. N.).
c) Der streitgegenständliche Verstoß begründet eine neue
Wiederholungsgefahr (vgl. Bornkamm in: Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl., a. a.
O., § 8 Rn. 1.56 und § 12 Rn. 1.213). Die nach Abgabe einer
Unterlassungserklärung durch einen erneuten Wettbewerbsverstoß begründete
Wiederholungsgefahr kann grundsätzlich allenfalls durch eine weitere
Unterlassungserklärung mit einer gegenüber der ersten erheblich höheren
Strafbewehrung ausgeräumt werden (BGH, Urteil vom 7. Dezember 1989 – I ZR
237/87 – Abruf-Coupon, juris Rn. 13; Bornkamm in: Köhler/Bornkamm, a. a. O., §
12 Rn. 1.213). 
2. Zahlungsantrag          
Der Kläger hat gegen die Beklagte ferner Anspruch auf
Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 10.000 € sowie auf Erstattung von
Abmahnkosten in Höhe von 229,34 €.   
a) Die Beklagte schuldet die Zahlung von 10.000 € gemäß §
339 Satz 2 BGB i. V. m. der strafbewehrten Unterlassungserklärung vom 8.
Oktober 2007 (Anlage K 10, Anlagenband Kläger).        
aa) Die Beklagte hat die vereinbarte Vertragsstrafe
verwirkt, weil sie – wie ausgeführt – gegen § 5 Pkw-EnVKV verstoßen hat. Nach
der Unterlassungserklärung hat sich die Beklagte verpflichtet, es zu
unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs beim
Erstellen, Erstellenlassen, Weitergeben oder auf andere Weise Verwenden von
Werbeschriften (oder in elektronischer Form verbreitetes Werbematerial oder
Werbung durch elektronische, magnetische oder optische Speichermedien) nicht
sicherzustellen, dass darin Angaben über den offiziellen Kraftstoffverbrauch
und die offiziellen spezifischen CO2-Emissionen der betreffenden Modelle neuer
Personenkraftwagen im Sinne der Pkw-EnVKV in ihrer jeweils geltenden Fassung
gemacht werden.
bb) Den Verstoß hat die Beklagte verschuldet, weil sie
selbst – bzw. der Administrator ihrer Facebook-Seite als ihr Erfüllungsgehilfe
gemäß § 278 BGB – den streitgegenständlichen Eintrag ohne die Pflichtangaben
nach der Pkw-EnVKV eingestellt hat. Anders als die Beklagte in erster Instanz
gemeint hat, geht es hier also nicht um den Fall eines fremden Postings auf der
eigenen Facebook-Seite, an dessen Überprüfung durch die Beklagte möglicherweise
geringere Anforderungen gestellt werden könnten.         
cc) Bedenken gegen die Höhe der – vom Kläger nach der
Unterlassungserklärung nach billigem Ermessen zu bestimmende – Vertragsstrafe
bestehen nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass die Bemessung mit 10.000 € gegen
Treu und Glauben verstoßen würde, nachdem die Beklagte bereits wegen
vorangegangener Verstöße Vertragsstrafen in Höhe von 5.001 € und 7.500 € zu
leisten hatte. Der entsprechende – mangels Bestreiten der Beklagten gemäß § 138
Abs. 3 ZPO zugestandene – Vortrag des Klägers findet sich auf S. 8 der
Klageschrift (Bl. 8 d. A.) und betrifft zwei Abmahnungen vom 26. Januar 2010
sowie vom 15. April 2010. Die letztgenannte Vertragsstrafe ist hier auch
Gegenstand des Verfahrens 13 U 57/11 gewesen. Im Berufungsverfahren hat der
Kläger noch einmal eine vollständige Aufstellung der vergangenen Verstöße
vorgelegt (Anlage K 15, Bl. 62 d. A.), nachdem das Landgericht im Urteil (auf
S. 5 f., Bl. 32 und 32 R d. A.) unzutreffend davon ausgegangen ist, dass „es –
soweit ersichtlich – keine Zuwiderhandlungen der Beklagten gegen die
Vorschriften des Pkw-EnVKV mehr gegeben“ habe.             
Aus diesem Grund ist die Geltendmachung des
Vertragsstrafenanspruchs – anders als es das Landgericht unter Zugrundelegung
eines unzutreffenden Sachverhalts gemeint hat – auch nicht als
rechtsmissbräuchlich i. S. v. § 8 Abs. 4 UWG anzusehen.          
b) Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten ist gemäß §
12 Abs. 1 Satz 2 UWG begründet.        
2. An diesen Ausführungen hält der Senat auch nach Prüfung
der Einwendungen der Beklagten im Schriftsatz vom 28. März 2017 (Bl. 90 ff. d.
A.) sowie deren Erörterung in der mündlichen Verhandlung vom 16. Mai 2017 fest.  
Ohne Erfolg wendet die Beklagte ein, das den Kunden mit der
Facebook-Seite der Beklagten zur Verfügung gestellte „Forum zum Austausch über
Fahrzeuge“ stelle zwar eine Möglichkeit dar, die Kunden an sich zu binden,
es handele sich aber nicht um eine Werbung, mit der auf die Entscheidung zum
Kauf eines neuen Pkw Einfluss genommen werden könne. Das Gegenteil ergibt sich
bereits aus den obigen Ausführungen: Indem die Beklagte nicht etwa nur den
zufriedenen Kunden ein Forum zum eigenen Upload von Fotos und Kommentaren zur
Verfügung stellt, sondern die ihr eingesandten Fotos stolzer Seat-Fahrer mit
einem selbst verfassten Text unter Angabe des konkreten Fahrzeugmodell versieht
und postet, wirbt die Beklagte für dieses Modell, um auch andere Kunden zu
dessen Kauf zu veranlassen.             
Soweit die Beklagte weiter einwendet, der Senat verkenne,
dass es sich jedenfalls nicht um die Werbung für einen „neuen
Personenkraftwagen“ im Sinne von § 5 PKW EnVKV und der hierzu ergangenen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 5. März 2015 – I ZR
164/13, juris Rn. 15; Urteil vom 21. Dezember 2013 – I ZR 190/10, juris Rn. 20
ff.) handele, weil das „betreffende Fahrzeug“ des T. S. ein Gebrauchtwagen
sei, greift dieser Einwand ebenfalls nicht durch. Es geht vorliegend nicht
darum, dass die Beklagte mit dem Eintrag auf ihrer Facebook-Seite Werbung für
das konkret abgebildete – naturgemäß gebrauchte und im Übrigen gar nicht zum
Verkauf stehende – Fahrzeug des T. S. macht. Vielmehr wird mit der Abbildung
und dem dazugehörigen Text für das Modell Seat L. … geworben, welches die
Beklagte unstreitig als Neufahrzeug verkauft. Wird allgemein für ein bestimmtes
Modell geworben, so ist das „betreffende Fahrzeug“ i. S. d. Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs ein vom Kunden zu bestellendes Fahrzeug dieses Modells.
III.         
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10,
711, 713 ZPO. Anlass, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, hat der
Senat nicht.

Kategorien
Uncategorized

BGH: Werbung für den Erwerb eines Werkes greift in das Urheberrecht ein

Der
u.a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshof hat
heute entschieden, dass das urheberrechtliche Verbreitungsrecht das Recht
umfasst, das Original oder Vervielfältigungsstücke eines Werkes der
Öffentlichkeit zum Erwerb anzubieten.
Die
Klägerin im Verfahren I ZR 91/11 ist Inhaberin der ausschließlichen
urheberrechtlichen Nutzungsrechte an Möbeln nach Entwürfen von Marcel Breuer
und Ludwig Mies van der Rohe. Die Beklagte ist eine in Italien ansässige
Gesellschaft, die europaweit Designmöbel im Direktvertrieb vermarktet. Sie
wirbt auf ihrer in deutscher Sprache abrufbaren Internetseite und in
Deutschland erscheinenden Tageszeitungen, Zeitschriften und Werbeprospekten für
den Kauf ihrer Möbel mit dem Hinweis: Sie erwerben Ihre Möbel bereits in
Italien, bezahlen aber erst bei Abholung oder Anlieferung durch eine
inkassoberechtigte Spedition (wird auf Wunsch von uns vermittelt). Zu den
Möbeln gehören auch Nachbildungen der von Marcel Breuer entworfenen Möbel. Die
Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte verletze mit ihrer Werbung das Recht des
Urhebers nach § 17 Abs. 1 Fall
1 UrhG
*, Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten.
Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch. Das
Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne
Erfolg geblieben. Mit der vom BGH zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte
ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Die
Klägerin im Verfahren I ZR 76/11 ist Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen
Nutzungsrechte an Leuchten nach Entwürfen von Prof. Wilhelm Wagenfeld. Sie
produziert und vertreibt die sogenannte Wagenfeld-Leuchte. Bei der Beklagten
handelt es sich um das auch im Verfahren I ZR 91/11 beklagte Unternehmen. Sie
bringt Nachbildungen der Wagenfeld-Leuchte auf den Markt. Sie wirbt
deutschsprachig im Internet und in Printmedien unter wörtlicher oder bildlicher
Bezugnahme auf die Wagenfeld-Leuchte mit der Möglichkeit des Bezugs einer
derartigen Leuchte in Italien. Die Werbung enthält den Hinweis, dass deutsche
Kunden die Leuchte unmittelbar oder zu Händen eines Spediteurs zur Mitnahme
nach Deutschland übereignet erhalten können. Die Klägerin ist der Ansicht, die
Werbung der Beklagten greife in das Recht des Urhebers zum öffentlichen
Anbieten im Sinne von § 17
Abs. 1 Fall 1 UrhG
ein. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung und
Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die
Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Bundesgerichtshof
zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Die
Beklagte im Verfahren I ZR 88/13 betreibt im Internet einen Tonträgerhandel. Am
30. November 2011 war auf der Internetverkaufsseite der Beklagten die DVD
„Al Di Meola – In Tokio (Live)“ eingestellt. Die auf der DVD
befindliche Aufnahme war vom aufführenden Künstler Al Di Meola nicht
autorisiert worden (sog. Schwarzpressung). Die Klägerin, eine
Rechtsanwaltskanzlei, mahnte die Beklagte im Auftrag des Künstlers ab. Sie ist
der Ansicht, das Anbieten der DVD verletze das Verbreitungsrecht des ausübenden
Künstlers aus § 77 Abs. 2 Satz
1 Fall 2 UrhG
**. Die Beklagte entfernte zwar das Angebot von ihrer
Internetseite und gab eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab; sie
weigerte sich jedoch, die Kosten der Abmahnung zu erstatten. Die Klägerin nimmt
die Beklagte auf Erstattung der Abmahnkosten in Anspruch. Das Amtsgericht hat
der Klage stattgegeben. Die Berufung hatte keinen Erfolg. Mit ihrer vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf
Abweisung der Klage weiter.
Der
Bundesgerichtshof hat die Revision in allen drei Verfahren zurückgewiesen. Da
es sich bei dem Verbreitungsrecht des Urhebers um nach Art. 4 Abs. 1 der
Richtlinie 2001/29/EG
harmonisiertes Recht handelt, ist die Bestimmungen
der § 17 Abs. 1 UrhG
richtlinienkonform auszulegen. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf
Vorlage des Bundesgerichtshofs entschieden, Art. 4 Abs. 1 der
Richtlinie 2001/29/EG
sei dahin auszulegen, dass der Inhaber des
ausschließlichen Verbreitungsrechts an einem geschützten Werk Angebote zum
Erwerb oder gezielte Werbung in Bezug auf das Original oder auf
Vervielfältigungsstücke des Werkes auch dann verbieten könne, wenn nicht
erwiesen sein sollte, dass es aufgrund dieser Werbung zu einem Erwerb des
Schutzgegenstands durch einen Käufer aus der Union gekommen sei, sofern die
Werbung die Verbraucher des Mitgliedstaats, in dem das Werk urheberrechtlich
geschützt sei, zu dessen Erwerb anrege. Entsprechendes gilt für den Inhaber des
ausschließlichen Rechts des ausübenden Künstlers nach § 77 Abs. 2 Satz 1 UrhG (Art.
9 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2006/115/EG
****), den Bild- oder Tonträger,
auf den die Darbietung des ausübenden Künstlers aufgenommen worden ist, zu verbreiten.
Danach
verletzt die beanstandete Werbung in den Verfahren I ZR 91/11 und I ZR 76/11
das ausschließliche Recht zur Verbreitung von Vervielfältigungsstücken der in
Deutschland als Werke der angewandten Kunst geschützten Modelle der Möbel von
Marcel Breuer, Ludwig Mies van der Rohe und der Wagenfeld-Leuchte. Bei der
Werbung handelt es sich um eine gezielte Werbung in Bezug auf
Vervielfältigungsstücke der Möbelmodelle und des Leuchtenmodells, die die
Verbraucher in Deutschland zu deren Erwerb anregt. Sie kann daher auch dann
verboten werden, wenn es aufgrund dieser Werbung nicht zu einem Erwerb solcher
Möbel durch Käufer aus der Union gekommen sein sollte. Desgleichen stellt im
Verfahren I ZR 88/13 das Einstellen der DVD auf einer Internetverkaufsplattform,
durch das zum Erwerb des Vervielfältigungsstücks eines Bildtonträgers
aufgefordert wird, auf den die Darbietung des ausübenden Künstlers Al Di Meola
aufgenommen worden ist, ein das Verbreitungsrecht des ausübenden Künstlers
verletzendes Angebot an die Öffentlichkeit dar.
I ZR 91/11
BGH, Urteil vom 5.
November 2015 – I ZR 91/11 – Marcel-Breuer-Möbel II
OLG Hamburg – Urteil
vom 27. April 2011 – 5 U 26/09
und
I ZR 76/11
BGH, Urteil vom 5.
November 2015 – I ZR 76/11 – Wagenfeld-Leuchte II
OLG Hamburg, Urteil vom
30. März 2011 – 5 U 207/08
LG Hamburg, Urteil vom
12. September 2008 – 308 O 506/05
und
I ZR 88/13
BGH, Urteil vom 5. November 2015 – I ZR 88/13 – Al Di
Meola
AG Hamburg, Urteil vom
13. September 2012 – 35a C 159/12
Karlsruhe, den 5.
November 2015
Das Verbreitungsrecht
ist das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der
Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen.
Der ausübende Künstler
hat das ausschließliche Recht, den Bild- oder Tonträger, auf den seine
Darbietung aufgenommen worden ist, zu vervielfältigen und zu verbreiten.
Die Mitgliedstaaten
sehen vor, dass den Urhebern in Bezug auf das Original ihrer Werke oder auf
Vervielfältigungsstücke davon das ausschließliche Recht zusteht, die
Verbreitung an die Öffentlichkeit in beliebiger Form durch Verkauf oder auf
sonstige Weise zu erlauben oder zu verbieten.
Die Mitgliedstaaten
sehen das ausschließliche Recht, die in den Buchstaben a bis d genannten
Schutzgegenstände sowie Kopien davon der Öffentlichkeit im Wege der Veräußerung
oder auf sonstige Weise zur Verfügung zu stellen (nachstehend
„Verbreitungsrecht“ genannt), wie folgt vor a) für ausübende Künstler
in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Darbietungen.
Pressestelle des
Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013

Telefax (0721) 159-5501